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Zedler: Humanitatis Officia HIS-Data
5028-13-1156-3
Titel: Humanitatis Officia
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 13 Sp. 1156
Jahr: 1735
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 13 S. 599
Vorheriger Artikel: Humanität
Folgender Artikel: Humanitatis Studia
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel

  Text Quellenangaben
  Humanitatis Officia, werden diejenigen Pflichten genennet, die wir als Menschen aus vernünffti-  
  {Sp. 1157|S. 600}  
  ger Liebe gegen den andern zu seiner Bequemlichkeit erweisen.  
  Ein Thier scheuet sich, seines gleichen zu verletzen, und siehet es das andere Noth leiden, so kommt es wohl demselben zu Hülffe, und suchet es zu retten. Nicht viel mehr thut ein Mensch, welcher seinem Nächsten die Pflichten der Nothwendigkeit erweiset. Dadurch zeiget er aber am besten seinen Vorzug vor einem unvernünfftigen Thiere wenn er Herr über sich selbst wird, und seinem Nächsten alle Liebe erweiset, welche kein Gesetze von ihm fordert.  
  Dieses mögen also diejenigen vielleicht in Gedancken gehabt haben, welche Anfangs beschriebene Pflichten benennen wollen, indem sie selbigen den Namen Officia Humanitatis gegeben. So wenig nun freylich bürgerliche Gesetze uns darzu zwingen können, so wenig spricht uns GOTT davon loß. Derselbe will, daß wir Menschen nicht nur leben, sondern auch unser Leben so vergnügt als nur möglich einander machen mögen, da sein Absehen überhaupt, daß dem Menschen wohl auf dieser Welt sey.  
  Es haben also  
 
  • Grotius de Jur. B. et. P. …
  • Thomasius Iurispr. diu. …
  • und die, so ihnen folgen,
 
  Unrecht, wenn sie solches vor Pflichten halten, welche eine unvollkommene Verbindlichkeit hervorbrächten. Gleichfalls gehet Ridiger Philos. … zu seichte, wenn er die Officia Humanitatis unter diejenigen rechnet, deren Wesen er darinnen setzet, daß man einen scheinbaren Vorwand aufbringen könnte, dergleichen Pflichten zu unterlassen.  
  Ich sorge, es mögten auf dem Fall alle nothwendige Pflichten aufhören, weil es keinem Missethäter an einer Beschönigung seiner Boßheit fehlet. Uberhaupt werden durch dergleichen Lehren die Leute nur desto mehr verzogen, und sehen solche Pflichten auf die letzt als solche an, welche zu beobachten ihrer freyen Willkühr lediglich anheim gestellet wären. Der GOtt aber, der gewollt, daß die Menschen einander in ihrem Leben keinen Tort thun sollen, derselbe ist es auch, der dem Menschen ein vergnügtes Leben gegönnet, das ist, beydes hat er befohlen, und beydes will er ohne Unterscheid beobachtet wissen. Ja ich wollte sagen, es liessen sich die Officia Necessitatis leichter als die Officia Humanitatis ausüben.  
  Daß unser Feind lebet, können wir noch eher geschehen lassen, aber werden wir auch gleich willig seyn, wenn wir uns ihm in Gebärden und Worten liebreich, in Thaten dienstfertig, und mit unserm Vermögen gutthätig bezeichnen sollen? Sind wir unserer Begierden nicht mächtig, wird es gewiß nicht geschehen. Indessen darff der andere auch nicht gedencken, als ob wir allen seinen eiteln und unvernünfftigen Absichten ein Genügen thun sollten. In solchem Falle würde er uns nur mißbrauchen. Es hat dahero ein jeder in Erweisung solcher Officiorum Humanitatis dahin zu sehen, daß desto sparsamer dieselben geschehen, je weniger der andere dieselben vernünfftig gebrauchet.  
  Der, so dergleichen Gefälligkeiten geniesset, ist gebührenden Danck dagegen schuldig, siehe Danckbarkeit. Tom. VII. p. 109. seqq.  
  Ubrigens da bisher beschriebene Pflichten ihren eigentlichen Grund in dem eigenthümlichen Wesen des Menschen haben, so lieget derselbe jedem ob, er lebe in natürlichen oder bürgerlichen Stande, oder stelle gar ein gantz Volck vor. So geschiehet in Ansehung dieses letztern, daß sie die Seegel  
  {Sp. 1158}  
  von einander streichen, durch Schüsse einander begrüßen, Handel und Wandel unter einander treiben, die Waaren des andern durch ihr Land gehen lassen, sich mit einander verheyrathen, im Fall der Noth dem unbillig unterdruckten mit Geld und Volcke beystehen, des andern Heere den Durchzug verstatten, u.d.  
  Demjenigen, der bisher beschriebene Pflichten, es sey in welchem Stande es wolle, unterlässet, gleich mit Grobheit und Schärffe zu begegnen, wäre eben so unmenschlich. Versuche also, ob du den Ubertreter dieser Pflichten durch vernünfftige Nachsicht und Modestie wieder zu rechte bringen kanst.
     

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Stand: 5. Februar 2013 © Hans-Walter Pries