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Zedler: Leibeigene HIS-Data
5028-16-1506-7
Titel: Leibeigene
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 16 Sp. 1506
Jahr: 1737
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 16 S. 764
Vorheriger Artikel: Leib-Compagnie
Folgender Artikel: Leibelfing
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

Stichworte Text Quellenangaben
  Leibeigene,  
 
  • Halseigene,
  • Eigenbehörige,
  • eigene Leute,
  • eigene Männer,
  • arme Leute,
  • Vollschuldige,
  • bey denen Holländern:
    • Hoorige,
    • Hoffhoorige,
    • Keürmodige,
    • Schotbare,
  • auf Polnisch: Kmero,
  • Lat. Homines proprii,
 
  werden eine gewisse Art von Bauern genennet, so man in  
   
  findet.  
Ursprung Daß sie ihren Ursprung, besonders Teutschland betreffend, von denen vormahligen Knechten genommen, ist unter dem Articel Knecht abgehandelt worden. Massen so viel gewiß, daß ihr Stand der allerschlechteste unter allen Ständen, und an manchen Orten wenig oder gar nicht von der Beschaffenheit derer ehemahligen Knechte unterschieden, ausser der Verwandelung des Namens, da in neuern Zeiten an Statt des verhasten Namens Knecht Leibeigen und dergleichen aufkommen, wovon man die Historischen Beweise aus dem 11ten und folgenden Jahrhunderten bey Pottgiessern de Condit. … antriefft.
große Unterschiede Zwar giebt es Orte, wo deren Zustand durch die Abwechselung derer Zeiten verbessert worden. Man findet also nach Unterscheid derer Gegenden einen grossen Unterschied derselben Beschaffenheit, daß man die Leibeigenschafft nicht nach einem Masse aller Orten abmässen kann. Dieses ist die Ursach, daß die gelehrten so ungewiß gewesen, ob sie diese Art Leute unter die freyen oder knechtischen zählen sollen. Ersteres haben  
 
  • Philippi in Vs. …
  • Stamm de Seruitut. …
  • Stryck Vs. …
  • Hopp Comment. …
  • Schilter Elem. …
  • und andere
 
  je doch mehren Theils nur aus dem Grunde behauptet, weil sie verschiedenes bey denen leibeigenen bemercket, welches zu thun denen Römischen Knechten nicht erlaubt gewesen, so aber nicht aus dem Iure Romano, sondern Iure Naturae et Gentium zu beurtheilen.  
  Andere, welche auf deren Ursprung  
  {Sp. 1507|S. 765}  
  gesehen, haben sie schlechter Dings Knechte genennet.
  • Gundling Dig. …
  • Thomasius Vs. …
  • Böhmer Diss. …
  • Potgiesser de Statu
  Und wenn man auch derer Meynung nicht gäntzlich beytreten wollte, muß man wenigstens sagen, daß die Freyheit derer leibeigenen gar sehr eingeschräncket. Denn sie sind an gewisse Güter gewiesen, von welchen sie ohne Consens ihrer Herren nicht loß kommen können, und wo ferne sie sich unterfangen, davon zu lauffen, von ihren Herren aller Orten verfolget und vindiciret werden können.  
Frondienste Hiernächst müssen sie ihnen Frohn-Dienste, welche nach Unterschied derer Orte gemässene oder ungemässene sind, leisten, und einen gewissen jährlichen Leib-Zinß geben. Engelbrecht de Seruitut. …
Erlangung Es kann aber ein freyer Mensch des andern leibeigener werden per pactum expressum vel tacitum, und pflegen übern erst gemeldeten Actum Ergeb-Briefe verfertiget zu werden;
  • Meuius Bedencken von Abford. der Bauern …
  • Philippi l.c. …
  • Leisser Iur.
  tacite geschiehet es an einigen Orten, als in Algow und einigen Orten in der Wetterau. Wenn sich daselbst jemand häußlich niederlässet, wird er alsobald leibeigen, und daher kommt das Sprichwort: Die Lufft macht leibeigen. Hertius Paroem. …
  Dergleichen exerciren auch die Chur-Fürsten von Pfaltz in denen Landen am Rhein Vermöge des ihnen zustehenden iuris Wildfangiatus, wovon an seinem Orte nach zu sehen.  
  Es wird auch die Leibeigenschafft durch die Geburt erlanget, wenn nemlich ein Paar leibeigene Eltern oder auch nur eins von beyden, ob schon die andere Person frey ist, Kinder zeugen, so werden sie des leibeigenen Vaters oder Mutters oder beyder leibeigenen Eltern Herrns leibeigene, wie denn auch selbst der freye Ehe-Gatte, welcher sich an eine leibeigene Person verheurathet, eben dadurch des leibeigenen Herrn unterworffen wird.
  • Vadianus de Monaster. ap. Goldap. Scriptor. …
  • Chur-Pfältz. Lands-Ordn.
  • Otto von der Leibeigensch. …
Heirat Es ist auch des Herrn Consens äusserst nöthig, wenn sich ein leibeigener verheurathen will, so gar, daß in ältern Zeiten die wieder Willen ihrer Herren geschlossene Matrimonia derer Knechte, von welchem wir schon die heutigen leibeigenen abstammen, vor ungültig erkläret worden; und da zwar in folgenden Zeiten die Ehen als etwas unzertrennliches gehalten worden, ist zwar obiges gemindert worden, doch so, daß noch bis ietzo in Pommern, Mecklenburg und Westphalen die blossen sponsalia derer leibeigenen ob Dissensum domini dissoluiret werden können, und die, welche den Consens ihrer Herren einzuhohlen verabsäumet, hierüber arbitrarie bestraffet worden.
  • Meuius l.c. …
  • Ord. Proc. Megap. …
  • Steinmeier Diss. …
  • Ober-Lausitz. Unterth. Ordn. Art. IV.
  • Schacher de Homin. …
  {Sp. 1508}  
Homagium Der Herr ist berechtiget, von seinen leibeigenen sich das homagium praestiren zu lassen.  
Besatzungsrecht Das obgedachte Recht, welches denen Herren derer leibeigenen zustehet, denen, so sich ohne ihren Consens von denen Gütern weg und in anderer Herren Bothmäßigkeit oder in Städte gewendet, nach zu setzen und zu vindiciren, wurde vor Mahls das Besietzen, das Besatzungs-Recht genennet, wowieder sich die Städte durch Kayserliche Priuilegia in Sicherheit zu stellen gesucht. Datt de Pace
  Die Herren prosequiren dieses ihr Recht durch den Processum summarium.
  • Meuius Bedencken von Abforder. derer Bauern.
  • Otto von der Leibeigensch. …
Veräußerung Es können die leibeigenen mit und ohne ihren Gütern von denen Herren veräusert werden.
  • Meuius l.c. …
  • Stryck Cautel. …
  • Potgiesser l.c. …
Frondienste Die Frohn-Dienste, welche die leibeigenen ihren Herren zu leisten schuldig, sind gemässen oder ungemässen, und zwar, weil solche aus der Knechtschafft herkommen, wo man die Dienste nicht zu determiniren pflegt, so wird in dubio praesumiret, daß ein leibeigener ad praestandas Operas indeterminatas gehalten sey; sind aber besondere Verträge darüber errichtet, so muß man in solchen sich Raths erhohlen.
  • Stryck Vs. …
  • Meuius P. IV. …
  • Husanus de Homin. …
  • Bechmann Diss. …
Dienstzwang Hieher gehöret, da die Kinder derer leibeigenen, welche sich vermiethen wollen, vor allen Dingen solches ihren Herren sagen müssen, und so sie dieselbe verlanget, keinen andern Mieth-Herrn annehmen können, welches der Dienst-Zwang genennet wird.
  • Ordinat. Polit. Saxon. de an. 1660. …
  • Ordin. Prou. super. Lusat. de an. 1595. Art. 3.
  • Carpzov P. II. …
  • Berger Oecon. …
  • Scheplitz Gonst. …
Zinsen Die Zinsen, welche die leibeigenen ihren Herren zu entrichten haben, und die in Felde, Früchten oder Hühnern etc. bestehen, flüssen eben Falls aus der alten Verfassung der Knechtschafft, wovon Tacitus de Mor. Germ. 25. handelt. Ziegler Diss. …
Vollstreckung Erzeigen sich die leibeigenen Bauern in Abtragung ihrer Praestationen halsstarrig, so stehet dem Herrn frey, ihr Vieh zu verpfänden, Arrest auf die Güter zu legen, ihnen den Genuß derer Früchte zu verwehren, das Geschirre zu sequestriren, und die halsstarrigen selbst nach Gelegenheit in das Loch stecken oder abbrügeln zu lassen etc. welches alles nicht von der Iurisdiction, sondern von der ehemahlichen Herrschafft über die Knechte, mit welcher das Ius coercendi verknüpfft gewesen, herzuleiten. Daher auch noch heutiges Tages die Herren über die leibeigenen solches exerciren, wenn sie gleich keine Gerichtsbarkeit haben.
  • Gailius Obs. …
  • Meuius Bedenck. …
  • Stamm l.c. …
  • Ordin. subdit. super. Lusat. Art. XV.
Erbschaft So fället auch denen Herren nach dem Tode des leibeigenen ein gewisser Antheil von des verstorbenen hinterlassenen Vermögen anheim, welches an einigen Orten im 3ten an andern im 4ten Theile der Erbschafft bestehet, in so  
  {Sp. 1509|S. 766}  
  ferne nehmlich der verstorbene Kinder hinterlassen, wiedrigen Falls die gantze Verlassenschafft dem Herrn gehöret. Solches wird das Haupt-Recht, Haupt-Fall, Lat. Ius Mortuarium, Ius caduci genennet.
  • Lehmann Speier. Chron. II. 20.
  • Harprecht de Iur. …
  Wiederum an andern Orten stehet dem Herrn frey, sich das beste Stück, als das beste Kleid oder das beste Stück Vieh zu erwählen, welches ins besondere die Chur-Müde, Lat. Ius Curmodicum genennet wird. Meinder Diss. …
keine öffentlichen Ämter Übrigens so werden die leibeigenen unfähig derer öffentlichen Ehren-Ämter und Dignitäten geachtet, so, daß sie nicht das Stadt-Recht erlangen können, wo sie nicht vorher ihr Mann-Recht erwiesen, welches eben darinnen bestehet, daß sie Niemand zu eigen gehören; in gleichen nicht unter die Hand-Wercker aufgenommen werden, ausser wenn sie frey gelassen.
  • Gailius de Arrest. …
  • Philippi Vs. …
Rechtsstellung Doch können sie, welches denen Römischen Knechten nicht erlaubt war, Testimonia ablegen, Bürgen werden, Testamente machen und contrahiren, in so ferne sie ihren Herren an dem ihnen zustehenden Rechte an ihren Praediis nicht praeiudiciren.  
Beendigung Was die Endigung der Leibeigenschafft betriefft, kann solche der leibeigene nicht nach eigenem Belieben aufkündigen, besonders wo er sich ein Mahl personaliter, simpliciter und pure dem Herrn unterwürffig gemacht, und ihme Treue und Gehorsam geschworen.  
eisern Vieh Gleichwohl ist in Hessen, Thüringen und einigen andern Orten hergebracht, daß wenn der leibeigne so viel Stücke Vieh, an Kühen, Pferden, Ochsen, Schaafen, Schweinen, Gänsen, Endten etc. hinterlässet, als er bey Antrit des Guts angetroffen, welches des Wegen eisern Vieh genennet wird, er emigriren könne, zu Weilen endet sich auch solche Leibeigenschafft durch Surrogation eines andern, wenn es mit des Herrn Willen geschicht; oder durch Untergang des Praedii, worauf man gesessen.  
Freilassung Der gemeineste Modus ist aber die Freylassung, welche Vermöge eines hierüber errichteten Instruments, so der Erlaß-Brief oder Loß-Brief genennet wird, geschicht,
  • Ordin. subdit. sup. Lusat. Art. IV.
  • Weingarten Auszug der Böhm. Rechte …
  • Meinder de Manumission. …
  und zwar bis Weilen freywillig von dem Herrn, zu Weilen aber durch Geld von dem leibeigenen erworben wird, oder man hätte sich 20. und mehr Jahre vor einen freyen Menschen ohne Contradiction des Leib-Herrns aufgeführet, oder der leibeigene hätte das Gut, worauf die Leibeigenschafft hafftet, ein anders ist es, wo er auf der Person stehet, aufgegeben, oder selbiges sonst zu Grunde gehet. Wobey doch der freygelassene eben den Respect gegen seinen freylasser zu gebrauchen, denen bey denen Römern die Liberti ihren Patronis zu praestiren schuldig waren.  
  Wenn auch der Herr in die Acht erkläret würde, oder hielte denen leibeigenen gar zu grausam, und mißbrauchte also seine Gewalt, ist er dadurch loß.  
Literatur Es sind aber über Haupt von der Leibeigenschafft nach zulesen:
  • Stamm de Seruitute Personali.
  • Husanus,
  • Bonacossa und
  • Lehardus de Seruis Homin. propr.  
  {Sp. 1510}  
   
  et Famulis,
    welche jedoch bloß nach dem Iure Romano gehen, in gleichen
   
  • Hertii Diss. …
  • Thomasii Diss. …
  • Potgieser l.c.
  • von Ludewig Diss. …
  • Meuius l.c. Otto d. tract. …
  • Boehmer. Diss. …, Halle 1716.
  • Waldschmied de homin. …
  • Göbel de Iure
  • Estor de Homin. … in kleinen Schrifften St. V. …
adlige Leibeigene Von adelichen leibeigenen, welche nicht ohne Freylassung aus ihrer Herrschafft Gebiete zühen dürffen, und wie selbige von denen eigenen Bürgers-und Bauers-Leuten auch geringern Personen, als von denen freyen Dienst-Leuten, Hof-Gesinde und andern Edeln unterschieden, auch sollemniter  frey gelassen worden, kann bey Schiltern Institut. … nachgesehen werden.  
  Einige dergleichen Exempel vom Jahre 1293. 1331. werden auch in denen Actis Lindauiensium … und bey Praun … angetroffen, welche ie doch nur von dem mittelbaren Reichs-Adel in Bayern, Thüringen u.s.w. zeigen. Denn was im Jahre 1462. in Straßburg gegen sechs auf der Pfaltz gemachte Edelleute, nehmlich die Wormser, erwehnet wird, daß sie sich um ihren Adel der Stadt 10 Jahre eigen zu seyn verbunden, ist mehr des Pöbels Gewaltthätigkeiten bey zu messen. Dem sey aber, wie ihm wolle, so hatten solche leibeigene von Adel weder den fünfften, noch den sechsten Heer-Schild, sondern es stehet dahin, ob denenselben der siebende Heer-Schild, darinnen Schilter l.c. … die neugeadelten, und die, so aus dem Adel zinsbare Güter besessen haben, setzet, zu eignen sey. Bürgermeister Grafen- und Ritter-S. Th. II. …
älterer Wortgebrauch Sonst muß man auch gestehen, daß das Wort leibeigene in denen ältesten Urkunden sehr ungleich und offt auch von denenjenigen gebrauchet wird, die unter einerley Verbindung wegen Lehen oder anderer Beneficien denen geistlichen oder andern verbunden waren. Bürgermeister l.c. …
     

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Stand: 10. Juni 2023 © Hans-Walter Pries