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Zedler: Lands-Hoheit [7] HIS-Data
5028-16-500-7-07
Titel: Lands-Hoheit [7]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 16 Sp. 537
Jahr: 1734
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 16 S. 280
Vorheriger Artikel: Lands-Hoheit [6]
Folgender Artikel: Lands-Hoheit und Herrlichkeit, siehe Lands-Hoheit
Hinweise:
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Stichworte Text Quellenangaben
Ursprung der Lands-Hoheit (Forts.) Es gehet hernach gemeldeter Spener l.c. §. 6. seq. p. 330. seqq. weiter fort, und zeiget, wie die fernere Verfassung der Lands-Hoheit aus ihren übrigen Ursprüngen fort zu leiten sey. Es hätte also, seiner Meynung nach, Kaysers Lotharii bescheidenes Regiment viel zu Vermehrung der Lands-Hoheit geholffen. Denn da er sich als Herzog so gewaltig um dieselbe angenommen hätte, wäre es kein Wunder gewesen, wenn er sich auch als Kayser derselben gewogen erzeigt hätte. Davon, daß er die Lands-Hoheit befördert, schiene Dodechinus Adpend. ad Marianum Scotum an. 1125. apud Pistorium Script. Rer. Germ. Tom. I. p. 671. ein vortreffliches Zeugniß abzulegen. Er hätte auch die Thürin-  
  {Sp. 538}  
  gischen Grafen vermogt, sich seinem Schwieger-Sohne Ludewig als dem Lands-Fürsten zu unterwerffen.  
  Weil auch diese Grafen ohne Zweifel dabey nicht weniger ihre guten Vortheile gesehen, wenn sie von dem Reiche ab- und ihrem Herzoge zuträten, auch die Lande, in denen sie vorher das Richter-Amt versehen, völlig oder doch guten Theils und zwar erblich in Besietz nehmen können, so hätte ihnen wenig daran gelegen, ob sie nunmehro Reichs- oder ansehnliche Land-Stände geheissen hätten. Vielleicht hätten auch selbst die Bischöffe die Hand mit im Spiele gehabt, und da sie diesem Beyspiele folgen können, derer Fürsten Lands-Hoheit erhoben. Wenn sie ihrer Lande unmittelbaren Besietz erlangt hätten, wäre es ihnen aller Dings zuträglich gewesen, daß die Fürsten ihre übrige Lands-Regirung fein förmlich eingerichtet hätten.  
  Ob nun zwar sicher wäre, daß erstlich bey Trennung derer Landschafften die Stiffts-Lande völlig unmittelbar worden. Doch mögte damit wohl bestehen, daß vielleicht bereits vorher der Anfang mit Auszühung einiger Stiffter gemacht worden. Einen nicht geringen Vortheil hätte es denen Lands-Herren einigen Theils gegeben, als sie unter dem Schwäbischen Regimente die Regalien an Stat derer alten Ämter von denen Kaysern zu Lehn genommen.  
  Übrigens ware bisher und aus gemeldeten Ursprüngen die Lands-Hoheit fast nur denen Herzogen und ursprünglich unmittelbar gewesenen oder frühzeitig in diese Beschaffenheit getretenen Fürsten, als dem Pfaltz-Grafen am Rheine, dem Land-Grafen in Thüringen und irgend einigen Marggrafen zugefallen. Die Zerreissung derer Landschafften aber hätte die Lands-Hoheit bald nach ihrer ersten Gestallt mehrern Reichs-Ständen gemein gemacht.  
  Die aus denen Landschafften ausgezogene Grafen hätten gleich Falls die Regalien, wie wohl vielleicht nur einige und nicht viele vor denen Zeiten des Interregni von den Kaysern zu Lehn bekommen. Die unter solchen Grafen stehende Städte und der Adel hätten desto weniger Bedencken gefunden, ihnen die Herrschafft zu überlassen, sinte Mahl sie der übrigen Lande Beyspiel zur Nachfolge angewiesen hätte. So hätte es auch der Kayser denen Grafen, wenn er sie mit denen Regalien beliehen hätte, eben vor keine besondere Gnade anrechnen dürffen, weil sie doch sonst denen Herzogen in die Hände gerathen wären. Sie hätten sich nicht so, wie die Herzoge und alten Fürsten, auf ihre mit denen Land-Ständen und dem Kayser selbst getroffene Beredungen und Verträge gründen können, und sich Theils befürchten müssen, in fernere nachtheilige Ansprache von denen mächtigern Lands-Herren gezogen zu werden; dabey sie wären bedacht gewesen, sich in zweifelhafften Rechten lieber mit Kayserliche Priuilegien zu versehen.  
  Sonderlich wüste man, daß die Bischöffe vor und nach dem Interregno es mit ihren Regalien und Lands-Hoheit noch meist auf Kayserliche Begnadigungen hätten ankommen lassen. Und diese Priuilegien wären nachgehends Stat derer bündigsten Verträge mit denen Kaysern gewesen. Wie wohl auch nicht zu zweifeln, daß bey sämmtlichen Bischöffen auch vieles auf die Einwilligung ihrer Land-Stände   
  {Sp. 539|S. 281}  
  werde angekommen seyn.  
  In denen Zeiten des Interregni und nach demselben wären keine weitern Ursprünge der Lands-Hoheit weiter anzuweisen, es wäre denn in Ansehung derer Schwäbischen und zum Theile Fränckischen Grafen und Praelaten, die kurtz vorher durch Zerreissung dieser Landschafften rechte Reichs-Stände worden wären.  
  So liesse sichs auch gantz wohl hören, daß die Reichs-Städte erstlich nach dem Interregno hier und da zu ihren ansehnlichen Regalien und Freyheiten gelanget. Worinnen ihm auch Heilbronner Diss. de Superioritate territoriali §. 15. beystimmet und zugleich  
 
  • Knipschilden de Iure Ciuit. Imperial. I. 5. n. 25. seqq.
  • Conringen de Ciuit. German. Orig.
  • Heidern im Ber. von denen Reichs-Voigteyen,
  • Mylerum Archolog. ord. 17. §. 1. seq.20. §. 1. seqq. 22. §. 1.
  • Lehmannen Speyer Chron. IV. 2. seq. 18.
  • Speidelium Adnot. ad Besoldum Thes. pract. v. Reichs-Städte
 
  als Zeugen anführt, wovon auch andere zuvor, wo von der Lands-Hoheit derer Reichs-Städte gehandelt worden, nachzusehen.  
  Der Vortheil der Lands-Hoheit, meynet Spener l.c. §. 7. p. 338. hätte sich sonderlich in dem Interregno gezeiget, weil da kein Land glücklicher gewesen wäre, als das es mit seinem Lands-Herrn gehalten hätte. Einige Zeit zuvor hätten sich die Kayser immer in Italien aufgehalten, und da hätten die Lands-Herren mit ihren Land-Ständen die Regirung nach Belieben einrichten können. Nach dem Interregno hätte gar kein Kayser weiter daran gedencken dürffen, daß er über die Lands-Fürstliche Hoheit selbst zu sprechen hätte. Deswegen auch die Stände, wenn sie nur ihre Rechte verstanden, nicht erst hätten suchen dürffen, Kayserliche Priulegien darüber zu erlangen.  
  Man hätte gar sorgfältig behauptet, daß die Stände ihre Lehen vom Reiche hätten, und in denen meisten Meldungen des Kaysers gar vergessen wären. Dann und wann hätte man sie zwar in denen letzten Jahrhunderten wieder in Zweifel zühen und anfechten wollen, sie hätte aber dadurch keinen Schaden gelidten, und sich meistens bey dergleichen Streitigkeiten fester gesetzt. So lange die Kayser noch im Reiche herumgereiset wären, hätte die Lands-Hoheit bis Weilen noch einigen Anstoß gelidten, und der nahe Kayser, zu Mahl, wenn er sich einige Ehr-Furcht zu Wege gebracht, öffters nach denen alten Rechten zugegrieffen.  
  Kayser Carl der IV. hätte seinen Böhmen die wichtigsten Rechte zuwenden wollen, und deswegen die Chur-Fürsten im gleichbefugten Besietze solcher Gerechtsame erkennet, auch über dieses einigen Fürsten Chur Fürstliche Befugnisse zugestanden. Wenn ihn die Fürsten ins Reich eingeladen, hätte er ihnen geantwortet, die Stände sollten sichs lieb seyn lassen, daß er sie wenig besuchte, weil der Adler gewohnt wäre, wenn er zu ihnen flöge, ihnen die Flügel auszuzühen, welche bis Weilen bey einigen kaum wieder wüchsen, wie dieses Dubrauius Hist. Bohem. XII. p. 591. seq. bestätigte, daß´man ihn also gar wohl vor einen vornehmen Beförderer der Lands-Hoheit ansehen könnte.  
  Unter der Regirung Kaysers Wenceslai hätte vollends ieder Reichs-Stand thun können, was ihm beliebt hätte, und der Kayser hätte so gar nach Vrstisio Tom. II. p. 181. Blanquete ausgestellt,   
  {Sp. 540}  
  daß ieder Priuilegia darauf schreiben können, die ihm gefallen hätten. So könnte auch Niemand zweifeln, daß sich unter der Regirung Kayser Friedrichs des III. Gelegenheit genung gezeiget, derer niedern Stände gleiche Lands-Hoheit zu bestätigen. Als zuletzt die ordentlichen Capitulationen beliebt worden, so wären die Theils ausdrücklichen, Theils stillschweigende Verträge derer Kayser mit denen Ständen dadurch erneuert.  
  Ob auch zwar bey Gelegenheit derer Glaubens-Spaltungen durch die Spanischen Rathschläge wieder ein Versuch auf die Lands-Hoheit gewagt werden wollen, so wäre doch bekannt genung, daß es zum grösten Vortheile derer Stände insgesammt ausgeschlagen, und endlich durch den Westphälischen Frieden auf ewig bestätigt und feste gesetzt worden. Daher also diejenigen, welche den Ursprung der Lands-Hoheit erst in gedachtem Frieden suchen, sehr irrten; es wäre denn, daß sie dadurch die ietzige in selbigem Frieden bestätigte völlige Einrichtung meynten, in welchem Falle man es ihnen einräumen könne. Heilbronner l.c. §. 11.
  Wie die ältere Gestallt der Lands-Hoheit ausgesehen, schreibt Spener l.c. §. 8. p. 341. seqq. könne man daraus gar leichte erkennen, wenn man zum voraus setze, daß die Vergleiche mit denen Ständen und mit denen Kaysern fast alles zur Lands-Hoheit beygetragen. Es wären folglich die rechten Landsassen vorher in ihrer Masse so gute Reichs-Stände als ihr Herzog selber gewesen. Dieser Rechte würden sie sich auch ohne andere Vortheile dabey auszudingen gewiß nicht begeben haben. Diese Vortheile hätten demnach darinnen beruhet, daß die nunmehrigen Land-Stände bey der Lands-Regirung in allem müssen zu Rathe gezogen, und ausser auf Land-Tägen und ohne ihr Einstimmen nichts wichtiges geschlossen werden können, daß also ihr Zustand fast in voriger Freyheit geblieben wäre, ausser daß sie nichts mehr unmittelbar mit dem Reich zu thun gehabt, und sich nur an ihre Lands-Herren gehalten hätten.  
  Die Regalien, so der Lands-Herr vom Kayser erhalten, hätte er übrigens allein ausüben mögen, weil diese die Lands-Regirung so eigentlich nicht angegangen. Sonst wäre zwar bekannt, daß sich die Land-Stände nicht alle Mahl so genau an ihres Lands-Herren Gerichte gebunden hätten, daß sie sich nicht derer Befehdungen unter einander nach eigener Willkühr bedienet, auch wohl gar gegen ihre Herren selbst Bündnisse errichtet hätten. Dem mögte nun so seyn, wie ihm wollte, so hätte sich ietzo der starcke Unterschied unter denen Theilen der Lands-Hoheit, die man eigentlich Regalien genennet, und unter denen andern, die sich alleine auf die Lands-Regirung bezogen hätten, deutlich gezeiget.  
  Im erstern wären fast vom Anfange an die Lands-Herren ziemlich ungebunden, in dem andern aber mehr als zu sehr eingeschränckt gewesen, und solcher Gestallt wäre es fast durchgängig bey höhern und niedern Fürsten und Ständen, besonders aber denen Bischöffen beschaffen gewesen. Gleich wohl wäre es nicht ohne, daß sich gleich anfänglich die mächtigern Lands-Herren mit mehrerm Ansehen auch vielleicht selbst nach ihrer besondern Lands-Einrichtung gegen ihre Land-Stände mögten erzeigt haben, und wenigstens ihrer Freyheit nicht den völligen Zügel haben schüssen lassen. Je unmächti-  
  {Sp. 541|S. 282}  
  ger aber ein Reichs-Stand sich vor sich selbst befunden, desto weniger wäre er einer freyen Regirung mächtig oder vermögend gewesen, seine Land-Stände in denen gebührenden Schrancken zu halten. Daher sich auch zu denen Zeiten, als sich die Lands-Hoheit in denen mächtigern Landen entweder gleich Anfangs oder doch hernach nach denen Umständen der Zeit gantz anders eingerichtet, die Lands-Hoheit sich in denen schwächern, zu Mahl denen Stiffts-Landen, aus leicht zu errathenden Ursachen in wenig Stücken erblicken liesse. Daß sich aber ietzo in denen Teutschen Landen die Lands-Hoheit derer mächtigern Fürsten um ein grosses anders als vor Zeiten darstellte, auch bey denen niedern Ständen der ungemäßigten Freyheit derer Land-Stände könnte gewehrt werden, hätte verschiedenen in denen Geschichten gegründete Ursachen.  
  Denn erstlich wären alle Bemühungen dahin gerichtet gewesen, nicht so wohl der Freyheit, als vielmehr der Frechheit derer Land-Stände in denen einzelnen Staaten Einhalt zu thun, welches von Zeit zu Zeit durch die  Land-Frieden, welche so wohl im Reiche als in dessen Staaten wären eröffnet worden, geschehen, doch hätte es alle Mahl, wenn ein Fürst in seinem Lande einen Land-Frieden geboten, mehr zu bedeuten gehabt, als mit denen andern, weil er mit der schweren Hand hinter denen Friedens-Störern herseyn und seinen Befehlen auch den Nachdruck geben können.  
  Darnach hätten auch dazu einige gute Reichs-Gesetze, durch welche alle Zusammenrottirung und Aufstand derer Land-Stände bey höchster Straffe verboten worden. Ferner, daß die Fürsten selbst unter einander Bündnisse gemacht, einander beyzustehen, wenn sie von ihren Land-Ständen feindlich sollten angegriefffen werden. Weiter, daß die Landsäßischen Lehen gewöhnlich worden, wodurch man einen Stand viel enger in seine Pflichten einschlüssen können, als wenn er sein freyes Gut besessen, in dem man einem solchen, so bald er nur ein unrechtes Wort gegen den Lands-Herrn lauffen lassen, gar bald von Verwürckung des Lehns hätte vorsagen können. Über dieses, daß die Bauern in denen meisten Theilen von Teutschland ihrer Leibeigenschafft ziemlich entbunden worden, wodurch sich die Land-Stände so gut als entwaffnet gesehn hätten.  
  Welche Mittel zwar alle nur dazu gedient hätten, daß die ungezähmte Freyheit derer Land-Stände mehr eingeschränckt werden mögte, dennoch aber denen Land-Ständen die redlich erworbenen Priuilegien und Freyheiten übrig geblieben wären. Es hätte also auch vielleicht aus trifftigen Bewegungs-Gründen dahin kommen können, daß die Land-Stände selbst von Zeit zu Zeit mit ihren Fürsten capituliret, und ihnen selbst nicht selten manche Befugnisse, die bisher bloß auf den Land-Tag gehört, eingeräumt hätten.  
  Darauf könnten offt Mahls die vornehmsten Land-Stände von denen Fürsten ansehnliche Lehen, Rechte und Güter oder einträgliche Bedienungen mit diesem Bedinge erhalten haben, daß sie zwar vor ihre Personen von Steuern frey seyn, die Lands-Herren aber ohne ihr weiteres Zuzühen die vornehmsten Theile der Lands-Regirung versehen sollten. Weiter wäre vermuthlich, daß die Fürsten, welchen nach der ältesten Verfassung die Gerichtsbarkeiten zugestanden hätten, ihrer Lands-Hoheit viel  
  {Sp. 542}  
  dadurch geholffen, wenn sie denen Land-Ständen die Patrimonial-Gerichte, deren Befugnisse sich ohne dem ziemlich darthun lassen, völliger, nicht wenigen auch gar die Ober-Gerichte zugestanden hätten. Endlich hätten auch einige Land-Stände durch ihre eigene Schuld bey erregtem Aufstande die Mitregirung auf denen Land-Tagen zur Straffe eingebüst.  
  Wenn man diese und andere dergleichen Gelegenheiten besonders oder zusammen nähme, würde man kein Teutsches Fürstenthum antreffen, dessen ietzige freyere Lands-Hoheit nicht daher ihren Ursprung hätte. Hätten sich in andern Landen die Stände bey mehrerer Freyheit erhalten, so hätte es entweder ihre gute Aufführung, oder ihre Einigkeit, oder auch daß die Höfe und Bedienungen mit lauter Land Ständen besetzt gewesen, oder endlich die Schwäche derer Lands-Herren veranlaßt. Wie wohl doch auch an denen Orten, wo die vorige Freyheit in guter Masse bestanden, durch die letztern heilsamen Reichs-Gesetze so viel erlanget wäre, daß die vorige Freyheit eingeschränckt worden.  
  Die gegenseitig gemachten Einwürffe beantwortet Spener l.c. §. 10. p. 357. folgender Gestallt: wenn man spräche: auf solche Weise würde sich die Lands-Hoheit auf einen Raub derer Kayserlichen Rechte gründen, und in lauter Ungerechtigkeit bestehen, wenn man sie aus denen verwirrten Henricianischen Zeiten herführte, daß hier weder von wahrer Ungerechtigkeit noch von einem gewaltthätigen Raube etwas anzutreffen wäre. Denn es käme bey solchen Ursprüngen ja alles auf bündige Vergleiche mit denen Kaysern und denen Ständen an. Die letztern hätten es viel bequemer gefunden, ihre Landschafftliche Regirung auf eine neue Art verfassen zu lassen. Wären es auch nicht alle zu Frieden gewesen, daß sie völlig mittelbar werden müssen; so wäre doch wohl billig gewesen,daß man auf die meisten Stimmgen gesehn, und die Verfassung derer Landschafften darnach eingerichtet hätte.  
  Dem Kayser wäre von dem neuen Lands-Herrn nichts genommen, sondern von ihm gleich Anfangs oder doch folgends alles Vergleichs-Weise erhalten worden. Die nachmahligen neuen Kayser hätten, weil man ihnen dergleichen nicht einräumen wollen, auf die Rechte ihrer Vorfahren keine weitere Ansprache gehabt. In einem Reiche, wie das Teutsche wäre, bekäme der Kayser erst seine Gewalt durch die Wahl, und müste sich also, wie die neuern Capitulationen davon ein Zeugniß ablegten, gefallen lassen, was ihm vor Rechte zugestanden würden. In solcher Absicht könnte es auch kein Kayser vor einen Raub seiner Rechte ausgeben, wenn ihm einige von seinen Vorfahren freyer gebrauchte Befugnisse eingeschränckt würden. Es wäre dessen ohne dem nicht zu gedencken, daß diejenigen alle Zeit die Staats-Rechte ändern könnten, welche sich bey dem Regimente befänden.  
  Spräche man auch, es wäre im Teutschen Reiche vieles bey der Lands-Hoheit gleich wohl bey Kriegs-Läufften und bey offenbarer Gewalt durchgetrieben worden; so diente zur Antwort, daß auf gleiche Weise im Teutschen und andern Reichen viele Staats-Rechte aufgekommen, die des wegen Niemand einiger Ungerechtigkeit beschuldigte. Es wäre gnug, wenn auch hier und da Gewalt gebraucht worden wäre, daß man sich doch  
  {Sp. 543|S. 283}  
  hernach gütlich verglichen, und hernach diesen vor das Teutsche Reich dienlicher gehaltenen Zustand durch einmüthige Verträge bestätigt hätte.  
  Der andere Einwurff, daß man sich mit dem deutlich an einander hängenden Staats-Rechte noch ein Mahl so gut behelffen könnte, wenn man nur den Grund desselben in der Post-Carolinigischen Lands-Hoheit gelegt hätte, da man sich hingegen vor denen vielen Zweifeln nicht zu retten wisse, wenn man der letzt vorgetragenen Lehre beypflichte, könnte aus vorgetragener Lehre gleich Falls leichtlich behauptet werden.  
  Denn wie drehete und wendete man sich nicht, wenn man die Lands-Hoheit unter dem Sächsischen Regimente fortgeführt zeigen sollte. Da müsten die Sächsischen, Fränckischen auch wohl einige Schwäbische Kayser alle Tyrannen heissen, weil sie ihre Regirung mit dem Zusammenhange der Post-Carolingischen Lands-Hoheit nicht reimen könnte. Sollte man sagen: wie sichs zur Lands-Hoheit schickte, daß die Land-Stände noch nach der Hand immer auf die Reichs- und Wahl-Tage gekommen wären, so käme es fast heraus, als ob man den damahligen Zustand mit dem itzigen Polnischen Staate vergleichen wollte. Wer könnte aber wohl bey denen Polnischen Woywoden die Lands-Hoheit zeigen, wenn man auch dieses Gleichniß gleich gerne annehmen wollte.  
  Über dieses nähme und gäbe es denen Landsherrlichen Befugnissen nichts, ob man sie um 200. Jahr älter oder jünger zu seyn befände, und die Staats-Rechts-Lehre liesse sich, was den heutigen Zustand anbeträffe, nach ein und der andern Lehre Grundlegung gleich gut ausführen. Wollten auch einige einwenden, es bestände vielleicht nur in Worten, daß einige den Staat derer Herzoge nach denen Carolingern die Lands-Hoheit nennten, da sie doch vielleicht in der That mit ihm überein kämen, u. dieses Vorgeben sich daher zu beglaubigen schiene, indem auch diejenigen, so auf angegebene Weise die Lands-Hoheit behaupteten, nicht in Abrede, daß dennoch die Land-Stände auf dem Reichs-Tage hätten erscheinen dürffen; so ereignet sich gleich wohl nach genauerer Prüfung, daß der Streit nicht in Worten, sondern in der That bestehe. Denn es wäre eine schlechte Lands-Hoheit, wenn die Land-Stände so wohl als der Lands-Herr unmittelbar und der Reichs-Standschafft fähig wären, und die Lands-Hoheit bestände vielmehr darinnen, daß die Land-Stände sich alleine an ihren Lands-Herrn halten, und sich nach dererselben Befehle richten müssen.  
  Anderer Zweifel, da dergleichen Staats-Rechts-Lehrer der unerweißlichen Beschreibung der Post-Carolingischen Gewalt ungeachtet eine würckliche Lands-Hoheit nach denen Carolingern hätten fest stellen wollen, nicht weitläufftig zu gedencken; als wenn sie behaupteten, daß des Herzogs Gewalt ihm alleine von dem Lande durch eine Wahl sey aufgetragen worden; daß der Herzog als des Landes Haupt die Rechte eines gantz geschlossenen Landes gegen die Kayser selbst behauptet habe; daß der Kayser in dem Lande keiner Regalien mächtig, sondern die Herzoge dieselben allein auszuüben befugt gewesen; daß die Herzoge keine Reichs-Ämter, hingegen aber eine völlige Erblichkeit ihrer Würde u. Macht besessen hätten; und daß sie endlich keine Lehen vom Reiche gehabt, oder nach anderer Mey-  
  {Sp. 544}  
  nung ihre Lehen nur gantz frey dem Kayser aufgetragen hätten.  
  Es scheint aber doch, als ob man zwischen Spenern und denen, die es mit ihm halten, und zwischen deren Gegnern noch eine ziemliche Vergleichung trefffen könnte. Denn Spener redet von der förmlich eingerichteten Lands-Hoheit, andere aber von Lands-Hoheit über Haupt. Nun gesteht Spener l.c. II. 6. . 5. selbst, daß die Herzoge einer gewissen Landschafft vorgesetzt gewesen, die Grafen meistens mittelbar unter dem Herzoge gestanden, die Burggrafen gleich Falls mittelbar gewesen, die Pfaltz-Grafen aber nicht anders als Hof- und Reichs-Richter anzusehen wären; so ist auch bekannt, daß zu denen Zeiten Conrads des ersten weder Marggrafen noch Land-Grafen gewesen.  
  Warum sollten auf solche Weise, da die Grafen unter denen Herzogen mittelbar gestanden, nicht auch auf derer Herzoge Seite eine Lands-Hoheit Stat finden können. Meynt man aber selbst, daß jeder Kayser auf des vorhergehenden Rechte keinen Anspruch mehr hätte, warum sollte dergleichen unter Conraden dem ersten nicht eben so wohl haben geschehen können, als unter denen folgenden; sinte Mahl dieser ja eben sowohl erwarten müssen, was ihm die Fürsten vor Rechte überlassen wollen, als die folgenden.  
  Zu dem gestehet ja Spener l.c. II. 13. §. 6. not. c. daß die Fürsten einen Haupt-Theil der Lands-Hoheit aus denen Verträgen mit ihren Landschafften bekommen, Massen der Kayser diese nicht wieder ihren Willen aus der alten Reichs-Freyheit setzen, noch eine wahre Unterthänigkeit bringen können. Er führet auch selbst l.c. §. 5. not. a. an, daß sich unter denen Merovingern und Carolingern fast stärckere Schemata einer Landsherrlichen Gewalt, als unter denen Ottonibus zeigen. Gesetzt auch, man gesteht ihm den Magistratum oder Fürsten-Ambacht, Vermöge dessen die Fürsten ihre Gewalt zu regiren von denen Kaysern erlanget haben, welche sie erst bestätigen müssen: So läßt sich doch vors erste nicht sehen, wie diese Gewalt, wenn auch keine Verträge deswegen wären vor Handen gewesen, sich von der Person trennen lasse. So kann ja auch seyn, daß gleich die Verträge mit Conraden dem I. dahin gerichtet gewesen, daß sie den Fürsten-Ambacht von ihm nehmen wollten, daß aber hierdurch ihrer Landschafft und ihnen selbst an ihren Rechten kein Eintrag geschähe.  
  Einen deutlichen Beweis scheint hiervon das Beyspiel Henrici Aucupis abzulegen. Denn da sich der Kayser wegen seiner grossen Macht fürchtete, und ihm die Gewalt, so sein Vater Herzog Otto besessen, nicht alle lassen wollte, wurde er endlich durch das zuruffen des Herzoglichen Heeres, welches sich frey erklärte, wenn der Kayser den Herzog nicht von freyen Stücken so ehren wollte, wie seinen Vater, könnte er wohl ohne ihn erhalten, was er verlangte, wie dieses Wittichindus Annal. I. apud Meibomium Script. Rer. Germ. Tom. I. p. 635.5 berichtet.
  Eben gedachter Auctor meldet zugleich in nur angeführter Stelle, daß ihm von seinem Vater, welchen er so gar Patrem Patriae nennet, das Herzogthum sey hinterlassen worden. Und was hatte endlich gedachter Conrad vor Ursache, ihn zu seinem Nachfolger vorzuschlagen, als daß er in Sorgen stehen muste, er mögte sich letzlich gantz und gar vom Reiche trennen.  
  {Sp. 545|S. 284}  
  Anderer zuvor schon angeführter Zeugnisse zu geschweigen.  
  Kann man in denen folgenden Zeiten die Lands-Hoheit nicht so gar deutlich sehen, so ist entweder die grosse Macht derer Kayser Schuld daran gewesen, welche alle Rechte ihrer Vorfahren wieder zu erlangen gesucht haben; wie denn Spener, wie schon zuvor gemeldet worden, selbst saget, daß auch nach würcklich errichteter Lands-Hoheit die Kayser manch Mahl ihrer Vorfahren Rechte wieder zu erlangen gesucht haben; Theils kann auch die Uneinigkeit derer Lands-Herren mit ihren Unterthanen etwas dazu beygetragen haben, welche hernach bey Gelegenheit selbst gegen sie gestanden, wie sie denn wohl ehe bey ziemlicher Massen eingerichteter Lands-Hoheit ihre Herren zu befehden kein Bedencken getragen haben; Theils haben auch die viel angelegten Stiffter derer Herzoge Gewalt ziemlich gemindert.  
  Dem ungeachtet aber folgt doch nicht, daß die Fürsten in ihren noch eigenen Landen die Landsherrlichen Rechte sollten können gehabt haben, ob man gleich gar gerne zugestehet, daß sie Vermöge derer errichteten Verträge aller Dings die Fürsten-Ambacht von denen Kaysern hätten haben müssen Ward so ein Herzog überwunden, war es ohne dem leichte, seine Länder zu zergliedern, und mehrere Reichs-Stände zu erhalten, welches in denen alten Zeiten so wohl hat geschehen können, als hernach bey Herzog Henrichen dem Löwen, da doch die Lands-Hoheit schon errichtet war. Die Macht derer Ottonum und einiger von ihren Nachfolgern war furchtbar, daß sie wohl dasjenige mit Gewalt durchtreiben konnten, wo die Güte nichts verfangen wollte.  
  Unterdessen räumt man Spenern gar gerne ein, daß man eine so förmliche Lands-Hoheit, wie er sie beschreibt nicht eher als in denen Henricianischen Zeiten suchen dürffe. Denn es war da Mahls freylich beständige Kriegs-Unruhe, und immer ein Stand gegen den andern. Was hätte auch endlich daraus werden wollen, wenn die Stände immer gedacht hätten, dieses Recht stünde ihnen zu, und hingegen die Kayser der Meynung gewesen wären, es gehörte vielmehr vor sie. Da war freylich kein besser Mittel, als sich sowohl mit der Landschafft erstlich über gewisse Stücke zu vereinigen, damit man sie und sich besser vor allem feindlichen Anfall beschützen könnte, zu vergleichen und die abgerissenen Stände zu Vermehrung seiner Macht, so viel möglich, wieder herbey zu bringen, als auch hernach mit denen Kaysern selbst ordentlichere Vergleich zu treffen, und dieselbe bestätigen zu lassen; welches auch um so viel eher an gieng, da sich nunmehro die Fürsten mächtig gnug sahen, selbst darüber zu halten. Wurden also die Fürsten selbst mit denen Regalien belehnt, so verschwand vollends auch aller Schein einiger Ungerechtigkeit.  
  Doch hätte man, fährt Spener l.c. II. 3. §. … not. c. fort, sehr frühzeitig angefangen, bey der Belehnung mit denen Regalien die Lands-Hoheit als einen vollen Begriff dererselben anzusehen, darüber derer mit denen Landschafften errichteten Verträge vergessen, und alles vor Kayserlich und Reichs-Lehn geachtet. Daß aber der Kayser dennoch bey der nöthig gemachten Belehnung mit denen Regalien auch einigen Vortheil erhalten, rührte daher, weil die fremden Lehn-Rechte auf derer Fürsten Lehnbarkeit hätten wollen gezogen werden; woraus zuletzt, wo man nicht frühzeitig davor besorgt gewesen, der  
  {Sp. 546}  
  Lands-Hoheit so ein grosser Nachtheil dadurch würde zugezogen worden seyn, als vorher der Nutzen gewesen, den man in Ansehung derer lehnbaren Regalien erhalten. Wie man nun mit nicht sagen kann, daß die Lands-Hoheit erst um die Zeiten des Westphälischen Friedens entstanden, weil sie darinnen bestätigt und fester gesetzt worden, so scheint es gleich Falls nicht allzurichtig, wenn man behaupten will, sie sey erst zu derer Henricorum Zeiten aufgekommen, weil sie da förmlich eingerichtet, und sich im gantzen Reiche überall am deutlichsten gezeigt habe.  
  Was endlich den Einwurff anbelanget, daß das Reich im Anfange noch das Fränckische benennt worden, auch die Kayser Conrad der I. und Henrich der I. Fränckische Könige heissen wollen, thut hier nichts zur Sache. Denn es ist entweder aus Gewohnheit geschehen, weil dieser Name bisher, da das Reich von denen Fränckischen Königen beherrscht worden, im Schwange gegangen, oder man hat dadurch anzeigen wollen, daß man, wie an ihre Stat, so auch in ihre Rechte getreten. Woraus man aber gar nicht erzwingen kann, daß gar keine Veränderung in der Regiments-Form vorgegangen; sinte Mahl die Fürsten dem ungeachtet des Kaysers Hoheit erkannten, ob sie gleich in einigen  Stücken mehrere Freyheit behaupteten. Es mögte auch fast so denn folgen, daß unter denen Ottonibus, weil sie nicht gleichen Titel neben dem Kayserlichen geführet, eine grosse Staats-Veränderung vorgefallen seyn müste, welches man aber noch weniger zugeben will.   
  Der affterverlehnten Landsherrlichkeit Ursprung aber ist in denen Zeiten anzutreffen, da die mit der Lands-Hoheit versehene Fürsten Theils andere mit Gewalt zwungen, ihre Güter als Lehen von ihnen zu erkennen, oder selbst etliche Lehen aufgetragen bekamen, damit sie dieselben, so sie ihnen übergaben, desto besser schützen mögten, wie sonderlich bey denen Stifftern zu sehen.
  • Von Seckendorff Teutsch. Fürsten-St. II. 9. Addit. p. 73. seqq.
  • Knichen de Sax. non prouoc. Iure 17. 5 §. 498
  Theils unmittelbare Stände aber, die sich gleich Falls zu ohnmächtig erachteten, zwar ihre Güter behielten, sie aber doch von denen mächtigern zu Lehen nahmen.
  • Sixtinus de Regalibus c. 1. §. 59. seq.
  Theils mächtige Fürsten auch einen besondern Vorzug darinnen suchten, wenn sie einige mit Lands-Regirungen versehene unmittelbare Lehn-Leute unter sich hätten, welchen sich denn gar gerne ein Stück Landes mit denen völligen Landsherrlichen Rechten überliessen.
  • Knichen de Iure territoriali c. 1. n. 1.
  • Stephani de Iurisdict. P. I. Lib. II. c. 7. §. 45.
  • Brückner Diss. inaugural. de particulari Territorio subinfeudata. 3. §. 2. p. 27. seqq.
     

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Stand: 23. August 2016 © Hans-Walter Pries