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Zedler: Hessen … Provintz HIS-Data
5028-12-1899-2
Titel: Hessen … Provintz
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 12 Sp. 1899
Jahr: 1735
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 12 S. 979
Vorheriger Artikel: Hesselwoad
Folgender Artikel: Hessen … Landgrafen
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

  Text Quellenangaben
  Hessen, Lat. Hassia, eine ansehnliche Provintz in Teutschland, welche gegen Morgen Thüringen und Ober-Sachsen, gegen Mitternacht Westphalen, gegen Mittag Francken, und das Erzstift Mayntz, und gegen Abend Trier, Cöln und das Hertzogthum Bergen hat.  
  Sie begreifft in sich die Landschafft Hessen, besonders  
   
  welche alle zusammen die Landgrafschafft Hessen heissen.  
  Es sind aber diese Stücke, wie unter jedes Namen zusehen, erst nach und nach durch Kauff, Heyrath und andere Wege an die heutigen Besietzer gediehen, und ist das eigentlich so genannte Land von Hessen der erste Grund-Stein darzu gewesen, welches Henricus das Kind aus der Theilung der Landgrafschafft Thüringen mit Henrico Illustri aus Meissen bekommen.  
  Vor Zeiten war Hessen ein Pagus, so zum Francken gehörte, dessen Einwohner waren vornemlich die Catti, welche wieder die Teutsche Gewohnheit einen ansehnlichen Ort, so einer Haupt-Stadt gleich sahe und von denen Römern Matthium genennet wurde, angelegt.
  • Tacitus. Annal. …
  • Ayermann Diss. de monte Tauno;
  welcher, wenn er nicht Marburg selbst gewesen, doch nahe dabey gelegen hat.  
  Sonst war das Land in pagos eingetheilet. Caesar de Bell. Gall. …
  welche durch Amt-Leute regieret wurden.  
  Mit diesen Catten, so sich zum Sueuis geselleten, führeten die Römer Krieg, und suchten sie sonderlich unter Kayser Augusto sehr heim, und legten zu dem Ende die Katten in Zaum zu halten, ein Schloß an. Ayermann Diss. de monte Tauno.
  Doch gelangten die Catti nach Quintilii Vari Niederlage wieder zur völligen Freyheit, wurden sie auch gleich nach diesem heimgesucht, so hatte es doch nicht viel zu bedeutet. Suetonius Domin. …
  Daß unterdessen die Römer einen langen Auffenthalt in Hessen gehabt, siehet man aus denen vielen gefundenen Müntzen, Inscriptionen, Armaturen, Toden-Töpfen u.d.g.
  • Liebknecht Specimen Hass. Subterran.
  • Bernhard Antiq Wetter
  Zu Anfange des 3. Seculi kamen die Alemannier; um die Mitte desselben die Francken; in 5. Seculo die Sachsen, und nach diesem die Thüringer in Hessen an. von Bünau Teutsche Reichs- Hist. Th. I. …
  Nach diesem gerieth Hessen unter die Gewalt des Fränckischen Reichs, welchem sich aber die Thüringer beständig wiedersetzten, und es daher mit Hessen nicht zum besten aussahe, währender Zeit wurde das Euangelium von dem Heil. Bonifacio in Thüringen geprediget ums Jahr 732. Hierauf wurde der Name Hessen bekannt, woher aber derselbe entstanden und ob die Hessen die selbstständigen Catten sind, oder ob sie ein besonder altes Teutsches Volck gewesen, so im Stiffte Halberstadt den pagum Hassingau und das heutige Schloß Hessenheim besessen, ist nicht ausgemacht.  
  Ayermann im unten angeführten Buch in II. Abth. … hält davor, daß die Hessen unter denen Merovingischen Königen ihren Namen von dem kleinen Flusse Esse, bey Fritzlar in dem Pago Hessen bekommen, mithin keine besondere Teutsche Völcker gewesen, die in solchen pago gewohnte Leute also genennet worden, worunter auch viele Catti gewesen seyn können, doch mögen die aus Gallien zu-  
  {Sp. 1900}  
  rück gekommene Fränckische Colonien praeualiret haben, und also sind die Hessen mehr vor Francken überhaupt als ins besondere vor Catten zu halten. Essov de antiq. Hass. formul. beym Kuchenbecker in Analect. Hass. …
  welches ein Diploma von an. 1272. bekräfftiget, darinnen die Grünberger im Namen der gantzen Nachbarschafft bekennen: Se esse Francos.  
  Von Zeiten Caroli M. an haben die Hessen grosse Treue denen Fränckischen Königen bewiesen, da auch in alten Documenten verschiedene Grafen des Pagi Hessen vorkommen, als, an. 900. Eberhard und Gebhard, die wegen ihres Bruders Rudolphs, Bischoffs zu Würtzburg, mit Graf Albrechten von Bamberg Krieg führten. Spangenberg Adels-Spieg. Th. I. B. X. …
  Ferner kommen vor  
 
  • Eboracar, Roggo Vnwanus, unter Carolo M.
  • Unter Ludouico Pio, Brungerus, Ermenfried Hessus, Poppo, Ratolph Ruadperathus,
  • unter Ludouico II. Germanico Adalbertus,
  • unter Arnulpho Conradus
  • und unter Ludouico, dessen Sohne, Stephanus,
 
  alles Grafen von Hessen, von welchen allen keine Spur anzutreffen, daß sie unter denen Thüringischen Herzogen gestanden.  
  Endlich geschahe es aber, daß unter Graf Ludovici Barbati Enckel Ludouici III. an. 1130. Hessen aber terra subiecta mit Thüringen vereinbart wurde, immassen es sein besonderes Land-Gerichte hatte, führte aber nur den Titel einer Herrschafft, weswegen auch wieder der erste abgesonderte Besietzer, Henricus, das Kind, und seine nächste Nachkommen, besage vieler Urkunden, sich nur Herren von Hessen geschrieben. Essov Analect. Hass. Coll. …
  Weil sie aber nicht allein aus Herzoglichen Brabantischen, sondern auch aus Land-Gräfl. Thüringischen Stamm entsprossen waren, haben sie sich gar öffters ohne Zusatz, Land-Grafen und Herzoge, ingleichen Herzoge von Hessen geschrieben, bis sie mit der Zeit ihren Fürstl. Land-Gräflichen personal-Character ihrer Herrschafft Hessen mitgetheilt, daß selbige in folgenden Zeiten nicht mehr pagus, sondern die Fürstl. Land-Grafschafft Hessen geheissen.  
  An. 1292. hat Kayser Adolph Hessen durch ein Diploma zum Fürstenthum gemacht, in welchen Henricus Puer, Landgravius Hassiae genennet wird, unter welchem Titel auch an. 1373. Kayser Carl IV. dem Land-Grafen zur Lehen gereicht wurde.  
  Unter Henrich dem Kinde nun wurde auch die Grentzscheidung zwischen Hessen und Thüringen bewerckstelliget, und darzu gegen Sachsen und Westphalen die Weser und die Diemel beliebt. Es wolten sich auch etliche Vasallen seiner Herrschafft entziehen, er zerstörte aber ihre Schlösser, brachte sie zur Schuldigkeit, und trieb viel aus dem Lande. An. 1373. wurde auch die Erb-Verbrüderung zwischen Hessen und Meissen aufgerichtet. Lucae alter Fürsten-Saal Th. IV. …
  und jegliches mit dem andern belehnet.  
  Weil Hessen zum Fürstenthum gemacht war, so ist es von denen Scribenten unter die 4. Fürstlichen Land-Grafschafften des Reichs gezählet worden. In Ansehung dessen haben sie auf dem Reichs-Tage Sietz und Stimme im Fürsten-Rath, und wechseln im Range mit denen Königen von Schweden und Preussen, als Herzogen von Pommern, denen Herzogen von Mecklenburg, Marggrafen von Baden und Herzogen von Würtemberg daselbst.  
  Nachdem sich die 2. Haupt-Linien, Cassel und Darmstadt in das Unter- und Ober-Fürstenthum Hessen getheilet, davon dieses das Fürstenthum  
  {Sp. 1901|S. 980}  
  an der Löhne, jenes aber das Fürstenthum an der Fulda und Schwalm genennet wird, haben sie zwey Fürstliche Vota geführt, wozu Cassel wegen des Fürstenthums Hersfeld nach dem Westphälischen Frieden noch das dritte gebracht.  
  So sietzen sie auch wegen der Grafschafft Schaumburg auf der Westphälischen Grafen-Banck, so wohl bey Reichs- als Creyß-Versammlungen, die Land-Grafschafft Hessen aber wird zum Ober-Rheinischen Creyß gezählet.  
  In der Reichs-Stadt Wetzlar üben sie die Schutz-Gerechtigkeit und Reichs-Voigtey, haben auch die Geleits-Gerechtigkeit durch die gantze Wetterau.  
  Was sie sonst vor Streitigkeiten mit denen Grafen von Waldeck, und denen Eingesessenen des Bußecker-Thales haben, muß an seinem Ort gesucht werden.  
  Hier ist zu bemercken, daß sie das Jus de non appellando auf 1000. Gülden haben; so denn haben sie schon von an. 1568. krafft eines Erb-Vertrags das Recht der Erstgeburt eingeführt, so aber durch den Westphälischen Frieden recht fest gestellet worden. Sie stehen mit Sachsen und Brandenburg in einer Erb-Verbrüderung, wovon ein besonderer Artickel zu lesen.  
  Die Darmstädtische Linie hat von dem Kayser Ferdinando II. das Priuilegium erhalten, daß ihre Pupilli im 18. Jahr Majorennes werden, Pfeffinger ad Vitriarii Jus publ. …
  ingleichen an. 1635. erhielt sie die Grafschafft Isenburg-Budingen. Pfeffinger l.c.
  und ist der Lutherischen Religion zugethan, dahingegen Cassel reformirt ist.  
  Die Lutherische Religion ist an. 1524. von Land-Graf Philipp gleich angenommen, und in Hessen auf dessen Befehl eingeführet worden. So bald nur selbige etwas Wurtzel bekommen, wurden die 4. Haupt-Clöster Haina, Merxhausen, Hofheim und Gruna eingezogen, und zur Verpflegung armer gebrechlicher Manns- und Weibs-Personen gewiedmet, wozu sie auch noch angewendet werden. Nach diesem ist die reformirte Religion im Casselischen Antheil angenommen worden, bis letztlich Langraf Ernst von der Rheinfelsischen Linie sich wieder zu der Catholischen Religion gewendet.  
  Was sonsten die Politische Einrichtung des Landes betrifft, so bestehen die Land-Stände aus Praelaten, Ritterschafft und Städten. Unter denen Praelaten beyder Fürstenthümer werden verstanden  
 
  • der Land-Commenthur der Balley Hessen zu Marburg und Schiffenberg Teutschen Ordens,
  • die Ober-Vorsteher der 4. hohen Hospitäler, und derer adlichen Stiffter Kauffungen und Wetter
  • wie auch die Vniuersitäten Giessen und Marpurg.
 
  Unter der Ritterschafft sind auch einige Reichs-Freye begriffen, welchen es an ihrer Reichs-Feyheit nicht nachtheilig ist.  
  Ehedessen wurde der Land-Tag, sonderlich zu Kriegs Zeiten im Amt Ziegenhayn nicht weit von dem Closter Spießcappel bey einem ietzo noch zu sehenden alten Gemäuer gehalten, welcher Ort vor die Mitte des gantzen Fürstenthums gehalten, und die Spieß genennet wird. Nachdem aber die beyden Haupt-Linien ihre Höfe zu Cassel und Darmstadt aufgeschlagen, werden solche Land-Tage an jedem Hof besonders gehalten.  
  Das Land an sich selbst ist mit allem gar reichlich versehen. Die Franckenberger Bergwercke führen ein feines Silber, welche letztere auch eine grosse Menge Stahl und Eisen geben. Die Saltz-Qvellen zu Allendorff, Homburg vor der Höhe, Nidda, Almeroda, Hersfeld, Kauffungen, Wicken-  
  {Sp. 1902}  
  rode etc. geben so viel, daß denen Benachbarten eine grosse Menge mitgetheilt wird. So zeuget auch das Land eine grosse Quantitaet Wolle und Flachs, welche ehedessen unverarbeitet aus dem Lande geführet wurde. Landgraf Carl aber hat sich der Gelegenheit bedient, da Franckreich seine Hugenotten ausjagte, und deren eine grosse Anzahl ins Land genommen, wodurch gute Manufacturen zu Cassel aufgerichtet worden seyn; wie denn Cassel unter allen Heßischen Städten das meiste in der Handlung thut.  
  Sonst aber haben sich im 16. Seculo viel Kauffleute wegen der Grausamkeit des Duc d'Alba aus denen Niederlanden hin und wieder in Hessen niedergelassen, und Handlung angefangen.  
  So wächst auch in denen Grafschafften Catzenelenbogen, und Herrschafft Epstein ein guter Wein, welcher nach Holl- und England verführet wird; ingleichen wird allda viel Taback gepflantzt und gesponnen.  
  Die vornehmsten Festungen sind Rüsselsheim, Rheinfels, Giessen, Marpurg, Hertzberg, Ziegenhayn, Cassel, Rinteln, davon Giessen, Marpurg und Rinteln noch dazu mit Academien versehen.
  • Winckelmann Beschr. Hessen …
  • Dilichii Heß. Chron.
  • Pfeffinger ad Vitr. …
  • Chronicon Amoebaeum ap. Senckenberg Sel. Jur. et Hist. …
  • Zeiller Reichs Geogr. …
  • Schneiders Beschreibung Sachsen-Landes ...
  • Ayermann Einleitung zur alten und mittlern Historie von Hessen. Franckfurt und Leipzig an. 1732. 8.
 
     

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Stand: 27. Februar 2023 © Hans-Walter Pries