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Zedler: Mensch [3] HIS-Data
5028-20-716-2-03
Titel: Mensch [3]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 20 Sp. 724
Jahr: 1739
Originaltext: Digitalisat BSB Bd.20 S. 371
Vorheriger Artikel: Mensch [2]
Folgender Artikel: Mensch [4]
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Transkribierter griechischer Text der Vorlage
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen, Bibel

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Übersicht
I. Beschaffenheit und Natur (Forts.)
 
  Teile des Menschen (Forts.)
 
  Prüfung der Hypothesen
 
  Körper
  Seele
  drei Teile
  Beschreibung des Menschen
 
  Unterschiede zu anderen Kreaturen und dem Schöpfer
 
  andere Kreaturen
  Schöpfer

Stichworte Text  
Prüfung der Hypothesen: Körper Die erste war, daß der blosse Cörper den Menschen ausmachte, und dasjenige, was man sonst die Seele nennet, nur ein Accidens desselbigen sey, der wir folgendes Argument entgegen setzen: wenn wir bey dem Menschen solche Würckungen wahrnehmen, die über das Vermögen des Cörpers sind, und also von selbigen nicht herkommen können, so folgt, daß ausser demselben noch eine Substantz, als die Ursach solcher Würckungen da seyn müsse; daß aber würcklich dergleichen Begebenheiten bey dem Menschen sich täglich äussern, kan gar leicht erwiesen werden, wenn wir nur selbige gegen die Natur des Cörpers halten wollen.  
  Denn wenn wir die Gedancken sowol als die Begierden des Menschen nach ihrer Beschaffenheit genau betrachten, so können selbige unmöglich von dem Cörper hergeleitet werden. Der Mensch gedencket, macht sich Abstractiones, fasset Urtheile und Vernunfft-Schlüsse ab, macht Reflexiones, welches alles nicht nur in gehöriger Ordnung, sondern auch von solchen Dingen, die nicht mit den äusserlichen Sinnen begriffen werden, geschicht, wozu weder eine blosse Bewegungs-Krafft, wenn wir auch selbige der Materie in so weit beylegen wollen, daß selbige in ihr nichts wesentliches, sondern was zufälliges sey, noch die Empfindungen der äusserlichen Dinge hinlänglich ist.  
  Es hat der Mensch eine Freyheit, durch allerhand Vorstellungen sich bald diese, bald jene Begierde entweder zu erregen, oder zu dämpffen, welches freye Wesen abermals der Natur der Materie, oder des Cörpers zuwider, daß sich auch selbige durch eine von GOTT in ihr gelegte Bewegungs-Krafft bewegte, so geschähe doch solche Bewegung auf mechanische und nothwendige Art, von welchem Punct unten in dem Artickel von der Seele ein mehrers fürkommen wird.  
Seele So kan auch die Meynung derer nicht gebilliget werden, welche den Leib verächtlich halten, und des Menschen Wesen allein in der Seele suchen. Denn man siehet aus der Beschaffenheit des Leibes und dessen Vereinigung mit der Seelen, daß GOTT den Menschen also geschaffen habe, daß er nicht weniger aus dem Leibe als aus der Seele bestehen solte. Alle Ideen des Verstandes rühren ursprünglich von der Empfindung her; durch die Gedancken und Vorstellungen aber müssen die willkührlichen Begierden erreget werden, da denn die Bewegungen der Seelen und des Leibes in einer Ordnung mit einander übereinstimmen. Solches bestätiget auch die Heilige Schrifft, welche bezeuget, daß wir nicht weniger den Leib, als die Seele von GOTT empfangen haben.  
drei Teile Die dritte Meynung, daß der Mensch drey wesentliche Theile habe, brauchte mehrere Untersuchung. So viel ist voraus gewiß, daß die Neben-Hypothesis einiger, als wäre der Geist ein Stück des Göttlichen Wesens, höchst ungereimt und gefährlich. Denn auf Seiten GOTTes müste daraus folgen, daß sein Wesen in so viel Stücke getheilt werde, und daher nicht ein einfaches, sondern ein zusammen gesetztes Ding sey, folglich müste man ihm eine Unvollkom-  
  {Sp. 725|S. 372}  
  menheit beylegen. Es müste der Mensch ferner Göttliche Eigenschaften, die von dem Wesen Gottes nichts unterschiedenes sind, an sich haben, und z.E. allwissend, allgegenwärtig u.s.f. seyn; wer mag sich aber was ungereimters und närrischers, als dieses einbilden? zu geschweigen, wie man mit dieser Meynung in der Lehre von der Erb-Sünde nicht auskommt. Denn da durch dieselbige der Mensch dergestalt verderbet, daß von Natur nichts gutes an ihm ist, so könnte dieses nicht seyn, wenn der Geist ein Stück des Göttlichen Wesens sey, durch welchen noch was gutes in uns wäre, weil derselbige nicht kan verderbet werden.  
  Läst man diese Neben-Hypothesin fahren, und erkläret den Unterscheid der Seelen und des Geistes auf eine unanstößige Art, so hat die Sache nicht viel auf sich, wenn man drey wesentliche Theile des Menschen statuiret, wofern man nur hinlängliche Gründe vor die Existentz dieser dreyen Theile anzubringen weiß.  
  Denn einmal ist bekannt, wie sowol die Hebräischen Wörter, nephesch und ruach, als auch im Griechischen pneuma und psyche vielen Bedeutungen unterworffen; wie ferner die H. Schrifft offt einerley Sache mit zweyerley Wörtern ausdrücke, und wie noch über dieses die angeführten Stellen auf eine andere Art gar beqvem zu erklären sind. Entweder kan man sagen, daß die H. Schrifft einen Unterscheid unter Geist und Seele mache, weil die Seele des Menschen, als eine Substantz, auf zweyfache Art zu betrachten, einmal sofern sie in der Gemeinschafft mit dem Leibe; und denn ausser demselbigen anzusehen, da sie in der ersten Absicht die Seele, in der andern aber der Geist heisse; oder man kan diese Auslegung machen, daß der Geist, wenn er der Seelen entgegen stehe, die in der Wiedergeburt bekommene geistliche Kräffte bedeute, welche Erklärung wenigstens 1 Thessal. V, 23. füglich angeht. Nach der ersten Art erklärt diesen Unterscheid Marius von Aßigny in der wahrhafftigen Gedächtniß-Kunst ... Uber den letzt angeführten Ort aber kan man, jedoch mit gehöriger Prüfung lesen, was Vitringa in observ. sacris ... aus der alten Hebräischen und Platonischen Philosophie anführet.
  So läst sich auch wider die Gründe, die man aus der Sache selbst nehmen will, noch manches einwenden. Denn erinnert man, daß die Seele, als das mittlere Principium, das Band der Vereinigung zwischen dem Leibe und der Seele seyn müsse, so setzet man dabey zwar voraus, daß zwey Extrema, die einander gerade entgegen wären, nicht anders, als durch eine mittlere Sache, so aller beyden ihrer Natur näher komme, und von beyden participire, könten vereiniget und zusammen gebracht werden, welches aber eben auf die Vereinigung des Geistes mit dem Leibe nicht zu extendiren. Es ist solche Vereinigung ein philosophisches Geheimniß, davon man die Art und Weise nicht wissen kan.  
  Will man sich auf den Streit, der in der Seele vorgehet, beruffen, so werden andere antworten, daß die streitende Partheyen nur die Vernunfft und die  
  {Sp. 726}  
  sinnliche Begierde wären, welche man nicht als zwey Substantzen anzusehen, die wohl wider einander wircken könten. Der eintzige Umstand ließ sich noch einiger massen hören, daß, wenn bey denen unvernünfftigen Thieren ausser dem Leibe noch ein Principium, solches auch bey dem Menschen in Ansehung seiner animalischen Natur seyn müsse, daß er also mit der vernünfftigen Seele drey Theile habe, welches wir in dieser gantzen Sache vor den wichtigsten Punct halten, der diese Meynung einigermassen wahrscheinlich macht.  
  Wenigstens sehen wir nicht, wie selbige gefährlich seyn könne, wenn man sich von der Natur der Seelen und des Geistes keinen irrigen Concept machet, solte man sich auch gleich die Seele als eine mittlere Substantz, die was cörperliches und geistliches an sich habe, vorstellen, dergleichen GOtt nach seiner Allmacht gar wohl hat erschaffen können. Doch wenn man auch dieser Meynung beypflichten will, so bilde man sich dabey keine grössere Gewißheit ein, als man sie in der That haben kan, und dencke nicht, man könnte bey dieser Hypothesi mit der Auflösung vieler schweren Begebenheiten so bald fertig werden.  
  Bey denen, deren wir oben gedacht, läst sich noch manches gedencken. Die gemeine Lehre von 2 Theilen des Menschen ist auch so beschaffen, daß man nichts erhebliches dawider einwenden kan, weil man keine hinlängliche Ursache wird angeben können, warum dasjenige, was man bey der Meynung von drey Theilen des Menschen der mittlern Substantz zuschreibet, nicht zum Theil vom Leibe, zum Theil von der vernünfftigen Seele herkommen kan? mithin sehen wir diesen Punct überhaupt als ein Philosophisches Problema an, davon man übrigens
  • Cypriani Diss. de partium hominis essentialium numero.
  • Teubers moderatum judicium de quaestione theolog. an dentur tres partes hominis essentiales? Magdeburg 1708.
  • Wiedeburg in Disp. de tribus partibus hominis, corpore, anima et spiritu, Helmst. 1695.
  • Gebhardi disp. de tribus partibus hominum essentialibus, Greiffsw. 1707
lesen kan.
Beschreibung des Menschen Nachdem wir dieses vorausgesetzet, so kommen wir auf die Beschreibung des Menschen, welche man insgemein so abfasset, daß man sagt, er sey ein animal rationale, ein vernünfftiges Thier. Ob nun zwar einige an dieser Definition verschiedenes aussetzen wollen, als Syrbius in philosophia prima ... so halten wir doch dafür, daß selbige zwar nicht allzudeutlich, aber doch hinlänglich sey, indem alle wesentl. Eigenschaften eines Menschen, folgl. auch diejenigen Kennzeichen, davon er von den andern Creaturen unterschieden wird, angegeben werden.  
  Denn daß er einen belebten Leib hat, ist ihm mit dem unvernünftigen Vieh gemein, die vernünftige Seele aber kommt ihm, als was eigenes zu, indem man dem Vieh auf keine Weise, weder eine Vernunfft, welche vorneml. das Vermögen zu abstrahiren, zu reflectiren, zu urtheilen, u. Vernunftschlüsse zu machen, begreift; noch einen freyen Willen zuschreiben kan. Eben daraus erkennet man deutl. wie ein Mensch von einem Engel unterschieden, massen jener eine Creatur, die aus Leib und Seel zusammen gesetzt; dieser aber ein blosser Geist ohne Leib. Undeutl. aber ist diese Erklärung, weil sie nicht nur was kurtz abgefasset, sondern auch solche Wörter darinnen gebraucht werden, die nicht von allen auf gleiche Art gebraucht und verstanden werden, welchem Fehler leicht abzuhelffen,  
  {Sp. 727|S. 373}  
  wenn man sie erweitert, und durch specialere Ideen das Wesen determiniret, daß nemlich derselbige eine solche Creatur sey, welche aus einem belebten Leibe u. einer vernünftigen freyen Seele bestehet, daß sie sich auf eine willkührliche Art möglich machen, auch eine Begierde zur höchsten Glückseligkeit von Natur in sich habe.  
  Es hat also der Mensch eine zweyfache Natur, eine physische und eine moralische: jene ist das Wesen des natürlich-belebten Leibes u. die Connexion derselben mit der cörperl. Natur in Ansehung seiner Erhaltung; dieser aber ist das Wesen der vernünftigen Seele in Absicht auf die menschl. Glückseligkeit.  
Unterschiede zu anderen Kreaturen und dem Schöpfer Auf solche Weise haben wir den Menschen an u. vor sich betrachtet, den wir nunmehro gegen die andern Creaturen auf dem Erdboden, und gegen seinen Schöpffer halten, und dessen Unterscheid von denselbigen untersuchen wollen.  
andere Kreaturen Was die andern Creaturen auf dem Erdboden betrifft, so ist der Mensch das edelste unter allen sichtbaren Geschöpffen, und wird microcosmus, oder die kleine Welt, oder wie ihn Plinius nennt, mundi Compendium geheissen. Er hat vor den andern Thieren nicht nur in Ansehung seiner vernünftigen Seele, sondern auch des Leibes, einen grossen Vorzug, massen er sein Haupt aufrecht trägt, und mit Händen, als dem geschicktesten Werckzeug versehen, welches keinem anderen Thier gegeben. Seneca schreibt lib. 6. c. 23. de beneficiis wohl: du must wissen, daß der Mensch nicht ein in der Eil aufgerafftes und ohne Bedacht verfertigtes Werck sey. Die Natur hat nichts unter ihren höchsten Vortrefflichkeiten, damit sie sich mehr rühmen, oder dem zu Gefallen sie sich mehr rühmen könnte.  
  Von welcher Würde u. Vorzug des Menschen in besondern Schriften gehandelt worden, wie denn Gregorius Qveccius ein eigenes Werck de nobilitate et praestantia hominis geschrieben hat; doch muß man auch des Elends, damit der Mensch nach dem Fall umgeben, nicht vergessen. Wenn er nach seinen verderbten Begierden in Tag hinein lebet, u. die natürl. Kräffte, daran er sonst die Thiere übertrift, übel brauchet, so kan er schlimmer u. elender werden, als die Bestien selber denn eine Bestie folgt dem Lauf der Natur, u. indem sie mit dem wenigen vergnügt ist, was zu ihrer Erhaltung nöthig, so hat sie keine Sorge und Bekümmerniß, durch welche hingegen der Mensch unaufhörlich in seinem Gemüth beunruhiget wird, daß er darüber die allerempfindlichste Qvaal ausstehen muß, welche eben durch das, so ihm den Vorzug geben soll, neml. durch die Gedancken und Betrachtung, erreget und unterhalten wird. Es ist nicht genug, daß er sich wegen des gegenwärtigen durch die Unersättlichkei beunruhiget, sondern seine Gedancken führen ihn auch auf das Vergangene und auf das Künftige, und geben zu unzehligen und wider einander lauffenden Begierden Anlaß.  
Schöpfer Halten wir den Menschen gegen seinen Schöpffer, so giebt die Betrachtung desselbigen die herrlichsten und gründlichsten Beweisthümer von der Existentz GOttes an die Hand. Denn sehen wir die Bildung, Einrichtung u. Proportion des Leibes und aller Gliedmassen an, und erwegen, wie alles zu einem gewissen Zweck und Gebrauch geordnet, so schlüssen wir billig, daß dieses nicht von ohngefehr geschehen, u. der Mensch einen weisen Schöpffer gehabt, der seinen Leib so gebildet.  
  Die aufgerichtete Natur ist ihm so besonders, daß er dadurch von allen andern Thieren unterschieden wird; daß ihm aber solche darum gegeben worden, damit er desto freyer den Himmel be-  
  {Sp. 728}  
  trachten, und also sowol seinen, als der gantzen Welt Schöpffer erkennen könte, haben auch schon die Heyden angemercket. Cicero de natur. deor. lib. 2. cap. 56. sagt: man könte vieles noch zu dieser fleißigen und vorsichtigen Vorsorge der Natur hinzusetzen, daraus abzunehmen wäre, wie grosse und trefliche Dinge GOtt denen Menschen verliehen habe; da er sie zuerst von der Erden genommen, u. hoch u. aufgerichtet wachsen lassen, damit sie, wenn sie den Himmel anschaueten, von den Göttern einige Erkänntniß schöpffen möchten. Denn es sind die irrdischen Menschen nicht wie bloße Einwohner, sondern als Zuschauer der obersten und himmlischen Dinge, deren Betrachtung u. Anschauung keiner andern Art von Thieren zukommt.  
  Es verdienet an dem Gebäude des menschl. Cörpers auch die grosse Varietät der menschl. Gesichter bewundert zu werden, daß in der so grossen Menge Menschen gar selten nur zwey gefunden werden, die sich dem Gesichte nach gantz ähnlich sehen, obgleich die Theile des Gesichtes eben nicht so gar viele, und dazu einerl. Art sind, welches um desto mehr bewundern ist. Dieses hat schon Plinius lib. 7. 1. hist. natur. observiret, wenn er schreibet: es wären kaum in unserm Gesichte zehn oder wenig mehr Gliedmassen, und es wären doch bey so viel tausend Menschen nicht zwey, die in der Bildung sich vollkommen gleichten, welches keine Kunst, wenn sie sich gleich darauf befliesse, in so wenig Stücken an der Zahl ausrichten, u. zuwege bringen könte.  
  Es kommt noch weiter bey der Betrachtung des mensch. Cörpers dessen Vollkommenheit vor, indem es bey demselben an gar keinem Gliedmaß fehlet, welches zur Erhaltung u. Zierde des Menschen gereichet; es ist auch keines überflüßig, daß mans entbehren könte, welche Materie mit mehrern
  • Parcker de Deo et provid. ...
  • Rajus in existent. et Sapient. Dei manifestata ...
  • Fenclon de l'existence de dieu ...
  • u. Wolff in den vernünftigen Gedancken von dem Gebrauch der Theile in Menschen, Thieren und Pflantzen
ausgeführet haben.
     
     
  So geben auch die Kräffte und Wirckungen unserer Seelen die stärcksten Beweisgründe an die Hand. Denn die schönste Ordnung, welche die Kräffte unter sich sowol, als gegen den Leib haben, die Erstaunenswürdige Würckungen, die auf unsere Glückseligkeit abziehlen, daß wir vorher das wahre und falsche, das gute und böse erkennen, und hierauf nach dem guten ein Verlangen tragen, die Schrancken, darinnen selbige eingeschlossen, und andere dergl. Umstände zeigen unwidersprechl. an, es sey ein GOtt, der alles so weisl. geordnet und gemacht hat, wovon man Buddeum in thes. de atheismo et superstit. ... lesen kan.
     

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Stand: 25. Juli 2023 © Hans-Walter Pries