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Zedler: Gott [7] HIS-Data
5028-11-295-17-07
Titel: Gott [7]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 11 Sp. 316
Jahr: 1735
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 11 S. 175
Vorheriger Artikel: Gott [6]
Folgender Artikel: Gott [8]
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Transkribierter griechischer Text der Vorlage

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Übersicht
Wesen Gottes (Forts.)
  Beschreibung Gottes
 
  verneinende Eigenschaften 1-3

Stichworte Text  
Beschreibung Gottes Wollen wir also nach dem, was wir angemercket, GOTT beschreiben, so wird es ein von der Natur unterschiedenes Wesen seyn, das von sich selbst existiret, und die Ursache aller Dinge ist. Es ist zwar nicht zu leugnen, daß, da wie gesaget, GOTT wäre die Ursache aller Dinge hierdurch, auf weiter nichts anders als auf die Schöpffung und Erhaltung der Welt gezielet werde; denn was die Erlösung und Heiligung anlanget, so ist selbige der sich selbst gelassenen Vernunfft unbewust, und und nur aus der Offenbarung bekannt.  
  Indessen, da wir GOTT hier nur vors erste beschreiben wollen, wie die sich selbst gelassene Vernunfft GOTT erkennet, so ist zwar oben vorgebrachte Definition in Ansehung derjenigen, die wir als Christen haben, unvollkommen, doch aber deswegen nicht falsch. Es ist aber auch dieses wohl zu bedencken, daß man in der Lehre von GOTT gezwungen werde, um eigener und figurlicher Begriffe, verblümte Worte und Redens-Arten sich zu bedienen, zu welchen uns die befundene Ähnlichkeit derer göttlichen Wercke in der Natur, und der aus derselben hervorleuchtenden Kunst mit dem menschlichen aller Dings Anlaß giebet.  
  Denn da alle bejaende Begrieffe, die wir uns mit Wahrheit von dem göttlichen Wesen machen können, thätige Verhältnisse GOTTES gegen die Natur vorstellen, welche wir daher, da GOTT die schlechter Dings erste Grund-Ursache der Welt sey, schlüssen; alle Thätigkeit aber in derjenigen würckenden Substantz selbst von deren Wesen wir uns aus ihren Würckungen einen Begriff machen wollen, eine Eigenschafft oder Krafft voraus setzet, dadurch sie in dem Effect einen Einfluß habe, welche wir in denen natürlich-würckenden Ursachen Rationem causandi nennen; und wir gleichwohl von GOTT, in so ferne er an sich selbst und ausser der Natur betrachtet wird, als einen endlichen und unbegreiflichen Wesen nichts bejaendes dencken können; so kann es dem menschlichen Ver-  
  {Sp. 317|S. 176}  
  stande bey seiner Endlichkeit, und dem auf diese sich gründenden Unvermögen nicht möglich seyn, von denen Eigenschafften oder Vollkommenheiten, die GOTT auch nur in Ansehung seiner thätigen Verhältnisse gegen die Natur zu kommen, eigentlich, und durch unfigürliche Begriffe zu gedencken und zu reden.  
verneinende Eigenschaften Diese unvermeidliche Figürligkeit unserer Begriffe und Reden von denen göttlichen Eigenschafften und Vollkommenheiten nennen die Gottes-Gelehrten Anthrōpopa theian, und erinnern sehr wohl, daß solche Redens-Arten GOTT anständig, das ist, theōprepōs zu erklären und zu verstehen wären. Indem aber nun GOTT ein von der Natur unterschiedenes Wesen ist, so muß alles was natürlich, von GOTT verneinet werden. Es ist demnach GOTT  
 
1) independent, das heist, ein Ding, welches von sich selber ist, und nicht, wie alle weltliche Dinge den Grund seiner Existentz und seines realen Wesens in einem andern hat. Die Welt ist eine an einander hangende Reihe derer Grund-Ursachen und Würckungen, und ein jedes weltliches Ding also muß seine Grund-Ursachen haben, in welchen seine Existentz und sein Wesen gegründet sey.
 
 
  Gantz anders ist es mit GOTT beschaffen, welcher ein von der Welt, zu deren Wesen das dependiren von einem andern eintzig und allein gehöret, gantz unterschiedenes Wesen ist. Es bemercket Müller Metaphys. ... Anmerck. ... daß man meynen sollte, daß das seyn, desgleichen das von sich selbst seyn, bejaende Idéen wären. Er sey der Meynung, daß die Existentz GOTTES in Ansehung unserer Erkenntniß mehr vor eine relative als vor eine absolute Eigenschafft GOTTES zu achten sey, das ist, mehr eine solche, durch welche sich GOTT gegen die Natur äussert, aus welcher letztern, wir sie eben erkennen, als in so fern sie in GOTT selbst, wenn wir von der Natur abstrahiren, betrachtet wird, indem in diesem Verstande das göttliche Wesen mit der Existentz einerley, und uns also, als ein über die Grentzen unserer Erkenntniß erhabenes Ding unbegreifflich ist.
 
 
  Wir hätten demnach zwar freylich eine sehr deutliche bejaende Idée von der Existentz GOTTES, in so fern wir sie in Relation auf die Natur betrachteten; denn eben hierdurch wäre sie in die Grentzen unserer Vernunfft gesetzet, und in dieser Betrachtung werde sie als eine absonderliche von andern unterschiedene Eigenschafft, (das ist, Relation GOTTES gegen die Natur, und hierdurch gegen den menschlichen Verstand) von uns begriffen. Wenn man aber weiter fragen wollte, wie doch GOTT an sich selbst und ohne Absicht auf solche Relation gegen die Natur existire, so könne man keine andere als eine verneinende Antwort geben, daß er nemlich nicht, wie die natürlichen Dinge existire, deren Existentz lediglich auf einer Dependentz von gewissen Grund-Ursachen beruhet.
 
 
  Es erinnert daher Müller Metaph. ... Anmerckung ... daß wir von der Aseitate oder dem von sich selbst seyn, in der That nur eine verneinende Idee hätten, denn ob wohl Ridiger Philos. Pragmat. ... auch in einen bejaenden Verstande das esse a se ipso erklären zu können vermeinet, daß es nemlich so viel sey, als Deum sibi ipsi existentiam et essentiam impertiuisse, auch dabey nicht in Abrede sey, daß solche bejaende Idee sich selbst wiederspreche, weil GOTT auf diese
 
  {Sp. 318}  
Anthropopathie
  Art sein eigener Schöpffer seyn, und dahero einst zugleich gewesen, und nicht gewesen seyn müste, so meyne er dennoch, daß man solchen sich selbst wiedersprechenden Begrieff von GOTT behalten müsse als eine Anthropopathie. Müller l.c. macht die Anmerckung, daß er seines Orts nicht sagen mögte, wie Ridiger l.c. gethan, daß eine Anthropopathie, in so fern sie eine solche ist, einen Wiederspruch, das ist eine offenbare Absurdität inuoluire. Denn eine Anthropopathie wäre mehr nicht als ein Gleichniß, ein Gleichniß aber kein Wiederspruch, machte es aber einen Wiederspruch, so dehne man es gewiß entweder durch einen Fehler seiner Begriffe weiter aus als man solle, oder das Gleichniß tauge nichts;
 
 
2) nothwendig. Wenn man GOTT ein schlechter Dings nothwendiges Wesen nennet, so verstehet man darunter, daß GOTT von sich selbst seyn müsse, weil es unmöglich, daß GOTT wie die erschaffenen Dinge, sollte auch nicht existiren können. GOTT als die erste Grund-Ursache aller Dinge hat keine vorhergehende über sich, von der er einen Anfang seines Existirens sollte haben können.
 
 
  In GOTT ist auch nicht etwa wie in der Welt, eine Folge des vorhergehenden und zukünfftigen, in welcher das vorhergehende als nun vergangene, und das folgende als noch zukünfftige noch nicht existiren sollte. Also muß GOTT unfehlbar also existiren, daß er weder je Mahls kann nicht existiret haben, noch je Mahls nicht existiren wird. Denn wenn GOtt sollte auch nicht existiren können, so müste es entweder vor seiner Existentz oder nach seiner Existentz oder zugleich mit seiner Existentz geschehen. Da es nun wie schon gesaget worden, nicht ein Mahl möglich ist, daß GOtt ein vergangenes hintersich, oder ein zukünfftiges vor sich sollte haben können; als kann es auch nicht möglich seyn, daß in einen von beyden GOtt sollte auch nicht existiren können. Bey so gestallten Sachen müste GOtt, wenn er sollte auch nicht existiren können, zugleich existiren und nicht existiren können, welches ein offenbaren Wiederspruch:
 
 
3) unendlich. Wenn man saget, GOtt ist unendlich, seine Macht, seine Weißheit ist unendlich, so ist solches eben so viel, als ob man sage; die Grentzen des Anfanges und Endes, die man in den successiven Existentzen natürlicher Dinge findet, ingleichen die Grentzen der Grösse des Wesens natürlicher Dinge, sind in der Existentz GOttes, in seiner Macht, in seiner Weißheit und dergleichen nicht zubefinden.
 
 
  Es folgt aber diese Eigenschafft GOttes aus der vorher angezeigten Nothwendigkeit. Denn da GOtt nothwendig existiret, so muß er auch von aller Umgrentzung seiner Existentz und seines Wesens befreyet seyn. Es demonstriret dieses Müller Metaph. ... Anmerck. ... auf folgende Art. Was die Existentz anlange, so müsse solche unstreitig in einem Dinge, das von sich selber und nicht von einen anderen existiret, nicht zufällig sondern nothwendig sey, das ist, ein Ding, das von sich selber ist, müsse der Gestallt existiren, das es unmöglich sey, daß es auf ie eine Art sollte auch nicht existiren können. Denn man setze, daß ein Ding, das von sich selber ist, auch hätte nicht existiren können, so muß es sich selbst aus dem Stande des nicht Seyns in den Stand der Existentz gebracht, und also die Existentz die es vorhero nicht gehabt, sich selbst als seine eigene Grund-
 
  {Sp. 319|S. 177}  
 
  Ursache gegeben haben, dieses aber wäre ein Wiederspruch. Denn wenn etwas die ihm ermangelnde Existentz sich selbst geben sollte, so müste es seyn und zugleich auch nicht seyn; das erstere, weil es etwas, nemlich seine eigene Existentz würcken oder hervorbringen sollte, das andere aber, weil es seine Existentz durch solche Würckung allererst erlangen sollte.
 
 
  So wäre auch nicht möglich, daß ein Ding, das von sich selber, und das also von keines anderen Dinges Kräfften dependiret, je Mahls zu existiren sollte aufhören können, denn daß es durch sich selbst auch solle nicht existiren können, wiederspreche sich eben Falls selber. Derowegen wäre es schlechter Dings unmöglich, daß ein Ding, das an sich selber ist, je Mahls nicht mehr seyn sollte, ja auch, daß es, wie die Geschöpffe, vermittelst der Bewegung successiue, d.i. durch eine Folge der Zeit der Gestallt existiren sollte, daß ein Moment seiner Existentz auf das andere folgen, u. das vergangene also nicht mehr, das zukünfftige aber noch nicht seyn sollte.
 
 
  Denn wenn die Existentz GOTTES wie die Existentz derer Geschöpffe in unterschiedlichen Momenten auf einander folgete, so würde GOTT im vorhergehenden Moment, das nun vorüber wäre, nicht mehr, im künfftigen aber, das noch erst zugewarten wäre, noch nicht existiren, da doch das Nicht-Seyn eines Dinges, das von sich selber ist, wie gedacht, sich selbst wiederspricht. Solcher Gestallt wäre es unmöglich, daß ein Ding, das von sich selber ist, im existiren einen Anfang oder ein Ende, und zwischen beyden eine in unterschiedenen Momenten auf einander folgende Dauer haben sollte, sondern seine Existentz wäre untheilbar, und zugleich, der Gestallt, daß, wenn wir sie mit der Existentz der Welt, und aller in ihr existirenden endlichen Dinge gegen einander halten, dasjenige, was in der Welt als ein vergangenes, gegenwärtiges und zukünfftiges auf einander folget, vor GOTT alles gegenwärtig und zugleich seyn muß.
 
 
  Denn da in der Existentz GOTTES selbst weder vergangene noch zukünfftige Momente sind, so folget, daß mit eben derjenigen Existentz GOTTES, mit welcher das gegenwärtige in der Welt zugleich existiret, und von GOTT also gegenwärtig ist, auch alles vergangene und zukünftige zugleich existiren, und was also in der Welt vergangen oder noch zukünfftig ist, vor GOTT alles gegenwärtig seyn müsse. Dannenhero, da in der Existentz GOTTES kein Wechsel der Zeit, und also weder Anfang noch Ende, weder vergangenes noch zukünfftiges seyn kann, so ist unmöglich, daß die Existentz GOTTES mit Grentzen der Nichtigkeit, dergleichen wir in dem Anfange, in dem Ende, und in dem vergangenen und zukünfftigen der Existentz derer Geschöpffe finden, sollte umschlossen seyn können. Also existire GOTT ewig und unendlich; weil aber die Existentz und das Wesen GOTTES nur in unsern Begriffe, nicht aber in GOTT selbst von einander unterschieden ist, so wird es auf vorhergehenden Beweiß hinaus lauffen.
 
 
  Was wir uns demnach von GOTT in unserer Idée, die uns die Betrachtung der Natur von ihm erwecket, vorstellen, dass alles müssen wir in GOTT ohne alle Grentzen uns vorstellen, als welche alle Zeit auf eine Nichtigkeit, die der Natur eines Dinges, das von sich selber, wiederspricht, hinauslauffen.
 
 
  Also z.E. da die würckliche Hervorbringung
 
  {Sp. 320}  
 
  der Welt uns überzeuge, daß in GOTT eine Macht oder würckende Thätigkeit sey, durch welche er in die Natur, als die erste Grund-Ursache derselben, einen Einfluß habe, so würde es der Natur eines Dinges, das von sich selber ist, wiedersprechen, wenn wir uns nur irgend etwas, dessen er Vermöge solcher Thätigkeit nicht fähig sey, nemlich Grentzen solcher Thätigkeit, vorstellen wollten. Denn Grentzen setzen ein Ding, das nicht von sich selber ist, sondern von einer andern Grund-Ursache sein umschräncktes Wesen hat, zum Voraus.
 
 
  Gleichwie man nun das Seyn GOTTES sich so, wie das zeitliche Seyn natürlicher Dinge nicht vorstellen kann; ebenso kann man die Macht oder würckende Thätigkeit GOTTES nicht als eine natürlicheThätigkeit oder Bewegungs-Krafft annehmen. Von der Thätigkeit GOTTES also läst sich nicht sagen, daß sie theilbar, die zwar nicht grösser aber doch kleiner, zwar nicht vielfältiger aber doch geringer sich vorstellen lasse, und sich also zwar nichts hinzu, aber doch etwas davon thun liesse. Denn eben dieses wäre nicht weniger endlich. Es ist also das Wesen GOTTES, unter was vor einer Eigenschafft wir uns auch dasselbe nur vorstellen mögen, nicht wie die Kräffte und das Wesen derer endlichen Dinge eine Grösse, deren vermeynte Theile kleiner seyn sollten als das gantze, welches sich also durch jene ausmessen lassen sollte. Eben wie in dem Seyn GOTTES kein vergangenes und zukünfftiges seyn kann; eben so kann auch in dem Wesen GOTTES keine Grösse Stat haben, in welcher sich Theile, die zugleich seyn sollten, begreiffen liessen.
 
     

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Stand: 25. Februar 2013 © Hans-Walter Pries