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Zedler: Gott [6] HIS-Data
5028-11-295-17-06
Titel: Gott [6]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 11 Sp. 312
Jahr: 1735
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 11 S. 173
Vorheriger Artikel: Gott [5]
Folgender Artikel: Gott [7]
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen
  • Transkribierter griechischer Text der Vorlage

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Übersicht
Wesen Gottes
  Definition Gottes möglich?
  Anthromorphismus
  Erkenntnis Gottes aus der Natur
  Wolff
  Gott ein einfaches Wesen
  bejahende und verneinende Begriffe von Gott
 
  Scholastiker

Stichworte Text Quellenangaben
Wesen Gottes Da nun bestmöglichst bewiesen worden, daß ein GOTT sey, auch solche Lehre wieder die Feinde derselben vertheidiget, und die anbey vorkommenden Irrthümer berühret worden, als giebt die natürliche Ordnung, das Wesen GOttes nun selbst anzuzeigen.  
Definition Gottes möglich? Es ereignet sich aber da bey denen Gelehrten eine Streit-Frage: Ob der menschliche Verstand eines Begrieffes von dem göttlichen Wesen fähig sey, und ob also GOTT definiret werden könne? Müller Metaphys. 12. §. 1. hält dieses nicht vor schwehr zu entscheiden, wenn man nur überlege, in wie weit sich GOTT in die Grentzen des ersten Grundes menschlicher Erkenntniß gesetzt habe. Denn das göttliche Wesen könne nicht gäntzlich in besagte Grentzen, als welche natürlich sind, gesetzet seyn, weil, wenn dieses wäre, GOTT etwas endliches und natürliches seyn müste. Es könne aber doch auch nicht gäntzlich ausser denen Grentzen unserer Vernunfft seyn, indem GOTT, wenn dieses wäre, ein gäntzlich un-  
  {Sp. 313|S. 174}  
  bekannter GOTT seyn würde, dessen Existentz unser Verstand nicht würde erreichen können.  
Anthromorphismus Die Betrachtung demnach derer mit innerlichen Grentzen unser Vernunfft muß unser Bemühen, das göttliche Wesen zu erkennen, durchgehends in die gehörige Masse setzen, damit solches Bemühen weder allzu verwegen noch allzu furchtsam seyn möge. Allzu verwegen wäre solches Bemühen, wenn wir das göttliche Wesen entweder gäntzlich, oder nur weiter, als es sich in dem Bezirck derer Gräntzen unserer Vernunft stellet, in solchen Bezirck zu zühen uns unterstehen: da es dann geschiehet, daß man GOTT mit der Natur, und insonderheit mit dem menschlichen Wesen verwirre; welchen Fehler der Verwegenheit man den Anthromorphismum nenne, und dadurch dem Heidenthum sehr nahe komme.  
  Allzu blöde und furchtsam hingegen würde solches unser Bemühen seyn, wenn wir von den göttlichen Wesen, in so fern es sich auch in der Natur, und folglich innerhalb denen Grentzen der menschlichen Vernunfft, unserm Verstande so liebreich dargestellet, scheuend die Augen verschlüssen, und furchtsamlich besorgen wollten, daß die menschliche Vernunfft gar keines wahrhafften, keines würdigen und anständigen Begrieffes von GOTT fähig seyn mögte, da doch GOTT der menschlichen Vernunfft aller Dings bekannt seyn will, auch zu diesem Zwecke sich hier nicht unbezeugt gelassen.  
Erkenntnis Gottes aus der Natur Einige redeten so kühn von GOTT, daß man bey nahe sagen sollte, GOTT werde nach ihrer Lehre als unser einer. Andere wären so furchtsam, daß sie bey nahe gar nichts gewisses von GOTT zu setzen sich unterfangen wollten, so daß sich ein Alt-Vater nicht gescheuet, de Deo etiam verum dicere periculosum est zu sagen. Da GOTT, wie oben weitläuftig erwiesen worden, durch die gantze Natur sich nicht unbezeugt gelassen, so müssen wir auch GOTT so weit erkennen können, als die Grentzen der Natur reichen.  
  Diese weiset uns gewisse Eigenschafften. Sammlen wir dieselben zusammen, und abstrahiren sie, vermög unserer Beurtheilungs-Krafft, so bekommen wir allgemeine Würckungen GOttes. Würckungen, aber nicht die Ursache und deren Wesen weisen, sondern so viel unumstößlich befestigen, daß eine solche Ursache vorhanden seyn müsse, welche wenigstens dergleichen Krafft, als in denen Würckungen sich äussern, in sich habe. So muß freylich alles, was von GOTT gesaget wird, aufs höchste weiter nichts als das Seyn GOttes in sich enthalten.  
  Es wird also eine Definition von GOTT, wenn sie auch aufs höchste getrieben ist, weiter nichts als eine Deutlichkeit nur der Existentz dessen, was sie in sich begreifft, nicht aber auch eine Deutlichkeit der Art und Weise desselben seyn. Da wir aber, indem wir GOTT definiren, zwar ein Genus und Differentiam, als die zwey nöthige Stücke einer Definition angeben, diese aber nicht nicht ein Mahl das höchste Seyn GOTTES anzeigen (denn wie sollte GOttes anbegreifliches Wesen in die engen Schrancken einiger Worte können eingeschlossen werden?) sondern nur Relationen oder Würckungen desselben, durch welche es sich gegen die Natur äussert, dieses aber nur Propria oder Folgerungen des göttlichen Wesens und selbst nicht das erste sind, als ist die höchste vollkommenste Definition von GOTT doch nur eine unvollkommene Definition, welche die Logici eine Description nennen.
  {Sp. 314}  
   
  ...
Wolff Es definiret Wolff Rat. Praelect. ... GOTT also: Deus est substantia, in qua continetur ratio sufficiens existentiae vniuersi, welches er in der Metaph. ... also ausdrücket: Es ist GOTT ein selbstständiges Wesen, darinnen der Grund von der Würcklichkeit der Welt und der Seelen zu finden. Oder Rat. Praelect. ... Deus est substantia omnia vniuersa simul distincte sibi repraesentans, welches in der Metaph. ... also heisset: und demnach bestehet das Wesen GOTTES in der Krafft alles, was möglich ist, aller Welt deutlich und auf ein Mahl vorzustellen.  
  Diese letztere Definition hielt Wolff vor die richtigste, es hat aber Buddeus in Bedencken über die Wolffische Philosophie erinnert, daß nach dieser Definition GOTT von der menschlichen Seele nur Gradu Perfectionis unterschieden sey, weil er diese auch durch eine Substantiam vniuersi repraesentatiuam beschreibe. Sie sey so beschaffen, daß alle diejenige, welche die Prouidentz GOttes läugneten, annehmen könnten. Wolff entschuldigte sich, daß er nur zufälliger Weise darauf gekommen, darauf aber in der bescheiden Antwort ... und in den bescheidenen Beweise, daß das Buddeische Bedencken noch fest stehe, ... ingleichen in Langens Entdeckung der falschen und schädlichen Philosophie in denen Wolffinischen Systemate metaphysico ... geantwortet worden, auch hat Jo. Aeni Dragheim zwey Disputationes contra Definitionem de Deo Wolffianam zu Rostock gehalten.  
Gott ein einfaches Wesen Alles, was wir von GOTT gedencken, wird insgemein eine göttliche Eigenschafft genennet. Nun ist zwar GOTT an sich selbst unstreitig ein gantz einfaches Wesen. Was aber einfach ist, darff nicht aus mehrern zusammen gesetzet seyn, alles zusammen gesetzte auch endlich ist, so muß GOTT nothwendig einfach seyn. Da nun aber gleichwohl dieses gantz einfache und unendliche Wesen in das endliche, nemlich in die erschaffene Natur einen Einfluß hat; in der Natur auch man eine unbeschreibliche Mannigfaltigkeit derer endlichen Dinge und ihres wunderbaren Zusammenhanges untereinander findet; dieses unzählige mannigfaltige all sammt den Grund seiner Existentz in GOTT, als dem unendlichen Wesen hat; so erblicket und unterscheidet daher der menschliche Verstand eine unzählbare Menge derer Verhältnisse des an sich einfachen göttlichen Wesens gegen die Natur, wie es seinen würckenden Einfluß zu Hervorbringung bald dieser, bald einer andern Ordnung derer endlichen Dinge determiniret oder gerichtet hat.  
bejahende und verneinende Begriffe von Gott Das ist die Ursache, daß die Begrieffe, die wir von den unzählichen Verhältnissen GOttes gegen die Natur haben, die an sich selbst einige und einfache GOttheit unter so vielerley Eigenschafften dem menschlichen Verstande darstellen. In soferne wir nur GOttes unendliches Wesen an sich selbst und ohne Absicht auf die Geschöpffe betrachten, so sind die Eigenschafften, die wir von GOTT mit Warheit gedencken können, blos verneinende Begrieffe; in so fern wir hingegen dies göttliche Wesen, wie es sich gegen die Natur äussere, betrachten, so lassen sich auch bejahende Begrieffe von GOTT gedencken.  
Scholastiker: 3 Wege Auf diese Betrachtung gründet sich nach Müllers Metaph. ... Anmerck. ... die von denen Scholasticis gepriesenen 3. Wege, zur Erkenntniß GOttes zu gelan-  
  {Sp. 315|S. 175}  
  gen, nemlich  
 
  • Via Negationis.
  • Via Caussalitatis und
  • Via Perfectionis oder Eminentiae.
 
  Denn in so fern wir das göttliche Wesen an sich selbst betrachteten, so könnten wir zwar mit vollkommenen Grunde der Warheit gedencken, was es nicht sey, nicht aber was es sey; und dieses wäre der sogenannte Via Negationis. Wenn wir hingegen das göttliche Wesen nach seinen Würckungen in die Natur betrachteten, so bekämen wir von ihm auch bejaende Begrieffe, welches der Via Caussalitatis wäre. Doch müsten wir uns die göttliche Thätigkeit nicht wie eine natürliche vorstellen, die von ihren Grund-Ursachen determiniret ist, und über die Grentzen dieser Determination sich nicht erstrecken kann, sondern also, daß ob sie gleich GOTT würcklich zu Hervorbringung dieser endlichen Welt determiniret, sie doch in dem göttlichen Wesen selber undeterminiret oder unendlich ist, und folglich zu Hervorbringung unzähliger anderer uns unbegreiflicher Dinge sich determiniren, welches der Via Perfectionis oder Eminentiae wäre, und in den die ersten beyde zusammen lieffen.  
  Da nun GOTT ein von der Natur wahrhafftig unterschiedenes Wesen ist, so können wir ihn in dieser Betrachtung nicht anders als an ihm selbst erwegen, im Massen wir durch diese Betrachtung von der Natur und seinen Würckungen in dieselbe abstrahiren, als von welcher wir ihn als wahrhafftig unterschieden uns vorstellen. Auf diese Weise können wir von GOTT alles, was natürlich ist, wenn es auch die grösten Vollkommenheiten wären, mit gäntzlicher Versicherung verneinen, aber nichts positives von seinem Wesen bejaen; weil auch die grösten Vollkommenheiten der Natur, so sehr wir sie auch durch das vermeynte Infinitum potentiale unsers Verstandes mögen vergrössern können, dennoch natürlich und endlich sind, GOTT aber ein von der Natur gantz unterschiedenes Wesen ist, welches durch keine menschliche Idee, als eine natürliche Würckung eines natürlichen Verstandes sich vorstellen lässet, und also in dieser Betrachtung unbegreiflich ist. Denn ob zwar alle unsere verneinende Ideen von GOtt ein gäntzlich positives Wesen zu ihren Gegenstande halten, so lässet sich doch solches positive durch keinen menschlichen Verstand begreiffen, ausser in so weit es sich durch positive Würckungen in der Natur äussert.  
  Dieses ist zu mercken nöthig, damit man nicht etwa meyne, als ob wir GOTT, indem wir von dem göttlichen Wesen an sich selbst nur verneinende Ideeen zu lassen zu einem Ente mere negatiuo machten, da vielmehr solche unsere Ideen von ihm priuatiuae mixtae sind, welche ein, obwohl uns unbegreifliches positives Wesen anzeigen, welches wir durch unsere Verneinungen nur von der Natur gebührend unterscheiden, seine, obwohl uns unbegreifliche Positiuität aber in und aus seinen Wercken der Verhältnissen gegen die Natur erkennen. Denn etwas positives muß GOTT seyn, weil einem Dinge, das nicht ist, auch keine Eigenschafften, keine Würckungen, keine Verhältnisse können zugeschrieben werden. Müller Metaph. ... Anmerck. ...
  Es macht daher Müller Metaph. ... Anmerck. ... sehr wohl die Anmerckung, daß der Satz selbst, daß GOTT von der Natur warhafftig unterschieden sey, seinem wahren Innhalt nach nichts bejae, sondern vielmehr etwas durch die natürliche Würckung einer natürlichen Vernunfft begreifliches sey. Es ist also  
  {Sp. 316}  
  eine strafbare Verwegenheit, GOTT nach seinem bejaenden Wesen erkennen wollen, in so fern er an sich selbst und als von der Natur unterschieden betrachtet wird. Denn da stiege man über die Grentzen der menschlichen Erkenntniß. Die heilige Schrifft zwar nennet GOTT dreyeinig, und giebt also eine bejaende Idée, aber selbst dieses ist der menschlichen Vernunfft unbegreifflich und ein Geheimniß; der Vernunfft ihre bejaende Ideen hingegen bestehen in der Verhältniß GOTTES gegen die Geschöpffe, diese fallen in unsere Sinnen, denen sich also GOTT durch die Thätigkeit in die Natur äussert. Hätte also GOTT die Welt nicht erschaffen, so würde uns auch der Grund zur Erkenntniß GOTTES fehlen, und würden wir gar nichts von GOTT wissen, ja wir würden selbst nicht seyn, oder wenn wir wenigstens nur wären, so würden wir auch einige Begriffe von GOTT haben. Weiter also kann in diesem Leben die menschliche Erkenntnis GOTTES nicht reichen, als so weit die Grentzen der Natur uns das Wesen GOTTES abschildern und entdecken. Dort in jenen Leben werden wir vollständigere Begriffe bekommen. Denn so sagt Paullus 1 Cor. 13, 12. Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einen dunckelen Worte dann aber von Angesicht zu Angesicht.  
     

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Stand: 28. März 2013 © Hans-Walter Pries