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Seckendorff: Teutscher Fürsten-Staat HIS-Data
5226-2-9-8
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Was der landes-herr bey seiner gerichtbarkeit in acht zu nehmen habe
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S. 249 (Forts.)   ⇦ S. 249: §. 7
  §. 8. Bey der eigenen gerichtbarkeit des landes-fürsten, die er fürnehmlich in seiner rath-stuben, denn auch durch ein hof-gericht, und auf eine andere weise, durch seine beamten verwalten lässet, ist zum theil oben angeführet, und allhier ferner kürtzlich zu erinnern: Daß die administration der justitz an einen regenten ein sehr vornehmes, ja ein solches stück sey, um dessen willen ihn seine unterthanen am meisten anlauffen, auch sich darüber, nach dem ihnen dißfalls wehe ober wohl geschicht, am meisten freuen oder betrüben, sintemal in andern puncten der regierung sie nicht so deutlich absehen können, was der landes-fürst darbey thut oder lässet, sondern solches offt andern ursachen zuschreiben, darum denn auch die löbliche landes-herrn sich gar nicht schämen, in diesem stück ihre eigene hohe person in einem und andern zu bemühen, wie wir oben schon angezeiget. 2. Ist auch in den meisten landes-ordnungen versehen, und sonst sehr löblich, daß diese gerichte, die der landes-herr selber hält, und halten lässet, weil sie über andere verordnet, und sonst zu gutem exempel dienen sollen, am allerfleissigsten mit tüchtigen personen bestellet, ihnen auch gute ordnungen, wornach sie sich zu richten, Scan 269
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  fürgeschrieben werden, wie solche hof- gerichts- und cantzley-ordnungen hin und wieder in druck ausgegangen.
  So ist auch sehr nützlich, wenn zur information der beamten, darzu man nicht allemal hochgelehrte leute haben kan, sonderbare deutliche instruction, wie sich dieselbe in bürgerlichen und peinlichen fällen, mit dem proceß ordentlich und nach gebühr, verhalten sollen, verfasset werden. 3. Weil auch allenthalben gebräuchlich, daß in rechts-sachen dem gerichte etwas zur gebühr, welches man sportulen nennet, gegeben wird, * ist solches auch mit gewisser ordnung zu bedencken, und so wol in der cantzeley, hof-gerichte, als andern, den beamten anbefohlen, auch allen im lande befindlichen gerichten, ein leidlicher tax zumachen, wie viel und von welchen sachen man etwas geben soll, darüber man niemand beschweren dörffe. 4. Die advocaten und redner, welche vor der cantzeley und hof-gericht ordentlich, in wichtigen dingen, aber auch vor den beamten des landes-herrn gebrauchet werden, sind auch, wie schon in etwas berühret, an gewisse nützliche ordnungen zu weisen, daß sie in ihren amt treu, zur güte mehr als zur weitläufftigkeit, räthig und geneigt seyn, und mit ihren forderungen auf das recht und ihr gewissen sich gründen, oder allenfalls nur dasjenige, was die partheyen, die sich an ihre erinnerung nicht kehren wollen, eigentlich begehren, und weiter nichts reden und schreiben sollen, damit verbitterung und verhetzung der leute zu processen, und vergeblichen kosten aufs
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  müglichste verhütet werden. 5. Erfordert auch die noth, daß von etlichen puncten, den rechtlichen proceß betreffend, die etwa auf eine gewisse zeit oder maasse eingeschrencket, und diejenigen, die sich darnach nicht halten, mit ihren suchen abgewiesen werden, dem gemeinen mann zum besten, in den öffentlichen landes-ordnungen versehung gethan, auch wol patents-weise vor den gerichts-stellen angeschlagen werde.** 6. Insonderheit aber, so etwas im Lande von Alters hero bey gerichten herkommen, welches von der art der gemeinen beschriebenen käyserlichen rechte abweichet, und zu abkürtzung des processes, oder schleuniger rechts-verhelffung dienet, wird solches, wie billig, als eine sonderbare art und gewohnheit der lande bey den gerichten in acht genommen, und darüber steiff und fest gehalten, als zum exempel, daß in etlichen landen, und zumal, wo Sachsen-recht gilt, die streitigen partheyen nicht schrifften gegen einander eingeben, sondern ihre nothdurfft durch ihre advocaten mündlich vorbringen, und stracks von munde aus nachschreiben lassen: Item daß etlicher orten auf brief und siegel schleunige execution geschicht, und die darwider eingebrachte behelffe zu besonderer ausführung verwiesen werden, und dergleichen. 7. Ist auch dieses vieler orten weißlich, um desto besserer und bedächtlicher ertheilung des rechten willen, geordnet, daß in denen sachen, die zur ordentlichen rechtlichen ausführung gedeyen, insonderheit aber in allen peinlichen sachen, durch die gerichte auch so gar die regierung selbst, auf die
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  acten oder fürbringen der partheyen, oder die eingezogene erkundigung in peinlichen fällen ordentlich, nicht durch die Cantzler und räthe selbsten noch durch die landes-fürstlichen beamten, das recht gesprochen, sondern solche auf ein sonderbar, entweder im lande darzu geordnetes collegium, unpartheyischer rechts-gelehrten, welche man schöppen, und ihre versammlung den schöppen-stuhl nennet, oder auf eine juristen-facultät auf universitäten verschicket, *** urtheil von ihnen eingeholet, und nachmals in des landes-herrn, oder dessen beamten nahmen eröffnet werden.
  * Ob es nicht besser sey die gerichts-sportuln gar abzuschaffen, ist bereits etwas erinnert, und wird auch unten in addit. dieses capitels noch mehr vorkommen.
  ** Zu wünschen wäre daß solch nützliches werck angeordnet würde, weil sonst die einfältigen leute, welche doch allemal in der republic den grösten hauffen ausmachen, aus unwissenheit der rechte leicht fehlen, und in grossen schaden gerathen können Zwar sind wohl einiger orten gewisse puncte vor die einfältigen, welche in gerichten zu schaffen haben, entworffen, sie stehen aber in den landes- und proceß-ordnungen, und werden von dem tausendesten nicht in erfahrung gebracht: Welches ein grosser fehler und gantz wider die natur der gesetze ist. Dahingegen wenn solche puncte kurtz verfasset und öffentlich angeschlagen würden, könte sich jederman selbst helffen, und offte der advocaten entbehren: Doch ist hiermit vielleicht den meisten nicht gedienet.
  *** In civil-sachen geschicht dieses gar nicht, ausser nach freyer willkühr, oder auf der partheyen begehren, und in peinlichen sachen führen die hohen collegia gar keine processe, sondern übertragen solche allemahl dem unterrichter oder gewissen commissarien,
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  welche aber auf jeden wichtigen anstand bericht erstatten und befehls gewarten müssen. Wo aber die peinliche hals gerichts-ordnung den rath der Schöpffen erfordert, wird auch von hohen collegiis nicht leicht, und ausser sondern umständen, etwas verfüget.
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Stand: 17. September 2017 © Hans-Walter Pries