1. Th. Cap. II
HIS-Data
Seckendorff: Teutscher Fürsten-Staat HIS-Data
5226-2-4
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Von der Maasse der Landes-fürstlichen Hoheit...
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S. 57 (Forts.) CAP. IV. ⇦ S. 57 (Anfang)
  Von der Maasse der Landes-fürstlichen Hoheit und Regierung, welche aus etlichen Rechten, und befügnissen der Stände und Unterthanen des Landes und Fürstenthums herkömmet.
  Innhalt.
  Daß die teutsche unterthanen nicht sclavisch sondern als frey-gebohrne zu tractiren. §. 1.
  Immassen der landes-herren regiment durch gewisse vorbehalte, rechte und herkommen eingeschräncket. §. 2.
  Als da sind: die religions-freyheit. §. 3.
  Mittheilung der Gerechtigkeit. §. 4.
  Sicherer besitz ihrer haabe, und deren freyheit, ausser den ordentlichen gefällen. §. 5.
  Auch ist ein landes-herr die zwischen ihm und den ständen errichtete verträge zu halten, schuldig §. 6.
  It. bey nöthigen änderungen mit wissen der stände zu handeln. §.  7.
  Mit denen er auch andere dinge in nützliche berathschlagung ziehet. §. 8.
  Des endes gewisse land-täge beschreibet. §. 9.
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  Auf solchen gewisse deliberanda proponiret. §. 10.
  Und darüber von den ständen berathschlagen lässet. §. 11.
  worauf das verhandelte in einen abschied gebracht wird. §. 12.
  Zuweilen geräth es vorher zur münd- oder schrifftlichen conferenz und remonstration. §. 13.
  Werden auch wohl von den ständen gewisse gravamina zur Erledigung übergeben. § 14.
  Zur execution der landtags schlüsse oder anderer ausser-ordentlicher vorfallenheiten, wird ein ausschuß der landschafft gesetzet und beschrieben. §.  15.
§. 1 § 1.
  AUs dem, was wir oben * von der macht des landes-herrn ingemein erinnert, daß sie nicht geartet sey, wie eine eigenwillige herrschafft eines haußwirths über sein gesinde, ist leicht zu ermessen, daß die unterthanen im lande nicht sclaven, und mit leib und gut so bloß hin ihrem herrn eigenthumlich ergeben seyen, sondern daß sie regieret, und in gehorsam gehalten werden, wie Freygebohrne, und unter seinem rechtmäßigen regiment, zu ihrer leibes- und seelen wolfarth versammlete leute, von einer christlichen, und an göttliche, natürliche, und des reichs rechte angewiesenen obrigkeit von rechtswegen geschützet, und in acht genommen werden sollen, allermassen von denen vornehmsten stücken einer löblichen regierungs-form, nach gelegenheit der teutschen fürstenthümer, in folgenden capiteln mit mehrerm gehandelt wird.
  * Cap. 1. und unten §. 15. 16. addit.
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§. 2 §. 2. Uber diß aber, und insonderheit sind auch etliche gewisse haupt-sachen, die der landes-herr in seiner regierung, gegen alle seine unterthanen, nicht allein wie in vorgemeldeten gemeinen stücken, gewissens halben, und bey der verantwortung, die einsten der höchste Gott von ihme fordern wird, sondern auch äusserlicher verbindlicher schuldigkeit wegen, in acht nehmen muß, entweder, daß Er, oder seine vorfahren, es also versprochen und zugesagt, oder Ihme in allgemeinen teutschen rechten und satzungen auff diese maasse aufferleget, oder dem alten herkommen also gemäß ist.
§. 3 §. 3. Das vornehmste dieser stücke ist zu achten, die erhaltung der religion, wie solche im lande üblich und gebräuchlich ist. Denn nach nunmehrigen reichs-satzungen sind die meisten teutschen fürstenthümer und herrschafften, und dero jedesmal regierende obrigkeit verbunden, die unterthanen wieder ihre christliche und im religions-frieden zugelassene glaubens-bekäntnisse, und öffentliche, oder sonst hergebrachte übung derselben, nicht zu beschweren, sondern sie vielmehr gebührlich dabey zu schützen, wie hievon unten im 11. capitel deutlicher bericht geschehen wird. *
  * Es hat auch der herr autor in addit. §. 26. eine besondere hieher gehörige frage abgehandelt, welche daselbst zu sehen seyn wird.
§. 4 §. 4. Fürs andere pflegen die unterthanen des landes für ein besonder befügniß zu begehren, und ist auch also in reichs-satzungen versehen, daß der
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  landes-herr über gericht und gerechtigkeit im lande halten, und dahin trachten solle, daß einem jeden auf seine klage verhör und bescheid, und auf dasjenige, was er im recht erhält, gebührliche hülffe an orten und gerichts-stellen, wie von alters herkommen, wiederfahre, auch unerhörter und unbekandter dinge, niemand verdammet oder gestraffet werde. Denn im fall die Landes-herren dißfalls keine rechte anstalt machen, die leute recht- und hülffloß lassen, oder ohne einige form des gerichtes nach eigenem sinn verfahren wollten, hätten sich die stände und unterthanen des landes dessen mit fug zu beschweren, auch in beharrlicher versagung und unordnung, bey der hohen reichs-obrigkeit, um vermittelung sich zu beklagen. *
  * Wie denn hiervon bereits im 2. cap. beym 4. §. geredet worden.
§. 5 §. 5. Fürs dritte, sind die unterthanen der teutschen landes-herrschafften bey ihren hab und gütern dergestalt berechtiget, daß der landes-herr nicht macht hat, dieselbe ihnen, wie etwan in etlichen tyrannischen, oder sonst eigenmächtigen harten herrschafften geschehen mag, gantz oder zum theil, seines gefallens zu nehmen,* oder mit andern renthen, zinsen, und rechnungen, als die von alters her, oder aus neuen rechtmäßigen ursachen darauf gebracht sind, zu beschweren, und also dieselben nach seinem gutdüncken zu schätzen und zu belegen. Würde aber im gantzen reich, oder in dem kreiß, darein das fürstenthum oder land gehöret, eine anla-
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  ge gemacht, oder auf des landes-herrn ansinnen, aus bewegenden ursachen, von den ständen des landes etwas gewilliget,** alsdenn ist der landes-herr befugt, solches von den unterthanen einzubringen, wie hievon part. 3. cap. 3. tit. von der landes steuerbarkeit, unterricht erfolgen soll.
  * Es wollen zwar einige unter dem vorwand eines so genannten dominii supereminentis hierinnen ein anders behaupten, und wissen sich auch liebkosende diener denn und wenn dessen wohl zu bedienen, wie weit aber dieses geschehen könne, davon wird unten im 1. cap. des III. theils. §. 3. mehrers gesagt werden.
  ** Was aber diejenigen fürstentümer, graff- und herrschafften belanget worinnen keine land-stände zubefinden, wird ein christlicher auf den wahren wohlstand seines landes sehender regent ohnedem also verfahren, daß die unterthanen über die gebühr nicht mitgenommen werden. Mäßige anlagen und die freyheit etwas ehrliches zu erwerben, locket viele einwohner herbey; ubi vero populus, ibi divitiæ. Dahingegen mit einem ausgesogenen lande und unterthanen nicht viel anzufangen. Non sibi sed domino gravis est quæ servit egestas. S. auch die addit. §. 27. und so viel die præstationes der unterthanen betrifft, das 3. cap. des III. theils n. 8.
§. 6 §. 6. Wären denn, Vierdtens, zwischen landes-herrschafften, und ihren ständen und unterthanen, sonderbare Verträge und Abschiede aufgerichtet, und darinnen diß und jenes denenselben ver-
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  sprochen und zugesaget, wie denn hin und wieder dergleichen exempel zu finden, und gemeiniglich bey der erbhuldigung der unterthanen, solche versprechungen wiederholet und bekräfftiget werden, so hätte es darbey dergestalt auch sein bewenden, daß ohne einwilligung und nachlaß der land-stände wider und über solche verträge, der landes-herr seine macht nicht gebrauchen könte.
§. 7 §. 7. Fielen aber bey solchen befügnüssen, und vorbehaltnissen der unterthanen solche umstände vor, daß nach gelegenheit der zeiten und läufften ein anders, als von alters herkommen, zu ergreiffen seyn wolte, alsdenn öffters mit steuren und anlagen zu geschehen pflegt, da gebühret sich, daß der landes-herr seine land-stände deren wir zu eingang dieses wercks part. 1. gedacht, darüber vernehme, und mit ihrer einwilligung handele, damit sie wiedrigen falls sein vornehmen nicht widersprechen, und etwa in schwere mißhelligkeiten und rechtfertigungen mit ihme gerathen.*
  * Es sind zwar dieses beschwerliche lectiones vor die höfflinge, welche offtermahls einen landes-herrn zu vielen höchstnachtheiligen dingen und hindansetzung der land-stände verleiten, und dergleichen öffentlich in die welt zu schreiben sich nicht scheuen, vorüber doch mancher mit seinem höchsten schaden lehr-geld geben muß, wie man das mit neuern merckwürdigen exempeln erweisen kan. Das beste mittel ist, wenn ein jeder im lande bey seinen hergebrachten rechten gelassen, von dem herrn eine gnädige zuneigung gegen seine stände, von diesen aber eine devote treue gegen
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  den herrn geheget wird; so dann ist die harffe richtig gestimmet, und kann es nicht anders denn wohl hergehen. S. auch die addit. §. 6. it. das 7. cap. dieses theils.
§. 8 §. 8. Uber diese haupt-puncten aber sind nach andere viel, darinnen ein landes-herr, wo nicht aus schuldigkeit,* doch aus löblicher und guter gewohnheit, seine land-stände ebenmäßig zu rath fraget, und ihre unterthänige treue meynung und erinnerung anhöret, auch wenn er gleich nicht eben daran gebunden, dennoch von denselben nicht leichtlich abweichet, sondern da sie zumahl auf gute vernünfftige ursachen gegründet, solchen gerne folget: Und geschiehet dieses mehrentheils in denen sachen, welche zu erhaltung und rettung des landes-fürstlichen hohen standes, und zugehöriger regalien, wider besorgende schädliche eingriffe, wofern anders solche dinge verzug leiden, und nicht gar heimlich zu handeln seyn, oder zu guter ordnung und verbesserung im lande, der sich männiglich zu gebrauchen habe, oder zu sonderbarer bequemlicher handhabung dessen, was schon löblich geordnet ist, vorgenommen werden.** Wie denn solche exempel der berathschlagungen, welche die landes-herren mit ihren ständen und unterthanen dißfalls gehalten, in fürstl. und gräflichen archivis und cantzeleyen, aus denen landtags-acten hin und wieder erscheinen.
  * dicis tantum causa adhibentur in rebus, quas odium comitatur, ut subditi majore patientia jugum ferant: sagt ein berühmter lehrer, welches aber billig nur von dem mißbrauch zu verstehen.
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  Es gehet aber, wie bereits erwehnet ist, unsere rechte meynung dahin, daß ein fürst jeden seiner unterthanen bey denen hergebrachten rechten lassen, dagegen aber auch über seiner hoheit und præeminenz steiff halten solle. Wer nun andere lehren und rathschläge giebet, der sündiget wider beyde, und verursachet des fürsten, ja endlich seinen eigenen schaden. Bekant ist, was der in obgedachten 7. cap. berührte anonymus in seinem anno 1709. heraus gegeben discurs von landständen raisonnire, und die land-stände völlig zu destruiren suche; dahingegen anno 1711. jemand eine wohlgegründete refutation ans licht treten lassen. Ich will aber von diesen mir wohlbekanten autoribus voritzo nichts weiter berühren, als daß sie meines erachtens beyde der sachen zu viel gethan. Denn gleichwie jener die stände des landes gar vor nichts hält, also hebet dieser die macht derselben ein wenig gar zu hoch, gleicher gestalt, als Reincking davor halt, daß kein fürst über die jährliche ordinair-gefälle nur einen dreyer von seinen unterthanen ohne deren consens abfodern könne. Wobey aber mit Hyppolito a Lapide der rechte unterschied zwischen einer anständigen ehrbarkeit, nützlichkeit und nothwendigkeit (inter honestatem, utilitatem et necessitatem) zu mercken ist. Denn ein anders ist, ob ein fürst den consens der land-stände nothwendig adhibiren müssen, welches wohl so schlechterdings nicht zu bejahen, weil doch die unterthanen am ende nicht denen ständen, sondern denen fürsten zugehören; Ein anders aber ist, ob ein fürst nicht wohl und löblich, auch zu seinem vortheil handele, wenn er in diesen und andern schweren angelegenheiten seine land-stände zu rath
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  ziehe? welches billig zu bejahen, anerwogen denenselben die besondere beschaffenheit des landes und der unterthanen bewust, mit also deren Rath um so nützlicher gebrauchet werden kann. Zu geschweigen, daß dergleichen regiments-form von langen zeiten in teutschland herkommen gewesen, und dahero niemand darwider zu beschweren ist. Denn was obgedachter autor von einigen chur- und fürstenthümern, in welchen sich keine land-stände befinden, berühret, das ist auch von unserm autore §. 6. addit. angeführet, aber dabey vergessen worden, daß diese lande ebenfals gewisse stände gehabt, welche aber nach und nach von dem landes-herrn abgeschaffet worden, wie der berühmte Hertius solches von der Pfaltz gar wohl angemercket hat. Auf einen andern fuß nimmt der ehemahlige bekante käyserl. minister, Schröder, diese sache, indem er zum grunde setzet, daß ein jeder regent von GOtt geordnet, und also aus solcher macht eine absolute regierung zu führen berechtiget, diesemnach an keine pacta, und bedingungen mit seinen ständen und unterthanen, noch an die fundamental-gesetze gebunden sey etc. welche meynung wie sie auf einen irrigen von uns an seinem orte widerlegten grund vom göttlichen ursprung der republiquen gebauet, also ist dieselbe auch in diesem jahre von jemande sattsam widerleget worden. Ein mehrers hiervon anzuführen, ist nicht gegenwärtigen vorhabens, und wird also biß zu einer andern zeit billig verspahret.
  ** Diesemnach soll man das ansehen zu einer geld-hülffe nicht alleine haben; als welches nur ein hülffs-mitte! ist, wodurch die sonst resolvirte zu des Staats erhaltung und wohlfahrt abzielende puncte zum effect gebracht werden.
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§. 9 §. 9. Demnach aber solche berathschlagungen auf Land-Tägen zu geschehen pflegen, so ist von derselben beschreibung und proceß folgendes zu wissen. Der landes-herr beschreibet, * mittelst eines verschlossenen befehls, auf einen gewissen und nicht zu enge angesetzten tag, an einem bequemen ort seines landes, mehrentheils aber zu seiner hoff-statt, ** alle stände des landes, die wir im ersten theil oben benahmet, versiehet sie daselbst, nebenst ihren dienern und pferden, die ein jeder, nach seinem stand und altem herkommen mit sich bringet, mit futter und mahl, oder lässet ihnen dafür ein gewisses zur auslösung reichen.
  * Aber ohne vorwissen und willen des landes-herrn dürffen die stände nicht zusammen kommen, wie denn auch davon in den Käyserlichen capitulationen versehung geschehen ist.
  ** Oder auch zu der hauptstadt deßjenigen fürstenthums, dessen stände zusammen beruffen werden. Vor alters geschahe einiger landen die zusammenkunfft unter freyen himmel, wie Anton Weckius von dem lande zu Meißen, Hertius von der graffschafft ziegenheyn, Zeilerus von dem hertzogthum Braunschweig anführen. Was in dem reiche der francken hierinnen gebräuchlich war, ist aus Reubero und denen Annal. Francor. abzunehmen, wie denn auch die gewohnheit derer teutschen Käyser in campis Roncaliæ nicht unbekannt ist.
§. 10 §. 10. Wenn sie erscheinen,* wird gemeiniglich vor dem anfang der handlung der gottesdienst verrichtet, und Gott der Allmächtige um gutes gedeyen angeruffen. Nach demselben lässet der landes herr in einem saal, oder verschlossenen gemach, durch
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  seinen cantzlar, oder vornehmsten rath, (er wolte es denn selbst mit wenigen gedencken, und die weitere ausführung hernach durch jetzt bemeldte person thun lassen,) denen sämtlichen ständen die ursachen, warum sie zusammen erfordert sind, auch die puncten, worinnen ihr bedencken und rath begehret wird, mündlich anzeigen,** auch darauff schrifftlich dem obersten aus den land-ständen, so bald überantworten, und ferner begehren, daß sich die stände zusammen verfügen, die proponirte puncten wol erwegen, und darauf mit unterthäniger treuer eröffnung ihres gutdünckens sich vernehmen lassen sollen. Dieselbe erklären sich durch ihren landschaffts-syndicum, oder redner, (etlicher orten werden sie auch landschaffts-cantzlar genennet,) oder einen ihres mittels, oder auch den land-marschalck, welches in etlichen orten eine erbliche dignität, eines adelichen oder höhern geschlechts ist, nechst vorhergehender dancksagung für die zusammen-beschreibung und erforderung ihres raths dahin, daß sie denen proponirten puncten nachdencken, und ihre unterthänige erklärung darüber entdecken wolten, bitten um abtritt, und einen ort der zusammenkunfft.
  * Sie können aber entweder in person oder durch gevollmächtigte erscheinen. Wird auch nicht allemahl so genau genommen, wenn gleich ein und ander gar aussenbleibet, doch daß er sich so denn den schluß der meisten anwesenden gefallen lasse. Wolten aber die land-stände mit vorsatz aussen bleiben, könnten sie alsdenn von den landes-herrn zu erscheinen angehalten werden.
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  ** Es halten aber diese puncte in wohlbestellten republiquen nicht allein die geld- hülffen, sondern auch andere nöthige sachen in sich, wie es denn sonderlich vor alters also gewesen. Solte aber gleich aus mißbrauch einiger orten sich hierinnen ein anders befinden, ist daraus keine regul zu machen. Non quid Romanæ fit, sed quid fieri debebat, spectandum est.
§. 11 §. 11. Darauf werden sie in sondere gemächer gewiesen, als in fürstenthümern und landen, wo völlige landsässerey ist, die prälaten in eines, die grafen und herren in eines, die von der ritterschafft in ein anders, und die städte auch in ein anders, oder nach gelegenheit bleibet es bey zwo oder drey classen, nachdem der ritter- oder herren- und prälaten-stand von der landes-fürstlichen hoheit eximiret ist oder nicht. Bey einer jedweden sammlung fraget der obenansitzende, oder wer es nach altem herkommen befugt ist, die stände um ihre meynung, und vergleichen sich eines gewissen schlusses: Denselben communiciret jedere claß mit der andern, biß sie einer einhelligen meynung sich vereinbaret, oder da es nicht seyn könte, werden eines jeden sämtlichen standes oder claß meynung oder schlüsse, aufgezeichnet, und darnechst eine schriffliche antwort an den landes-fürsten verfasset, und dessen cantzlar und räthen, oder wen er darzu verordnet, und wie es gebräuchlich ist, durch etliche deputirte anß den ständen eingehändiget.
§. 12 §. 12. Ist nun der landes-herr mit solcher erklärung, nachdem dieselbe reifflich gegen die propositions-puncten überleget, und nach ihren motiven be-
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  trachtet worden, zufrieden, so läst er ihnen solches anzeigen, und wird darauf in seiner cantzley ein schrifftlicher abschied, was gehandelt und geschlossen worden, verfasset, und in beyseyn des herrn und sämtlicher stände, öffentlich abgelesen, mit dem landes-herrlichen siegel und unterschrifft bekräfftiget, und so wohl in des herrn cantzeley, als in denen brieff-verwahrungen der landes-stände, so viel classen derselben seyn, etlich mahl beygeleget, *[1] für einen schluß und gesetz des landes gehalten, in offenen ausschreiben und patenten verkündet, und die landes-stände mit gnädigen danck und erbieten wieder nach hause gelassen.
  * Wobey der landes-herr ihnen auch die so genante reversales pfleget aushändigen zu lassen, darinnen enthalten, daß die bißherige und jetzige bewilligungen künfftig denen ständen und lande nicht zum nachtheil gereichen, noch zur consequenz angezogen werden sollen. Es fragt sich aber, worüber wenn diese reversales eigentlich auszustellen? wobey zu mercken, daß wie unten im III. theil c. 3. n. 8. vorkommen wird, die unterthanen ordentlich über die hergebrachte erbgefälle nicht zu beschweren: nachdem aber in folgenden zeiten dieselben nicht zureichen wollen, so sind in vielen landen die ordinaire- oder land- item die tranck-steuer bewilliget worden, über welche denn obangezeigte reversales noch immer pflegen ausgehändiget zu werden. Wiewohl man solches nunmehr fast vor eine complimente halten solte, nachdem vieler orten solche land- und tranck-steuern mit zu denen Cammer revenuen gerechnet und anderen erblichen præstationen gleich gehalten werden, auch wohl vermuthlich
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  die guten zeiten, da solche anlagen wieder cessiren könten, noch lange aussenbleiben werden. Auf die so genante extra-steuren sind demnach dergleichen reversales unnöthlg, als welche ohnedem von zeitlicher verwilligung dependiren.
§. 13 §. 13. Würden aber die stände in ihrer ersten antwort auf die proponirte puncten zweiffelhaffte, oder gar abschlägige und wiedrige meynung führen: So wird ihnen darauf, wo ihre angezogene ursachen nicht erheblich scheinen, eine gegen-erklärung oder replic, im nahmen des landes-herrn, schrifftlich zugestellet, darauf sie anderweit, in einer fernern antwort, oder duplic, sich vernehmen lassen müssen, und geräth offt in wichtigen und verdrießlichen sachen dahin, daß wohl noch mehr schrifften gewechselt werden, ehe man eines schlusses einig werden kan, doch pfleget man um weitläufftigkeit zu verhüten, nicht gerne in weitere schrifften sich einzulassen, sondern durch mündliche conferentz, zwischen des landes-herrn räthen, und allen, oder etlichen von den land-ständen, die sachen, darum man unterschiedlicher meynung ist, gegen einander fürzubringen, biß entweder nach der proposition des landes-herrn, oder je in andere nützliche wege, nach dem rath der stände, oder der meisten aus ihnen, eine resolution gefasset wird, darinnen denn der landes-herr desto behutsamer verfähret, weil solche Landtags-schlüsse nicht nur die beschriebene stände, und ihre hintersassen, sondern auch seine unmittelbare unterthanen der ämter, welche wohl den grössern theil des landes
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  mit machen, zu gleich angehen, und er dißfalls für dieselben mit sorgen und handeln muß.
§. 14 §. 14. Bey solchen zusammenkünfften pflegen die land-stände auch fürbringen zu lassen, wessen sie sich etwan bey dem landes-herrn, wegen seiner regierung, oder sonst wegen ein und anderen mißbrauchs, der von seinen beamten und dienern im lande fürgenommen werden wollte, zu beschweren hätten.
  Dieselbigen gravamina höret der landes-herr an, und wenn sichs befindet, daß sie nicht eine und andere person aus der landschafft insonderheit angiengen, die dadurch vielleicht ihren vortheil, und dasjenige suchten, was sie sonst ordentlich nicht erlangen könten, * sondern, daß es eine gemeine klage, die entweder das gantze land, oder etliche vornehme stände desselben, oder zwar nur einen, oder wenige, aber mit befürchteter consequentz und einfolge auf andere, betreffen möchte, so wird er sich entweder so bald, nach dem die angeführte beschwerunge gegründet ist, zu billichmäßigem einsehen und abstellung des mißbrauchs erklären, oder es auf weitere erkundigung stellen oder allenfals auch neben seinen räthen etliche aus dem mittel der landschafft, welche sie selbst aus den verständigsten und unpartheyischen vorzuschlagen haben, deputiren und ordnen, welche in solchen gravaminibus oder beschwerungen, diejenigen, welche es angehet, es seyn nun stände des landes, oder herrschafftliche beamte, fürfordern, der sachen beschaffenheit erforschen, und ein billichmäßiges
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  mittel und abschied treffen sollen. Was aber partheyen und privat-sachen sind, die weiset ** man für die ordentliche gerichte, und befiehlet denenselben in der sache, nach gebräuchlicher und rechtlicher weise zu verfahren.
  * Es ist nicht zu leugnen, daß dieserwegen einiger orten ein mißbrauch vorgehe. Denn in manchen provintzien haben die stände sich also genau zusammen gesetzet, daß wann auch nur ein und andern unter ihnen das geringste beschwerlich fallen will, gleich das gantze corpus sich dessen annimmet, und ein land-tags gravamen daraus machet, wenn es gleich seiner beschaffenheit nach dahin nicht gehöret. Welches aber ein landes-herr ohne schmälerung seiner autorität billig nicht geschehen lassen darff, um weitere consequentien zu verhüten.
  ** Und lässet auch wohl der landes-herr, wenn dergleichen querelen gar zu sehr einreissen wolten, in denen ertheilten resolutionen sein habendes mißfallen mit etwas nachdrücklichen worten zu verstehen geben, und die künfftige abstellung dessen gnädig und ernstlich begehren. Ein gleicher mißbrauch ist auch, wenn die stände gleich anfangs, und ehe sie auf die proponirten deliberations-puncta die Erklärung gethan, mit ihren gravaminibus aufgezogen kommen, welches nicht allein wider den wohlstand, sondern auch wider des landes-herrn respect und hoheit lauffet, gleich als wolte man denselben vorher erst binden und dahin vermögen, daß er diese gravamina desto gewüriger resolviren müste, wolte er anders eine gute erklärung auf diese propositions-puncta erhalten. Geziehmet sich also besser, wenn die stände bei richtigkeit der propositions-puncten oder bey überrei-
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  chung der erklärung darauf die habenden gravamina eingeben, und deren erledigung in geziemender unterthänigkeit ausbitten.
§. 15 §. 15. Wenn aber dem landes-herrn solche sachen fürfallen, darzu er zwar eben nicht aus altem herkommen und schuldigkeit, die land-stände zu rath fragen muß, gleichwohl aber auch nicht gerne ohne deren vorbewust handelt; oder die sache bestehet auf blosser anordnung, gehet aber die unterthanen insgemein an; oder wird von einem thunlichen mittel geredet, wie dasjenige, was auf landtägen beschlossen, am füglichsten ins werck zu stellen sey, so pflegt der landes-herr nicht alle land-stände insgemein, sondern zu verhütung der kosten und gewinnung der zeit, öffters auch um besserer geheimhaltung willen, einen ausschuß aus denenselben zusammen zu beschreiben. Solcher ausschuß oder benennung etlicher personen bald in engerer, bald in grösserer anzahl, wird mehrentheils aus allen ständen oder classen der landschafften, auf einem allgemeinen land-tag beschlossen, und zu werck gestellet damit der landes-herr wisse, welche er in obigen fällen zu erfordern habe.
  Es geschicht auch wohl, daß, nach gelegenheit der läufften und zeiten, ein solcher ausschuß von den sämtlichen land-ständen, in denen sachen bevollmächtiget wird, die sonst für die völlige landschafft gehöreten, wessen denn der landes-herr auf diese heimstellung mit denen vom ausschuß einig wird, das ist eben so viel kräfftig, als wenn es auf einem ordentlichen land-tage geschehen wäre.*
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  * Dergleichen zusammenkünffte denn, Ausschuß-Versammlung, Ausschuß-täge, oder communications-täge genennet werden. Solche deputati nun werden zwar von der landschafft erwehlet, aber vom landes herrn confirmiret.
  Wir wollen hierbey auch nicht vergessen, daß die geistliche fürstenthümer in Teutschland, deren Häupter durch das Dom- und Stiffts-Capitul erwehlet werden, nicht wenig maasse und verbindung ** wegen solcher Capitel in ihrer regierung erlangen, deßwegen gemeiniglich sonderbare capitulationes bey der wahl mit ihnen aufgerichtet werden, auch die beschriebene päbstliche rechte hierinnen etlicher massen nachricht geben.
  ** Solte auch ein solcher geistlicher wahl- regente sich nicht allemahl gar zu genau an die Capitulation binden, wie man denn siehet, daß je mehr oder weniger geschicklichkeiten ein regent hat, je mehr oder weniger pflegt er in regiments-sachen vor sich zu verfahren, und je mehr müssen sich die stände nach seinen willen anschicken, so haben die capitel bei den vacanzen gute gelegenheit, alles ihnen nachtheilig scheinende zu redressiren, welches sich hernach der neuerwehlte nolens volens gefallen lassen muß.

  Anmerkungen HIS-Data  
  [1] * ergänzt.
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Stand: 12. September 2017 © Hans-Walter Pries