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Zedler: Krieg HIS-Data
5028-15-1889-2
Titel: Krieg
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 15 Sp. 1889-1898
Jahr: 1737
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 15 S. 941-945
Vorheriger Artikel: Krieglstein
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Stichworte Text Quellenangaben
  Krieg, ein allgemeines Augenmerck derer Völcker, welchen gerecht und klug zu führen man nicht erst da zu überlegen anfängt, sondern dessen man schon mitten in der ungestörten Ruhe des süssesten Friedens gedencket.  
  Der bekannte Natur- und Völcker-Rechts-Lehrer Grotius überschreibt sein Werck de Jure Belli et Pacis,  
  {Sp. 1890}  
  es sey nun solches aus der Absicht geschehen, grosse Herren zur Erkänntnus des darinnen vorgetragenen mit solchen prächtigen Titel an sich zu locken, oder weil in allen Handlungen derer Völcker das eine Auge vornemlich auf den Krieg zu richten, wie er denn das Natur- und Völcker-Recht aus solchen Grunde herleitet.  
  Krieg ist in richtigen Verstande derjenige Zustand, da zwey einander nicht unterworffene Theile derer Völcker wegen Unterlassung derer gegenseitigen Pflichten einander etwas widriges zufügen, damit der, so seinen Pflichten zuwider handelt, zu gehöriger Beobachtung dererselben möge gebracht werden. Der Krieg ist ein Zustand, weil die Umstände des Krieges anders als des Friedens, und in dem einen anders als in dem andern zu handeln. Zwey Partheyen müssen seyn, weil man sich nicht selbst bekriegt, das wichtigste aber ist, daß solche Partheyen einander nicht unterworffen seyn müssen, denn da würde sich die eine als gebietende Obrigkeit gegen die andere verhalten, welche die widerspänstigen als ihre Unterthanen zum Gehorsam brächte.  
  Krieg hat nur unter freyen Völckern seine Bedeutung, als welche einander nichts zu befehlen, und da also eines das andere nicht durch Straffen, wie in gemeinen Wesen, zu Beobachtung der schuldigen Pflichten anhalten kan, die Sache dem Ausfalle des Krieges zu übergeben. Die Bewegungs-Ursache zu diesem Mittel ist die Unterlassung derer gegenseitigen Pflichten.  
  Das zum besten eines jeden ins besondere von GOtt in die Natur des Menschen gelegte gesellschafftliche Leben erfordert gemeinschafftliche Dienst derer Völcker; werden aber dieselben unterlassen, hat das eine Volck schon Schaden, welcher desto grösser ist, je mehr noch dazu wieder des andern Nutzen gehandelt wird. Weil nun GOtt gewollt, daß allen Menschen wohl gehen möge, so kan es nicht anders seyn, als daß die dagegen oder anders würckende dem Göttlichen Willen zuwider handeln. GOtt selbst also will, daß solche zu Beobachtung ihrer Pflichten angehalten werden. Von einer Obrigkeit gehet es nicht an, weil es Völcker seyn, die einander nicht unterworffen.  
  Wollen nun Vorstellungen, Vermittlung anderer freyen Völcker, Repressalien nichts mehr fruchten, kommt es endlich, wie im gemeinen Wesen Stuffen-weise zu Straffen, so hier zum Kriege. Die kriegenden Partheyen wissen dieses nach der Länge anzuführen, und wird kein Volck so barbarisch seyn, das nicht durch ausgestreuete Manifeste und Declarationen die Gerechtigkeit seiner Waffen an Tag zu legen unterlassen sollte.  
  Die Mittel, die nun alsdenn gebraucht werden, können freylich nicht anders als schädlich seyn, weilen da gelindere und unschädlichere Mittel nichts mehr fruchten wollen, die andere Parthey empfinden muß, daß der andern ihre Feindschafft ihr schädlich. Die Absicht dessen ist, den seinen Pflichten zuwider handelnden Theil dahin zu bringen, daß er thue, was ihm gebühret. Diß ist das Maas, wornach die Kriegs-Handlungen abzumessen, sollen sie anders nicht ungerecht werden. Denn ist dieses erhalten, auch kei-  
  {Sp. 1891|S. 942}  
  ne Besorgniß vorhanden, daß nach gemachten Frieden die Sachen wieder so lauffen werden, wie vor demselben, hat der beleydigte Theil erhalten, was er gewollt, und da fällt der Endzweck des Krieges, und folglich auch der Gebrauch solcher Mittel weg.  
Einteilung Die Eintheilung des Krieges ist mancherley, welche wir aus Walchens Philos. Lexic. v. Krieg deswegen hierher setzen wollen, weil bey jeder derselben kürtzlich gleich mit berühret worden, was von jeder zu halten.  
 
1) In Bellum offensivum et defensivum: jener ist, wenn man den ersten Angriff thut, indem man eine rechtmäßige Praetension hat, oder doch zu haben vermeynet; dieser aber wenn man sich wider den geschehenen Angriff des Feindes zu schützen suchet, wiewohl diese Eintheilung nicht weit her ist. Denn da ein rechtmäßiger Krieg dahin zielet, daß man sich in seinem Rechte zu schützen suchet, so ist, wenn man eigentlich reden will, gar kein anderer Krieg, als Bellum defensivum vergönnet, und daß man den ersten Angriff thut, geschiehet eben deßwegen, damit man sich vertheidige. Weil aber diese Redens-Art Bellum offensivum einmahl eingeführet, da man mehr auf die äusserliche Art und Würckung des Krieges, als auf die innerliche Beschaffenheit der Sache selbst gesehen, kan man sie wohl dulten.
  • Proeleum über den Pufendorff
  • Gerhard in Delineat. Juris natur.
  • Pufendorff de Jure Nat. et Gent.
 
2) In Bellum solenne und minus solenne, in Ansehung der Ceremonien, und bey einigen Völckern eingeführten Gebräuchen: Jener wird von der hohen Obrigkeit mit Beobachtung der gewöhnlichen Gebräuche; dieser aber von der Unter-Obrigkeit ohne dergleichen Ceremonien geführet.
Grotius de Jure Belli et Pacis
 
Welche Eintheilung in der Natur des Kriegs, was die Gebräuche betrifft, die von dem Willkühr der Völcker dependiren, nicht gegründet:
 
 
3) In Bellum publicum, und privatum in Ansehung derer, die den Krieg führen, indem jener von der hohen Obrigkeit; dieser aber von einer privat-Person gegen einen andern von gleichem Stande geführet wird, welche Abtheilung, wenn die Rede von dem Kriege unter denen Völckern ist, auch nicht angehet und wenn sie statt finden soll, muß man das Wort Krieg in weitern Verstande nehmen. Man setzet auch noch hinzu das Bellum mixtum, welcher auf der einen Seite ein gemeiner; auf der andern aber ein privat-Krieg sey.
Grotius in Jure Belli et Pacis
 
4) In Bellum externum, der mit auswärtigen Potentaten geführet wird, und internum, der entweder zwischen Obrigkeit und Unterthanen, oder zwischen denen Unterthanen allein; oder zwischen denen Regiments-Personen in einer Aristocratie, oder Democratie geführet wird, davon man das erste eine Rebellion, daß andere einen Tumult, und das dritte einen bürgerlichen Krieg nennet;
 
 
5) In Bellum perfectum, da man den Frieden gäntzlich aufhebt, alle Arten der Feindseligkeit, die der Endzweck des Krieges erfordert, ausübet, und in imperfectum, wenn man den Frieden
 
  {Sp. 1892}  
 
nicht gäntzlich aufhebt, und sich nur in etwas feindselig erweiset, von welchem unvollkommenen Kriege bey denen Griechen zwey Arten üblich waren, davon die eine war androlephios, da man gewisse Leute von einer andern Stadt wegnahm, wenn sie einen Todschläger weder ausgelieffert noch gestraffet hatte, und sie so lange behielt, bis sie eins von beyden erlangt; die andere aber enechyriasmos, welches eben das, was die neueren mit einem Barbarischen Wort Repressalien nennen.
  • Grotius l.c.
  • Ziegler de Juribus Majest.
 
6) In Bellum proprium, wenn man seiner eignen Sachen wegen Krieg führet, und auxiliare, da man sich als den dritten Mann in Krieg einlässet, um dem einen feindlichen Theil Hülffe zu leisten:
 
 
7) In Bellum suspensum, welches eben das, was man den Stillstand der Waffen nennet, und continuatum, wenn die Feindseeligkeiten würcklich ausgeübet worden.
 
Strafkrieg Das sogenannte Bellum punitivum ist eine blosse Chimaere, man mag solches in einem Verstande nehmen, wie man will, indem der Krieg und die Straffe so beschaffen, daß sie nicht beyeinander stehen können; Denn der Krieg wird allezeit unter gleichen Personen geführet; die Straffe kommt aber allezeit von einem obern, der nur demjenigen, dem er zu befehlen hat, straffen kan.  
  Einige verstehen durch das Bellum punitivum, wenn ein Fürst wider seine rebellische Unterthanen die Waffen ergreifft, und sie zum Gehorsam zu bringen suchet, welches aber eigentlich nur eine Straffe und kein Krieg. Andere fassen darunter denjenigen Krieg, den man wider einen Fremden wegen des von ihm erlittenen Unrechts anfange; warum aber eben dieses ein Bellum punitivum heissen soll, sehen wir nicht. Denn da der Beleidigte dem Beleidiger nicht zu befehlen hat, so kan er ihn auch nicht straffen, fängt er aber einen Krieg darüber an, so bleibts ein Krieg an sich, der seiner Natur nach ein Defensions-Krieg, auch nach der gemeinen Art zu reden, wenn man den ersten Angriff thut, ein offensiv-Krieg kan genennet werden.  
  Jedoch wenn wegen des belli punitivi unter den Gelehrten disputirt wird, so ist die Frage eigentlich diese: Ob ein Fürst fremde Völcker wegen schwerer Verbrechen, wider das Natur und Völcker-Recht dadurch aber weder ihm, noch den seinigen Unrecht geschehen, mit Krieg überfallen könnte, sie dadurch zur Straffe zu ziehen? Dieses hat nun Grotius l.c. … nebst einigen seiner Auslegern als: Henniges, Felden, Tesmar, Graswinckel dafür, welche aber andern Gelegenheit gegeben, diese Meynung billig zu widerlegen. Denn da ein Potentat fremden Völckern, die seine Unterthanen nicht sind, nichts zu befehlen hat, und also von ihrem Thun und Lassen keine Rechenschafft zu fordern, so kan er sie auch nicht bestraffen, weil die Straffe als eine Vollziehung des richterlichen Ausspruchs allezeit von einem Obern, der einem zu befehlen hat, herkommen muß.  
  Es sind auch die Verbrechen, die durch einen solchen Straff-Krieg sollen bestraffet werden, so beschaffen, daß dadurch dem Fürsten, der dergleichen Krieg führen wolte kein Unrecht wi-  
  {Sp. 1893|S. 943}  
  derfähret, mithin wo keine Beleidigung vorhanden, da hat auch keine Vertheidigung statt, folglich fällt auch sogar der Krieg an sich weg. Wolte man diese Hypotesin gelten lassen, so würde sie zu grossen Unruhen in der menschlichen Gesellschafft und denen Republiquen Anlaß geben, weil unter diesem Praetext mancher Krieg von Christlichen Potentaten wider die Heyden, auch wider ihre eigene Glaubens-Genossen würde angefangen werden, daß man wenig Ruhe und Sicherheit haben dürffte.  
  Wie nun dieses hinlängliche Gründe sind; also lassen sich die gegenseitige Beweißthümer leichte beantworten. So viel man aus dem Grotio und seinen Auslegern siehet, so gründet sich ihr Irrthum vornemlich darauf, daß sie Vindictam und Poenam vor eins halten, und meynen, das Recht einen zu straffen, praesubponire nicht allezeit eine Herrschafft, welches sich sonderlich Henniges in Grotian. … zu erweisen vorgenommen, und deßwegen verschiedene Umstände anführet, seine Meynung damit zu befestigen.  
  Denn er sagt, wenn jetzo ein Fremder an einem Orte sich nicht aufführte, wie es seyn sollte, so werde er gestraffet, wenn er gleich kein Unterthan; wobey aber zu erinnern, daß wenn er gestrafft wird, er allerdings als ein Unterthan, wenn gleich nur auf eine gewisse Zeit, anzusehen. Lebt ein solcher Mensch an einem fremden Orte, und will der Freyheit und Sicherheit an demselbigen geniessen, so muß er sich auch gefallen lassen, nach den daselbst eingeführten Gesetzen und Verordnungen zu leben.  
  Eben dieser Henniges beruffet sich auch etlichemahl … auf das Exempel Cains, welcher gesagt: so wird mirs gehen, daß mich tod schlage, wer mich findet, im ersten Buch Mosis 4, 14. und also sey er in Furcht gewesen, daß ein jeglicher, der ihm aufstossen werde, ihn bestraffen, und das Leben nehmen dürffte, welches Exempel aber sich hierher nicht schicket. Denn ob ihm wohl sein Gewissen überzeuget, er sey werth, daß man ihn wieder umbrächte, und ist deswegen in Furcht gewesen, daß dieses aus gerechtem göttlichen Gerichte geschehen dörffte, so hat er doch nicht erkannt, auch in seiner Rede nicht angezeiget, daß ein jeglicher das Recht habe, ihn mit einer Lebens-Straffe zu belegen.  
  An einem andern Orte … berührt er den Fall, wenn ihrer drey auf einer Insel wären, und der eine würde von dem andern umgebracht, so könnte der dritte den Todschläger zur Straffe ziehen, und ihm das Leben nehmen, indem nicht nur die Vernunfft haben wollte, daß einer dem andern beystünde; sondern auch GOtt befohlen, daß wer Menschen-Blut vergösse, dessen Blut sollte wieder durch Menschen vergossen werden, welcher Beweiß, oder vielmehr Erleuterung ebenfalls nicht hinlänglich.  
  Denn bey diesem Fall ist der dritte Mann nicht beleidiget worden, und also kan er sich nicht rächen, noch vielweniger Straffe fordern. Es ist zwar der Billigkeit gemäß, daß einer dem andern in der Noth beystehet; welches aber hier nicht geschehen kan, weil der Casus so gesetzt worden, daß der andere schon todt,  
  {Sp. 1894}  
  und wenn gleich GOtt befohlen, daß des Todschlägers Blut durch Menschen wieder sollte vergossen werden, so werden doch hier nicht alle und jede Menschen; sondern nur die Obrigkeitlichen Personen verstanden, auf welche Weise sich auch die andern Gründe, die Grotius nebst einigen seinen Auslegern anführet, leicht beantworten lassen, wovon weiter Willenbergs Sicilimenta juris gentium prudentiae … und Joh. Schmidt in disp. de bello punitivo, Leipzig im Jahr 1714. zu lesen sind. Walch. Lex. Philos. v. Krieg.
Weitere Arten Ausser dem wird auch noch der Krieg in justum et injustum eingetheilt, welches sich von sich selbst verstehet, daß aus gerechten oder ungerechten Absichten ein Krieg unternommen wird, ingleichen gerecht oder ungerecht geführet wird.  
  Man redet auch noch von Bello recuperatorio, da wir die Sache, die wir verlohren, wieder zu erlangen suchen.  
  Bellum speciale ist, den die Stände des Heil. Röm. Reichs Krafft Landes-Fürstlicher Hoheit unter sich oder mit Ausländischen führen, davon unter Reichs-Stand wird geredet werden.  
Mittel zum Krieg Wir handeln hier überhaupt von Kriege, und da vermöge unserer oben zum Grunde gelegten Beschreibung desselben einander nicht unterworffene Völcker das Recht zu kriegen haben, so folget von selbst, daß sie auch vermöge der Majestät solche Mittel müssen gebrauchen können, die zu ihrem Zweck abzielen, als  
 
  • Vestungen anzulegen, wo solches nicht etwann durch Verträge mit andern Völckern eingeschräncket worden,
  • dieselbe zu besetzen,
  • Zeug- und Proviant-Häuser anzulegen,
  • Mannschaft anzuwerben,
  • sie an nöthigen Orten einzuquartiren,
  • in Waffen zu üben,
  • und denen Gliedern des gemeinen Wesens anzubefehlen, was von ihrer Seite dazu beyzutragen.
 
  Das Recht, zu denen Waffen zu greiffen giebt die Noth, nach welcher ein Volck aller gebrauchten gelindern Mittel ungeachtet in seinen Gerechtsamen von einem andern Volcke gehindert wird. Es ist jenes dazu berechtiget, weil GOtt auch schon in der Natur sattsam sich erkläret, wie er wolle, daß denen Sterblichen wohl seyn möge. Daraus folgt, daß wer den andern an Erlangung dieses Zweckes hindert, wider GOttes Willen handele. Hiermit entdecket sich die Gerechtigkeit, zum Kriege zu schreiten, wie gesagt, wenn gelindere Mittel nichts fruchten wollen, weil da GOtt den Zweck gewollt, er nothwendig auch das rechte Mittel dazu gerechtfertiget.  
  Das ist aber das rechte Mittel, ausser welchem kein anders gefunden wird, diese Absicht zu erhalten. Es mögen also  
 
  • Origenes contra Cellum …
  • Tertullianus de Idololatria … de Coron. Milit. 2.
  • Erasmus de Milit. Christian.
  • und die heutigen Wiedertäuffer von denen Müller de Anbaptism. Error. 21. nachzusehen,
 
  wie sie mit ihrer Meynung, daß der Krieg unzuläßig, bestehen wollen. So viel gestehen wir ihnen ein, daß wenn jeder thäte, was ihm zukommt, so, wie im gemeinen Wesen nichts von Straffen, also unter Völckern nichts vom Krieg würde zu hören seyn. Weil aber das menschliche Ge-  
  {Sp. 1895|S. 944}  
  schlecht sich so verderbet, hat freylich zu einer empfindlichern Cur müssen geschritten werden.  
  Will sich also die Boßheit eines Volcks nicht mehr anders heben lassen, so muß endlich Pulver und Bley und die Entgegenstellung eines zulänglichen Kriegs-Heeres der Sache den Ausschlag geben. Schreibt nicht die heil. Schrifft selbst Kriegs-Gesetze 5. B. Mos. 20, 10. seqq. vor? Billiget sie nicht an vielen Orten diesen oder jenen Krieg? Befiehlt nicht selbst in derselben GOtt seinem Volcke denen Israeliten die Kriege des Herrn zu führen, und ihre Feinde zu erschlagen, oder sonst Abbruch zu thun? Ist wohl nur eine eintzige Stelle darzuthun, daß GOtt dem Abraham, Mosi, Josua, David und andern heiligen Männern verarget, daß sie Krieg geführet? Johannes der Tauffer befahl denen Soldaten, die von ihm wollten getauffet seyn, nicht, daß sie abdancken, sondern nur daß sie niemanden Gewalt noch Unrecht thun, und sich an ihrem Solde begnügen lassen sollten,
  • Luc. 3, 14.
  • Grotius de Jure Belli et Pacis
Gerechte Kriege Daß im übrigen nicht alle Kriege gerecht seyn, erkennen wir gantz wohl, finden aber dabey vor allen Dingen zu erinnern vor nöthig, daß der Unterthan oder gar der Soldate nicht im Stande sey, von der Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit eines Krieges zu urtheilen. Es gehört da mehr dazu, als nur aus dem äusserlichen zu schliessen. Wer nicht die gantze Verfassung des Staats und Verhältniß gegen den andern Staat vollkommen inne hat, wage sich nicht daran, zumahl daselbst die Häupter derer gemeinen Wesen so ungewiß sind, daß fast jede Parthey recht zu haben geglaubet, welches sie denen Waffen zu entscheiden überlässet.  
  Es ermangeln zwar, wie schon gedacht, die kriegenden Partheyen nicht, Kriegs-Manifeste auszugeben, oder sonst Vorstellungen zu machen, wodurch sie bezeigen wollen, was sie zum Kriege bewogen; weil aber die wichtigsten Bewegungs-Gründe so beschaffen sind, daß es unklüglich wäre, so sie gemein und kund gemachet würden, so lässet sich auch noch nicht einmahl aus ihren eigenen Bekänntnissen eine zuverläßige Beurtheilung der Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit des Krieges hernehmen.  
  Da auch hiernächst eine Sache nicht nur nach ihrem ersten Schein zu betrachten, sondern auch die daher entstehenden Folgerungen mit in Rechnung zu bringen, so ergiebt sich vernünfftig, daß wenn auch ersteres an sich keine rechtmäßigen Ursachen zum Kriege geben sollten, sie doch können, wenn es des andern wegen geschiehet. Ist also eine grosse Wahrscheinlichkeit vorhanden, das andere Volck gehe darauf um, uns da wir es uns am wenigsten versehen, einen Streich beyzubringen, und man siehet, dieses abzulehnen, kein anderes Mittel als den Krieg vor sich, ist gar nichts ungerechtes das praevenire, wo es die Regeln der Klugheit erlauben, zu spielen.  
Präventionskrieg Daraus läst sich auch die heute zu Tage gantz gewöhnlich gewordene Frage beantworten, ob man wegen allzusehr anwachsender Macht des Nachbarn Krieg anfangen könne. Das sogenannte Gleich-Gewicht von Europa wird in unsern  
  {Sp. 1896}  
  Tagen als die allgemeine Ursache angeführet, warum diesem Printzen ein Land entzogen, und jenem zugetheilt wird? Soviel ist an dem: Ein Schwerdt hält das andere in der Scheide, und so bald das eine gezücket worden, so bald ziehet der andere freylich auch vom Leder. Traut sich nun keiner, dem andern überlegen zu seyn, so unterbleibts.  
  Man wendet aber ein: das wäre doch unbillig, daß einem etwas entzogen würde, daß ihn doch vermöge besten Rechtes gehöre. Es ist wahr, es scheint unbillig zu seyn, zumahl wenn man von dessen Gerechtigkeit überzeuget ist, dem es zufällt; weil aber Umstände vorfallen können, da sich die Scene ändert, auch wohl einmahl solche Printzen aufkommen könten, die sich dieser Gewalt zur Unterdruckung ihrer Nachbarn bedienen könten, als ist es rathsamer, bey Zeiten die Sachen in solche Umstände zu setzen, daß man sich von dieser Seite nichts zu befürchten.
  • Gundlingiana St. V.
  • vermischte Bibliothec St. V.
Beidseitiger gerechter Krieg? Sonst fragt sichs auch noch: ob auch wohl zuweilen ein Krieg auf beyden Theilen gerecht seyn könne? Dem ersten Ansehen nach scheint mit Nein darauf zu antworten, weil zwey widerwärtige Dinge einander widerstreiten, und also nicht beysammen stehen können. Weil aber auf beyden Theilen solche Handlungen können vorgefallen seyn, die unrecht, so kan der eine Theil in Ansehung der einen Handlung recht, der andere unrecht, in einer andern aber dieser recht, und jener unrecht haben, und folglich können beyde rechtmäßige Ursache zum Kriege haben; Nicht zu gedencken, daß der eine Theil würcklich rechtmäßige Ursache zum Kriege hat, der andere aber, ob zwar irrig, gewiß glaubet, wider jenen zu gehen berechtiget zu seyn, wie von beyden Fällen in bürgerlichen Handlungen so gar unsere Gerichts-Stuben nicht selten zeugen. Es hat aber ein Volck zu eigner Rechtfertigung vor GOtt und seinen Gewissen nicht nur dahin zu sehen, daß es aus keinen als aus gerechten Ursachen Krieg anfange, sondern auch bey Fortsetzung des gerecht angefangenen Krieges ungerecht werde.  
Kriegserklärung Ob eine solemne Kriegs-Erklärung bey Eröffnung des Feld-Zuges nöthig, sind die Völcker-Rechts-Lehrer nicht einig. Verschiedene derer alten Völcker würden sichs vor eine Schande geachtet haben, ohne solemne Ankündigung des Krieges auf seinen Feind loß zu gehen. Die Sache hat in so ferne seinen guten Nutzen, wenn man dadurch sucht, den andern durch solche Schreckungen auf Friedens-Gedancken zu bringen; ausser dem wird der Streit nur desto hitziger, ja auch wohl langwieriger, weil sich der Widerpart in desto bessere Gegen-Verfassung setzen kan. Weil nun durch unvermutheten Einfall die Sache kürtzer, viele Kosten und Blut ersparet, und doch der Zweck erhalten wird, sehen wir nicht, warum nicht ohne vorher gegangene solemne Kriegs-Ankündigung der Krieg gerecht seyn solle.  
  So viel aber ist aus obigen klar, daß nicht bey jeder Beleidigung der beleidigte Theil berechti-  
  {Sp. 1897|S. 945}  
  get sey, zum Gewehr zu greiffen, und den andern ins Land einzufallen, vielmehr die gelindesten Mittel vorher zu gebrauchen, den andern zu Beobachtung seiner Pflicht zu bringen. Indem nun solche angewendet werden, merckt der andere Theil so schon, daß wir Genugthuung verlangen, ja wir sagen es ihm wohl klar, daß, wenn uns nicht zulängliche Genugthuung geschehe, wir uns endlich würden genöthiget sehen, die einem freyen Volcke übrigen Mittel hervor zu suchen, und uns selbst zu unserm Rechte zu verhelffen. Hat man diese Grade beobachtet, so hat man sich schon deutlich gnug erkläret, und hat der andere schon mercken können, daß es zum Krieg kommen werde; Es ist ihm also der Krieg angekündiget, nur daß es nicht mit Beobachtung aller Ceremonien geschehen.  
  Die indessen dergleichen Kriegs-Ankündigung noch gelten lassen, theilen sie ein in Clarigationem, welche unter einer gewissen Bedingung geschiehet, und Indictionem puram, wenn der andere schlechterdings vor den Feind erkläret wird.
  • Grotius de J.B. et P. …
  • Kulpisius Colleg. Grot.
  • Ziegler ad Grotium
  • Griebner Jurisprud. natural.
Vorüberlegungen Sind nun alle gelindere Mittel bey dem andern Volcke vergeblich, so ist man, wie schon gedacht, was diesen Punct anlanget, berechtiget, zum Kriege zu schreiten. Weil aber die gerechte Sache vor sich nicht streitet, sondern von denen Kriegs-Nothwendigkeiten muß unterstützet werden, als muß nächst dem vor allen Dingen in Uberlegung gezogen werden, ob unsere Kräffte würcklich so beschaffen, daß man sich durch dieselben einen guten Ausgang versprechen dürffe. Sollte sich nun eigenes Vermögen zu schwach befinden, ist dahin zu sehen, ob selbiges nicht durch zuverläßige Bündnisse so weit erstrecket werden könne, daß man sich auf einen glücklichen Erfolg des Krieges sichere Rechnung machen könne.  
  Endlich muß auch wahrscheinliche Hoffnung vorhanden seyn, daß uns auch würcklich durch den anzufangenden Krieg geholffen werden. Hat man Ursache zu befürchten, daß bey dem Kriege mehr drauf gehen werde, als das angethane Unrecht machen möge, ist es besser, in Gedult eine andere Zeit abzuwarten, da mit besserer Würckung dasselbe geahndet werde, weil der Feind nur desto hochmüthiger und erhitzter gegen dem wird, der sich wider ihn auflehnen wollen, aber ohne Nachdruck.  
Kriegsführung Ist es nun nach fleißiger Erwägung aller Umstände zuträglich, den Krieg zu ergreiffen, so befiehlt die Gerechtigkeit noch weiter, so wohlfeil als nur möglich sein Recht zu erkauffen.  
  Das Leben derer Kriegs-Leute ist das kostbarste, das hier aufs Spiel gesetzet wird. Das Volck nur auf die Schlacht-Banck zu liefern, zeigt noch keinen Helden-Muth. Alles kan in der Welt ereignenden Falls wieder erlanget werden, nur denen auf der Wahlstatt dahin gestreckten Cörpern können die einmahl ihnen entgangenen Seelen nicht wieder eingehauchet werden. Daß Men-  
  {Sp. 1898}  
  schen im Kriege umgebracht werden, ist noch nicht ungerecht, aber das ist ungerecht, wenn es mit wenigern Blute geschehen können, sowohl an einen als den andern Theile. Auf unser Seite behalten wir mehr Glieder unsers gemeinen Wesens, die in diesen oder andern Fällen demselben nützliche Dienste leisten können; und unsere Feinde können auch wohl wieder einmahl unsere Freunde werden, haben wir sie nun zu sehr geschwächet, so haben wir uns zugleich mit Tort gethan. Alle andern Mittel sind also wohlfeiler. Ja Kriegs-List selbst bekommt hierdurch ihre Gerechtigkeit, wenn sie gedachte Absicht zum Grunde hat.  
  Wie weit aber nun in dem allen bey Führung des Krieges zu gehen erlaubt sey, ist unter dem Titel Feindseeligkeit im Kriege Tom. IX. p. 451. dargethan worden.  
  Die Kriegs-Nothwendigkeiten sind gute Soldaten, hohe so wohl als gemeine, Geld, Proviant u.d. was bey jeden zu bemercken nöthig, ist unter ihren eigenen Namen nachzusehen.  
  Die Länge des Krieges erstrecket sich soweit, als man zu seinem Zweck gekommen. Ist der andere Theil so geschwächet, daß uns weiter nichts böses von ihm zu besorgen; macht er sich noch dazu durch feyerliche Verträge anheischig, seinen Pflichten in Zukunfft besser nachzukommen, so ist keine Ursache mehr da, warum wir länger dieses schädliche Mittel walten lassen solten, und nicht viel lieber uns und jenen die bisher entbehrten Früchte des Friedens sollten geniessen lassen.  
Literatur An Männern, die hiervon in ihren Schrifften Unterricht gegeben, fehlt es nicht. George Schubart hat ein dergleichen Verzeichniß unter dem Titel: Naudaei Bibliographia militaris 1683. in 12. herausgegeben, die auch beym Crenio de Eruditione comparanda … befindlich.
  Einige zu nennen so sind bekannt  
 
  • Lipsius Polit. …
  • Reinhard Theatr. Prud. …
  • Rüdiger Klugheit zu leben und zu herrschen …
  • Gundling Disc. über Buddei Politic. …
 
Juden Was übrigens die Juden bey ihren Kriegen vor sonderliche Gebräuche gehabt, solches ist aus 5. B. Mos. 20. zu ersehen. Das vornehmste bestund darinne: Wer vor kurtzer Zeit ein Haus gebauet, einen Weinberg gepflantzet, oder geheyrathet hatte, der hatte Erlaubniß zu Hause zu bleiben, sonst durffte sich keine junge Mannschaft ausschliessen. Sie musten denen Feinden erst Frieden anbieten, wenn sie aber nicht wollten, so schlugen sie alle Manns-Personen todt, die Weibs-Personen liessen sie leben. Die fruchtbaren Bäume durfften sie nicht abhauen, Bollwercke zu bauen, oder andere Nothdürfftigkeiten davon zu bereiten. Die Rabbinen und sonderlich Maimonides haben noch viele andere Dinge zu erzehlen, welche aber niemahls geschehen sind. Leydekker de Rep. Ebr. …
andere Völker Was von anderer Völcker Einrichtung ihres Kriegs-Wesen und die dabey vorkommende Gebräuche betrifft, ist unter der Beschreibung eines jeden Volckes nachzuschlagen.  
     

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Stand: 23. August 2016 © Hans-Walter Pries