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Zedler: Gott [8] HIS-Data
5028-11-295-17-08
Titel: Gott [8]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 11 Sp. 320
Jahr: 1735
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 11 S. 177
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Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Transkribierter griechischer Text der Vorlage

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Übersicht
Wesen Gottes (Forts.)
  Beschreibung Gottes (Forts.)
 
  verneinende Eigenschaften 4-8

Stichworte Text  
 
  Folglich ist er
4) ein einiger GOtt: denn sollten viele Götter seyn, so würden sie nicht unendlich seyn können; wären sie nicht unendlich, so würde ihnen der Name GOttes nicht zukommen. Es müste also seyn, daß, wenn mehrere unendliche Dinge wären, sie einander entweder subordiniret, und also eines des andern Caussa oder nicht wären. Fände sich ersteres, so würde das, was dem andern subordiniret wäre, nothwendig ein endliches Ding seyn. Auf solche Weise aber nun würden nicht mehrere unendliche Dinge, sondern nur nebst dem unendlichen auch endliche seyn.
 
 
  Sollten aber zwey unendliche Dinge einander nicht subordiniret, und also beyde wahrhafftig unendlich, auch beyde in der That nicht etwa eines, sondern wahrhafftig von einander unterschieden seyn, so müste dasjenige, worinnen sie beyde wahrhafftig von einander unterschieden wären, von beyden Theilen eine würckliche Unendlichkeit seyn. Wäre nun dieses, so müste einem jeden von beyden eine Unendlichkeit mangeln, nemlich diejenige, durch welche das andere unendliche Ding von ihm würcklich unterschieden wären. Dem aber etwas mangelt, ist endlich, folglich müsten nur beschriebene vermeynte unendliche Dinge endlich seyn, welches sich offenbar wiederspricht.
 
 
  Also ist falsch, daß die Einheit GOttes nicht aus dem Lichte der Natur könne erkannt werden, wie Papinius Paionius Tentam. theol. de prouidentia et gratia ... vorgiebt, welchen Petr. Jurieu Jugemens sur les methodes d'expliquer la providence et la grace, Rotterd. 1688. in 12. in der Vorrede, und Bayle Contin. des pensées sur les Cometes, ...
 
  {Sp. 321|S. 178}  
 
  ... wiederleget, wie denn auch viele andere die Einigkeit GOttes aus dem Lichte der Natur zu beweisen gesuchet, darunter Franc. Vlr. Riesius Disp. de Vnitate Dei ex lumine naturae, welcher die von uns angeführte Demonstration gleich Falls erwählet, ob er wohl andere mehr dazu gethan.
 
 
  Lock Oper. Tom. III. ... setzet voraus, daß GOtt ein unendlich, ewig, und das vollkommenste Wesen sey, und nimmt hernach die Eigenschafften GOttes zu Hülffe, und schlüsset, daß z.E. zwey allmächtige Wesen nicht beysammen stehen können; denn da voraus zu setzen, daß eines nothwendig wolle, was das andere will, so folge, daß dasjenige Wesen, dessen Wille von des andern Willen determiniret und eingeschräncket würde, kein freyes Wesen sey, und also schon eine grosse Vollkommenheit nicht habe. Wollte aber ein Wesen das, was das andere nicht wollte, so würde des einen Willen mehr gelten als des andern, also würde das Wesen, dessen Wille des andern seinem Willen nachgeben müste, nicht allmächtig seyn.
 
 
  Gleicher Gestallt schlüsset Lock auch von der Allwissenheit. Er sagt: Man setze zwey Wesen, die an Willen und Macht unterschieden, würden dieselben nicht unvollkommen seyn, weil eines dem andern seine Gedancken und Vorhaben nicht verheelen könnte? verheelte aber eines dem andern selbige, so folgte, daß eines von beyden nicht allwissend sey, weil es des andern Gedancken nicht wissen könnte.
 
 
  Hagmayer Diss. de Vnitate Dei, Tübingen 1720. bringet unter andern p. 3. auch folgenden Beweiß vor, dessen sich schon Edmundus Cantuariens. Specul. Eccles. in Biblioth. Patrum. ... bedienet: Entweder es hat ein GOtt ohne dem andern die Welt erschaffen können, oder er hat es nicht gekonnt: hat ers gekonnt, so sind alle übrige Götter überflüßig und ohnmächtig gewesen: hat er es aber nicht gekonnt, so ist er unvollkommen.
 
 
  Richardus Victorinus de Trinitate l. 17. braucht dieses Argument: die Gottheit muß entweder in communicabel, oder etlichen gemein seyn. Ist jenes, so muß nur ein GOtt seyn: ist dieses, so muß auch eine gemeine Substantz seyn, welche keine andere seyn kann, ausser die Gottheit selber: Es kann aber eine Substantz nicht mehrern Substantien gemein seyn.
 
 
  Wollaston fängt gleich Falls seinen Beweiß an von der Vollkommenheit GOttes, und saget: man setze zwey Wesen, die absolut vollkommen, so werden dieselben entweder einerley oder unterschiedene Natur haben. Einerley Natur aber können sie nicht haben, denn also müste eines dem andern seine Natur mittheilen, und aus einer zweyfachen eine einfache Natur werden: haben Sie zweyerley Natur, so müssen diese zwey Naturen entweder einander entgegen, und doch unendlich seyn, also werden sie aber beständig wieder einander streiten; oder sie müssen zwar unterschieden, aber nicht einander entgegen seyn: also werden sie als zwey Species anzusehen seyn, dazu man kein Genus hat.
 
 
  Paullus Maty Doctrine de la Trinité eclaircie ... führt den Beweiß also: Wenn man sich zwey Entia, die unendlich vollkommen, vorstellen wollte, so sey dieses ein Wiederspruch, denn wenn man diese zwey unendlich vollkommene Wesen zusammen setzte, so käme ein noch unendlich vollkommeneres Wesen heraus.
 
 
  Alle bißher erzählte Beweiß-Grün-
 
  {Sp. 322}  
 
  de hat Wolff Balthasar Adolph von Steinwehr in einer Disputation de Trinitate Dei zu Leipzig 1734. verworffen, und zugleich Hoffnungen gemacht, einen neuen und bessern Beweiß ans Licht zu bringen.
 
  GOtt ist  
 
5) ewig, weil derselbe ein independentes und unendliches Wesen ist. Denn da kann er nicht als etwa eine Würckung von seinen Grund-Ursachen in die Grentzen eines Anfanges und Endes gesetzet seyn, ja nicht ein Mahl in einer Folge des vergangenen und zukünfftigen auf einander fortgehen.
 
 
  Das Wesen natürlicher Dinge bestehet nun in der Bewegung, deren kleinste Theile, indem sie auf einander folgen, eben die Zeit ausmachen. Weil nun GOTT nicht ein Ens successiuum derer Causarum und Effectuum ist, so kann in der Existentz GOTTES eben so wenig ein Anfang als ein Ende seyn. Die Ewigkeit ist eine GOTT alleine eigenthümliche Eigenschafft, welche der Dauer natürlicher Dinge, sie mag nun zeitlich oder unvergänglich seyn, eben so entgegen gesetzet ist, als GOtt selbst der Natur.
 
 
  Dahero Müller Metaph. ... Anmerck. extr. sehr wohl erinnert, daß wir uns hüten sollten, daß, wenn wir sagen, GOTT wäre ewig, wir unter der Ewigkeit nicht etwa eine Zeit oder successiue Dauer ohne Anfang und Ende verstehen mögten, im Massen in so weit Thomas Aquinas mit andern Scholasticis recht urtheile, wenn er sage: Licet mundus semper fuisset, tamen non purificaretur Deo in aeternitate, quia esse Dei est aeternum sine successione. Denn gesetzt, daß eine ewige Zeit seyn könnte, welches doch wiedersinnisch, so würde doch solche ewige Zeit etwas weit anderes als die Ewigkeit GOTTES seyn.
 
  GOTT ist  
 
6) allgegenwärtig, dies ist nicht so zuverstehen, als ob GOTT ein Wesen sey, welches wir ein durch aus einander gesetzte Theile ausgedehntes natürliches Ding in eine gewisse von allen Seiten determinirte Nachbarschafft anderer eben Falls ausgedehnter Dinge, die mit ihm zugleich sind, eingeschlossen. Es ist also GOTT keiner Figur oder Gestallt fähig, sondern ein einfaches Wesen, das ohne alle Theile und Zusammensetzung.
 
 
  Müller Metaph. ... macht dabey die Anmerckung, daß wir also die Allgegenwart GOTTES an sich selbst durch eine blosse Verneinung der endlichen Gegenwart in einem gewissen Raume, die denen natürlichen Dingen eigen ist, betrachten. Sie können aber auch als eine relative Eigenschafft GOTTES in Absicht auf die Natur betrachtet werden, indem, da auch das allerkleineste Geschöpffe ohne Gott eben so wenig seyn könne, als eine Würckung ohne Grund-Ursache, also folglich GOtt durch seine würckende und erhaltende Krafft allen, auch denen kleinsten Theilen der Welt würcklich gegenwärtig sey. Dahero wäre die Allgegenwart GOttes von der Gegenwart derer Geschöpffe in zweyen Stücken unterschieden, erstlich, daß diese letztere endlich, und an einem gewissen Raum gebunden, jene aber nicht; zum andern, daß die göttliche Gegenwart allenthalben würckend; die physicalische hingegen nicht.
 
 
  Insonderheit sey die Allgegenwart GOttes, in Ansehung derer vernünfftigen Geschöpffe, moralisch, indem sie erkennen, daß die allenthalben hervor leuchtende Würckung des allgegenwärtigen GOttes in Absicht auf sie, auf gewisse Zwecke, denen sie ihres Orts sich eben Falls gemäß bezeugen sollen, gerichtet sey, in dessen Erwägung die Allgegenwart
 
  {Sp. 323|S. 179}  
 
  GOttes ihrer wohl zu einem Beweiß-Grunde zu gebrauchen, daß wir in allen unsern Verrichtungen, und in dem Gebrauche aller uns unterworffenen Creaturen, in Betrachtung, daß GOtt in Krafft und vermittelst seiner Würckung uns selbst, und ihnen allen ohne Unterlaß gegenwärtig ist, eine Furcht und Scheu vor GOtt haben sollen.
 
  GOtt ist  
 
7) ein freyes Wesen. Hiervon macht man sich den Begriff, daß, indem GOtt sich in der Natur durch endliche und von ihm selbst determinirte Würckungen äussert, er in solchen natürlichen Schrancken, die er seinen eigenen Würckungen in der Natur setzet, nicht etwa in gewisse Grentzen einer natürlichen Fähigkeit, und also, da alle umschränckte Fähigkeiten natürlich sind, an gar keine gebunden.
 
 
  Mit der Freyheit derer vernünfftigen Geschöpffe hat es eine gantz andere Bewandtniß. Ihre Freyheit ist in die Grentzen gewisser ihnen verliehenen natürlichen Fähigkeiten eingeschlossen, über deren Schrancken sie sich in denen willkührlichen Determinationen ihrer Thaten nicht erstrecken kann; da hingegen die Freyheit GOttes an kein gewisses oder determinirtes Vermögen oder natürliche Fähigkeit gebunden ist.
 
  GOtt ist  
 
8) unveränderlich. Alle Veränderung ist eine Verwandelung derer vorigen Grentzen, da nun in GOtt weder Grentzen, noch ein vorhergehendes und folgendes seyn kann; so muß GOtt unveränderlich seyn. Hierbey ist wohl in Obacht zu zühen, was Müller Metaph. ... Anmerck. erinnert: man müsse mit der Unveränderlichkeit des göttlichen Wesens, welche eine von GOtt verneinte Leidenschafft ist, die thätige Macht, seine von ihm selbst determinirten endlichen Würckungen in die Natur zu verändern, nicht verwirren. Alle endliche Würckungen müssen durch Verwandelung ihrer Grentzen verändert werden können, allermeist von einem Urheber, der in Ansehung derer Grentzen, die er seinen Würckungen setzet, ein freyestes Wesen sey, als welches an keine natürliche, und also an gar keine auf je eine Art umschränckte Fähigkeit gebunden sey. Denn alle Grentzen, weil sie eine Grund-Ursache, welche sie setze, voraussetzen, wären zufällig, und könnten also ihrer Natur nach auch anders seyn.
 
 
  Dieses erhelle auch in der That aus der Mannigfaltigkeit der endlichen Determinationen derer Dinge in der Welt, die Theils mit einander zugleich sind, Theils auch auf einander folgen. Wenn GOtt nicht allein verändert zu werden, sondern auch in denen endlichen Dingen etwas zu verändern unfähig wäre, so müste er ja so endlich, ja noch endlicher als sein Geschöpffe, und also nicht GOtt seyn, und wir würden ihn solcher Gestallt mit denen Stoicern in ein Fatum vestricken, im Massen bekannt sey, daß die übele Erklärung der Unveränderlichkeit GOttes zu denen bekannten, irrigen und anstößigen Lehren von der fatalen Nothwendigkeit aller Dinge, würcklich vielen Anlaß gegeben.
 
 
  Es wäre zwar nicht zu läugnen, daß die Veränderungen die von natürlichen Grund-Ursachen herrühren, alle Zeit auch eine Veränderung in denen Grund-Ursachen selbst voraus setzten; weil aber doch alle Veränderung eine Verwandelung derer vorigen Grentzen sey, deren aber in GOtt gar keine wären: so liesse es sich dies Falls von denen Veränderungen, die von natürlichen Grund-Ursachen herrühren, auf die Veränderungen, die von GOtt geschehen, nicht bündig schlüssen, weil alle natürliche Grund-Ursachen, so gar auch die frey- oder willkührlich-würckenden, in die Grentzen derer ih-
 
  {Sp. 324}  
 
  nen verliehenen, auf gemessene Art determinirten natürlichen Fähigkeiten gesetzet wären, in denen freylich die Veränderung Stat habe, nicht aber auch das göttliche Wesen.
 
 
  Dahero beruheten alle Zweifel und Einwürffe, durch welche man besorge, daß, wenn GOtt in denen weltlichen Begebenheiten etwas ändern könnte, oder würcklich änderte, dahero eine Unveränderlichkeit in dem göttlichen Wesen selbst erfolgen mögte, auf einem offenbaren Mißbrauche der Anthropopathie, oder auf einem unvermerckten Anthropomorphismo, dieser aber auf dem Fehler einer vermessentlichen Überschreitung derer Grentzen unserer Vernunfft, da man sich nemlich einbilde, daß, wie wenn wir Menschen etwas in unsern äusserlichen Handlungen ändern, in dem innern Wesen unserer Seelen selbst, nemlich in denen Determinationen ihrer Gedancken und Begierden, eine Veränderung vorgehen müsse, also auch mit GOtt gleiche Bewandniß haben müsse, welches man doch vielmehr verneinen sollte, da wir von dem göttlichen Wesen an sich selbst betrachtet, mehr nicht als dieses, daß es nicht natürlich, begreiffen.
 
     

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Stand: 30. März 2013 © Hans-Walter Pries