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Zedler: Erbfolge eines Reichs HIS-Data
5028-8-1489-13
Titel: Erbfolge eines Reichs
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 8 Sp. 1489
Jahr: 1734
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 8 S. 776
Vorheriger Artikel: Erbfolge
Folgender Artikel: Erb-Fürstenthümer
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

  Text Quellenangaben
  Erbfolge eines Reichs, gehöret unter die Arten die Majestät zu erlangen.  
  Der nächste Grund  
  {Sp. 1490}  
  der Majestät ist zwar die Einwilligung des Volcks. Dieses hat diejenigen Kräffte, aus deren Vereinigung bey gewissen Personen das Wesen der Majestät ausgemacht wird. Dennoch kan diese Einwilligung auf unterschiedene Art geschehen, und bestimmet werden. Also kan gleichfalls ein Volck entweder tacite, oder vermuthlich, oder auch expresse, das ist, auf eine gnugsam bezeigte Art und Weise nicht allein einer Person, sondern auch dessen Nachkommen die Majestät verwilligen, welches denn die Erfolge eines Reichs genennet wird.  
  Der Bewegungs-Grund, warum dieses geschiehet, ist die Vermeidung dererjenigen Unordnungen, die in denen Interregnis zu geschehen pflegen. Weil auch die Gemüther nicht allezeit bey der Wahl einig sind, so pflegen sehr öffters aus dieser Uneinigkeit die verderblichsten innerlichen Kriege zu entstehen. Dieses kan vermieden werden, wenn die Folge allbereit vorher ausgemacht worden, wie solches gleichfals bey der Erbfolge geschiehet.  
  Um von derselben deutlich zu handeln, so muß man einen Unterschied unter denen Reichen machen. Weil ein Reich durch rechtmäßige Gewalt, als im Kriege, oder auch durch andere Verträge einem Herrn kan eigenthümlich unterworffen werden, so pfleget man das Reich in Regnum patrimoniale und usufructuarium einzutheilen, wie solches von Grotio de Jure Belli et Pacis … und andern geschehen.  
  In dem Regno patrimoniali steht es in der Willkühr eines Fürsten, wie er es wegen der Folge in seinem Reiche halten will. Es stehet ihm frey mit seinem Eigenthum zu walten wie er will, also kan er auch wegen der Verlassenschafft willkührlich etwas bestimmen. Er kan also seine Nachfolge entweder durch einen letzten Willen, oder durch andere Gesetze von der Successione ab intestato die Erbfolge ausmachen.  
  Ist aber dieses nicht geschehen, so entstehet alsdenn die Frage, wie es alsdenn in einem solchen Reiche mit der Erbfolge soll gehalten werden? Grotius meynet, es müsse alsdenn nach denen Legibus von der Successione ab intestato, die unter denen privat-Personen üblich wären, verfahren werden. Er erkläret … seine Meynung also: [8 Zeilen lateinischer Text].  
  So offt man kein deutliches Urtheil von eines Willen fällen kan, so ist zu glauben, daß ein jedweder diejenigen Gedancken von seiner Erbfolge gehabt, welche das Gesetze oder der Gebrauch des Volckes mit sich bringet, welches nicht alleine aus der Macht der Herrschafft, sondern auch aus einer Vermuthung flüsset, welche letztere auch diejenigen, in deren Hand die höchste Gewalt stehet, angehet. Denn auch von diesen kan man wahrscheinlich glauben, daß sie dasjenige in ihren Handlungen vor das billigste achten werden, was sie entweder selbst durch die Gesetze verordnet, oder durch die eingeführten Gebräuche gelten lassen.  
  Hertius de Coliis leg. … führet diese Gründe wider diese Meynung an:  
  {Sp. 1491|S. 777}  
  [7 Zeilen lateinischer Text].  
  In denen Herrschafften, welche ihren Herrn nicht eigenthümlich zugehörten, wäre die Art und Weise, die oberste Herrschafft zu besitzen, nicht mit unter der obersten Herrschafft begriffen, also gehöre es auch nicht mit unter die Gesetze, welche von der obersten Herrschafft gegeben worden. Ferner so wäre die oberste Herrschafft von gantz anderer Natur als die übrigen Dinge, welche denen Privatis gehörten, ja sie übertreffe wegen ihrer Würde die übrigen Dinge gar sehr.  
  Bey dem ersten Grunde ist noch dieses zu erinnern, daß Grotius hier nicht von denenjenigen Reichen rede, welche nicht unter das Eigenthum ihrer Fürsten gehörten. Müller im Rechte der Natur … hingegen heget diese richtige Gedancken: die Meynung des Grotii gründe sich nur auf das gemeine Vorurtheil, daß das Erb-Recht aus dem Rechte des Eigenthums folge. Wovon wir unter dem Titel Erb-Recht mit mehrern zu reden Gelegenheit haben werden.  
  Das Erb-Recht so wohl durch die Testamente als ab intestato hätten bloß ihren Grund in denen Positiven weltlichen Gesetzen, dieses bewegte ihn Böhmern in Jure Publ. univers. … beyzupflichten, daß die Erbfolge in einem Reiche durch das natürliche Staats-Recht nicht auszumachen sey, sondern daß dasselbe in Regnis Patrimonialibus eben so wohl als in Regnis usufructuariis sich auf den Willen der Nation gründe. Wenn also der Fürst selber nichts verordnet hätte, so könne niemand als die Nation darüber disponiren.  
  In denen Regnis usufructuariis stehet es dem Volcke, wenn es die Majestät jemand aufträgt, frey, von der Ordnung der Erb-Folge gleichfals etwas gewisses auszumachen. Ist aber dieses nicht geschehen, so hat man auf diejenige Ordnung der Reichs-Folge zu sehen, welche bey andern Völckern durchgehends gebräuchlich gefunden wird. Böhmer in Jure Publ. univers.
  Der Gebrauch derer Völcker machet zwar kein Recht aus: hingegen aber leget doch derselbe solchen Dingen eine Wahrscheinlichkeit bey, daß sie einem besondern Nutzen haben. Die fürnehmsten Stücke hiebey sind folgende:  
 
1) Ein Reich muß nicht, wie ein privat-Vermögen, unter mehrere Erben, von gleichem Grade, eingetheilet werden. Man siehet hier nicht auf den privat-Nutzen derer Erben, sondern auf die Wohlfarth des Reiches. Ein Reich aber wird geschwächet, wenn die vereinigten Kräffte aus einander gerissen werden. Ferner so will das Volck, welches sich erblich an einen Fürsten überlässet, so bleiben, wie es anfänglich gewesen ist, das ist, es will unter einem Oberhaupte vereiniget bleiben.
 
 
2) Die Erbfolge eines solchen Reichs fällt nur auf die Leibes-Erben, oder Nachkommen des Stamm-Vaters, der das Reich zuerst erworben. Die Seiten-Linien können ohne ausdrückliche Verordnung nicht dazu gelangen. Böcler ad Grotium schreibet also: [2 Zeilen lateinischer Text]
 
  {Sp. 1492}  
 
  [3 Zeilen lateinischer Text].
 
 
Wenn ein Reich aufgetragen wird, so hat der Name der Familie keinen andern Anfang als die Person des ersten Königes; es erstrecket sich derselbe nicht auf die Neben-Ausbreitung, und gehet von dem ersten Puncte herab, und von dem Herabsteigen kommt es erst auf die Seiten-Linien. Doch ist Huberus Jure civit. … anderer Meynung.
 
 
3) Die Erfolge eines solchen Reiches gehet nur auf die ehelichen Leibes-Erben des ersten Stamm-Vaters, und erstrecket sich also nicht auf die an Kindes statt angenommene, auch nicht auf andere ausser der Ehe gezeugte Kinder; wenn sie auch der Regente gleich legitimiren wolte.
 
 
Der Vertrag, durch welchen das Reich auf den ersten Stamm-Vater erblich gekommen, leidet keine andere Deutung, als daß durch die Leibes-Erben diejenigen, welche nach denen Sitten der Nation aus einer rechtmäßigen Ehe entsprossen, verstanden werden.
 
 
Ferner so ist bey einer so wichtigen Sache mehr eine öffentliche Gewißheit der Abstammung von Nöthen. Die Ehe muß also auf die vollkommenste Art bekannt gemacht werden, indem die Nation der Abstammung vergewissert seyn muß, welches bey einer Concubine nicht geschehen kan, indem dabey die öffentliche Angelobung fehlet.
 
 
Ein Fürst ist zwar über alle Gesetze erhaben, doch muß er dessen ungeachtet die Solemnitaeten der Heurath nicht so gantz und gar aus denen Augen setzen, will er anders daß seine Kinder der Erbfolge fähig seyn sollen. Es ist noch in frischen Andencken, was bey dem Tode Ludovici XIV. geschehen, welcher zween seiner natürlichen Söhne legitimiret, und der Reich-Folge fähig erkläret hatte. Diese Verordnung wurde sofort nach des Königs Tode, auf Ansuchen derer Printzen von Geblüte, öffentlich vor null und nichtig erkläret, und die Erklärung in dem Parlamente zu Paris registriret, mit dem Beyfügen, daß, wenn alle ächte Erben des Königlichen Stammes abgehen solten, der Nation das Recht, einen König, mit Übergehung derer natürlichen Kinder, zu erwählen, vorbehalten seyn solte.
 
 
4) Unter Personen gleiches Grades wird einer Manns-Person, ob sie gleich jünger ist, das Vorrecht vor einer auch ältern Weibes-Person gegeben. Die Sitten derer Völcker halten das männliche Geschlecht zu denen Kriegs- und Friedens-Geschäfften tüchtiger als das Weibliche, wiewohl es auch seine Ausnahmen leidet, indessen hat man eingeführet, daß das männliche Geschlecht vorgezogen wird.
Böcler ad Grotium
 
5) Unter mehrern Manns-Personen gleichen Grads, oder, wenn keine vorhanden, unter mehrern Weibes-Personen, hat das älteste das Vorrecht, weil sie durch das Recht der Geburth das Recht der Reichs-Folge schon erlanget, ehe die jüngern gebohren worden, und diesen also durch das Glück zuvor gekommen.
 
 
6) Alle Weibes Personen sind, wo nicht ein deutliches Reichs-Gesetz deswegen vorhanden, von der Reichs-Folge gäntzlich ausgeschlossen.
 
 
7) Der Nachfolger in einem Erb-Reiche, das kein Regnum Patrimoniale ist, erlanget sein Recht nicht durch den Willen seines Vorfahrers, sondern Krafft derer Reichs-Gesetze
 
  {Sp. 1493|S. 778}  
 
und Abstammung des Geblüts. Es ist derselbe also nicht verbunden, die Privat-Erbschafft seines Vorfahrers anzutreten, und hierdurch die Pflicht, dessen gemachte Schulden zu bezahlen, über sich zu nehmen. Gleichfalls kan dahero kein Nachfolger vor seine Nachkommen sich des Reichs entsagen, sonderlich wenn bereits einige vorhanden sind, die also allbereit ein Jus quaesitum an der Regierung haben.
 
  Nach diesen Grund-Regeln ist die Erb-Folge in einem Reiche, wo dieselbige nicht durch die Grund-Gesetze ausgemacht worden ist, in diese Ordnung zu bringen: Der erste und nächste Grad sind die Descendenten des letzt verstorbenen Regenten, unter diesen gehen die Söhne den Töchtern, und der erstgebohrne denen andern Söhnen vor.  
  Man siehet deßwegen am meisten auf die Descendenten, damit die Absichten, weßwegen ein Reich nach der Erbfolge vergeben wird, mögen erlanget werden. Es geschicht nehmlich dieses deßwegen, damit ein Regente desto fleißiger in Erhaltung des Reiches seyn möge, wenn er betrachtet, daß er dasselbige seinen Kindern hinterläßt, welches bey denen Wahl-Herrschafften gantz anders ist, da die Regenten zugleich den Nutzen ihrer Familien zu bedencken pflegen. Gleichfalls suchet ein Regente denjenigen sorgfältiger zu erziehen, von dem er weiß, daß er ihm in der Regierung folgen werden.  
  Diese Absichten würden nun in der Regierung nicht erlanget werden, wenn man nur auf den nähern Grad und nicht auf die Descendenten sehen wollte. Der Erstgebohrne hat durch die Geburt ein eher Recht als sein übriges Geschwister erhalten; Einem soll nur das Reich werden, und also ist er dazu der nächste, der das erste Recht hat.  
  Von denen andern Vorzügen, welche der Erst-Geburt gegeben werden, werden wir unter dem Titel Erst-Geburt handeln.  
  Denen übrigen Brüdern wird ein gewisser Standes-mäßiger Unterhalt, mit Vorbehaltung der Regierung, wenn der ältere ohne Leibes-Erben abgehen sollte, bestimmet, welches Apanagium genennet wird. Siehe Tom. II. p. 767. seqq.  
  Unter denen übrigen Descendenten und Verwandten, von der Seiten-Linie des verstorbenen Regenten, hat der Gebrauch derer meisten Völcker eine Successionem linealem, oder die Erb-Folge nach denen Linien, eingeführet. Man siehet hiebey nicht auf die nähern Grade, sondern auf die Linien, so daß aus dem Grunde der Erst-Geburt die Linie des andern Bruders nach Abgang derer Descendenten des erstern, und die Linie des dritten der Linie des andern, und so ferner, folget.  
  Diese Reichs Erb-Folge nach denen Linien ist wieder zweyerley; Denn es werden in derselben entweder auch die Weibes-Personen und ihre Linien zugelassen, jedoch erst alsdenn, wenn keine Manns-Personen von gleichen Grade mehr vorhanden sind. Diese Successio wird insgemein Successio cognatica oder castellana genennet. Oder die Weibes-Personen werden mit ihren männlichen Erben gäntzlich ausgeschlossen, so daß das Reich durch keine Heurath auf eine andere Familie kan gebracht werden, welches Successio agnatica, Francica oder ex lege Salica genennet wird.
  • Conring de Origine Juris Germanici …
  • Coccejus in Orat. de Lege Salica.
  • Hertius in Notit. regni Francici veteris
  • Hoffmann de Origine Legum Ger-
  {Sp. 1494}  
   
  man. …
 
  • Grotius de Jure Belli et Pacis
  • Pufendorf de Jure Nat. et Gent.
  • Beckmann in Conspect. Pol.
  • Willenberg in Sicilim. Jur. Gent. Prud.
  Ist aber weder in denen Grund-Gesetzen eines Reiches, noch in denen Gewohnheiten derer Völcker ein Grund bey einer streitigen Erbfolge zu finden, so stehet die Entscheidung lediglich in der Willkühr des Volckes selber.  
  Ist ein Erbe annoch minderjährig, oder hat sonst ein Gebrechen, daß er der Regierung nicht vorstehen kan: so wird in der Hoffnung, daß er zu seinen gehörigen Jahren kommen, oder sich sein übler Zustand bessern werde, eine Reichs-Vormundschafft gesetzet.  
  Die Erb-Verbrüderung ist gleichfalls eine Art die Erb-Folge zu erhalten, sie hat aber in denen Regnis usufructuariis nicht statt, wenn nicht das Volck entweder gleich vom Anfange oder hernachmahls bey dem Vertrage darein gewilligt.  
  Ob die Wahl oder die Erb-Folge besser sey? kan man aus denen Absichten bey der Erb-Folge, welche von uns angeführet worden, ersehen. Doch kan man auch
  • Hochstättern in Coll. Pufend. …
  • Hertium in Element. Prud. civil.
nachlesen. Sonst handeln noch hievon
  • Buddeus in Element. Philos. pract. …
  • Huber de Jure Civitat. …
  • Willenberg in Siciliment. Juris Gent. Prud.
  • Pufendorf de Jure Nat. et Gent. …
  • Thomasius in Jurisprud. Divin.
     

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Stand: 4. Januar 2023 © Hans-Walter Pries