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Zedler: Leipzig [11] HIS-Data
5028-
16-1652-18-11
Titel: Leipzig [11]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 16 Sp. 1762
Jahr: 1737
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 16 S. 892
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Stichworte Text Quellenangaben
1632 Den 3. Ian. des 1632. Jahres kam ein Geschrey aus, wie der Kayserliche Feld-Herr Graf Pappenheim mit einem flügenden Heere fast bis nach Halle gestreifft hätte, welches die gantze Stadt in grosse Furcht und Schröcken setzte, auch verursachte, daß das Peters-Thor gesperret, und die Brücke vor dem Peters-Thore abgetragen ward. Vogel l.c. ...
  Den 11. Mertz ward denen Thomas-Schülern der Schüß-Graben oder Thomas-Zwinger zur Wohnung eingeräumt, weil kurtz nach einander viele in der Schule eines jählingen Todes gestorben waren. Vogel l.c. ...
  Den 3. Iun. dieses Jahres lieff aber Mahls Nachricht ein, wie der Graf Pappenheim mit 10000. Mann bey Mühlhausen angelanget wäre, und bis Leipzig zu streiffen in Willens hätte; des Wegen sich viele fertig machten, sich bey Annäherung des Feindes an sichere Örter zu begeben. Vogel l.c. ...
  Bald darauf ward von der Bürgerschafft vor 15000. Mann ankommende Schweden Prouiant und andere Lebens-Mittel aufzubringen begeret, auch des Wegen Anordnung gemacht, alles von denen Bürgern und Einwohnern angeschafft, auch Commiss Geld eingesammelt, und denen im Anzuge begrieffenen Völckern entgegen geschickt;  
  {Sp.1763|S. 893}  
  wodurch denn die Stadt vor der Einqvartierung befreyet ward. Vogel l.c.
  Weil sich auch im May-Monathe die Pestilentz geäussert, und angefangen hatte, ließ der Rath das Lazareth ausbessern, und eröffnen, auch einen Seelsorger, Artzt und Balbier annehmen, und erhalten. Weil es aber dem Rathe bey diesen kümmerlichen Zeiten alleine zu schwer fallen sollte, wurden den 8. Iulii die Einwohner und Bürger in denen Kirchen nach der Predigt beweglich ermahnet, daß sie alle Sonn- und Frey-Tage in die Taffeln an denen Kirch-Thüren etwas einlegen mögten. Vogel l.c. ...
  Im Auguste wütete die Pest am hefftigsten, und raffte unter andern auch vier Lazareth-Prediger hin. Vogel l.c. ...
  Im Iulio lieffen wieder unterschiedliche böse Posten wegen des feindlichen Einfalls ein, darüber grosse Furcht in Leipzig entstund, und die Thor-Leute und Vorstädter das ihrige in die Stadt fleheten, auch vom 16. August an das Peters- und Hällische Thor zugehalten wurden. Über dieses ward die Bürgerschafft aus allen vier Viertheilen gemustert, und ein Befehl aufgehangen, daß sich kein Bürger ohne Erlaubniß aus der Stadt begeben sollte. Weiter vermahnte man das Volck ernstlich zum Gebete und fleißigen Kirchen gehen. Hiernächst ward dem Land-Volcke, von welchem da Mahls viele in die Stadt geflüchtet waren, angesagt, sich mit Ober- und Unter-Gewehre gefast zu halten, wie denn auch den 22. August viele gemustert wurden. Vogel l.c. ...
  Den 21. Aug. lieff Bericht ein, daß Zwickau übergegangen, und des Tages darauf viele Städte und Dörffer vom Feinde eingeäschert worden wären, welche Zeitung die Furcht verneuerte, und um so vielmehr vergrösserte, da die Schwedische Kriegs-Macht in Francken, die Chur-Sächsische aber in Schlesien stund, und man sich der schleunigen Hülffe von keiner von beyden getrösten konnte. Vogel l.c.
  Den 28. dieses Monaths kamen 50. Bauern unter das Leipzigische Defensions-Werck gehörig in die Stadt, wurden im Thomas-Schüß-Graben einqvartieret, den Tag darauf mit denen andern Defensionern gemustert, und folgende Tage mit und neben der Bürgerschafft auf die Wache geführet. Vogel l.c. ...
  Den 15. Septembr. wurden von der Pleissenburg 13. grosse Stücke, 3. grosse und 4. kleine Feuer-Mörser sammt 40. beladenen Munition-Wagen unter Begleitung 150. Mann aus dasigem Defensions-Wercke nach Torgau abgeführt. Vogel l.c. ...
  Den 25. Sept. kam Kundschafft, wie der Herzog von Friedland, sonst Wallenstein genannt, nebst dem General Holcken vor Zwickau gerückt wären, und den Grafen von Pappenheim erwarteten, welcher zu dem General Holcken stossen, und hernach Leipzig angegrieffen werden sollte. Hierdurch entstund aber Mahls ein grosses Schröcken unter denen Leuten, daß auch den 29. Sept. viele Kauff-Leute ihre Waaren einpackten, und etliche 1000. Centner Guts aus Leipzig an sichere Örter führen und bringen liessen. Vogel l.c.
  Da nun die Zeiten immer gefährlicher und besorglicher wurden, kam der Rath fast täglich zusammen, und pflog Unterredung, wie man sich bey solchem Zustande verhalten sollte, ließ auch zu Ausgange des Septembers alle Bürger aufs Rath-Haus fordern, und gab ihnen gewisse  
  {Sp.1764}  
  Anweisung. Weil auch in solchen Fällen nicht möglich, daß die Bürgerschafft so bald zusammen gebracht werden konnte, ward ihr verstattet, einen Ausschuß zu machen, und aus iedem Vierteile vier Mann zu erwählen, die auf den Noth-Fall in wichtigen und der Stadt Wohlfahrt betreffenden Sachen wegen der gesammten Bürgerschafft erscheinen, des Raths Meynung anhören, betrachten, und ein gesammtes Gut-Achten darauf ertheilen sollten. Dieses nahm die Bürgerschafft mit Dancke an, und erwählte aus iedem Viertheile vier Personen, welche man hernach die Sechszehner oder der Bürgerschafft Deputirte nannte. Es wurden auch dieselben von der Bürgerschafft dem Rathe vorgestellet, und ihnen eine wöchentliche Besoldung ausgesetzt, auch sie vom Rathe zu solchem Amte bestätiget, und ihnen versprochen, sie auf alle begebende Fälle in Schutz zu nehmen. Vogel l.c.
  In dem dieses vorgegangen war, kam wieder eine traurige Nachricht. Doch ward dem ungeachtet die Michaels-Messe eingeläutet, aber nicht gehalten. Im Mittelst wurden die Wachen in denen Thoren gestärcket, und alle Zeit zwey Viertheile zugleich aufgeführt. Vogel l.c.
  Den 8. Octobr. kam Zeitung, daß Freyberg an den General-Feld-Marschall Holcken übergegangen sey und dieser nunmehro seinen Weg nach Leipzig richte. Folgende Tage brachten andere Briefe mit, daß der Herzog von Friedland gleiches in Willens habe. Nunmehro konnte die Stadt leichte abnehmen, daß es ihr wieder gelten sollte. Der Chur-Fürst hatte die Einwohner auch schon unter dem 20. Aug. und 28. Sept. gewarnet, und befohlen, daß sie treulich handeln, und Niemanden die Stadt öffnen, auch sich nach aller Möglichkeit halten sollten. Man stellte sich auch bey so betrübten Zeitungen in gute Bereitschafft, besserte die Brust-Wehren aus, nahm junge Pursche an, und machte eine Eintheilung derer Posten.  
  Den 15. Octobr. kam vieles Land-Volck aus der umherliegenden Gegend in der Stadt an; hingegen wurden selbigen Tag noch viele Güter gegen Wittenberg und Magdeburg geschafft. Den folgenden Tag liessen sich schon einige feindliche vorausgeschickte Parteien auf denen nächsten Dörffern um die Stadt sehen, welche aller Hand Feindseligkeiten ausübten, die Pferde ausspanneten, wen sie auf der Strasse ertappten, übel handelten, ja, sich auch so gar in die nahe liegenden Vorwercke machten, und dieselben plünderten.  
  So sprengeten sie auch etliche Personen und unter andern einen Leipziger Kauff-Mann und eines Bürgers Sohn, die nach Altenburg reiten wollten, hart vor der Stadt an, und nahmen sie gefangen. Zwar wurden ihnen gleich einige Musquetirer nachgeschickt, die sie aber, weil sie nicht Stand hielten, nicht einhohlen konnten. Den 17. früh zwischen 7. und 8. Uhr sahe man verschieden Trouppen Reuter im freyen Felde in Schlacht-Ordnung, welche die Strassen um die Stadt Rings herum beriten, und bis an die Vorstädte Schild-Wachen setzten, daß Niemand sicher aus- oder einkommen konnte. Darauf wurden alle Thore gesperret, die Wachen verdoppelt, und im Zwinger und auf denen Pasteyen zur Gegenwehr gute Anstallt gemacht.  
  Den 18. dieses Monaths zeigten sich wieder einige, doch  
  {Sp.1765|S. 894}  
  stärckere Parteien als des vorigen Tages, welche die umliegenden Dörffer auf das äusserste plünderten, und viele in Brand steckten. Gegen Mittag schickte der Herzog von Friedland einen Trompeter vor das Grimmische Thor, welcher die Stadt auffordern sollte. Hierauf wurden etliche höhere Kriegs-Bedienten abgeordnet, und durch die Pforte zum Thore hinaus gelassen, welche des Trompeters Anbringen erst mündlich vernehmen sollten. Nach diesem ward er mit verbundenen Augen zum Ranstädter Thore hinein geführet, und aufs Rath-Haus begleitet, da er denn sein Anbringen heraus sagte, und zwey Schreiben, deren eines an den Rath, das andere an den Chur-Sächsischen Commendanten dieser Stadt überschrieben war, überlieferte.  
  Das erste ward vom Rathe so gleich erbrochen, und war dieses Inhalts: Der Herzog von Friedland wollte sich versehen, es werde sich die Stadt Leipzig gleich, wie andere Städte gethan hätten, unverweigerlich in Kayserlichen Gehorsam ergeben; als bald 200. Soldaten vom Hatzfeldischen Regimente zur Besatzung auf die Festung einnehmen, und sich denen Kayserlichen Waffen keines Weges wiedersetzen. Sollte aber wieder Vermuthen dergleichen nicht geschehen, und Anlaß gegeben werden, daß sich das gantze Kriegs-Heer zu und um Altenburg daher begeben müste, so sollte mit Leipzig so verfahren werden, daß das gantze Römische Reich ein Beyspiel daran nehmen sollte.  
  Das andere ward dem Haupt-Manne auf dem Schlosse zugeschickt, von ihm aber, weil sein Name nicht darauf stund, er auch nicht Commendante in der Stadt war, nicht angenommen, sondern unerbrochen zurück gegeben.  
  Darauf ließ der Rath nach gepflogener Unterredung und Berathschlagung mit denen Abgeordneten der Bürgerschafft gegen Abend den Trompeter mit dieser Antwort wieder abfertigen: es wäre der Rath und die Bürgerschafft dem Chur- Fürsten mit Eid und Pflichten zugethan, und könnten sich demnach ohne Vorwissen desselben zu nichts verstehen. So wäre auch das Schloß ein von der Stadt gantz abgesondertes Werck, so einen eigenen vom Chur-Fürsten dahin verordneten Haupt-Mann hätte, welcher sich von der Stadt nicht vorschreiben liesse. Sie hätten ihm zwar das an N. N. Chur-Fürstl. Sächs. Commandeur und Officirer überschriebene Schreiben durch zwey Abgeordnete ihres Mittels überliefern lassen, er hätte es aber aus vorangezogenen Ursachen nicht annehmen wollen. Sie schickten es des Wegen unerbrochen wieder, mit unterthänigster Bitte, der Herzog mögte mit dieser Erklärung zu Frieden seyn.  
  Weil aber der Generalissimus keine gefällige Erklärung erlangte, verstärckte sich dessen Reuterey den 19. Octobr. mehr und mehr, nahete sich hart zu denen Vorstädten, und stellte Schild- Wachen davor, schickte auch den gefangenen Bürgers-Sohn hinein, sein und des Kauff-Manns, wie auch anderer gefangenen Löse-Geld abzuholen.  
  Unter dessen setzte der Feind sein Vorhaben fort, und schloß die Stadt immer enger ein. Dieses zu verwehren geschahen so wohl von der Festung als von denen Pasteyen aus denen grossen Stücken und Doppelhacken viele Schüsse hinaus, und wurden etliche vom Feinde erleget. Nach Mittage um 2. Uhr kam vorgedachter Trom-  
  {Sp.1766}  
  peter wieder hinein, und that seinen Vortrag mündlich, ließ sich auch dabey aller Hand grosser Bedrohungen vernehmen, wo man sich ferner weigern würde. Der Rath aber blieb standhafft bey seiner ersten Erklärung, und schickte den Trompeter nach fünf Uhr mit abschlägiger Antwort wieder hinaus.  
  Eine Stunde zuvor wurden etliche zwantzig Reuter und achtzig Musquetirer hinaus geschickt, welche zwischen dem Gottes-Acker und dem nächsten Kohl-Garten mit dem Feinde in ein Gefechte geriethen, auch etliche von demselben so weit brachten, daß sie sich zurücke zühen musten. Die aus der Stadt setzten denen flüchtigen nach, zogen sich aber endlich, als fünf starcke Parteien Reuter zum Vorscheine kamen und ihnen hefftig zusetzten, weil sie sich zu schwach befanden, und sich guten Theils verschossen hatten, auch nach vierstündigem Gefechte ziemlich abgemattet waren, in guter Ordnung ohne Verlust eines Mannes wieder zurück. Ob sich auch wohl der Feind unterstund, sie zu verfolgen, so ward doch von denen Pasteyen und Wällen so starck unter ihn gefeuert, daß er weichen muste; wie wohl er vor seinem Abzuge noch ein wohl erbautes Vorwerg mit vielen hundet Schocken Getraide in Brand steckte.  
  Den 20. Octobr. zogen sich die feindlichen Hauffen, welche bisher die Stadt Rings herum berennet hatten, auf der Höhe über dem Rubethe zwischen Schönfeld und denen Kohl-Gärten zusammen, huben die hin und wieder an denen Strassen und im Felde ausgestellten Schild-Wachen auf, und stellten sich, als wenn sie die Einschlüssung gar aufheben, und ohne fernere Feindseligkeit abzühen wollten; Massen sich das eine Regiment nach der Hällischen, das andere nach der Wurtzenischen Strasse wendete, und in guter Ordnung fortzog.  
  Weil sich nun nach Mittage fast Niemand mehr vom Feinde blicken ließ, man auch in der Hoffnung stund, er würde Entsatz mercken, und dessen nicht erwarten wollen, so lieffen die Bauers- und Thor-Leute, welchen auf allen Fall zur Beschützung einige Musquetiers zugeordnet wurden, hinaus, Theils dem im Kohl-Garten entstandenen Brande zu wehren, Theils auch Kraut, Rüben, Möhren, Heu, Stroh und andere Lebens-Mittel herein zu hohlen, welches sie auch ohne einige Abwehrung vom Feinde verrichten konnten.  
  Am folgenden Sonntage als am 21. Octobr. ließ sich der Feind wieder von ferne sehen und hören. Der Gottes-Dienst ward zwar in beyden Kirchen mit gebührlicher Andacht verrichtet, in dessen aber gleichwohl die Posten um die Stadt auf denen Pasteien und Mauern, so viel immer möglich, besetzt. Um neun Uhr nach gehaltener Früh-Predigt sahe man die gantze Reuterey und das Fuß-Volck mit vielem Geschütze, Feuer-Mörsern und einer unsäglichen Menge Munition und Bagage-Wagen ankommen, welche nicht allein die gantze Stadt umzogen, sondern sich auch derselben in aller Eil näherten, und ungeachtet man ihnen so wohl von der Pleissenburg, als aus der Stadt mit starckem Feuer aus Stücken, Doppelhacken und Musqueten zusetzte, und sie dadurch abzuhalten vermeynte, sich Theils in und hinter dem Gottes-Acker, Theils hinter dem noch stehenden Mauer-Wercke derer vor einem Jahre abgebrannten Vorstädte, und denen wieder aufgebaueten Häusern,  
  {Sp.1767|S. 895}  
  verschantzten, und zu Pflantzung des groben Geschützes Batterien aufwurffen.  
  Unter dessen wurden in der Stadt die Seiger aufgezogen, und alles Geläute bis nach Übergabe eingestellet; hingegen zum Wiederstande und sich bis auf den letzten Mann zu halten Anstallt gemacht. Um den Mittag fiengen die belagerten und die Belagerer an, einander starck mit Musqueten zu begrüssen.  
  Im Mittelst schickte der Feind diesen Tag vor und nach Mittage zwey Trompeter in die Stadt, welche in der Rath-Stube verhört wurden. Beyder Anbringen war einerley; nehmlich, es sollte sich der Rath und die Bürgerschafft erklären, die Stadt aufzugeben; wiedrigen Falls sollte dieselbe mit Feuer geängstigt, und keines Menschen verschont werden. Sie wurden unter dessen in der Steuer- Stube behalten, und mit schrifftlicher Antwort an den Herzog von Friedland wieder abgefertigt.  
  Gegen Abend um fünf Uhr kam der dritte Trompeter, und forderte die Stadt noch Mahls gar beweglich auf, mit angehängter Bedrohung, woferne sie sie nicht als bald ergeben, und billige Vergleichungs-Mittel annehmen, sondern es auf das äusserste ankommen lassen würde, sollte nach derselben Eroberung alles niedergemacht, auch darunter des Kindes im Mutter-Leibe nicht verschont, ja so gar endlich die Stadt geplündert, und in Brand gesteckt werden.  
  Als aber wieder kein annehmlicher Entschluß erfolgen wollte, setzte man der Stadt viel härter zu, und warff noch selbigen Abends, wie auch die Nacht über etliche dreyßig grosse Granaten und Feuer-Kugeln zu sechs und dreyßig Pfunden schwer in die Stadt, welche auch in der Grimmischen Gasse, dem Schuster Gäßgen und der Reichs-Strasse zündeten; doch ward es durch die gute Anordnung nebst göttlicher Hülffe bald wieder gelöschet.  
  In dieser Nacht fuhr auch der Feind mit denen Lauff-Graben eifrig fort, ließ in denen Gärten derer Vorstädte etliche Bettungen vor die Stücke aufwerffen, das grobe Geschütz pflantzen, und alles zum Sturme fertig machen. Es war also kein Zweifel, woferne man sich nicht zum Vergleiche bequemt hätte, daß den folgenden Tag die Wercke wieder gelegt und die Stadt mit stürmender Hand eingenommen worden seyn würden, worauf sich auch die Soldaten wegen der guten Beute grosse Hoffnung machten.  
  Als man nun den Ernst vor Augen sahe, und zugleich betrachtete, wie es unmöglich wäre, dem so mächtigen Feinde länger zu wiederstehen; sinte Mahl nicht nur die Bürgerschafft dieses Jahr über durch die wütende Pest starck geschwächt worden war, sondern auch viele derselbigen mit denen ihrigen aus Furcht des Krieges ausgewichen waren, und sich an sichere Örter begeben hatten. Zu dem auch der Haupt-Mann auf der Pleissenburg als bald die Defensioner zu sich auf das Schloß erforderte, über dieses auch schon an Lebens-Mitteln Mangel vorfiell; so ward noch selbige Nacht ein Trommel-Schläger an den General Holcken abgefertiget und schrifftlich gebeten, daß man doch mit Feuer-einwerffen inne halten, und einen billigen Vergleich treffen mögte.  
  Dieser kam den 22. Octobr. früh nach drey Uhr nebst einem Trompeter wieder an die Stadt, und brachte vom Generale ein Schreiben dieses Inhalts mit sich: demnach es der Rath und die Bürgerschafft ungeachtet des vielen Erinnerns so weit hätten  
  {Sp.1768}  
  kommen lassen, daß die Lauff-Graben gemacht, die Stück-Bettungen verfertiget, und die Stücke gepflantzet wären, so wäre er fast dahin geneigt, nunmehro mit der Schärffe zu verfahren; ie doch wollte er, woferne der Rath gegen sieben Uhr mit gnugsamer Vollmacht bey ihm im Quartire erscheinen, und gegen neun Uhr auf geschlossenen Vergleich die Stadt übergeben wollte, so lange Befehl ertheilen, daß man mit Schüssen inne halten sollte.  
  Auf diese Erklärung fuhren endlich die von der hohen Schule, dem Rathe und der Bürgerschafft Gevollmächtigte in zwey Kutschen in des gedachten Generals Haupt-Quartir, und schlossen folgenden Vergleich:  
  „1.) Sollte denen Bürgern und Einwohnern, welche sich bey dermahliger Einschlüssung und Belagerung zur Beschützung der Stadt gebrauchen lassen, selbige Beschützung keines Weges zur Gefahr gereichen.  
  2.) Sollten die Bürger demjenigen Volcke, so nunmehro vom Herzoge zu Mecklenburg und Friedland zur Besatzung in die Stadt gelegt würde, mehr nicht, als Servis zu geben schuldig seyn, und ihnen die Unterhaltung von denen Dörffern verschafft, sie aber sonst in guter Zucht gehalten, und ihnen nicht nachgesehen werden, die Wirthe über dasjenige, so ihnen verordnet worden, zu beschweren.  
  3.) Sollten die hohe Schule, Rath und Bürgerschafft ihren Begnadigungen, Rechten und Gerechtigkeiten, Übungen und Freyheiten, auch der Glaubens-Übung unverändert und unverrückt gelassen auch keiner dawider beschwert werden.  
  4.) Sollte die hohe Schule, Rath und Bürgerschafft mit andern Pflichten, als sie allbereit auf sich hätten, nicht belegt werden.  
  5.) Sollten die Bürger ihr Gewehr auf das Rath-Haus geben, und der Rath selbiges in Verwahrung nehmen.  
  6.) Sollte dem Rathe seine Munition, wie er solche bisher gehabt hätte, ie doch anders nicht als zu der Stadt Beschützung, in gleichen der hohen Schule, dem Rathe und der Bürgerschafft ihre Glocken, sie mögten seyn, wo sie wollten, gelassen werden, und sich Niemand dererselben anmassen.  
  7.) Sollten von der eingelegten Besatzung keine Häuser geschleifft auch das Chur-Sächsische Amt-Haus in seinem Wesen gelassen werden.  
  8.) Sollten der hohen Schule, dem Rathe und der Bürgerschafft ihre Einkünffte, wie sie dieselben bis her und vor diesem gehabt hätten, verbleiben, und sie in deren Einhebung nicht gestöhrt werden.  
  9.) Was sich bey dieser Zeit vom Land-Volcke geist- und weltlichen Standes mit denen Seinigen in die Stadt begeben hätte, dem sollte ein freyer Ab- und Zu-Zug, wie auch denenjenigen, welche sich wegen der Pest und anderer Gefahr aus der Stadt begeben hätten, es mögten dieselbe hohe Schul-Verwandten, bürgerlichen, oder andern Standes seyn, nebst allem, was sie bey sich hätten, sicher hin- und wieder zu reisen verstattet, auch denen Bürgern und Handels Leuten in Verschickung ihrer Waaren keine Hinderung zugezogen werden.  
  10.) Sollte auch der eingelegten Besatzung und deren Befehls-Habern nicht nachgesehen; und zugelassen werden, die hohen Schul-Verwandten, Bürger und andere Einwohner zu plündern, oder sie mit einiger Auflage und dergleichen Bedrückung zu beschweren.  
  11.) Die  
  {Sp.1769|S. 896}  
  Einquartirung der Besatzung sollte von dem Rathe bis nach Eroberung des Schlosses verrichtet, hernach aber die Besatzung in das Schloß gelegt, und die Stadt gäntzlich damit verschont werden.  
  12.) Die Schlüssel der Stadt-Thore sollten Vermöge der Stadt-Freyheiten der Rath und der Commendante zugleich in Verwahrung haben.  
  13.) Versprächen die hohe Schule, der Rath und die Bürgerschafft alle verdächtige Handlungen abzustellen, und sich treulich und aufrichtig gegen die Kayserliche Besatzung und Volck zu verhalten, und sollten dieselben so gleich eingenommen werden.“  
  Um neun Uhr kamen die abgeordneten mit einem Quartir-Meister wieder zurück in die Stadt. Bald darauf ward der getroffene Vergleich bekannt gemacht, und hernach der gesammten Bürgerschafft vorgelesen. Inzwischen nahm der Haupt-Mann auf der Pleissenburg die Defensioner und Hand-Wercks-Pursche, welche sich, ehe der Vergleich getroffen ward, mehren Theils bey der Stadt gebrauchen liessen, zu sich in die Festung.  
  Darauf zog noch selbigen Mittages der Kayserliche General Holcke mit tausend Mann zu Fusse und zwey Compagnien Reutern nebst vielen hohen u. vornehmen Officirern und vier halben Carthaunen in die Stadt. Gegen Abend ward die Pleissenburg aufgefordert, und eingeschlossen, auch, weil sie sich nicht alsbald ergeben wollte, zur Belagerung der Anfang gemacht, und im Petriner-Collegio alle Gelegenheit wohl abgesehen. Darauf wurden also bald die Stücke vor die Festung gepflantzt, und selbige gantze Nacht daran gearbeitet, wozu denn die vom Lande in die Stadt geflüchtete Bauern mit ihren Pferden alle Hülffe thun, von denen Gassen, aus denen Gast-Höfen und andern Häusern Mist und andere Zubehörung, welche zu Füllung lediger Fässer und Aufwerffung verschiedener Batterien gebraucht ward, zuführen musten. Es wurden auch zweyhundert Küraßirer nebst etlichen hundert Musquetirern sich auf dem Marckte in Bereitschafft zu halten befehligt.  
  Unter dessen ließ der Haupt-Mann auf der Festung diesen gantzen Tag und die gantze Nacht unaufhörlich aus denen Stücken feuern, konnte dadurch aber doch denen Feinden das approchiren nicht verwehren.  
  Den 23. Octobr. liessen die Kayserlichen bey anbrechendem Tage die Festung an drey Orten gewaltig beschüssen, und die Brustwehren, Blatten und Schuß-Löcher bald Anfangs so gewaltig durchlöchern, daß darauf, wie fast auf derselben gantzen Seite, Niemand mehr sicher war. Im Mittelst ward die Festung zu verschiedenen Mahlen aufgefordert, und unter andern auch diese Bedrohung gethan: Im Falle des Verzugs sollten alle Güter derer Defensioner und Bürger, die in der Festung wären, Preis gegeben, ihre Weiber und Kinder vor die Festung geführet, vor das Geschütz gestellet, und, wo die Gefahr am grössesten seyn würde, zu graben und schantzen angetrieben, in Verweigerung dessen aber vor ihren Augen geschändet, niedergemacht und in Stücken gehauen, ihre Häuser geplündert, und in Brand gesteckt, ja auch sie selbst nach Eroberung des Schlosses umgebracht, und der Haupt-Mann andern zum Beyspiele über die Mauern heraus gehangen werden.  
  Als nun der Haupt-Mann den Ernst sahe fieng er zu Mittage an zum Vergleiche zu schreiten,  
  {Sp.1770}  
  und übergab noch selbigen Tages die Festung. Gegen Abend um vier Uhr zog er mit der Besatzung und Defension-Fahne, mit Sack und Pack, flügender Fahne, Ober- und Unter-Gewehr und brennender Lunte von der Festung herunter auf den Marckt, da er wieder Vermuthen die Compagnie auseinander lassen, die Fahne von der Stange reissen, und die vom Lande anwesende Defensioner das Ober-Gewehr niederlegen müssen, die Bürger aber, welche mit darunter gestanden, ihr Ober- und Unter-Gewehr mit nach Hause nehmen durfften. Dem Haupt-Manne kostete es hernach das Leben, weil er die ihm schon zum andern Mahle anvertrauete Festung ohne Noth, wieder Willen einiger unter ihm stehenden Officirer, da er an keinem Dinge Mangel gehabt, auch der Feind sich nicht zum Sturme bereitet hatte, und er über dieses auf gewissen Entsatz vertröstet worden war.  
  Hingegen wurden nunmehro zwey Holckische Compagnien zu Fusse unter dem Haupt-Manne George Räd in die Festung gelegt. Das andere Volck aber, wie auch die Reuterey noch selbigen Abend aus der Stadt geführet, und Theils in die Vorstädte, Theils in die umliegenden Dörffer einquartieret.
  • Vogel l.c. ...
  • Zeiller Topogr. Sax. sup. ...
  In diesem und folgenden Tagen wurden vor der Pleissenburg alle Plancken, die bey der Wache, wie auch etliche Wohnhäuser, in gleichen ein Stück von der Futter-Mauer, so über den Graben herauf stund, wie auch ein Theil vom Land-Hofe abgetragen, und alles vor der Festung eben gemacht, damit man desto besser heraus schüssen, und sich kein Feind nahe hinzu machen dürffte. Weil auch nachgehends einige, sonderlich ums Schloß gelegene Häuser von denen Kayserlichen geplündert worden waren, ließ der Feld-Marschall den folgenden Tag solches bey Leib- und Lebens-Straffe durch öffentlichen Trommel-Schlag verbieten. Vogel l.c. ...
  Den 24. Octobr. ließ er bey dem Rathe anbringen:  
  a) Daß alle Pferde, welche nicht dem Rathe und der Bürgerschafft zuständig wären, angezeigt und heraus gegeben würden;  
  b) Daß alle Schwedische und Sächsische Krieges-Bedienten, welche sich in der Stadt befinden mögten, zu melden wären.  
  c) Daß man treulich berichtete und nicht im geringsten verschwiege, wo derer Städte Augspurg, Nürnberg und anderer, die sich nicht unter Kayserlichen Gehorsam begeben hätten, zugehörige Güter anzutreffen wären.  
  d) Daß man dem Generalissimo mit einem ansehnlichen Praesente des Raths beywohnender Discretion und hergebrachtem Kriegs-Gebrauche nach ungesäumt begegnete.  
  Es muste auch der Rath, weil es dem getroffenen Vergleiche nicht zu wieder war, alles eingehen. Da man aber um Bericht bat, was und wie hoch wohl das begerte Geschencke seyn sollte, erhielt man zur Antwort, funffzig tausend Reichs-Thaler: Ob man auch wohl der Stadt Unvermögen vorschützte, und inständig um Nachlaß anhielt, konnte man doch nicht das geringste erlangen. Es waren also der Rath und die sechzehn Männer, nebst der hohen Schule, welche sich der Stadt nach allem Vermögen mit an die Hand zu gehen erboten hatte, Tag und Nacht äusserst bemühet, das verlangte aufzubringen, und brachten, da es am Gelde mangelte, viel Geschmeide, auch golden und silbern Geschirr zusammen.  
  {Sp.1771|S. 897}  
  Weil aber doch noch funfzehn tausend Reichs-Thaler rückständig blieben, stellten sie darüber eine Verschreibung von sich. Eben diesen Tag ließ auch der General-Feld-Marschall ein gedrucktes Patent bekannt machen, darinnen er denen hin und wieder reisenden sicher Geleite versprach und verstattete. Vogel l.c. ...
  Den 30. Octobr. ward allen Kayserlichen, die sich noch in Leipzig befanden, angedeutet und durch öffentlichen Trommel-Schlag bekannt gemacht, sich um zwölf Uhr in das Lager zu verfügen, worauf denn auch der Aufbruch also bald erfolgte, und alle zusammen, ausser drey hundert Mann zu Fusse, welche zur Besatzung in der Festung blieben, abzogen. Zu Unterhaltung derer hinterbliebenen aber ward dem Rathe anbefohlen, täglich vor ieden 2. Pfund Brod, eben so viel Fleisch, und zwey Kannen Bier zu liefern. Vogel l.c. ...
  Als nachgehends das bekannte Treffen vor Lützen vorgefallen war, kamen viele flüchtige Soldaten und unter solchen auch viele hohe und vornehme Befehlshaber, auch der Herzog von Friedland selbst nach Leipzig, und war dieselbe gantze Nacht und folgenden Tag ein unaufhörlich reiten, fahren und lauffen von beschädigten und gesunden, u. waren alle Häuser der Stadt, sonderlich aber derer Barbirer der Massen voll, daß man nicht mehr wuste, wo man mit allen hin sollte. Vogel l.c. ...
  Den 7. Nou. früh Morgens kamen noch 40. Compagnien Fuß-Volck, die ie doch nicht mehr als 1500. Mann betrugen, sammt vieler Bagage, zwey Stücken und sechs Feuer-Mörsern in guter Ordnung daselbst ein, und zogen auf den Marckt, wo sie in Bereitschafft gestellt wurden. Die meiste Reuterey aber durffte nicht in die Stadt, sondern muste sich in denen Vorstädten halten, daselbst sammeln. Beyden muste die Bürgerschafft Qvartir, Futter und Mahl geben, und waren alle Häuser und Gassen so voller Soldaten und Pferde, daß sich fast Niemand regen konnte. Daher ließ es sich auch zu grosser Bedrängniß an; sinte Mahl die einqvartirten Soldaten die Wirthe und Bürger über die Masse ängstigten, und an etlichen Orten gar plünderten. Zu geschweigen, daß zuvor schon grosse Noth wegen der eingerissenen Pest und Theurung in der Stadt war. Vogel l.c. ...
  Ob man nun wohl vermuthete, es würden sich die Kayserlichen hier wieder sammeln, und aufs neue setzen; so erfolgte doch noch selbigen Abend vom Herzoge von Friedland schleuniger Befehl zum Aufbruche. Der General Holcke stellte darauf dem Rathe die Thor-Schlüssel wieder zu, mit Vermelden, wie er hoffte, daß er seinem gethanen Versprechen als ein Cavallier nachgekommen sey, und es mit der Stadt so gemachet habe, daß sie ihm alles gute nachsagen, auch seiner im besten gedencken würde.  
  Darauf ward die Pleissenburg unter Aufsicht des obersten Wach-Meisters Melchior Mosers mit sechs bis sieben hundert Mann besetzt gehalten, und ihm zugleich die Stadt nebst der Bürgerschaft zu beschützen aufgetragen. So führten auch die Kayserlichen alle beschädigten und toden Officirer mit sich hinweg, die Croaten aber steckten vor ihrem Abschiede noch das Holtz im Flöß-Graben in Brand, dadurch 500. Clafftern von der Flamme verzehrt wurden.  
  Den 9. Nou. kamen aber Mahls viele beschädigte und verwundete von denen Kayserlichen daselbst an.  
  Den  
  {Sp.1772}  
  10. dieses Monaths war es vor Mittage gantz stille, aber ein grosser Nebel, und erlangten der Rath und die Bürgerschafft bey dem Commendanten auf der Pleissenburg, daß das Ranstädter und Grimmische Thor wieder eröffnet, und mit Soldaten und Bürgern besetzt würde. Das Ranstädter Thor ward zuerst eröffnet, aber auf ergangenen Befehl nach 12. Uhr wieder geschlossen, und nur das Grimmische Thor offen gelassen.  
  Zu Mittage zwischen 12. und 1. Uhr liessen sich 10. Chur-Fürstliche Reuter zwischen dem Grimmischen und Peters-Thore sehen, welche der Grimmischen Pastey gegen über von einem Wagen, welcher Holtz hohlen sollte, drey Pferde ausspannten, und einen Kayserlichen Musquetirer, der den Wagen begleitete, niederschossen. Darauf rannten sie sporenstreichs nach dem Grimmischen Thore zu, und wurden, nach dem sie sich vor Kayserliche ausgegeben hatten, hinein gelassen. Als sie nun unter das Thor gekommen waren, und die Kayserlichen, von welchen da Mahls nebst einigen Bürgern nur viere im Thore die Wache hielten, und bey dem Feuer sassen, niedergemacht hatten, drungen sie eilends in die Stadt hinein, und rannten, in dem ihnen imer mehr und mehr folgten, durch alle Gassen, da sie denn die Kayserlichen Soldaten, welche sie antraffen, Theils niederschossen, Theils mit Holtz-Äxten und Knütteln todschlugen, splitternackend auszogen, auf einen Leiter-Wagen wurffen, und in Hällischen Zimmer-Hof führten, wo sie begraben wurden; doch ward denen verwundeten Qvartir gegeben. Vogel l.c. ...
  Im Mittelst musten etliche Dragoner die Wache gegen die Pleissenburg, zu Verhütung eines Ausfalls, bestellen, bis folgenden Tages etliche hundert Musquetirer und der Oberste Löser mit seinem Regimente, auch kurtz hernach der Schwedische General von Kniphausen mit zwey Regimentern zu Fusse anlangte. Es ward aber noch selbigen Abend ein Trompeter vor die Pleissenburg geschickt, sie aufzufordern; dem ie doch abschlägige Antwort ertheilet ward. Demnach fieng man alsbald an, sich einzugraben, und bediente sich in Ermanglung des Geschützes derer grossen Stücke des Raths.  
  Man machte darauf den 11. Nou. den Anfang die Festung zu beschüssen. Es liessen sich aber die belagerten gleich Falls nicht faul finden, sondern feuerten fast unaufhörlich aus denen groben Stücken, Doppelhacken und Musqueten auf die Stadt und die nahe angelegenen Häuser, sonderlich auch auf die Batterien und die dahinter liegenden Chur-Sächsischen Soldaten.  
  Man forderte den 12. Nou. die Festung zum andern Mahle durch einen Trommel-Schläger auf, erhielt aber zur Antwort: Sie wären dieselbe aufzugeben noch zur Zeit nicht gesinnet. Man mögte also noch in Ruhe stehen, bis irgend auf Fastnachten und hernach wieder anfragen. Sie wollten sich als Soldaten erweisen, und ihr bestes thun, der Feind mögte gleiches in Acht nehmen.  
  Darauf fuhr man auf beyden Seiten mit schüssen fort, und auf dem Schlosse wurden die groben Stücken in die Höhe gebracht, damit man der Stadt desto härter zusetzen mögte. Zur Nacht thaten die belagerten durch die Hinter-Pforte aus dem Schlosse einen Ausfall in die Thomas-Mühle, aus welcher sie viele Scheffel Mehl nebst des Müllers Sohne und einem Knappen mit sich zurück brachten.  
  Den 14. und 15. Nou. muste  
  {Sp.1773|S. 898}  
  die Stadt unter angedroheter Plünderung 45000. Pf. Brod, 40000. Pf. Fleisch 1000. Kannen Bier und 3000. Scheffel Haber vor die Schweden liefern. Eben diesen Tag wurden auf Anordnung des Chur-Sächsischen Obersten, Dietrichs von der Taube, 4. Wagen mit Rüstungen und Kugeln von der Wahlstadt bey Lützen in die Stadt gebracht; denen belagerten aber in dessen immer schärffer mit schüssen zugesetzt, daß auch die Blatte und Brust-Wehre des Schlosses niedergeworffen, und auf beyden Seiten etliche erschossen und viele verwundet wurden.  
  Selbigen Abends um 9. Uhr ward auch umgeschlagen, und ieder, weil man sich eines Ausfalls besorgte, mit Ober- und Unter-Gewehr auf dem Marckte zu erscheinen angemahnet. Des Nachts darauf thaten die Kayserlichen aber Mahls durch die Hinter-Pforte einen Ausfall, und hohlten Floß-Holtz, brachten auch drey Wagen voll mit sich, und warffen es im Graben ab. Davon trugen die Soldaten-Weiber fast den halben Theil hinein; das übrige aber musten sie, weil starck auf sie geschossen ward, liegen lassen.  
  Den 16. 17. und 18. Nou. ward hefftig mit der Belagerung fortgefahren, doch thaten die belagerten in der Stadt grossen Schaden.  
  Den 19. Nou. machten die belagerten des Nachts einen Anschlag, und fiellen in die 200. starck zur fördern Pforte des Schlosses mit Äxten, Beilen, Barten und Musqueten heraus, machten die erste Schild-Wache unvermerckt nieder, bey der andern aber gaben sie sich, weil gleich die Uhr geschlagen hatte, vor die ablösende Wache aus, und kamen solcher Gestallt in die Schaar-Wache, machten einen darinnen nieder, trieben die andern zurück und gaben Feuer auf sie, bemüheten sich die Schantzen und Batterien in Eil nieder zu reissen, nahmen alle Zubehörungen von denen Stücken weg, und suchten die Stücke selbst mit Seilen in den Graben zu zühen.  
  Darauf machten sie sich an die Bürger-Häuser und suchten dieselbe zu plündern, sonderlich aber suchten sie, weil sie auf der Festung viele verwundete, und keinen Feldscheerer hatten, eines Barbierers Haus aufzubrechen, und denselben mit sich zu nehmen. Weil aber bald Lermen gemacht ward, wurden die aus dem Löserischen Regimente in die Stadt gelegte Soldaten ins Gewehr gebracht, und ihnen auch durch den Obersten Pforte mit etlichen Musquetirern scharff zugesetzt, daher sie sich genöthigt sahen, mit Zurücklassung dreyer Toden, vieler verwundeten und zweyer gefangenen wieder den Weg nach dem Schlosse zu suchen; wie wohl von denen Chur-Sächsischen gleich Falls zwey geblieben, einige verwundet und ein Wacht-Meister nebst einem Corporale zu gefangenen gemacht worden waren.  
  Den folgenden Tag Abends um fünf Uhr ward wieder Lermen gemacht und die Bürgerschafft und Soldaten auf den Marckt bestellet, weil man vernommen, daß die belagerten durch die Hinter-Pforte wieder einen Ausfall zu versuchen, und Flöß-Holtz zu hohlen in Willens hätten; die Sächsischen Dragoner aber verlegten ihnen den Paß und trieben sie zurücke, brachten auch noch zwey davon gefangen mit sich zurück.  
  Den 21. Nou. vor Mittage fiengen die belagerten an mit denen Chur-Sächsischen wegen der Übergabe zu handeln, weil ihnen aber keine annehmliche Bedingungen vorgeschlagen wurden, gieng alles wieder zurück, u. ward nach Mittage von beyden Seiten aufs neue starck geschossen. Des  
  {Sp.1774}  
  Nachts darauf bekam man zwey Soldaten, welche sich in die Thomas-Mühle begeben hatten, gefangen, die aussagten, wie die belagerten an vielen Dingen Mangel lidten, und der Haupt-Mann die Festung aufzugeben gesonnen wäre, dazu sich aber der Commendant und ein Pfaffe nicht verstehen wollten.  
  Weil mittler Zeit auch von der Bürgerschafft viele Klagen über die Soldaten eingelauffen waren, so liessen die Obersten durch öffentlichen Trommel-Schlag alle Plackereyen und Thätlichkeiten bey Leib- und Lebens-Straffe verbieten; wiedrigen Falls würde man es nicht ein Mahl rügen, geschweige straffen, wenn einem und dem andern von denen Bürgern an Leib und Leben Schaden zugefüget werden würde. Sonst war diesen Tag und folgende Nacht wieder ein Stille-Stand zwischen denen belagerten und belagerern gehalten, und wegen Auswechselung derer gefangenen gehandelt, daraus aber eben Falls nichts ward.  
  Den 23. Nou. früh um 8. Uhr gieng es also wieder aufs neue an, und ward von beyden Seiten wieder hefftig mit Stücken auf einander gespielet, auch durch die Mauer in die Schloß Mühle geschossen, und dieselbe verderbet, daß die belagerten nicht mehr mahlen konnten, sondern Korn und Weitzen nur aussieden lassen, und also essen musten. Hingegen thaten sie der Stadt nicht weniger Schaden.  
  Den 24. Nou. wagte sich der gefangen genommene Mühl-Knappe wieder heraus in die Thomas-Mühle, ward aber ertappet, und vor den Obersten Löser geführt, da er denn aussagte, wie der Commendant selbigen Tages seine untergebene Mannschafft zur Standhafftigkeit ermahnet, auch die Erklärung von ihr erhalten hätte, sich auf das äusserste zu wehren.  
  Den 25. dieses fieng man an, die Festung zu untergraben, und an der Spitze derselbigen zwey Minen zu verfertigen, die Futter-Mauer dadurch in den Graben zu werffen und zu stürmen, welches zu verhindern die belagerten ihre Stücke nicht schonten.  
  Den 26. kam der Schwedische General-Feld-Wacht-Meister von Kniphausen an, und besahe die aufgeworffenen Batterien und Wercke. Bald darauf ward das Spiel gerühret, und denen in der Stadt liegenden Dragonern angedeutet, sich zum Abzuge fertig zu halten, und dem Schwedischen Fuß-Volcke Platz zu machen. Diese kamen Nachmittage um 3. Uhr unter dem General-Feld-Wacht-Meister von Kniphausen und dem Grafen von Eberstein 1500. Mann starck unter 25. Fahnen angezogen, und verursachten der Bürgerschafft grosse Beschwerung.  
  Nach Ankunfft des General-Feld-Wacht-Meisters ward der Festung viel schärffer als vorher zugesetzt, auch des Nach-Mittags 5. Soldaten, die aus dem Schlosse fiellen, und durchgehen wollten, aufgefangen, welche einhellig aussagten, daß die Soldaten im Schlosse zwar starck an Schantzen arbeiten müsten, aber wenig Besoldung bekämen.  
  Eben diesen Tag trat auch der Chur-Sächsische Wacht-Meister Wolff Meurer in Begleitung eines Trommel-Schlägers vor das Schloß, und redete mit dem Commendanten wegen der Übergabe. Dieser verlangte 24. Stunden einen Stille-Stand, erklärte sich aber hernach, sich so lange als er könnte zu halten. Der Trommel-Schläger, welchen er des Wegen herunter geschickt, ward mit verbundenen Augen zum Generale geführet, und nach Verflüssung einer Stunde  
  {Sp.1775|S. 899}  
  mit einigen an den Hals gehangenen Heringen, weil er deren zu kauffen Befehl hatte, wieder abgefertiget.  
  Folgenden Tages liessen die Sachsen und Schweden vieles Reis-Holtz anführen, Schantz-Körbe machen, Batterien verfertigen, und dieselbe so wohl mit denen ausgefüllten Schantz-Körben, als mit starcken von eichenen Pfosten zugerichteten Vollendungen besetzen, auch starck an der Mine arbeiten, welches zwar die belagerten auf alle Weise zu hintertreiben suchten. Zur Nachts um 12. Uhr ward ein Trommel-Schläger, als ein Bauer gekleidet, eingebracht, der vom Commendanten mit einem Schreiben an den Herzog von Friedland abgefertigt war, worinnen er um schleunige Hülffe ansuchte. Doch, ehe es noch Tag worden war, war dieser schon an einen Schnell-Galgen dem Schlosse gegen über gehangen worden; welches die belagerten hefftig verdroß; des Wegen sie auch, um ihn herab zu schüssen, starck, je doch vergeblich mit Stücken nach ihm spielten.  
  Den 30. Nouembr. fiengen endlich die belagerten an, auf einen Vergleich zu dencken, und pflogen des halben dieses und des folgenden Tages Unterredungen. Da man ihnen aber nicht zugestehen wollte, daß sie mit Sack und Pack, brennender Lunte, Kugeln im Munde, flügenden Fahnen, klingendem Spiele und Ober- und Unter-Gewehre abzühen durfften, so wurden diese Handlungen wieder abgebrochen. Indessen kamen den 30. Nou. weil die Stücken, womit man bisher das Schloß beschossen hatte, zu schwach waren, und das grösseste nicht mehr als 8. Pfund Eisen trieb, 2. halbe Carthaunen von Wittenberg an, welche so gleich auf die Batterien gepflantzt wurden.  
  Da sich nun auch die gepflogenen Handlungen wegen Übergabe der Festung fruchtlos zerschlagen hatten, fuhren die Belagerer in ihrem Vorsatze fort, und fiengen den 2. Dec. an die halben Carthaunen gegen den Schloß-Thurm zu brauchen, durchlöcherten auch die Haube auf demselben mit wenigen Schüssen, der Massen, daß die Büchsen-Meister von denen Stücken, womit sie zuvor der Stadt grossen Schaden zugefügt hatten, weichen musten, und dieselbe nicht mehr brauchen konnten.  
  Da nun die belagerten die Unmöglichkeit, sich länger zu halten, merckten und sahen, wie es nunmehro mit ihnen bald zu Ende gehen würde, schickte der Commendante wieder einen Trommel-Schläger hinaus, und ließ um einen Vergleich anhalten, der denn auch zu Stande gebracht ward.  
  Nach dem sich nun alle Schwedische und Sächsische Soldaten auf dem Marckte in Ordnung, auch etliche an das Peters- und Schloß-Thor gestellt hatten, unterdessen aber die gefangene auf dem Schlosse los gelassen worden, auch, was im Schlosse befindlich gewesen, aufgezeichnet war, gieng nach Mittage zwischen 2. und 3. Uhr der Abzug derer Kayserlichen mit Unter-Gewehr, Sack und Pack, ohne Ober-Gewehr, Fahnen und Spiel, 500. Mann starck, vor sich, von welchen hernach über 200. Mann in Chur-Sächsische Dienste traten, auch etliche, so schon über eine Meil Weges hinaus waren, wieder zurücke und in Chur-Sächsische Dienste giengen, welche bekannten, daß sie auf dem Schlosse sehr von Gespenstern geplagt worden wären.  
  Unter der Zeit musten zwey hohe Officirer, bis die Begleitung, welche denen Kayserlichen mitgegeben worden, wieder  
  {Sp.1776}  
  zurück gekommen wäre, als Geisseln da bleiben, welche hernach gleich Falls auf freyen Fuß gestellt wurden. Nach dem Abzuge derer Kayserlichen wurden noch selbigen Tages 60. Mann Chur-Sächsische auf das Schloß gelegt. So kamen auch an diesem Tage noch 3. grosse Stücke von Halle und 2. von Wittenberg, die aber, weil man sie nunmehro nicht brauchte, gleich wieder zurück geschickt wurden.  
  Folgende Tage rieß man die vor dem Schlosse aufgeworffene Schantzen wieder ein, schaffte die Stücke an gehörigen Ort, und ließ die Zimmer im Schlosse wieder reinigen, auch sonst hin und wieder aufräumen. Vogel l.c. ...
  Den 10. Decembr. zogen 2. Regimenter Sachsen aus der Stadt, hingegen kam noch selbigen Abends der Oberste von der Pforte mit 5. Fahnen zu Fusse, 657. Mann starck, hinein. Vogel l.c. ...
  Den 11. Decembr. ward vom Rathe öffentlich verboten, daß die Bürger und Einwohner von denen Soldaten weder Vieh noch Getraide mehr kauffen sollten. Würde einer dawieder handeln, so sollte dem Käuffer nicht nur das Vieh genommen, sondern er auch noch am Gelde oder mit Gefängiße gestrafft werden. Vogel l.c. ...
  Den 12. dieses Monaths zog das Heßische Regiment 6. Fahnen starck unter dem Grafen von Eberstein, und die 5. Compagnien unter dem von der Pforte ab. Den 13. brach der General Kniphausen, dem die grossen Stücke nachgeführet wurden, auch mit 800. Mann auf, und begerte vom Rathe und der Bürgerschafft, daß von iedem Bürger und Einwohner ein Brod von 12. Pfund gegeben, und dem Heere nachgeschickt werden sollte, welches auch geschahe. Vogel l.c.
  Also ward die Stadt meisten Theils wieder von denen Soldaten erledigt, und nahm die Bürger-Wache wieder ihren Anfang. Auf dem Schlosse blieben nicht mehr als 80. Soldaten, in der Stadt aber irgend 120. krancke und beschädigte. Vogel l.c.
  Den 26. dieses Monaths ward ausgeruffen, daß alle diejenigen, welchen irgend Kugeln, die aus der Festung geschossen worden, zu Händen gekommen wären; ingleichen, die Schüppen und Spaten bey sich hätten, dieselbe bey ernster Straffe dem Obersten oder dem Rathe liefern, und zustellen sollten. Vogel l.c.
  Sonst waren dieses Jahr über 1390. Menschen durch die Pest aufgerieben worden. Vogel l.c.
     

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Stand: 23. August 2016 © Hans-Walter Pries