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Zedler: Grentzen-Besichtigung HIS-Data
5028-11-848-2
Titel: Grentzen-Besichtigung
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 11 Sp. 848
Jahr: 1735
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 11 S. 441
Vorheriger Artikel: Grentzen Änderung
Folgender Artikel: Grentzen-Bezühung
Siehe auch:
Hinweise:

  Text Quellenangaben
  Grentzen-Besichtigung, ist nicht allein bereits von denen Römern, sondern auch denen alten Deutschen von sehr vielen Jahrhunderten her, als hochnöthig erkannt worden.  
  Kayser Carolus Magnus und Ludouicus Pius schickten zu dem Ende gewisse Land-Visitatores aus, die allenthalben nach denen Rechten sehen, und auf das Leben derer Bischöffe und Grafen mit Acht haben musten. Sie erhielten dies Falls ihre besondern Vollmachten und Instructionen, und musten, wo sie hin kamen, allenthalben bekannt machen, um welcher Ursachen Willen sie in die Länder und Städte geschicket worden; sie hatten Macht, Bischöffe, Grafen und andere Unterthanen vor sich zu erfordern, und sich nach allen Gebrechen, die bey der Regierung vorfielen, zu erkundigen.
  • Friedrich de Visit. Prouinc. 1.
  • Conring. Disput. de Judic. Vet. Germ. th. 36. seqq.
  Hierbey ist gefragt worden, ob einem Landes-Herrn anzuraten, daß er dergleichen Land-Besichtigungen in eigener Person vornehmen, und seine Länder durchziehen solle? Welche Frage auch bejahet worden, wegen des grossen Nutzens, so einem gantzen Lande hierüber zuwächst.  
  Es sind hiervon so manche Exempel löblicher Regenten de-  
  {Sp. 849|S. 442}  
  rer alten und neuern Zeiten, die gar öffters auch in denen weitläufftigsten Ländereyen in eigener hoher Person herumgereist, sich nach allen selbst erkundiget, manche Laster und Boßheiten ihrer Ministres und Unter-Obrigkeiten entdecket, und dadurch das Wohl ihrer Unterthanen ungemein befördert.  
  Jacobus I. König in Engeland ertheilet in seinem Buch, so er ein Königlich Geschenck nennet, unter andern heilsamen Erinnerungen und Rathschlägen, so er seinem Sohn giebet, auch dieses mit, er soll sich nicht verdrüssen lassen, alle Jahr in seinem Königreich herum zu reisen, die Klagen seiner Unterthanen selbst anzuhören, und wo von seinen Ministris etwas versehen worden, desto eher zu entdecken, und vor die Abstellung besorgt zu seyn.  
  Derer Objectorum, die Gelegenheit zu einer Landes-Visitation geben können, die ein Fürst entweder selbst bewerckstelliget, oder durch seine Officianten unternehmen läst, sind sehr viel und mancherley, es sind  
   
  unter andern, wie von Seckendorff in seinem Fürsten-Staat II. 20. anführet, gebraucht ein Landes-Fürst mit grossem Nutzen das Mittel einer Visitation, da er in gewissen Jahren etliche seiner vertrauten Räthe und Diener befehligt, in alle Ämter und Gerichte des Landes umher zuzühen, die Beamten und Innhaber derselben, samt denen vornehmsten Landständen vorzubescheiden, und nach denen wichtigsten Puncten, welche Landes-Fürstl. Regalien, gute Ordnung und richtige Administration der Justitz betreffen, za fragen, ob denenselben nachgelebet, oder dawieder gehandelt werde: Da sich nun bey Obrigkeiten, Beamten oder Unterthanen Mangel und Gebrechen befinden, werden dieselben entweder so bald durch die Visitatores, oder der Wichtigkeit nach, auf ihren Bericht von Landes-Herrn selbst nach Befindung durch ernste Vermahnung, Anmahnung und Befehl abgeschafft, die Überfahrung bestrafft, und Besserung in allen Ständen eingeführt.  
  Nicht weniger ist dem gemeinen Wesen und einem Lande sehr zuträglich, wenn die Landes-herrschaftlichen Grentzen fleißig besichtiget, dieselben hierdurch in Ordnung erhalten, und alle Streitigkeiten, so sonst aus der Nachläßigkeit entstehen könnten, vermieden werden. Unsere alten Deutschen den sind hierinnen eben Falls gar accurat gewesen, als welche zu Verwahrung des Römisch. Reichs Marcken und Grentzen die Marg-Grafen verordnet, so Marck- Richter und Grentz-Fürsten waren.
  • Wehner Obs. Pract. v. Marck.
  • Speidel in Spec. iuridic. v. Marckgrafen.
  Die Marckgrafen zu Brandenburg waren von diesen bestallt, wieder die Henetos und Obotritas, die Marckgrafen zu Steyermarck, Mähren und Lausitz wieder den Einfall derer Ungern, Sarmaten und Polen, die Baadischen und Hochbergischen zu Verwahrung des Rheinstromes wieder die Gallier, die zu Meissen wieder die Böhmen. etc.  
  Die Besichtigung der Landes-herrschafftlichen Grentzen dependirt nicht von der Willkühr derer Privat-Personen, sondern  
  {Sp. 850}  
  von der Landes-herrlichen Auctorität.
  • R.A. de an. 1548. §. Dieweil aber gemeine,
  • R.A. de anno 1570. §. Wenn aber immittelst;
  Da dem gemeinen Wesen ein besonder Interesse dabey zuwächst, daß nicht die Grentzen ohne des Eigenthums-Herrn Einwilligung von denen Visitatoribus und ihren Deputirten verändert, oder auf andere Weise zum allgemeinen Schaden verrücket werden, so muß ein Landes-Fürst, um seine Hoheit hierdurch zu behaupten, sich angelegen seyn lassen, die Grentzen des Landes, wie er sie von Alters her gefunden, oder durch Verträge mit denen benachbarten getheilet und eingerichtet, zu erhalten. Oettinger de Jur. Limit. I. 2.
  Ist derowegen eine hohe Nothdurfft, daß ein Herr seines Landes Grentzen, wo sie nicht von Natur mit Bergen, Thälern, Wasser-Flüssen und lebendigen Merck-Zeichen scheinbar unterschieden, mit hohen und gewapneten Steinen wohl verwahren, und dieselben durch seine Beamten in beständigem Wesen erhalten und keinen unbefugten Eingriff thun lasse.  
  Die Landes-Bann und obrigkeitlichen Grentzen sind zu dem Ende von denen benachbarten Herrschafften und Städten gesetzt, daß die unterschiedenen Territoria hierdurch getheilet und von einander gesondert sollen werden, daher werden ihnen auch mehren Theils die Landes-herrlichen Wapen angefügt, als Zeichen und Würckungen der Landes-herrlichen Hoheit, des Eigenthums und der Possess.  
  Dergleichen Grenz-Besichtigungen werden gar öffters in denen Landes-Gesetzen mancher Provintzien angeführet und anbefohlen. Also stehet in der Magdeburgischen Landes- Ordnung: So gebieten wir, daß unsere Ämter und andere Gerichts-Herren verordnen sollen, daß die Dorff-Fluhren, und dererselben Felder, Wiesen und Gehöltze, so zuvor nicht verreinet und vermacht seyn, innerhalb Jahres-Frist, nach dato, und denn alle Jahr besichtiget, verreinet und versteinet werden sollen, ingleichen in der Sächsischen Landes-Ordnung: Es sollen alle Jahre die Ältesten und Gemeinen ieden Ortes, die allbereit richtig verreinte und versteinte Fluhren mit Zusammenbetagung derer benachbarten, ein Mahl auf einen gewissen Tag umgehen, und gebührliche Achtung darauf geben.  
  Die Besichtigung der Landes-Grentzen ist zweyerley, als  
  1) diejenige, die mit Zuzühung der Nachbarn vorgenommen wird, und als eine sollemne anzusehen, und diejenige, die man vor sich selbst nach seiner Privat-Willkühr ohne derer Nachbarn Beytrit vornimmt, und ohne Sollemnität geschiehet.  
  Diese letztere kan zu aller Zeit und nach Belieben bewerckstelliget werden, in Massen es einer jeden Herrschafft unverwehrt, zu gewissen Zeiten durch ihre dazu bestellten Bedienten auf die Grentzen ihres Gebietes Acht zu haben, und allen Verrückungen und Verneurungen derer Grentzen, so viel nur möglich, vorzubeugen. Es kann ja keinem von denen Nachbarn verdacht werden, wenn sich einer in Erhaltung des seinigen wachsam bezeiget.  
  Die sollemne, zu welcher man die Nachbaren mit invitiren muß, ist von grösserer Wichtigkeit, und erfordert eine mehrere Vorsichtigkeit. Die Nachbarn müssen um deßwillen stets mit dabey seyn,  
  {Sp. 851|S. 443}  
  damit sie erkennen , daß zu ihrem Nachtheil nichts vorgenommen werde, und daß ihre Einwilligung alsobald da sey, wenn etwan eine Verneuerung der Grentzen vorgenommen werden sollte, und also mit der Zeit bey entstehenden Grentz- Streitigkeiten ein desto unläugbarer Beweiß vorhanden, wenn sie selbst bey der Besichtigung derer Grentzen mitgewesen. Auf diese Weise kan auch dem in der Grentz-Bezühung und Fluhr-Begang, Vereinigung und Versteinung vorgegangenen Irrthum desto eher vorgebeuget, die Streitigkeiten vermieden, und eine friedliche und ruhige Possess erhalten werden.  
  Die sollemne wird von der hohen Landes-Obrigkeit angeordnet. Oettinger. de Jure Limitum 17. n. 47. saget: die Steinsetzung und Landscheidung hangen der hohen Landes-Obrigkeit an, und hat ein ieder Herr in seinem Lande und Gebiete allein Macht, Marcksteine zu setzen, die Untergänge zuführen, und keine ausgesessenen zuzulassen; und werden solche Anstellungen unter die Actus iurisdictionales oder die obrigkeitlichen Handlungen gezählet.  
  Die Beschütz- und Erhaltung derer sämtlichen Grentzen des gantzen H. Röm. Reichs beruhet auf dem ausdrücklichen Consens des Römischen Kaysers, und der sämmtlichen
Stände des H. Röm. Reichs
  • R.A. de an. 1548. §. 98. bey denen Worten: Dazu auch mittler Weile zu Erhaltung und Erbauung seiner Liebden christlicher Grentzen und Ort-Flecken eine gemeine Hülffe bewilligen wollen, ingleichen §. 99.
  • wie auch in R. A. de an. 1559. §. 9. bey denen Worten: Darauf wir denn gemeine Stände zu berührter unserer Grentz- und christlicher Ort-Flecken Erhaltung und völlige Erbauung um ihre Hülffe freundlich und gnädiglichen ersucht.
  Dieses alles wird auch noch mehr in denen Freiden-Schlüssen befestiget.  
  Damit nun die Besichtigung derer Grentzen gehörig vorgenommen, und deren Endzweck zum allgemeinen Nutzen erreicht werde, so ist solche klugen und erfahrnen Männern zu committiren, die auf Befehl des Landes-Herrn an die Grentz-Örter, so der Besichtigung bedürffen, hinreisen.  
  Das Recht, dergleichen Visitatores zu bestellen, kommt keines Wegs denen Unter-Obrigkeiten, sondern der hohen Landes-Obrigkeit zu, die vor die Verwahrung und Erhaltung ihrer Grentzen besorget seyn muß. Die Aufsicht über die Grentzen ist eine Würckung einer höhern Gerichtsbarkeit, daher auch das Recht herflüst, Visitatores zubestellen, welche denn wegen dieser ihrer öffentlichen erlangten Bedienung als Officianten des Landes-Herrn anzusehen.  
  Es waren allbereits in dem Gesetze der zwölff Taffeln drey Schieds-Männer bestellt, welche denen Streitigkeiten, so sich bey dem Grentz-Wesen ereignet, ihre abhelffliche Masse geben musten.  
  Bey Besichtigung der Land-Grentzen fallen biß Weilen gantze Gerichts- oder Landes-Grentz-Scheidungen vor, bis Weilen auch nur gewisse Stadt- oder Dorff-Fluhren die von denen Land-Grentzen oder Wehren und Gerichtsscheidungen unterschieden sind, wiewohl man nach denen Gewohnheiten und Observantzen vieler Örter davor hält, daß, soweit eines Landes, Stadt und Dorffes Marckung oder Fluhr- Bezirck, gehe, so weit auch gemeiniglich  
  {Sp. 852}  
  dessen Gebiete und Gerichte zu gehen pflege. Dieses ist aber doch nicht alle Zeit vor eine beständig und unbetrügliche Regel anzusehen, es lieget manch Mahl ein Ort oder gewisser District in eines andern Herrn Lande und Obrigkeit, der doch im geringsten nicht unter dieses Herrn Obrigkeit zugehörig.  
  Die Rechts- und Staats-Lehrer bemercken unterschiedene Arten derer Grentzen, als  
  1) die Land- oder Herrlichkeits-Grentz-Scheidungen oder Land-Wehren, dadurch die Territoria von einander gesondert werden;  
  2) die Gerichts-Grentzen, welche die Jurisdictionen von einander sondern;  
  3) die Geleits-Grentzen, welche das Geleit und die Geleits-Herrlichkeit im fremden Gebiete bemercken, sintemahl es sich öffters zuträgt, daß einem das Befugniß zustehet, im fremden Gebiete zu geleiten, ob einer schon daselbst weder Landesherrliche Hoheit noch Jurisdiction hat. So gedencket Merckelbach bey Klockio Vol. I. cons. 8. n. 178. wie die tägliche Erfahrung bezeugte, daß, ob wohl ein Fürst oder Stand durch eines andern Fürsten oder Standes-Gebiet zu eleiten hat, dennoch darinnen derselbe noch nicht Landes-Fürst oder Herr sey;  
  4) die Freyungs-Grentzen, welche bestimmen, inwieweit die Rechte derer Frey-Örter sich erstrecken sollen, dadurch man sich wieder die Boßheit derer Menschen in Sicherheit setzen kann. Hierher gehörten vor diesem die zum Kampff -Plätzen destinirten Örter, ingleichen die Districte, binnen welchen andern nicht vergönnet, Festungen zu bauen, wie denn viele Reichs-Städte von denen Kaysern das besondere Priuilegium erhalten, daß andern verwehrt seyn sollte, binnen ihren Grentzen, Festungen und Schlösser zu errichten;  
  5) die Forst-Grentzen, binnen welchen einer das Jagd- und Forst-Recht ausüben kan. Ruland. de Commiss. VI. 3. n. 19.
  6) Die Zehnt-Fluhren, welche die Districte und Felder von einander sondern, und diejenigen, so Detzen zu entrichten haben, mit einem Creutze, oder sonst mit einem andern Zeichen bemercken;  
  7) Die Wasser-Scheidungen, so das Recht der Fischerey anzeigen, wie weit eine an diesem oder jenem Orte fischen soll;  
  8) die Loch- und Schnur-Steine bey denen Bergwercken;  
  9) Die Fluhren und Marckungen der Städte, Dörffer und Gemeinen, welche ihre Befugnisse, Rechte und Gerechtsamen, die denen Gemeinen, so ihnen entweder bey dem Eichel-lesen, Gemeine-Trifften, oder sonsten zustehen, andeuten.  
  Die Art und Weise derer Besichtigung der Landes-herrschaftlichen Grentzen erweiset sich  
  1) darinnen, daß solche entweder mit allen und jeden rechtlichen Sollemnitäten oder ohne dieselbe vorgenommen wird. Geschieht sie auf eine sollemne Weise, so muß die Auctorität des Landes-Herrn dazu kommen, in Massen sie, wie zu unterschiedenen Mahlen erwähnet worden, ohne dieselbe gantz unkräfftig seyn würde, weil das Landes-herrliche Interesse hauptsächlich hierbey mit versirt.  
  Was nun die Grentzen der Dörffer und Städte anbetrifft, so werden dieselben mit Einwilligung der sämmtlichen Interessenten und des Gerichts- Herrn besichtiget. Es ist von der grösten Nothwendigkeit, sich dahin zu bestreben, daß ein Territorium mit seinen Rechten erhalten, und allen Zwistigkeiten, so sonst entstehen könnten, so viel als nur möglich, vorgebauet  
  {Sp. 853|S. 444}  
  werde;  
  2) Müssen auch die benachbarten mit dazu gezogen werden, damit sie nicht in Zukunfft etwa Gelegenheit nehmen, die ohne ihrem Vorbewust gesetzten Grentzen anzufechten oder in Zweifel zu zühen , über dieses können sie auch wegen einer oder derer andern Umstände denen Parteyen einige Information ertheilen, und auch einige Exceptionen,so sie welche haben, dagegen mit anführen, und denen vorwaltenden Dubiis alsofort abhelffliche Masse ertheilen.  
  Über dieses bringet auch die in Gegenwart derer Nachbarn beschehene Besichtigung einen weit kräfftigern und stärckern Beweis zuwege, als die in Abwesenheit derer Nachbaren unternommen wird. Wo eine solche Besichtigung von der Obrigkeit denen Parteyen angesagt, so wird die Gegenwart des Gegentheils vor so nothwendig angesehen, daß die Handlung ohne sie vor eine Nullität zu achten. Bleibet der andere Theil aus einem boßhafften Vorsatz aus, so wird doch nichts destoweniger bey dessen Abwesenheit in Gegenwart des erscheinenden Theils mit der Besichtigung fortgefahren, und zwar auf beyder Parteyen Unkosten, obschon bloß die eine um die Besichtigung und Ausmessung derer Grentzen angesucht.  
  3) Muß man erfahrne Feldmesser zu einer solchen Besichtigung mit zühen, die ihre Kunst wohl verstehen, denn wo sie ungeschickt sind, würde man nicht viel mit ihnen ausrichten. Gegen Theils würde wieder sie excipiret und die gantze Besichtigung würde so dann auf einem sehr schwachen Grunde beruhen; über dieses müssen es auch ehrliche, unparteyische und gewissenhaffte Leute seyn, die keinen von denen Parteyen besonders angehen, und sich in geringsten nicht durch Geschen-cke blenden lassen, dahero werden sie auch mehren Theils verpflichtet, damit aller Betrug und Nachläßigkeit ihnen desto weniger beygemessen werden möge.  
  Es ist nicht nöthig, wie einige davor halten wollen, daß ihrer zwey dazu gezogen werden, sondern es ist genug, daß einer dazu genommen wird, der sein Handwerck recht verstehet, und auf den man sich nachgehends vollkommen verlassen kan;  
  4) muß die gantze Handlung der beschehenen Besichtigung mit dem grösten Fleiß adnotiret, und in die öffentlichen Documenta eingetragen werden, da denn nachgehends die sämmtlichen paciscenten gewisse Grentz-Recesse und Vergleiche dieserwegen mit einander aufrichten, welche denn zu stetswährenden Andencken und zu einen festen und bündigen Beweiß in die Fluhr-und Grentz-Bücher eingeschaltet werden. arg. L. 7. c. depos.
  Dergleichen Documenta dienen gar sehr allen processualischen Weitläufftigkeiten vorzubeugen, welche sonst aus dem biß in Tod veränderlichen Willen des Menschen sich entspinnen könnten. Damit nun dergleichen Documenten, Recessen und Fluhr Büchern eine grössere Deutlichkeit und Accuratesse beygeleget werde, so ist in dem R. A. von an. 1654. §. 51. anbefohlen: Wenn es um Grentzen, Weidgang, Jagden und dergleichen Jura und Gerechtsamkeiten zuthun, und den Augenschein einzunehmen von Nöthen, soll zu des Richters bessern lnformation eine jede Partey einen richtigen Abris zu produciren schuldig seyn, und müssen darinnen die Landes-Gerichte, Jagd-Fluhren, Hutzeichen,  
  {Sp. 854}  
  Steine, Gräben, Berge, Flüsse, Wälder, Thäler, Heege-Säulen, Friede-Pfähle, Bezircke, Marckungen angedeutet seyn. Titius de Jur. Priu. Rom. Germ. VIII. 6. §. 6.
  Wie nun die sollemne Besichtigung derer Grentzen bloß durch Landes-herrliche Auctorität vorgenommen wird, also wird auch die andere, die nicht so sollemn, auf Befehl des Landes-Herrn angeordnet; ein ieder Landes Herr, der sich die Regierung seines Landes angelegen seyn lässet, muß vor die Grentzen seiner Ländereyen besorget seyn, und dieselbe seinen Bedienten und Unter-Obrigkeiten auf das ernstliche anbefehlen und recommendiren. Seckendorff im Teutschen Fürsten-Staate II. 6.
  Um die Gewißheit bey denen Grentzen zuerhalten, und derer offtmahligen Veränderungen wegen die sich hierbey ereignenden Irrungen vorzubeugen, muß man die Besichtigungen alle Jahr unternehmen. Es ist aber hierbey doch nicht eben nöthig, daß die Gegenwart derer Nachbarn diese Besichtigungs-Handlung sollemnisire, insonderheit da ihnen durch dieselbe weder Vortheil noch Schaden zuwächst; es werden hierbey die Grentzen nicht verrückt noch verändert, sondern nur in so weit besichtiget, daß man erkennet, daß nichts veränderliches noch nachtheiliges mit ihnen vorgegangen.  
  Inzwischen muß doch auch von dieser gewöhnlichen und ordinairen Besichtigung der Landes-Obrigkeit eine getreue und accurate Relation abgestattet werden, wie selbige nach allen ihren Stücken vollzogen worden.
  • Seckendorff I.c. II. 6. n. 7.
  • de Lyncker. de Grau. extraiudic. 3. p. 2. §. 22. n. 5. et 6.
  Es können sich auch bey diesen privat-Grentzen bis Weilen einige Fälle ereignen, daß dem Landes- Herrn an seinen Gerechtsamen, an seinen Jagden oder andern dergleichen Regalien etwas entzogen werden könnte. Obschon an vielen Orten bey gewissen Districten besondere Fluhr-und Feld-Schützen bestellet, die zugleich mit befehligt, vor die Grentzen Sorge zu haben, allen Schaden bestmöglichst verhüten zu helffen, und den aller Seits verursachten, denen Amtleuten, Landes-Hauptleuten u. s. w. anzumelden, so ist es doch der Klugheit gemässer, zu prospiciren, damit denen Fluhr- und Feld-Schützen die um eines kleinen Genusses willen gar leicht sich nachlässig erweisen, und durch die Finger sehen könnten, nicht allzuviel zugetrauet werde  
  Wo bey Besichtigung derer Landes Grentzen einiger Beweis zu führen, so müssen die errichteten Grentz-Recesse, Abschiede und Vergleiche hervorgesuchet werden. Von Seckendorff im Teutschen Fürsten-Staat II. 7. n. 6.
  Die Grentzen des Landes, wie er sie von Alters her gefunden, der durch Verträge getheidiget und eingerichtet, zu erhalten etc. etc und ferner, daß solche dabey nicht hinten angesetzt, und wieder klare Verträge gehandelt werde, wo diese Verträge ermangeln, siehet man auf das alte Herkommen, auf die von Alters derer Confinen und Landes-Scheidung halber hiebevor beybehaltene Gewohnheit und Gebrauch. Mit diesen wird um grösserer Gewißheit willen der Augenschein vereinniget, ingleichen die durch geschickte und verpflichtete Künstler geschehenen Abrisse, damit die streitigen Örter und Grentzen desto besser in dir Augen fallen mögen; man erkundiget sich nach denen  
  {Sp. 855|S. 445}  
  Grentz-Zeichen, und nimmt hierbey wohl in Obacht, daß nicht die gemeinen Güter-Scheidungen vor Landes-oder Herrschaffts-Grentzen und Scheidungen gehalten werden.  
  Die übrigen Grentzen derer Ämter, Städte und Districte werden eben Falls erwiesen  
  1) durch den Augenschein und die damit verknüpffte Kunst-Beschreibung derer Grentzen; R. A. de anno 1654. §. 57.
  2) Durch die Fluhr- Grentz-und Lager-Bücher, ingleichen durch verhandene Recesse und Bezircks-Briefe;  
  3) durch glaubwürdige Zeugen, unter denen man denen, so die andern an Alter übertreffen, immer mehr Glauben zustellet als denen jüngern; diejenigen sind hierbey am besten zu gebrauchen, die nicht allein von ihrem eigenen Augenschein bezeugen können,sondern auch die sich wegen der Aussage derer Grentzen auf ihre Eltern und Groß-Eltern beruffen können;  
  4) die Fluhr-und Marck-Steine, durch die Fluhr- Grentz- Jagd- Heege-Säulen;  
  5) ist auch hiebey der allgemeine Ruff, was nemlich die Nachbarn und Einwohner, insonderheit die betagten je Mals davon gehört, nicht aus denen Augen zu setzen.  
  Aus dem vorhergehenden erhellet zur Gnüge, daß die Besichtigung derer Landes-Herrschafftlichen Grentzen gar sehr unterschieden von der Besichtigung derer privat-Grentzen, die man Haus- Hof- und Acker-Grentzen oder Felder- Marckungen zu benennen pflegt, indem diese nie Mals auf öffentliche Landes - herrliche Auctorität vorgenommen wird, sondern es ist denen Unterthanen unverwehrt, selbige auch ohne Vorbewust des Höhern vorzunehmen; es wächst der hohen Landes-Obrigkeit kein Praejuditz hierdurch zu, und ein jeder Unterthan kan das seinige verwahren und besorgen, so gut ihm nur immer möglich.  
  Carpz. Jurispr. Forens. P. II. Const. 41. Def. 17. führet accurat einen dergleichen Casum an, und füget die Worte mit an: Mögen sie deßwegen in einige Straffe von euch nicht genommen werden. Es ist dieses um desto billiger, weil dergleichen Besichtigung dem Publico weniger Schaden zuwege bringet, als die Verneurung oder Setzung derer Grentzen. Dergleichen Decisum hat auch der Reichs-Hof-Rath gefällt an. 1688. in Sachen des Baron B. wieder die Einwohner dreyer Dörffer. Ertel. Pr. aur. de Jurisd. inf. c. 6. Obseru. 8.
  Der Unterscheid der Besichtigung derer Privat-Grentzen von der Besichtigung derer Land-Grentzen erweiser sich auch darinnen, daß bey jenen nach beschehener Besichtigung keiner Relation an den Landes-Herrn abgestattet werden darf, obschon dergleichen nöthig, wenn eine Verneurung mir denen Grentzen vorgehet, damit sie in die Erb-und Lager-Bücher eingetragen werden. arg. l. 4. π. de cens.
  Die Würckung der Besichtigung derer öffentlichen Landes-Grentzen erweiset sich in unterschiedenen Stücken,  
  1) in Verwahr- und Befestigung derer Rechte, die mit einem eingeschränckten und geschlossenen Teritorio vereiniget. Ein solcher Bezirck, Land-Wehre und Fluhr verhält sich, wie ein Subiectum passiuum; weil die Ober-Gerichtsbarkeit und andere dergleichen Rechte auf ihm hafften, und so weit sich dessen Districtus, Bezircke und Marckungen extendiren, so weit erstrecken sich auch dessen Rechte;  
  2) in Erhalt- und Zueignung des Jagd- und Forst-Rechts,  
  {Sp. 856}  
  davon diese die Waldungs- und Holtz-Gemarck, jene aber die Weidwercks-Grentzen und Jagd- Fluhren genennt werden. Es wird zwar das Forst-Recht und Recht des Wild-Bannes gemeiniglich unter denen Landes-herrlichen Rechten mit begriffen, es ist dieses aber doch nicht alle Zeit, indem es entweder durch Vergünstig- Belehn- oder Verjährung auf andere gebracht werden kann, auch an sich selbst von der Landesherrlichen Hoheit unterschieden;  
  3) in Abforderung des Zehntens, dessen man sich auf gewissen Fluhren anmassen kan:  
  4). In Zueignung derer Koppel-Trifften und in Ausübung des Verkauffes in Land und Städten, als welche Rechte eben Falls nach ihren Grentzen entweder erweitert, oder eingeschränckt werden.  
  Knipschild. de Priuil. Ciuol. Imp. II. c. 29. n. 159. sagt um deßwegen, weil solch Marcklosungs-Recht darauf siehet, damit der Besietzer zu allen, auch personal-bürgerlichen Pflichten nicht concurriren könne. Daher auch einiger Orten das Bürger-Recht schlechter Dings keinem, als demjenigen, so auch daselbst wohnet, verliehen wird. Fin. N. G. contr. For. 543. n. 55. 56.
  Also derjenige, so etwa in einer Stadt wohnet, eben wohl pro Ciue nicht zu achten, sondern ihm dieß Falls ein solcher, so das Bürger-Recht hat, in retrahendo vorgegangen wird.  
  de Lincker Resp. 81. n. 20. gedencket auch, daß das Vorkauff-Recht an die Grentzen einer Stadt so gebunden wäre, daß diejenigen, die sich dessen bedienen wollten, nicht allein Bürger seyn müsten, sondern dabey auch würcklich in der Stadt wohnen, und wäre derjenige, welcher ausser der Stadt wohnte, und das Bürger-Recht hätte, vor einen Bürger in Ansehung dieses Vorkauffs nicht zu halten. Wiewohl die Vorstädter die das Stadt-Recht in einer Stadt genüssen, von dem Vorkauff, so einer Stadt vergünstiget, ob er schon auf dessen Einwohner bloß eingeschränckt seyn sollte, nicht auszuschlüssen, indem denen ausser der Ringmauer sich aufhaltenden Bürgern eben die Rechte beyzulegen, wenn solche ihnen nicht ausdrücklich in denen Statutis entzogen werden. L. 139. π. p. V. S.
  Die Grentz-Besichtigung verwehret ferner die Störung und Beeinträchtigung, die sich bey denen öffentlichen Landes-Grentzen ereignen könnte, indem man nach Befindung der Sache denen benachbarten Ubertretern auch durch eigenmächtige Defension Wiederstand leisten kann.
  • R. A. de an. 1548. §. Dieweil aber gemeiner
  • R. A. de an. 1575. §. Ferner haben wir.
  Es erlauben, ja alle Völcker-Rechte Gewalt mit Gewalt zu vertreiben. Wo nun aber weder die Beschaffenheit derer Kräffte, noch die Rechte ein Befugniß ertheilen, sich zu schützen, und man die Störer derer Grentzen auch durch keinen friedlichen Vergleich noch gerichtliche Auctorität bändigen, noch in Ruhe setzen kann. Osnabrückischer Frieden Schluß Art. 17. §. 7.
  So muß man sich des Mittels bedienen, so von Seckendorff im Teutschen Fürsten- Staat lib. XXll. 7. n. 6. vorschlägt: Und da es nichts verfienge, auf frischer That mit geziemender Macht dawieder gehandelt, da man sich aber dazu zu schwach befindet, oder grosse Ungelegenheit und Verderben derer Leute befahret, so wird entweder die Sache an gehörigen Orten, nachdem der Gegenpart.beschaffen ist, klagbar gemacht, oder  
  {Sp. 857|S. 446}  
  zu gütlichen Vergleichungen Anlaß genommen.  
  Unterstehen sich aber die Unterthanen oder andere auswärtige Privat-Personen die Grentz-Steine zu verrücken, und die Grentzen zu beeinträchtigen, so werden sie bey diesen ausserordentlichen Verbrechen mit einer empfindlichen Leibes-Straffe beleget. Man bedienet sich auch bey diesem Falle derer Remediorum possessoriorum, derer Interdictorum vti possidetis, et vnde vi, ingleichen derer Mandatorum inhibitoriorum, de non turbando et inquietando, bis Weilen auch derer Restitutorum um die Grentzen in vorigen Stand wieder zu setzen.  
  Wo nun die Officianten und Beamten denen die jährliche Besorgung derer Land-Grentzen aufgetragen worden, sich bey solcher nachlässig erwiesen, und ihren Herrschafften Schaden zugezogen, und solche verjähren lassen, so fragt es sich, ob sie wohl ihren Herrschafften, um die rechtlichen Hülffs-Mittel zu verhindern, hierdurch praeiudiciren mögen? Ob nun schon gar sehr öffters die Handlungen derer Officianten vor die Handlungen derer Herrschafften angesehen werden,
  • L. 2. §. 2. π. de institut. act.
  • L. vnic. Cod. de offic. Praefect,
  so scheinet es doch, daß man mit besserm Grunde diese Frage verneinen müsse.  
  Wo die Officianten, die ihrer Herrschafften Geschäffte besorgen sollen, bey ihren Ämtern, ihren Bestallungen und Instructionen nicht nachgehen, sondern sich entweder nachlässig, oder wohl gar betrügerisch dabey erweisen, so kann aus derer Diener Saumseligkeit oder Betrug keine solche Verbindlichkeit erwachsen, dadurch eine Herrschafft ihrer Rechte und Gerechtsamen darüber verlustig werden könnte. Stryk. Diss. de Oblig. Princ. ex Fact. Ministr.
  Es können dergleichen Officianten, die ihrer Principalen und Herrschafften Affairen zu tractiren habe, nicht unrecht mit denen Gevollmächtigten derer Privat-Personen verglichen werden. Expediren sie das ihnen aufgetragene nach der Vollmacht, die sie hierzu erhalten, so ist es gut, und ihre Principalen hatten es sodann vor genehm. L. 5. §. 11.
  Gehen sie aber ihren Vollmachten nicht nach und übertreten dieselben, so werden auch ihre Herrschafften hierdurch nicht obligirt. L. I. §..12. π. de Exercit. act.
  Diesemnach kann eine Herrschafft aus ihren wohlerlangten und von langen Zeiten herbeygebrachten Grentz-Rechten nimmermehr gesetzt werden. Hierher gehören die Worte des von Seckendorff im Teutschen Fürsten-Staat II. 7. §. 1. n. 3.
  Wo aber ein Stück des Landes schon vor langen Jahren in fremde Gewalt kommen wäre, dazu man gleichwohl Recht und Fug hätte, so gebühret dem Landes-Herrn mit möglichsten Fleiß, durch geziemende Wege wieder darnach zu trachten,und deßwegen guten Ratschlag zur Güte oder rechtlichen Ausübung zu fassen. Harp. Cons. Tubing. 95. n. 264. et 265.
  Die durch die Nachlässigkeit ihrer Officianten verletzen Unterthanen haben auch nicht ein Mahl nöthig, um die Wiedereinsetzung in vorigen Stand Ansuchung zu thun, sondern ihre Handlungen sind um ihrer Nachläßigkeit willen an und vor sich selbst schon vor null und nichtig anzusehen.
  • L. 4. C. in quib. causs. in integr. restit. necess. non est.
  • L. 16. pr. π. de minor.
  • Hildebrand. Diss. von Besichtigung derer Land- und Herrschafftlichen Grentzen.

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Stand: 18. Februar 2023 © Hans-Walter Pries