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Zedler: Mensch [6] HIS-Data
5028-20-716-2-06
Titel: Mensch [6]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 20 Sp. 736
Jahr: 1739
Originaltext: Digitalisat BSB Bd.20 S. 377
Vorheriger Artikel: Mensch [5]
Folgender Artikel: Mensch, wird genennet ein wiedergebohrner
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Bibel
  • Transkribierter griechischer Text der Vorlage

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Übersicht
Heilige Schrift (Forts.)
  Mensch
  Sündenfall
 
  geistliches Unglück
 
  Verlust des Guten
  Verlust der Gnade Gottes
  das Böse
  geistlicher Schaden
  leiblicher Schaden
  Erb-Sünde

Stichworte Text Quellenangaben
Mensch Diesen beyden herrlichen Geschöpffen nun gab GOtt der HErr den Namen Mensch, Capitel V, 2.
  In der Ebräischen Sprache finden sich zwey Namen des Menschen, Adam und Enosch. Adam ist der Name, womit GOtt den Menschen nennete, ehe er ihn noch erschaffen, und welchen er, zu Erinnerung seines Ursprungs, daß er aus der Erden gemacht ist, führen solte. Enosch wird also ausgelegt, daß es einen geplagten, armseligen, siechen Menschen bedeutet; und soll nach etlicher Meynung das Deutsche Wort Mensch, von diesem Ebräischen Enosch, mit Vorsetzung des Buchstabens M herkommen.  
  Diesen Namen Enosch gab nach dem Sünden-Fall Seth dem Sohn, den er zeugete, ihn der Gebrechlichkeit zu erinnern, welcher die Menschen durch den Fall unterworffen worden, Cap. IV, 27. Cap. V, 6; welches zwar damals sein Nomen proprium oder eigener Name seyn solte, womit er von seinen Brüdern unterschieden würde; gleichwol ist es hernach als ein Appelativum von allen Menschen gebrauchet, als welche allzumal Siechlinge, gebrechliche und sterbliche Menschen sind, die einen Schaden haben, welcher Anusch, das ist, gleich einem alten Bruch, verzweiffelt böse und unheilbar ist, wie mit diesem verächtlichen Wort GOTT der HERR dem Jüdischen Volck ihre Sünden-Schäden beschreibet, Jeremiä XXX, 12, 15.
  So redet König David von dem Menschen, und weiß diesen Ursprung des Wortes Enòsch gar schön anzuwenden, wenn er wider die Stoltzen betet: HERR stehe auf, daß die Menschen nicht überhand nehmen. Nicht aber ist der Mensch anfangs so schwach, gebrechlich und sterblich erschaffen worden, sondern nach GOttes Ebenbild, 1 Buch Mose I, 27. wodurch bedeutet wird die Unschuld, Vollkommenheit und Glückseligkeit, die GOtt dem ersten Menschen in der Erschaffung gegeben, und gewollt, daß er dieselbe auf alle seine Nachkommen bringen solle, und fasset dasselbe in sich:  
 
1) GOTTes Erkänntniß.
 
  {Sp. 737|S. 378}  
 
  GOTT erkennen stehet allein GOtt zu, niemand kennet den Sohn, wenn nur der Vater, und niemand kennet den Vater, denn nur der Sohn, und wem es der Sohn will offenbaren,
Matth. XI, 27.
 
  Niemand weiß, was in GOtt ist, ohne der Geist GOTTes,
1 Corinth. II, 11.
 
  Wenn demnach der Mensch GOTT recht erkennet, wird er ihm damit gleich, und ist solche Erkänntniß ein Stück des Göttlichen Ebenbildes, wie es Paulus beschreibet,
Col. III, 10.
 
2) Erkänntniß der Creaturen; dieß stehet auch GOTT allein zu, als welcher allein alles weiß. Wenn nun der Mensch die Geschöpffe GOttes genau und eigentlich erkennet, wird er auch in diesem Stücke GOTT gleich, immassen Adam GOTT gleichte, wenn er die Thiere, so ihm GOTT vorstellete, also erkennete, daß er ieglichem seinen Namen geben kunte,
1 Buch Mose II, 19.
 
  wenn er Evam, sobald er ihr ansichtig ward, erkennete, daß sie seine Gesellin seyn solte, und von seinem Fleisch und Bein genommen wäre,
v. 23;
 
  welche genaue Erkänntniß grosse Weisheit und einen hohen Verstande anzeiget, als nach welchem solche geheime Dinge mögen erfahren und erkennet werden, die sonsten allein GOTT sehen mag, damit ihm der Mensch gleich worden ist.
 
 
3) Völlige Gerechtigkeit, die wird sonsten GOTT allein zugemessen,
5 Buch Mose XXXII, 4;
 
  damit aber, daß der Mensch gerecht, das ist, ohne Sünde und Ungerechtigkeit geschaffen worden, ist der damit GOTT gleich, und sein Bild, daß er kein Ubels noch Böses an sich hat.
Davon Ephes. IV, 24.
 
4) Völlige Heiligkeit. GOTT ist heilig,
1 Sam. II, 2.
 
  Weil denn der erste Mensch ist heilig erschaffen worden,
Ephes. IV, 24.
 
  der neue Mensch ist nach GOTT geschaffen in rechtschaffener Heiligkeit; so wird er ihm damit gleich, und sein Ebenbild.
 
 
5) Freyer Wille, das Gute zu thun, und das Böse zu meiden. GOTT ist frey in seinen Wercken,
Psalm CXV, 3. CXXXV. v. 6.
 
  alles, was er will, das thut er. Wenn nun der Mensch auch frey ist zu thun und zu lassen, ist er damit GOTT gleich und sein Ebenbild.
 
 
  Nun hat GOTT dem Menschen vorgestellet den Baum des Erkänntnisses Gutes und Böses, daß er ihm Gehorsam erweisen, und von desselben Baumes Speise sich enthalten solte, darum er ihm das Gebot gegeben: von dem Baum des Erkänntnisses Gutes und Böses sollt du nicht essen,
1 Buch Mose II, 17.
 
  in dem vermochte er nach seinem freyen Willen das Gute thun, und das Böse unterlassen, und wie Sirach davon schreibet, Capitel XV, 14. u.ff. hat er dem Menschen von Anfang die Wahl gegeben, wilt du, so halte die Gebote etc.
 
 
6) Unsterblichkeit. GOTT hat allein Unsterblichkeit,
1 Tim. VI, 16.
 
  Weil er denn den Menschen unsterblich erschaffen, daß, so lange er in der angeschaffenen Vollkommenheit bliebe, der Tod an ihm keine Gewalt noch Macht hätte, so hat er ihn auf diese Weise zu seinem Ebenbild gemacht: denn die Schrifft offenbarlich bezeuget, daß der Mensch unsterblich sey erschaffen, und allein durch die Sünde in den Tod gerathen,
Weisheit II, 23.
 
  GOTT hat den Menschen geschaffen zum ewigen Leben etc.
1 Buch Mose II, 17.
 
  Vom Baum des Erkänntnisses Gutes und Böses
 
  {Sp. 738}  
 
  solt du nicht essen, denn welches Tages du davon issest, wirst du des Todes sterben. Nach dem Sünden-Fall sahe GOTT auf diese Bedrohung, wenn er Capitel III, 19. also gesprochen: Im Schweiß deines Angesichts solt du dein Brod essen, bis etc.
Röm. V, 12.
 
7) Regierung über die leiblichen Geschöpffe. GOTT regieret im Himmel und Erden nach seinem Wohlgefallen,
Ps. XXIV, 1. XXXIII, 9.
 
  Wenn nun der Mensch über die Creaturen zu regieren hat, wird er damit GOTT gleich und sein Ebenbild. Es hat ihm aber der HErr Gewalt gegeben über andere Geschöpffe zu herrschen, und damit ihm denselben zum Bilde machen wollen, wie er selber spricht, 1 B. Mose I, 26, 27, 28. Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sey, die da herrschen über die Fische im Meer, und etc. Ist also der Mensch GOtt gleich worden, mit Erkänntniß GOttes, und der Geschöpffe, mit völliger Gerechtigkeit, Heiligkeit, freyem Willen, Unsterblichkeit und der Creaturen Regierung, welches alles zusammen ist das Ebenbild, darzu ihn GOTT erschaffen hat. In solcher Vollkommenheit und Herrlichkeit aber ist der Mensch nicht bestanden, sondern hat durch Ungehorsam gegen GOTT das Göttliche Ebenbild verlohren, dargegen sich und alle seine Nachkommen in äusserstes, zeitliches und ewiges Verderben gestürtzet.
 
Sündenfall Mit dem Sünden-Fall verhält sichs also: GOTT hatte mitten im Paradieß gesetzet einen Baum, den er genennet den Baum des Erkänntniß Gutes und Böses, und den Menschen geboten, sie solten nicht davon essen, sonst würden sie des Todes sterben, 1 B. Mose II, 17.
  hat also damit von ihnen erfordert, den Gehorsam dem HErrn zu erweisen, weil er ihm sonsten für alle seine Wohlthaten nichts erstatten, noch geben könte. Als aber der Satan aus Neid, damit er dem Menschen seine Seligkeit mißgönnete, durch die Schlange die Evam mit ihrer Schalckheit verführete, 2 Cor. XI, 3.
  daß sie vom Göttlichen Gebot sich abwendete, und von dem verbotenen Baume aß, auch ihren Mann gleiches zu thun vermochte, sind sie beyde in Sünden gefallen, 1 B Mose III, 1. u.ff.
  Damit haben sie den Göttlichen Bund übertreten, sich von GOTT abgekehret, von der Gerechtigkeit abgetreten, und unter der Sünden Dienstbarkeit sich gegeben. Hierauf folgte geistlich und leiblich Unglück.  
geistliches Unglück: Verlust des Guten Das geistliche Unglück ist zweyerley: Denn erstlich hat der Mensch das Gute, so ihm gegeben, verlohren, und denn ist ihm das Böse, davon er befreyet war, wiederfahren. Das Gute, darum der Mensch gekommen, ist erstlich das Ebenbild GOttes: denn da hat Adam verlohren  
 
1) das Erkänntniß GOttes und seiner Geschöpffe. Welches er darum auf seine Nachkommen nicht hat erblich bringen können, als die mit natürlicher Blindheit und Unwissenheit geschlagen,
Eph. IV, 18.
 
  Insonderheit bezeuget Paulus das verlohrne Erkänntniß GOttes,
1 Cor. II, 14. und 2 Cor. III, 5.
 
  Dieweil denn Adam seine Kinder nach seinem Ebenbilde gezeuget,
1 B. Mose V, 3.
 
  so folget, weil die Kinder solchen natürlichen Unverstand in sich haben, daß er denselben gleichfalls an sich gehabt, und auf sie geerbet habe. Wie der Creaturen Wissenschafft verlohren sey, bezeuget die Erfahrung einem ieden, daß, was er davon zu wissen begehret, dasselbe mit
 
  {Sp. 739|S. 379}  
 
  grosser Mühe und Beschwerung lernen muß, und doch grossen Mangel und Unvollkommenheit darinnen findet.
 
 
2) Die Heiligkeit und Gerechtigkeit: denn wo die Sünde ist, da kan weder Gerechtigkeit noch Heiligkeit bestehen.
 
 
3) Den freyen Willen, dass Gute thun, und das Böse zu meiden.
Joh. VIII, 34. Röm. VII, 23.
 
4) Die Unsterblichkeit: Denn wie der Mensch sterblich worden sey, erweiset die Erfahrung, es hats ihm auch GOTT zuvorgesagt
1 Buch Mose II, 17;
 
  und nachdem er die Sünde begangen, spricht ihm GOTT dis Urtheil: du bist Erde, und solst zur Erde werden,
Cap. III, 19.
 
  Deswegen Röm. V, 12. geschrieben stehet: durch einen Menschen etc.
Cap. VI, 23.
 
5) Die Majestätische Beherrschung der leiblichen Geschöpffe: dieselbe ist dermassen verloschen, daß sich nicht nur vielerley Ungehorsam, sondern auch eine solche Widerwärtigkeit der Thiere wider den Menschen befindet, daß sie eines Theils seinem Gebote nicht gehorchen, eines Theils Feindschafft wider den Menschen tragen, der sich von ihnen alles Bösen und Unglücks zu befahren hat.
 
Verlust der Gnade Gottes Daraus folgt das andere Gute, welches der Mensch verlohren, nemlich die Gnade GOTTes. Denn wie GOTT aus gerechtem Gericht alle Boßheit hasset, wie er auch dem Adam, wo er würde seinen Willen übertreten, den Tod gedräuet, also ist derselbe durch die Sünde in GOTTes Gericht, Zorn und ernste Straffe gefallen, dadurch er der grossen Gnade, mit welcher ihm GOTT zugethan war, sich gäntzlich verlustig gemacht.  
das Böse Was anlanget das Böse, so dem Menschen widerfahren, solches ist zum guten Theil aus dem abzunehmen, was ietzo von den verlohrnen Gütern ist gemeldet worden; denn es hat ihm nach dem Sünden-Fall zugestanden geistlicher und leiblicher Schade.  
geistlicher Schaden Der geistliche Schade bestehet darinnen, daß nach dem Bilde GOTTes ein abscheuliches Bild des leidigen Satans erfolget; das ist, eine solche Unwissenheit und Unverstand in Göttlichen Dingen, daß, die fleischlich gesinnet sind, eine Feindschafft worden sind wider GOTT, daß, an statt der Heiligkeit, des Menschen Hertz mit Sünden dermassen durchgifftet und überfüllet worden, daß alles sein Dichten und Trachten nur böse ist immerdar, 1 Buch Mose VI, 5;
  daß, an statt des freundlichen Gesprächs, das GOTT mit den Menschen gehalten, von GOTT anders nichts, denn sein grimmiger Zorn und erschrecklich Gericht zu gewarten, dafür Adam sich versteckte, Cap. III, 8.
  Daß er an statt der Freudigkeit, so er zu GOTT hatte, ein böses verwundetes Gewissen fühlete, welches ihn von GOTT abscheidete, Es. LIX, 2.
  und also ängstete, daß er vor GOTTes Angesicht nicht erscheinen durffte; endlich, daß er an statt der grossen ewigen Seligkeit der höllischen Verdammniß unterworffen wurde.  
leiblicher Schaden Der leibliche Schade bestehet hierinnen, daß der Mensch nach begangener Sünde aus dem Paradieß gestossen worden, 1 Buch Mose III, 23.
  daß an statt des gesunden, und von allerley Kranckheit befreyeten Wohlstandes, der Leib vielen Kranckheiten unterworffen worden, damit ihm nach Sirachs Rede wahr geschehen, Cap. XXXVIII, 15.
  Wer vor seinem Schöpf-  
  {Sp. 740}  
  fer sündiget, der fället dem Artzt in die Hände; daß endlich, an statt des Leibes Unsterblichkeit, der Tod über den sündigen Adam geherrschet hat.  
  Die Erfahrung giebts, daß manchmal die Leibes-Gebrechen und Kranckheiten von den Eltern auf die Kinder geerbet werden, wie auch offtermals der Eltern sonderbare Laster und Boßheit, als der Seelen Kranckheit und Gebrechen, auf die Kinder kommen. Demnach hat es eine besondere Gelegenheit mit der Sünde Adams und Evä; denn nachdem dieselbe darein gerathen, ist ihre gantze Natur von der Sünden dermassen vergifftet, daß sie die Sünde mit samt der Natur auf alle Nachkommen geerbet, und keiner unter allen Adams-Kindern (den HErrn CHristum ausgenommen, Ebr. IV, 15.) rein und heilig zur Welt gebohren wird, sondern sie sind alle der Sünde theilhafftig worden; denn die einige Handlung, damit Adam und Eva GOTTes Gebot überschritten, ist nicht nur derselben, sondern auch aller ihrer Nachkommen Sünde, also, daß, da Adam nicht für seine Person alleine, sondern als ein Stamm des gantzen menschlichen Geschlechts GOTT einen Gehorsam leisten solte, er mit Ubertretung Göttlichen Gebots nicht für seine Person allein, sondern als ein Stamm und Vater aller Menschen gesündiget, und also mit dieser Ubertretung in Adam zugleich alle Menschen mißgehandelt, immassen der Apostel schreibet, daß durch des einigen Sünders einige Sünde alles Verderben kommen, und durch eines Menschen Ungehorsam viel Sünder worden seyn, Röm. V, 16. 19.
Erb-Sünde Und denn, nachdem die ersten Eltern sündlich worden, ihre Natur also verderbet, daß sie nicht andere, als sündliche Kinder zeugen mögen, und wenn noch heutiges Tages die Kinder sündlich gebohren werden, dasselbe ursprünglich von der ersten Sünde herrühre. Und dieses heisset man die Erb-Sünde.  
  Daß aber der Mensch von Natur, und durch seine Geburt damit vergifftet, wird daher bewiesen:  
 
1) Dieweil wir alle von sündlichen Eltern herkommen. Denn, dieweil ein fauler Baum faule Früchte bringet, Matth. VII, 18; so mag hie mit Hiob geschlossen werden, Cap. XV, 14. u.f. Was ist ein Mensch, daß er solte rein seyn etc.
 
 
2) Dieweil alle Menschen durch Adams Fall sind Sünder worden, wie Paulus schreibet
1 Timoth. II, 14. Röm. V, 12. 15. 16. 18.
 
3) Dieweil alle Menschen in Sünden empfangen und gebohren worden,
Psal. LI, 7.
 
4) Dieweil ein Mensch, wie er von seiner Geburt an beschaffen, nicht kan ins Reich GOttes kommen,
1 Joh. III, 5. 6. 1 Corinth. XV, 50.
 
5) Dieweil sich in allen Menschen alsobald von der Geburt an, bis in die letzte Todes-Stunde dasjenige befindet, so eigentlich und allein von der Sünde herkommt. Als:
 
 
 
a) Daß man zu würcklichen Sünden eilet,
Matth. XV, 19. Jac. I, 14.
 
 
b) Daß alle Menschen, auch die noch nicht zur Welt gebohren, dem Tode unterworffen,
Röm. VI, 23. Cap. V, 14. Sirach XXV, 32.
 
 
c) Daß alle Menschen von Natur unter dem Zorne GOttes sind,
Röm. I, 18. Ephes. II, 3.
 
 
d) Daß alle Menschen vom Reich GOTTes ausgeschlossen werden, auch die noch keine würckliche Sünde begangen haben; davon im vierdten Beweis Meldung geschehen.
 
  Aus dieser Erb-Sünde entsprin-  
  {Sp. 741|S. 380}  
  get der zeitliche Tod, die Verderbung aller Kräffte des Menschen, die würckliche Sünde, welche zwar unterschiedlich, iedoch ohne Unterscheid die ewige Verdammniß verursachet. Wenn nun der Mensch in solchen seinem Zustande vor GOTT den gerechten Richter gestellet wird, erfordert derselbe, vermöge seiner Gerechtigkeit, einen völligen Gehorsam aller Göttlichen Gebote; wegen der begangenen Sünden aber, daß er ins ewige Verderben gestürtzet werde, wo nicht auf andere Wege der Göttlichen Gerechtigkeit ein Genügen geschehe. Da aber niemand ihn selber disfalls helffen, noch einige Creatur den Sündern Rath schaffen kan, Psalm XLIX, 8. 9. so hat sich GOtt der armen Sünder erbarmet, und will, daß ihnen allen soll geholffen werden.  
  Welche nun den gnädigen Willen GOTTes nicht von sich stossen, sondern erkennen, mit rechtem Glauben annehmen, und darinnen bis ans Ende beharren, die hat er von Ewigkeit zum ewigen Leben verordnet, aus dem menschlichen Geschlechts erwehlet, und beschlossen, die zur Seligkeit zu bringen; die aber nicht gläuben, oder vom Glauben wieder abweichen, die hat er nicht erwehlet, sondern in ihrem sündlichen Zustande verbleiben lassen, darinnen sie ewig verlohren werden.  
  Diese seinen Willen ins Werck zu richten, hat GOTT seinen Sohn gesandt, der menschliche Natur an sich genommen, auf daß er in derselben verrichtete, was das menschliche Geschlecht zur Seligkeit zu bringen vonnöthen seyn wolte; welcher also auch zuförderst für die Menschen dem Göttlichen Gericht genug gethan, und sie allerdings mit GOTT versöhnet. Dieses Gnaden-Werck lässet er, CHristus, ihnen durch die Predigt des Evangelii fürtragen, und sie, solcher Gnade zu geniessen, gnädig beruffen.  
  Und damit die Menschen zu der Seligkeit, welcher sie von GOTT beruffen werden, im Werck gelangen mögen, so führet sie GOTT selber darzu durch ernste Busse, dadurch sie zur Erkänntniß und Bereuung ihrer Sünden gebracht, ihre Zuflucht zu CHristo nehmen, und durch solch Vertrauen auf ihn, Gnade und der Sünden Vergebung erlangen. Den bußfertigen Menschen stellet er für sein Gerichte, und nachdem er ihn der Sünden überwiesen, und der Straffe schuldig erkannt, rechtfertiget er ihn, und vergiebt ihm die Sünde aus Gnaden, dieweil er mit Glauben des HErrn CHristi Verdienst hat angenommen, der Führer der Sünden Schuld und verdiente Straffe der Göttlichen Gerechtigkeit hat genug gethan.  
  Der Verstand wird zum Erkänntniß GOTTes und seines gnädigen Willens erleuchtet, der Wille und alle Kräffte von der Sünde zu GOTTes Liebe, Gehorsam und Gerechtigkeit gewendet, daß er, so viel möglich, nach Göttlichem Wohlgefallen alle sein Thun und Leben anstellet. Dieses grosse Werck verrichtet GOTT in dem Menschen nicht ohne Mittel, sondern durch sein Wort und die heiligen Sacramenta; daß aber dieselben den Leuten fürgetragen und gereichet werden, als gebrauchet er dazu das Predigt-Amt.  
  Und wenn er also den Menschen wieder aufgerichtet, so erhält er ihn in seiner Kirchen, als in einer Versammlung der Heiligen, darinnen ihm seine Gläubigen einen Dienst lei-  
  {Sp. 742}  
  sten, bis er einen ieden, zu rechter und wohlgefälliger Zeit, in die ewige Seligkeit aufnimmt. Denn obwol GOTT seine Gläubigen, angezeigter massen, in seiner Kirchen begnadet, so ist doch dasselbe alles eine angefangene und unvollkommene Seligkeit, die er ihnen völlig wiederfahren lässet, wenn er die Seele durch den zeitlichen Tod von dieser Welt abfodern, den Leib am Jüngsten Tage mit der Seele vereinigen, und also den gantzen Menschen in eine ewige unaussprechliche Seligkeit versetzen wird.  
  Was übrigens diejenigen anlanget, die da den Menschen nicht nach seiner erstern Einrichtung erkennet, und den Bericht des Göttlichen Wortes nicht gewust, oder nicht angenommen, und dahero nicht begriffen oder nicht geglaubet haben, daß alles ihm erstlich an leiblichen und geistlichen Dingen gegebene und an Göttlicher Beywohnung geschenckte zum Wesen und Wohlwesen des Menschen eigentlich gehöre, und den vollkommen-nöthigen, auch vergnügten Menschen ausmache und darstelle; sondern des Menschen wesentlichen Zustand und gehörigen Wohlstand nur nach dem, was sich die Zeit nach dem Fall an ihm mercken lässet, und aus selbigem zufälliger Weise gekommen ist, ausmessen wollen; die haben freylich auf allerhand herumschweiffende Meynungen, und folglich in mancherley Irrthümer verfallen müssen, daß sie ihn, so zu reden, gestümmelt, und bald dieses, bald das aus ihm gemachet haben.  
     

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Stand: 26. März 2013 © Hans-Walter Pries