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Zedler: Kauffmannschafft HIS-Data
5028-15-264-3
Titel: Kauffmannschafft
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 15 Sp. 264
Jahr: 1737
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 15 S. 143
Vorheriger Artikel: Kauffmanns-Buch
Folgender Artikel: Kauffmanns-Frau
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

  Text   Quellenangaben
  Kauffmannschafft, oder Kauff-Handel, Handlung, Lat. Mercatura, Commercium, Frantz. Negote, Commerce, ist der Verkehr mit allerhand Waaren und Gütern die zum Unterhalt und Gebrauch in dem menschlichen Leben nöthig und nützlich sind, und entweder gegeneinander vertauscht, oder um baar Geld erhandelt, und von einem Orte zum andern verführt werden.  
  Sie besteht aber in einer klugen Geschicklichkeit dererjenigen Personen, so es mit Vortheile kauffen oder verkauffen; und die sich dergleichen unterziehen, werden Kauff-Leuthe genennet, davon eine besondere Abhandlung zu sehen.  
  Ihrer Beschaffenheit nach, ist sie die unerschöpffliche Quelle des Reichthums eines Staats, wie solches ehedem an denen Städten Tyro und Sidon, und heut zu Tage an denen Völckern zu sehen, die sich vor andern darauf befleissigen. Mancher möchte zwar zweiffeln, ob es auch würcklich an dem, daß die Handlung einem Staate so gar nützlich sey; weil doch GOtt ein jedes Land mit dem, so zu seiner Erhaltung nöthig wäre, versehen habe, die Handlung bald Gelegenheit zur Eitelkeit gebe und über bald die Nahrung benehme, wenn sie sich mit einheimischen Sachen behelffen wolle. Doch ist dieser Zweiffel, wenn man die Sache genau ansieht, gar leichte gehoben.  
  Wenn ausländische Waaren, die nur zur Eitelkeit gehören, eingeführt werden, geht das Geld aus dem Lande, und auf solche Weise ist die Kauffmannschafft allerdings einem Staate höchstschädlich. Gehen einige ausländi-  
  {Sp. 265|S. 144}  
  sche Waaren ein und einige innländische wieder hinaus, so ist zu untersuchen, ob das Geld mehr ein- oder auswärts gehe, und auf solche Weise dieselbe entweder nützlich oder schädlich. Kommen ausländische Waaren an, die wieder aus werts gehen, so ist der daher entstehende Nutzen nicht in Zweifel zu ziehen; Bleiben sie aber unter denen Einwohnern, so ist es mehrentheils schädlich. Es sey denn, daß sie in Gold, Silber, Leinwand und dergleichen nützlichen, oder auch einem Lande nöthigen Sachen, als Getreyde, Saltze, Früchten u.s.w. bestehe; in welchem Falle denen Einwohnern der Nutzen nicht abzusprechen.  
  Daher ist es auch ein sonderbahres Stück der Staats-Klugheit, die Kauffmannschafft in einem Lande in die Höhe zu bringen. Doch kömmt alles hierbey auf die Natur, das Glück und die Klugheit an.  
  Die Natur trägt das ihrige bey, wenn ein Land an der See liegt oder mit schiffreichen Wassern versehen ist, weil die See- und Schifffahrth als eines derer vornehmsten Stücke der Handlung zu betrachten. Ingleichen wenn es Uberfluß an Holtze, Getreyde, Flachse, Metallen und dergleichen hat. Wiewohl dieses letztere eben nicht das Haupt-Werck ist, und manches Land eben aus Mangel desselben, sich auf Manufacturen und Kauffmannschafft zu legen, gezwungen wird. Wie das Beyspiel von Holland klärlich bezeuget. Bey denen Handels-Städten ist auch dieses ein Vortheil, wenn sie nicht so nahe beysammen liegen und einander in der Macht gleich kommen. Denn auf solche Weise hindert eine die andere. Ist aber eine schwächer, so muß sie der andern den Vortheil überlassen.  
  Das Glück aber besteht darinnen; Wenn viele reiche Leute und Capitalisten in einem Staate befindlich, und ein Ort, wo die Handlung anzulegen seine Freyheit hat, auch die Leute sinnreich, arbeitsam und unverdrossen sind.  
  Bey der Klugheit kömmt es endlich Theils auf den Landes-Herren, Theils auf die Kauff-Leute an.  
  Auf Seiten des Landes-Herrn ist  
 
1) wohl auf die Sicherheit derer ein und ausgehenden Waaren zu sehen: und also
 
  • das Post-Wesen wohl einzurichten,
  • die Wege und Strassen in gutem Stande zu erhalten, denen Reisenden selbst gnugsame Sicherheit zu verschaffen,
  • die Zölle nicht sehr zu beschweren, als wodurch der Duc de Alba nach Thuani Berichte zuwege gebracht, daß sich die Handlung von Antwerpen hinweg gezogen.
 
 
2) Kauff-Leute in eine Handels-Stadt zu ziehen: Zu solchem Ende
 
  • sie in gnugsamen Ehren zu halten,
  • ihnen allerhand Vortheile wegen des Geldes zu schaffen,
  •  vor die Gläubiger zulängliche Sicherheit zu machen,
  • die muthwilligen Banquerottirer ernstlich und nach der Schärffe zu straffen,
  • daß die Capitalien im Lande herumgehen und mehr auswärtige hinein gezogen werden, sich zu bemühen. Welches nicht besser geschehen kan, als wenn das Land dasjenige, woran es einen Neben-Fluß hat, auswerts vertreibet, und keine Waaren, die im Lande verarbeitet werden können, unverarbeitet hinaus gelassen werden, z.E. daß aus dem Flachse nicht alleine Garn, sondern auch Leinwand verfertiget und so denn erst ausgeführt werde. Weil auf
 
  {Sp. 266}  
 
diese Weise nicht allein das Spinner- sondern auch Weber-Lohn dem Lande zu gute kommt, und um so viel mehr Leute darinnen ihre Nahrung finden, wie auch rohe Waaren von haussen hinein zu ziehen und darinnen zu verarbeiten, ehe sie wieder auswerts geschicket werden.
 
 
3) Nicht zu wenig und auch nicht zu viel Kauff-Leute in einer Handels-Stadt zu haben: Denn sind bey einer Handels-Societät ihrer wenig, so können sie entweder die Handlung nicht gnugsam unterhalten, oder werden reicher als es der Nutzen des gemeinen Wesens erfordert, und müssen hingegen viele, die ihr Auskommen auch dabey finden könnten, darben. Sind ihrer viele, so bleiben alle mit einander arm, und hat keiner zulängliches Vermögen. Doch ist vor allen Dingen das schädliche Monopolium zu hindern.
 
 
4) Gute Käuffer zu haben, wozu dient, wenn ein Landes-Herr Commercien Tractate zu schliessen sich bemühet, und dahin siehet, daß die innländischen Waaren so gut als möglich zubereitet werden, um sie ausserhalb Landes nicht besser zu haben. Weßwegen gute Manufacturen anzulegen, dazu die Freyheit derer Religionen vieles beyträget, wie Holl- und Engelland hierinnen ein Zeugniß ablegen kan.
 
 
5) Das Müntz-Wesen in gutem Stande zu erhalten: Zu solchem Ende eine tüchtige Materie zu erwählen und sich nach denen vornehmsten auswärtigen Müntzen, die in der Handlung gewöhnlich sind, zu richten, und aller Boßheit, so dabey vorgehen könnte, vorzubeugen.
 
 
6) Fremde Waaren, deren man entrathen kan, und die nicht wieder auswerts gehen, nicht einzulassen oder doch sehr zu beschweren. Weil hiedurch das Land um so viel verlieret, als davor hinaus gehet.
 
  Die Klugheit, so auf Seiten derer Kauff-Leute in Acht zu nehmen, ist unter der Abhandlung von denenselbigen zu suchen.  
  In Teutschland und einigen andern Reichen wird Kauffmannschafft treiben dem Bürger-Stande überlassen, und dem Adel-Stande vor nachtheilig erachtet. In Spanien und Italien hingegen wird es anders gehalten. Doch ist einem von Adel ungewehrt, den Zuwachs von seinen Gütern an Früchten, Wein, Vieh, Holtz u.d.g. zu verführen.  
  Denen Geistlichen wird im Jure Canonico der Kauff-Handel verboten, auch bey denen Protestanten vor unanständig gehalten, und haben sie sich solcher Gestalt ihrer Freyheit nicht zu erfreuen, sondern müssen sich denen gemeinen Auflagen in so ferne unterwerffen.  
  Denen Soldaten, wenn sie dadurch an ihren Kriegs-Diensten verhindert werden, auch andern in ihrer Nahrung, davon sie leben, und zu denen Kriegs-Beschwerungen geben müssen, Eintrag thun, ist es gleich Falls nicht vergönnet. So ist auch denen Unter-Officiers und gemeinen Soldaten nicht erlaubt, durch Backen, Schlachten, Bierschenck, Höckerey, Speisung derer Soldaten u.s.f. denen Einwohnern Abbruch zu thun. Es sey denn, daß sie es von denen Beckern, Schlächtern, Bauern, desselben Orts erkaufft hätten. Doch ist denen Preussischen Soldaten nachgelassen, ausser ihren Diensten und Lager durch die gantze Armee mit Butter, Speck, Käse, Toback und andern kleinen Waaren zu handeln. Flem-
  {Sp. 267|S. 145}  
  ming vollkomm. Teutsch. Sold. …
  In Berg-Städten sollen gleich Falls Berg-Beamte, Diener und Schicht-Meister aus sonderlichen Ursachen und zur Vermeidung des Verdachts vor sich und die Ihrigen nicht mit Tuche, Eisen, Unschlitt, Leder, Pulver, Mehl, Brod, Gewürtze und andern mehr handeln. Weil sie aber einige Sorten von Berg-Materialien wohlfeiler anschaffen können, als solche in der Stadt zu haben, werden sie mit des Ober-Berg-Amts Vorwissen solange dabey gelassen, bis die andern Kramer auf einen noch geringern Preiß herunter fallen. Denen Schicht-Meistern steht auch frey etwas von andern Orten zu verschreiben, wenn es daselbst zum Nutzen der Gewerckschafft in besserer Güte und Preise zu haben.  
  Es ist aber der Handel nicht einerley. Denn einige handeln ins grosse, andere aber ins kleine, und noch andere behelffen sich mit Aushöcken allerhand schlechter und sudelhaffter Waaren, Theils auch mit Hausiren und Land-Lauffen.  
  Der Ursprung der Kauffmannschafft ist vermuthlich dieser, daß anfänglich ein jeder die Früchte seines Landes oder Ackers, wie auch seine Arbeit, demjenigen, der ihrer in dem Dorffe, Stadt oder Lande, wo er sich niedergelassen, bedürfftig gewesen, bis endlich andere, die ihrer eben nicht groß nöthig gehabt, aber doch gewust, wo sie sie wieder loß werden, und zugleich ihre Mühwaltung und Reisen bezahlt kriegen könnten, dieselbige gleich Falls an sich gehandelt haben. Auf solche Art ist ungefähr der Handel aus der ersten, andern und dritten Hand entstanden, woraus noch heutiges Tages die gantze Kauffmannschafft bestehet.
  • Marperger Kauffmanns-Magazin.
  • Molinaeus de Commerciis.
  • Beneu. Straccha de Mercatura.
  • Thurmann Biblioth. Marit. Mercat. et naut.
  • Reinhard Theatr. Prudent. Elegant. …
  • Buddeus Element. Philosoph. Pract.
  • Rohr Haushalt. Biblioth. …
  • Freherus de Mercatura.
  • Rüdiger Kunst zu leben und zu herrschen. … Anhang …
  • Müller Politic. …
 
       

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Stand: 13. September 2016 © Hans-Walter Pries