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Seckendorff: Teutscher Fürsten-Staat HIS-Data
5226-4-8
Vierter Theil > N. VIII
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Bestallung eines Hofmeisters
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S. 781 (Forts.) N. VIII.
  Bestallung eines Hofmeisters, Fürstl. oder Gräflicher jungen Herren, vom vierdten, fünfften, biß etwa ins sechzehende Jahr ihres Alters.
  1.
  DEmnach wir in der furcht des HErrn reifflich erwogen, und uns selbst aus GOttes wort, unserm christlichen gewissen, und natürlicher zuneigung und schuldigkeit, wohl zu berichten wissen, was
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  uns auch hiernechst unserer hertzliebsten gemahlin, als natürlichen und leiblichen eltern unserer geliebten kinder, für ein hohes amt von der göttlichen allmacht aufgetragen, und darbey sehr schwere verantwortung in unser gewissen eingeschoben, dergestalt, daß, wo wir nicht mit aller müglichen vorsorge, treue fleiß, unserer geliebten kinder uns annehmen, und dieselbe allesamt, bevoraus aber unsere junge söhne, in den unmündigen jahren, durch gute anstalt und treuhertzige unterweisung, erinnerung und ermahnung, durch uns selbst persönlich, oder auch durch andere ihnen zugeordnete bediente, zur wahren gottesfurcht, zu aller zucht und fürstlichen tugenden, sitten und wohlverhalten, auch denen hohen personen höchstnöthigsten und geziemenden wissenschafften, sprachen, und wohlanstehenden exercitiis und übungen, auferziehen, anführen und anhalten, hergegen alles dasjenige, das ihnen an leib und seele nachtheillg und schädlich, und allen gottsfürchtigen ehrliebenden menschen, sonderlich standes-personen, nicht anständig seyn mag, nach müglichkeit, abwenden und verhüten lassen, daß uns solches für GOtt dem HErrn in unserm hertzen zu tragen, und zu verantworten, auch dessen dißfalls gedroheter straffe zu erwarten, allzu schwer fallen würde, auch wir uns vor unserer getreuen landschafft und unterthanen der nachläßigkeit, versäumniß und übeler auferziehung, mit gnugsamer antwort nicht zu entschütten wüsten, zumal uns selbst bekannt, was für ein unwiederbringliches unheil dem gantzen lande, aus bö-
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  ser erziehung fürstlicher junger herrschafften, zu erwachsen pfleget: Als haben wir, so viel unsere junge söhne belanget gewissens- amts- und nothwendigkeit halben die versehung gethan, daß solche nicht allein von der ersten stunde ihrer geburt an, unter der aufsicht unserer hertzlieben gemahlin, und der bedienung der darzu bestellten hofmeisterin, ammen und wärterinnen, mit gebührlicher leibes-wartung, welche solchen kindern gemäß ist, in acht genommen, sondern auch, so bald sie etwas vernehmen, und den gebrauch ihres kindischen verstandes, durch geberden, lallen und reden andeuten können, zu zucht, geberdigkeit, gehorsam und gebet, so viel in diesen jahren müglich, wie auch in dem anfang des lesens und schreibens, durch cammer-diener, und nach und nach durch præceptores angewiesen werden. Nun sie denn zu denen jahren gelanget, darinnen sie etwas mehr und höher mit zunehmendem alter, zu obgemeldtem zweck ordentlich gebracht und angeführet werden können, darzu sie denn eines christlichen tugendhafften, verständigen und treuen aufziehers und Hofmeisters sehr benöthiget; Als haben wir darzu N.N. mit gutem bedacht und vorgenommener berathschlagung, mit unsern geist- und weltlichen räthen bestellet und angenommen, in der maasse, und mit dem befehl und instruction, wie dieser bestallungs-brief mit mehrern ausweiset, und mit sich bringet.
  2. Damit nun unserer jungen söhne Hofmeister zu diesem vorhero bedeutetem zweck, nebenst seiner ohne das uns bekanten wissenschaft und geschicklichkeit,
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  desto mehrere nachrichtliche information in seinem amt und beruff haben möge, solle er sich mit fleiß ersehen in der für unsere fürstliche kinder, wegen dero auferziehung verfasseten, instruction und ordnung, in denen bestallungen ihrer præceptoren, und exercitien-meistere, auch anderer bedienten, wie auch in unsern gemeinen hof- und landes-ordnungen, und soll sich über diß befleißigen, den staat und die beschaffenheit unsers fürstenthums und landes, und die geschichte unserer vorfahren, samt andern unsern und unserer angehörigen wichtigen zufällen, aus denen nachrichtungen, die er auf unsern befehl erlangen soll, in guter kundschafft zu haben, auf daß er unsere junge söhne, so weit sich die fähigkeit ihres alters erstrecket, und ihnen zu wissen vonnöthen ist, mit guten und nützlichen erinnerungen und discursen in solchen dingen erbauen könne.
  3. Was die vornehmsten puncten seiner verrichtung belanget, wie er sich ingemein aus obigen unsern ordnungen und instructionen, auch unserm, nach nothdurfft der sachen und umstände, ertheilenden befehl gehorsamlich achten wird; Also, und insonderheit soll er mit allem ernst und stetem fleiß zuförderst dahin sehen, daß durch christliche unterweisung von denen unsern söhnen verordneten præceptoren, auch durch öfttere ansprache und zuredung unsers hof-predigers, wie nichts weniger durch die übung des öffentlichen gottes-dienstes, anhörung der predigten, und gebrauch der heiligen sacramenten, die wahre erkäntniß und furcht GOttes, nicht nur nach äusserlichem ansehen und
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  scheinheiligkeit, sondern in den hertzen unserer jungen söhne gepflantzet und erhalten werde, dergestalt, daß sie von jugend auf ihr gantzes hertz und sinn mit freywilligem geiste, und unverrucktem gemüthe, auf die ungefärbte wahre gottseligkeit wenden, und aus dem wort Gottes, auch daraus verfasseten begriffen, catechismis, und unterweisung in reiner christlichen lehre, treulich und fleißig angeführet werden, wie sie an GOtt Vater, Sohn und Heiligen Geist recht gläuben, und nach den heiligen Zehen Geboten GOttes christlich leben sollen, auch daß sie von kindes-beinen auf, nach dem grund der christlichen lehre sich gottseliglich üben, sich ihres allerholdseligsten Erlösers JEsu Christi, und seines heylbringenoen theuren verdienstes, und derer damit erworbenen gnade GOttes, vergebung der sünden, und des ewigen lebens erfreulich trösten, und ihrem getreuen GOtt in rechtschaffener kindlicher furcht, inbrünstiger liebe, christlicher gedult und festem vertrauen, mit heiligen unsträflichen leben und wandel zu schuldiger danckbarkeit, auch willigem gehorsam, eiferig dienen, hingegen alles dasjenige mit rechtem ernst hassen, und, als lügenhafftig, irrig und ungöttlich, verwerffen, was den heilsamen worten unsers HErrn JEsu Christi, und der lehre von der gottseligkeit, einiger maßen zuwider lauffet, solches habe auch schein und nahmen, wie es wolle, es mögen dasselbe abgöttische, falschgläubige und doch vor der welt hochansehnliche leute, gleich noch so scheinbar und verführerisch fürbringen. Diesen heilsamen unbeweglichen grund soll er, der Hofmeister, zu aller begebenheit befördern, und bey
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  unsern jungen Söhnen durch treuhertzige erinnerung und ermahnung bestätigen, auch ihnen öffters wohl vorbilden, wie der grosse GOtt vom Himmel ein allwissender, allgegenwärtiger und gerechter HErr sey, der auf aller menschen gedancken, worte und wercke genau mercke, solche für seinem angesicht habe, und gar nicht des hohen standes, ansehens, ehre und gewalt der leute achte, sondern den alleine, ohne ansehen der person, angenehm halte, der ihn fürchtet, und recht thut, daß man auch demselben mit keiner äusserlichen scheinheiligkeit, u. gezwungenem heuchlerischen gottesdienst gefallen könne, sondern das hertz zu ihm richten, und für ihm in demuth und erkäntniß des menschlichen elendes sich finden lassen, auch dahero allem hochmuth von hertzen feind werden, sich der von GOtt gegönneten ehre und standes hoheit nicht überheben sondern ie höher man sey, ie mehr man sich demüthigen müsse, und also gar nicht ursach habe, andere leute zu verachten, zu pralen, zu prassen, und seines willens zu leben, keine einrede zu leiden, sondern schlechthin meister-loß seyn wollen. Denn ja GOtt dem HErrn leicht sey, einen hohen zu erniedrigen, hingegen einen geringen zu erhöhen: Er stürtze die ruchlosen und hoffärtigen, und erzeige den Demüthigen gnade. Der Hofmeister soll auch genaue obsicht führen, daß keiner von denen bedienten, oder andern, welche mit unsern jungen söhnen umgehen, mit gottlosen liederlichen reden und spötterey, oder auch mit sündlichen bezeigungen und ärgerlichem wesen wider diese hochnöthige erbauung im christenthum bey unsern söhnen han-
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  deln, sie in ihrer christlichen zucht und glaubens-einfalt irre machen, von andern falschen ehren anderst, als sichs gebühret, urtheilen, ihnen den wahn von einer allgemeinen religion oder indifferentz beybringen, und also ihre unschuldige hertzen zum bösen leiten möchten: Da sich auch dergleichen begebe, als wir doch nicht hoffen wollen, soll unser Hofmeister mit allem ernst sich dargegen setzen, und uns zu unabläßiger bestraffung, oder anderer nachdrücklichen änderung, darvon anzeige thun.
  4. Wegen des gebets, zu dessen andächtiger verrichtung wir unsere söhne von jugend auf angehalten wissen wollen, soll der Hofmeister darauf sehen daß des morgens und abends, auch bey den mahlzeiten die ordnung damit in acht genommen werde, welche wir den præceptoren und cammer-dienern bey unserer jungen herrschafft dißfalls fürgeschrieben, und weil darinnen versehen, wie es sowohl bey dem aufstehen, als auch hernach, wenn sie angekleidet sind, vor u. nach den lectionen, vor und nach der tafel, und vor und bey dem schlaffengehen, mit sprechung oder lesen der christlichen gebete, psalmen, capitel der heil. schrifft, stücke des catechismi, auch mit gottseligen gesängen, gehalten werden soll als wird er darinnen keine änderung durch die bediente vornehmen, sondern sich auch selbst ordentlich bey solchem gebet finden lassen, da er den keines weges zugeben soll, daß sie sich darbey kaltsinnig, unfleißig, oder ungeberdig und verdrossen, bezeigen, vielweniger soll er nachsehen, daß in währendem gebet die bediente, oder andere, hin und wieder lauffen, schwatzen, arbeiten , oder andere darzu nicht gehörige dinge treiben, und sonderlich sollen al-
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  le tage gegen abend unsere sämtliche geliebte kinder, söhne und töchter, zusammen gebracht, eine christliche betstunde mit lesung der heiligen schrifft, auch, nach gelegenheit der zeit, einer auslegung über sonn- und fest-tags-evangelien und episteln, wiederholung des catechismi, und sonst mit beten und singen angehalten, und dieselben aus denen verlesenen capiteln und predigten, durch ihre præceptores, auf vorhergehende kürtzliche anführung dessen, so zu christlichem unterricht, trost und ermahnung dienet, erforschet werden, bey welchen betstunden der Hofmeister, samt allen unserer jungen Söhne bedienten zugegen seyn, und, daß sie wohl, christlich und andächtig verrichtet werden, ernstliche obsicht haben soll.
  5. Zu dem öffentlichen gottes-dienst soll der Hofmeister unsere söhne iedesmahl, wenn wir, oder in unserm abwesen, unsere hertzliebste gemahlin, solchen besuchen, führen und begleiten, und in der kirchen darauf sehen, daß sie die christlichen gebete und gesänge, aus denen bey händen habenden büchern, fleißig und andächtig nachsprechen, und mitsingen, auf die predigt göttliches worts eigentlich mercken, den christlichen handlungen der heiligen Sacramenten, auch der ordination und ehe-stifftung, mit andacht und stillen geberden zusehen, (massen ihnen von dem allen, und was darbey zu christlicher erbauungzu bedencken, und zu behalten, durch ihre præceptores gnugsam nachricht wiederfahren soll) auch sonst bey dem gottesdienst sich alles schwatzens, schlaffens, herum-gaffens und ungeberden, gäntzlich enthalten. Da wir aber unsere
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  söhne zu uns in unsern kirch-stuhl nehmen würden, wollen wir die verordnung thun, daß durch ihre bediente, nechts uns, selbst hierauf obsicht gehabt, und, wo es die noth erfordert, hernach dem Hofmeister von ihrer bezeigung eröffnung gethan werde. Nach verrichteten gottesdienst soll er sie durch ihre præceptores aus der predigt, und deren stücken, examiniren, auch, die so weit geübet sind, dasjenige, was sie gemercket, in ein besonder büchlein schreiben lassen. Bey dem allen aber, wie oben von der wahren gottesfurcht vermeldet, durch fleißige ermahnung und zurede dahin trachten, daß unsern söhnen die liebe und begierde zu göttlichen wort, und übung eines rechtschaffenen freywilligen gottesdienstes ie mehr und mehr beygebracht, und sorgfältig verhütet werde, daß sie nicht aus zwang und gewohnheit, sondern mit geneigtem gemüthe sich solcher heiligen handlung befleißigen. Diejenigen auch von unsern geliebten söhnen, die das heilige Sacrament des Abendmahls, alters und verstandes halben, gebrauchen können, soll er zu rechter zeit darzu erinnern, und sie durch ihren beicht-vater vorhero mit christlicher ermahnung versehen lassen, auch darauf sehen, daß sie selbst mit gottseliger übung und betrachtung solches hochheiligen wercks sich vorbereiten mögen.
  6. Unserer Söhne Hofmeister soll mit allem fleiß, durch nothwendige erinnerung und obsicht daran seyn, daß sie uns, und unserer gemahlin, als denen natürlichen leiblichen eltern bey aller begebenheit, aus kindlichem hertzen mit aller ehre und gehorsam begegnen, und solches nicht nur mit äus-
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  serlichen geberden und worten, sondern auch mit unverdrossener vollbringung unsers willens, und allerhand wohlverhaltens, iederzeit darthun, hingegen ernstlich alles dasjenige fliehen und meiden mögen, was zu einigem unwillen und verdruß anlaß und ursach geben könte. Wie er ihnen denn so offt es die gelegenheit giebet, wohl zu gemüthe führen soll, daß sie, nechst GOtt von uns, das leben auch allen nothdürfftigen und standes gemässen unterhalt haben, wir auch, nach müglichkeit, ihre zeitliche und ewige wohlfahrt zu befördern, uns zum höchsten angelegen seyn lassen. Mit allem fleiß und ernster straffe soll er verhüten, daß durch ihre bediente, oder andere, ihnen nichts fürgebracht werde, dadurch ihre gemüther von solchem schuldigen respect und gehorsam verrücket, und zu eigenem willen, oder ungebührlicher furcht und abwendung, von uns verleitet werden möchten. Und damit sie in kindlicher liebe und gehorsam desto mehr zunehmen, wollen wir, daß der Hofmeister in allen dingen, so zu ihrer beliebung und lust dienten, oder darnach sie sehr verlangten, sie dahin weise, daß sie, auf vorhergehende seine gebührliche anmeldung, wo anders die sache also beschaffen, daß wir ihnen willfahren können, uns oder unsere gemahlin selbst ansprechen. Wenigers nicht sollen unsere söhne auch darzu gehalten werden, daß sie sich gegen unsere räthe, hof-officianten, und andere ehrliche leute, mannes- und weibes-personen, so wohl auch, und fürnehmlich fremden ankommenden herrschafften, ieden nach standes-gebühr, mit grüssen, ehrerzeigungen, geberden und worten, gebührlich und höf-
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  lich erweisen, auch von niemanden schimpflich reden, soll auch nicht nachgeben, daß ihnen etwas verkleinerliches von unsern bedienten, durch die aufwärter oder andere, vorgebildet werde, sondern solche ohrenbläser ernstlich abstraffen, oder uns selbst davon eröffnung thun. Er soll sie auch dahin weisen, daß, wenn unsere geist- und weltliche räthe, auf unsern befehl ihnen etwas andeuten, daß sie solches mit allen ziemenden respect anhören, sich darnach achten, auch sonst, da sie von denenselben, besonders auch von unserm hof-prediger, besuchet, und zu gutem ermahnet würden, solches willig, gerne und danckbarlich, aufnehmen.
  7. Ob nun wohl aus der gottseligkeit und christlichem gehorsam alle andere tugenden entspringen, so wollen wir doch unserer söhne Hofmeister dahin hiermit befehlicht haben, daß er für sich, und die ihme nachgeordneten præceptores, und andere diener, auf die pflantzung aller christlichen und anständigen tugenden, guter sitten und höflichkeiten, sein immerwährendes sorgfältiges absehen führen soll. Er soll zuförderst darob halten, daß unsere liebe kinder, als natürliche brüder und schwestern, und besonders auch unser söhne unter sich einander inbrünstig lieben, einträchtig mit einander umgehen, und keiner den andern, ob er schon älter, verständiger und geschickter wäre, um welcher ursach es auch immer seyn möge, mit zornigen anschauen, feindseligen geberden, oder verdrießlichen zornigen worten, schelten, anwünschen, mit anzüglichen spöttischen reden und unnamen, antasten, zum allerwenigsten aber schlagen, stoßen, verletzen, oder in andere wege
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  durch unfreundliche bezeigungen beleidigen, oder auch, da der andere etwas erlanget, oder lob und ehre verdienete, ihn darum neiden mögen: Sondern vielmehr einander alles gutes gönnen, wünschen und anthun, und dermassen untereinander, auch alsofort gegen iederman in liebe, freundlichkeit und sanfftmüthigkeit, verträglich, gedultig und holdselig leben, mit niemand in ein wort-gezänck sich einlassen, oder da aus schwachheit und übereilung etwas vorgangen, sich zumahl auf des Hofmeisters, oder anderer bedienten, zuredung, so balde versöhnen lassen. Weil aber diese tugend nicht ehe statt hat, es seyen denn die affecten und gemüths-neigungen gemäßiget und gedämpffet, so soll der Hofmeister von jugend auf bey unsern söhnen dahin sehen, daß bey ihnen der eigene wille gebrochen, und dasjenige, worzu sie eiferig verlangen, oder worauf sie durch gähzornige bewegung, oder auch andere eilsame einfälle gerathen, ob es gleich an sich selbst nicht unrecht oder sträflich wäre, keines weges auf solchen ihren eigenen willen gestattet, sondern vielmehr und ernstlichen verwehret werde und soll er sie bey solcher gelegenheit beweglich unterweisen, wie sie ihre begierden im zaum halten, und, da sie solche nicht erfüllen könten, deswegen nicht mürrisch noch ungedultig werden, sondern gedencken sollen, daß es mit ihnen gut gemeynet, auch ihnen im gegentheil zum höchsten schädlich seyn würde, da man sie nach ihrem eigenen kopff trotziglich und widersinnisch verfahren liesse. Es soll ferner der Hofmeister unsere söhne in schamhafftigkeit und zucht, mit geberden, worten und wercken, auch in kleidungen, und ih-
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  rem gantzen leben, erhalten, und ihnen nichts unerbares, unhöfliches und schandbares, nachsehen, auch müglichsten fleisses verhüten, daß ihnen dergleichen von andern nicht fürkomme, viel weniger aber durch ihre diener einige ärgerniß hierwieder gegeben werde. Er soll sie auch von jugend auf zur gerechtigkeit und billigkeit anweisen, und daher nicht nachsehen, daß sie unter sich, oder einem andern, aus schimpff oder ernst etwas nehmen, verderben, verstecken, oder aus geitz und begierde, etwas oder alles, was andere haben, auch begehren und erzwingen wolten, vielmehr soll er sie zu christlichem mitleiden und aller gutthätigkeit anleiten, und daß sie auch von denen mitteln, die wir ihnen zu hand-geld verordnen werden, den armen gutes thun lernen, anweisen: Doch soll er nicht nachgeben, daß sie etwas von spielwerck, oder auch andern mobilien, die sie in ihre verwahrung bekommen haben, einander verwechseln, oder damit parthieren lernen, sondern solche rathsamlich aufheben, und darüber verzeichniß halten, da sie etwas davon einander, oder sonst iemanden, schencken wolten, solches, wo es nicht gar geringe sachen wären, vorhero ihme dem Hofmeister, anzeigen, und seiner verordnung gewarten. Mit allem ernst soll er sie zur aufrichtigkeit, wahrheit und vorsichtigkeit anhalten, und in keinerley weise nachgeben, daß sie dem schändlichen laster der lügenhafftigkeit, falschheit und waschhafftigkeit in der jugend anhangen, und solche hernach ins alter bringen lerneten, sondern da er vermercket, daß sie etwas, auf befragen, zur ungebühr verläugnen, verdrehen, anders deuten, ihr ver-
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  sprechen, so mit bedacht, oder nach gelegenheit, mit unserer oder des Hofmeisters bewilligung, geschehen, hinterziehen, sich auf liebkosen und schmeicheley ihrem hertzen und gemüth zu wider, befleißigen, einander verdrießliche und verhaßte sachen heimlich zutragen, und in die ohren blasen, schimpflich und verkleinerlich von iemands heimlich oder öffentlich reden wollen, soll er ihnen solches mit allem ernst und fürstellung der sünde, und schändlichen laster und übelstandes, verweisen und darüm straffen. Insonderheit auch soll er nicht zugeben, daß sie einander ihre gebrechen aufrücken, um nichtswürdiger dinge willen bey ihme oder uns verklagen, dasjenige, was vorgangen, noch grösser und gehäßiger vorbringen, einander, zumal in gegenwart fremder leute, reformiren, anfahren, und anders, als wohlmeynend, christlich und bescheidentlich erinnern. Er soll sie auch von unnützen plaudern und waschen, als welches jungen leuten, sie seyn wes standes sie wollen, u. bevorab in gegenwart alter und ehrlicher leute, oder ihrer vorgesetzten, übel anstehet, abhalten und was sie wissen oder reden wollen, bescheidentlich und mit wenigen thun, und, auf gegebenen bericht darbey beruhen, auch höflich u. vernünffig auf befragung, antworten lassen. Alles prahlen, aufschneiden, rühmen, und unnützes, läppisches, altvettlisches vorgeben, soll er mit ernst vernichten, alles schweren, fluchen, auch vergebliches hohes betheuren, soll er von ihnen ferne seyn, und da es geschehen, ohne ernsten verweist und straffe nicht hingehen lassen, sie auch von jugend auf unterweisen, daß sie solchem laster, und denen damit behaffteten leuten,
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  fuchs-schwäntzern, ohrenbläsern, wäschern, pralern, und aufschneidern, von hertzen feind werden, und sich ihrer gesellschafft äussern: In Summa, alles was christlich, erbar, wohlanständig und lobwürdig ist, das soll er unsern jungen söhnen zu aller zeit und gelegenheit wohl beybringen und ihnen angenehm und geliebt machen, hingegen wider alle laster, ungeberde und übelstand einen beharrlichen eckel und abscheu ihnen einzupflantzen trachten.
  8. Nachdem wir dann zu erlernung der nützlichen sprachen und wissenschafften, auch zuförderst zu mehrerm grunde der seligmachenden religion, unsern söhnen gewisse præceptores und informatores bestellet, welche täglich, nach der ihnen vorgeschriebenen art und instruction zu verordneten stunden, ihre unterweisung mit denenselben vornehmen, so soll unserer Söhne Hofmeister genaue obsicht haben, daß dieser unserer verordnung mit fleiß nachgegangen werde, wie er denn zum öftern, und sonderlich wo die præceptores klage und beschwerung hätten, bey den lectionibus selbst seyn, und gute ermahnung zur aufmerckung und fleiß anwenden, auch wöchentlich, oder alle vierzehen tage, mit zuziehung unsers hof-predigers, zu gewisser stunde die lectiones derselben wochen, oder kürtzliche examination wiederholen, die befundene mängel unsern söhnen wohl für fürstellen, und was zu ihrem aufnehmen im studiren dienet, bey ihnen unerinnert nicht lassen soll. Da er auch dafür hielte, daß in einem und andern mit der instruction eine änderung und besserung vorzunehmen stünde soll er, seinen pflichten nach, uns solches eröffnen, auch jähr-
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  lich erinnern, daß durch unsere darzu befehlichte räthe eine durchgehende examination, wie weit sie in denen verordneten lectionibus seither der letztern erforschung fort gefahren wären, vorgenommen werde. Und wird er dißfalls gute behutsamkeit gebrauchen, und durch alle dienliche zu gemüth-führung, dahin arbeiten, daß unsere söhne bey guter begierde und lust zu studiren, auch affection zu ihren præceptoren, erhalten, und ihnen kein widriges fürgebildet, oder sie allzu frühe ihres standes oder hohen ankunfft innen werden, auch dahero desto mehr sich der disciplin und mühe zu entheben trachten.
  9. Alsdann auch ferner zu erhaltung menschlicher gesundheit, auch der höflichkeit und reinigkeit, viel daran gelegen, daß mit essen und trincken, schlaffen und wachen, ruhen und bewegen, wie auch in der kleidung, leibes-übung, gute vernünfftige maasse und ordnung gehalten werde, so wollen wir, daß unserer Söhne Hofmeister dieses alles sich wohl angelegen seyn lasse. Zu dem ende soll er mit dem aufstehen und schlaffen gehen, nach der jahrs-zeit, auch dem alter unserer söhne, eine bequeme gewisse zeit halten, und des sommers gegen sechs, des winters um sieben uhr des morgens, unsere söhne durch ihre cammer-diener wecken, des nachts aber im sommer über halb zehen, und winters über halb neun oder neun uhren mit dem schlaffen-gehen ordentlich nicht verziehen lassen, nach dem aufstehen des morgens, und nach dem schlaffen-gehen abends, soll er darüber halten, daß sie sich reiniglich und sauber, sowohl auch vor und nach der mahlzeit waschen, auch ihren leib und kleidung unbesudelt, rein, und ohne muth-
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  willige verderbung und beschmutzung erhalten. Die kleidung an sich selbst soll er, nach unterscheid der sommer- und winter-zeit nach der art und weise, wie wir und unsere gemahlin die farben und trachten ordnen werden, durch ihre bedienten ihnen anlegen, und was sie bedörffen, richtig verzeichnen, und in unsere rent-cammer, daß es zu rechter zeit geschaffet werde, einreichen lassen. Tafel und speisung soll er an den ort, den wir verordnet, zu rechter zeit halten, und unsere söhne darbey iedesmahl erscheinen lassen, und mit allem fleiß darauf sehen, daß sie das gebet andächtig verrichten, höflich, mäßig und reinlich an tische, und mit der speisung und tranck sich geberden, alle unfläterey und säuisches wesen vermeiden, sich nicht überfüllen, oder dem schändlichen und hochschadlichen laster des zechens u. vollsauffens, oder ungenöthigten trinckens sich ergeben, wie er denn die abscheulichkeit und übelstand der trunckenheit ihnen wohl einbilden, und sie mit ernst zu einem nüchtern und mäßigen leben anhalten soll. Er soll auch nicht zulassen, daß sie grobe unverdauliche speise, oder allerley obst und genasche in ziemlicher menge zu sich nehmen, oder hingegen lauter leckerhaffte dinge essen, und allzu zärtlich seyn wolten. Das frühestücke, und das essen und trincken zwischen der mahlzeit, soll er ihnen nicht angewehnen, sondern es des morgens bey einer suppen bewenden lassen, und in heisser zeit, doch nicht so bald auf grosse bewegung einen trunck des mittags oder abends, nach gelegenheit erlauben. Alsobald nach der mahlzeit, wie auch sonst, soll er alle übermäßige bewegung des leibes, dadurch sie sich zu sehr erhitzen,
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  oder schaden thun könten, wie auch ungeberdiges gekrümmetes stehen oder sitzen nicht zugeben, und ihre gesundheit ihme wohl anbefohlen seyn, auch deswegen bey uns, und wegen der speisung und trancks, da er mangel befünde, bey unserm hof-marschalck alle nothwendige erinnerung thun lassen, und, wo er vermerckte, daß unsere söhne nicht bey natürlicher rechter leibesbeschaffenheit wären, soll er solches unsern medicis bey zeiten wissend machen, und dero verordnung wohl in acht nehmen lassen auch desto fleißger auf ihre diät oder lebens-art aufsehen, und also alle umstände der zeit, des gewitters, und ihrer befindung, wohl erwegen: Zu dem ende soll er auch entweder selbst in ihre cammer des nachts schlaffen, oder, daß sie mit treuen und wachsamen personen zu der zeit versehen seyn, fleißige inspection führen. Da auch unsere söhne mit uns speisen solten, wird der Hofmeister desto genauere obsicht haben, daß sie sich züchtig und bescheidentlich in allen, sonderlich auch mit gebräuchlicher u. belieblicher aufwartung gegen Uns, nach andeutung unsers hof-marschalls, erweisen, und sich selbst nicht zu schimpff darstellen, wie er denn auf ihr verhalten mit fleiß mercken, und was sich zu der zeit nicht füget, hernachmahls bequemlich erinnern und anthen soll, etc.
  10. Unserer söhne Hofmeister soll auch mit guter inspection darob sey, daß unsere söhne bey denen für sie bestellten exercitien-meistern, bereitern, fechtern, tantzmeistern, wie auch ingenieuren oder baumeistern, musicanten, mahlern, etc. zu denen verordneten stunden ihren fleiß erweisen, wie er denn
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  zu dem ende in dem reit-hauß, oder auf der bahn, so offt diejenige von unsern söhnen, welche alters und leibes-kräfften halben darzu geschickt sind, daselbst reiten, zugegen seyn, und, seinem besten verstande nach, achtung haben soll, wie sie sich auf erinnerung und anleitung des bereiters, auch unsers stallmeisters, dem die obsicht dißfalls auch befohlen, bezeigen, damit, auf verspürte nachläßigkeit oder ungehorsam, oder auch beschwerung des bereiters, er ihnen nothdürfftige zuredung thun könne. Also soll er es auch bey dem tantzen und fechten halten, und insonderheit dahin sehen, daß sie, mittelst solcher exercitien, bey geradig- und hurtigkeit des leibes erhalten, und zu guten geberden gewöhnet werden mögen, massen die exercitien-meister darauf auch absonderlich instruiret, der Hofmeister aber, so offt es nöthig, sie darzu vermahnen, und, daß sie ihr amt mit treu und fleiß gebrauchen, stete aufsicht haben soll. Er soll aber auch nicht zugeben, daß unsere söhne auf ein oder anders solches exercitium ihren gantzen sinn neigen und setzen, und darüber andere nöthigere, und erbauung ihres gemüths und verstandes angesehene dinge hindan setzen, oder verachten, sondern bey ihnen wohl unterscheiden, welches blosse leibes-hurtigkeiten, und zufällige, auch mit zunehmenden jahren und dem alter, zum theil vergängliche, und welches beständige und unentbehrliche, auch ihnen eigentlich anständige wissenschafften, gaben und qualitäten seyen.
  11. Weil dann auch bey aller arbeit und verrichtung eine erquickung und ergetzlichkeit seyn muß,
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  und solche besonders der jugend nicht zu verwehren ist, auch zur gesundheit und aufmunterung des gemüths ihren mercklichen nutzen hat, so soll auch unserer Söhne Hofmeister, nach unterscheid ihres alters, auch der jahres-zeit und gelegenheit, ihnen kurtzweil und erquickung, es sey mit spatzieren-gehen, oder reiten, oder allerhand zuläßigen spielen unter einander, zu der zeit, wenn sie an ihren lectionen und exercitien nichts versäumen, (es sey denn daß sie von uns sonderbare erlaubniß zu etwas mehrer belustigung mit jagen, hetzen, fischen, oder mit verreisen auf unsere ämter und landschafft, erlangen) zu verstatten, und darbey nicht alles so genau zu nehmen, sondern, was ohne boßheit und schaden geschicht, etlicher massen der kindheit und jugend nachzusehen wissen, doch, daß mit fleiß verhütet werde, daß unsere söhne nicht mit schädlichen gefährlichen übungen, hand schertzen, ringen und steigen, rennen, oder dergleichen, daraus sie zu fall oder verletzung kommen, oder doch den leib allzu sehr bewegen, oder sich unter einander beleidigen könten, ergetzen, sondern bey anständigen, oder doch unschädlichen erquickungen begnügen mögen, zu rechter zeit aufhören, und darbey niemals alleine seyn, sondern allezeit, entweder den Hofmeister selbst, oder einen præceptorem, und ihre cammer-diener und aufwärter, darbey haben, und soll unser Hofmeister, oder seines abwesens, im fall, die andern bediente, auch diese spielezeit zu mehrerm nutzen bisweilen anwenden, und unter dem spatzieren gehen ihnen ein und andere anmuthige und erbauliche geschicht in teutscher, und anderer ihnen
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  bekannter sprachen erzehlen, oder von denen geschöpffen GOttes und erd-gewächsen, die ihnen der augenschein giebt, unterricht geben, auch, da sie in zuläßigen spielen, als etwan beym schacht, im ballhauß, bey den ballonen, und bey allerhand kugel-spielen, etwas weniges aufsetzen wollen, solches ihnen nicht verwehren, doch mit fleiß darnach sehen, daß, welche etwan mit gewinnsucht und allzu grosser begierde sich darauf legen, deswegen mit nothwendiger erinnerung angesehen, auch keinen verstattet werde, den andern zu betriegen, oder vortheil zu gebrauchen, in dem solches von tückischen, und nicht von redlichen aufrichtigen gemüthern zu geschehen[1] pfleget.
  12. Nachdem aber die jugend ihre meiste ergetzung an der gesellschafft suchet so wollen wir zwar unserer Söhne Hofmeistern dißfalls anheim gegeben haben, daß er ihnen erlauben möge, iemands von jungen wohlerzogenen adels-personen, oder andern feinen bekannten knaben, zu sich zu ziehen, doch, daß er mit allem fleiß darauf sehe, und durch andere diener beobachten lasse, wie sich solche bey unsern söhnen erweisen, damit, wo sie etwas ärgerliches oder unzuläßiges handelten oder vorbrächten, die nothdurfft in acht genommen, und solche künfftig nicht wieder zu ihnen gelassen werden. Es soll uns auch nicht zuwider seyn, wenn unsere hof-officianten, oder andere diener, wie auch fremde ehrliche leute, auf unsers Hofmeisters vorbewust, unsere junge söhne besuchen, und mit ihnen spatziren gehen oder sonst conversiren wolten, doch, daß sie, es wären denn unsere räthe, oder sehr vertraute personen, nicht
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  absonderlich und allein mit ihnen reden, ingleichen, daß alle ärgerliche oder unnütze discurse, daraus unsere Söhne in einige wege von ihrem guten vorhaben, und denen regeln ihrer auferziehung, irre gemacht, und verleitet würden, vermieden, und, da solche reden etwa ohne scheu geschehen, nicht ohne widersprechung, noch unsere söhne ohne gnugsame erinnerung gelassen werden.
  Es soll auch der Hofmeister macht haben, da er eine und andere person dißfalls unsern söhnen nicht fürträglich, sondern schädlich in solcher conversation befünde, dieselbe, von ihnen abzuweisen, oder nach gelegenheit, uns darvon eröffnung zu thun. Er soll auch nicht zugeben, daß unsern Söhnen die hohe Standes-Titul in ihren jungen jahren von dienern, oder andern, gegeben werden, wie er denn bey denen, die fremde sind, deswegen erinnerung thun kan, vielweniger soll er andere schmeicheley und übermäßiges loben, und steten anhang und insinuation von dienern, und zumahl geringen leuten, daraus allzugrosse familiarität und confidentz entstünde, nachsehen, sondern in dem allen gute maasse halten lassen.
  Dargegen soll er auch unsere söhne unterrichten, wie sie hohe und niedere personen mit anreden, tituliren, reverentzen, und dergleichen höflichkeiten, tractiren sollen, inmassen, wo ihm deswegen zweiffel beywohnete, er von uns sich befehls erholen, oder mit unserm hof-marschall deswegen vernehmen soll, er soll sie auch mit guter ermahnung und fürstellung des unterscheids von jugend auf dahin gewehnen, daß sie gern und lieber mit vornehmen,
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  geschickten und aufrichtigen leuten, als mit andern, die solche qualitäten nicht haben, und am allerwenigsten mit gemeinem gesinde, possen-reissern und schwätzern, ümgehen, welches letzte er mit allem ernst verwehren soll.
  In gemein soll er ihnen auch keinen müßiggang und faullentzen, melancholisches innensitzen, und dergleichen unmuth, daraus niemals etwas gutes entstehen kan, nachlassen, sondern ausserhalb ihrer lection und exercitien, auch der gewöhnlichen tafel-zeit, kirchen- und betstunden, sie selbst zur recreation oder conversation etwas zuläßiges vorzunehmen veranlassen, wie ihnen denn des sommers unsere lust- und andere gärten, des winters unsere sähle und andere gemächer, in gemein auch ball-hauß, und dergleichen, offen stehen, und auf weise, wie obgedacht, erlaubet seyn sollen.
  13. Es soll auch unser Söhne Hofmeister auf alle ihnen zugeordnete diener, bevorab aber die cammer-diener, laquayen, pagen, und gemeine aufwärter, als welche wir alle an ihn gewiesen haben wollen, eine scharffe und genaue obsicht haben, daß ein ieder seines amts und dienstes mit treu und fleiß warte, und weder tages noch nachts unsere söhne allein weder in- noch ausser dem gemach gelassen, sondern mit dienern, welche ihnen zur hand gehen, auf ihr verhalten achtgeben, und ihrer auch für schaden wahrnehmen können, versehen seyen, zu dem ende der Hofmeister öffters, unvermutheter dinge, nach solcher aufwartung sehen, und, wo er mangel befindet, solchem sträflich begegnen soll. Und weil durch tägliche exempel vielmehr gehindert
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  und zerstöret wird, als sonst viel gute ermahnungen, und lehren erbauen, so soll er insonderheit alle diener, die bey unsern söhnen zu thun haben, aufs fleißigste ermahnen, daß sie selbst vor allem ärgerlichen unerbaren wesen, auch ungeberden und grobheiten, sich enthalten, unsere söhne so wohl mit ihren eigenen exempeln, als erbaulichen worten, zu allen tugenden und wohlstand anweisen helffen sollen, insonderheit, daß sie, die diener, sich hüten vor fluchen, schweren, schänden, schmähen, zancken, hadern, drohen, pochen, groben zoten, possen, buhlen-liedern, sauffen und schwelgen, hoffart und leichtfertiger kleidung, spielen und doppeln, erzehlung ergangener ärgerlicher dinge, unflätiger gemählde, schändlicher bücher, schrifften falscher lehrer, und in summa, daß sie solche und andere schändliche dinge unseren söhnen nimmermehr hören noch sehen lassen, auch in ihrem gemach keine zeche und gelag halten, oder iemands ohne unsers Hofmeisters vorbewust, oder unserm befehl darein ziehen, und zu ihnen lassen. Er soll auch nicht zugeben, daß die diener unsere söhne anderst als mit guten worten und beweglicher ermahnung ziehen, noch sich mit ihnen in gezänck und wort-wechsel einlassen, oder ihnen etwas erlauben, so ohne des Hofmeisters anordnen nicht geschehen mag, oder hingegen aus eigensinnigkeit ihnen geringe dinge daraus nichts böses entstehet, verwehren, darüber verklagen, anfahren, aushöhnen, oder altvettelische, schreckhafftige und furcht-bringende dinge fürbilden, oder auf ihre frage, da sie ein- und anders, so nicht unziemend ist, wissen wollen, anderst, als mit gutem grunde, be-
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  richten. Im geringsten soll er nicht verstatten, daß sie ihnen etwas widriges von ihrer auferziehung oder unserer anordnung fürschwatzen, darüber, ihres gefallens, schreiten, dispensiren, und unsere junge söhne durch solche verkehrte weise an sich hängen, u. von ihme, dem Hofmeister, und endlich von uns selbst abwenden wolten, sondern in dem allen soll er sie darzu halten, daß sie ihme treulich und ungescheuet was in seinem abwesen vorgegangen, und seiner resolution bedarff, eröffnen u. seines befehls gewarten, da auch der Hofmeister hiewieder mangel und unart bey denen bedienten vermerckete, soll er ernste ermahnung und erinerung vorgehen lassen, auch unsern hof-prediger zu gleichmäßiger verhaltung zu hülffe nehmen, ingleichen, zumal bey den pagen und jungen, gewöhnliche straffen anordnen, da aber nichts verfangen wolte, oder es wäre bald anfangs zu grob und ärgerlich verfahren worden, da soll der Hofmeister uns unterthänige anzeige zu thun schuldig seyn, damit so balden änderung getroffen, und dißfalls kein weiterer unrath durch unzeitiges nachsehen verursachet werde.
  14. Damit nun diese seine bestallung, und was unsere weiters verfassete instruction und ordnung, wegen unserer kinder-zucht, vermag, der verordnete Hofmeister desto nachdrücklicher handhaben könne: So wollen wir ihme hiermit erlaubniß und macht gegeben haben, nechst uns, alles dasjenige, was bey unsern söhnen, wenigers nicht, als bey andern knaben, der zucht halben, nöthig und thunlich ist, vorzunehmen, darbey er sich denn guter behutsamkeit, auch gedult und sanfftmuth, gebrau-
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  chen, und die maasse und art halten wird, daß anfänglich durch ihn, wie auch die præceptores und cammer-diener, gelinde ermahnung und abwehrung, dann zum andern mahl schärffere vorbehaltung, und ferners eine würckliche bestraffung, es sey nun, nach gelegenheit des alters, auch der überfahrung, die ruthe, oder etwa die entziehung der spiel- und recreation-zeit, still sitzen, aufgebung etwas, das sie über die ordnung lernen oder verrichten sollen, oder auch, daß er mit zuziehung unsers hof-predigers ernsten verweiß vornehme, oder endlich, und da diß alles nicht verfangen wolte, uns selbst darvon andeutung thue. Zu dem ende soll er alle unserer söhne bediente, bey ihren pflichten zu fragen haben, so etwas wider die ordnung fürgangen, solches treulich anzudeuten, und sich weder furcht noch liebe, oder die einrede anderer leute, welche aus unverstand unsere kinder verzärteln lassen wolten, und dergleichen ungebührliches absehen hindern lassen, wie denn insonderheit, wenn die examination der lectionen vorgehet, auch nach demjenigen was zu zucht und sitten dienet, geforschet werden soll. Er soll aber nicht zulassen, daß unsere söhne durch die præceptores, oder andere diener, anderst als auf seine verordnung, gewöhnlicher weise mit der ruthen, keines weges mit stecken, büchern, oder blossen händen, geschlagen, gestossen, geworffen, oder herum gerissen werden, oder, daß man sie bey dem abwehren und untersagen mit zornigen geberden, groben worten und verunnamung, anfahre, und sie dadurch nur verbittere und ärgere: Oder in geringen sachen eben so ernstlich, als in den grössesten, verfahre, oder stets schelte und
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  reformire, und sie darmit nur stutzig und unempfindlich mache. Er soll auch hingegen nicht unterlassen, wenn sie sich bessern, oder sonst wohl verhalten, sie zu loben, ihnen etwas, so ihnen angenehm ist, zu geben oder zu verheissen, mehrere erquickstunden zu erlauben, oder bey uns sonderliche præmia und ergetzlichkeit, durch seinen bericht, auf ihr geziemendes kindliches anführen, auszubringen, auch soll er die bescheidenheit brauchen, und die andere diener brauchen lassen, daß unsere söhne, die dazumal etwas erwachsen, 10. 12. oder mehr jahr alt sind, nicht leichtlich, wenn sie es nicht gar zu grob machen, in beyseyn fremder leute, oder anderer unserer diener, gefiltzet oder gestraffet, sondern ihnen alsdenn nur mit wincken und wenig warten, wo es nöthig, gewehret, mehrere vorhaltung und ermahnung aber auf die zeit, wenn sie allein kommen, verspahret, ihnen auch ihre fehler, darüber sie schon bestraffet und erinnert worden, nicht spöttlich vorgerücket, sie deswegen hönisch aufgezogen, oder sonst zur unzeit und mit ungestümm auf die bahn gebracht, oder wir selbst in allen geringen und solchen dingen, die er, der Hofmeister wohl schlichten und verrichten könte, behelliget und angelauffen werden.
  15. Endlich, da es uns gefallen würde, unsere söhne an fürstliche höfe zu schicken, oder wenn sie etwas mehr erwachsen, eine reise in- und ausser Teutschland thun zu lassen, soll der Hofmeister, auf unsern anderweiten sonderbaren befehl, schuldig seyn, unsern söhnen bey solcher reise mit aller treu und unverdrossener vorsorge fürzustehen, und auf ihre leibes- und seelen wohlfahrt, auch aufnehmen
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  in fürstlichen tugenden und geschicklichkeiten, dergestalt fleißige obacht zu haben, wie deswegen unsere zu solcher reise und peregrination iedesmal mitgebende instruction mit mehrerm ausweisen wird.

  Anmerkungen HIS-Data  
  [1] korrigiert aus: geschen
HIS-Data 5226-4-8: Teutscher Fürsten-Staat: Vierter Theil: N. VIII HIS-Data Home
Stand: 31. Juli 2017 © Hans-Walter Pries