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Zedler: Messe, Nundinae HIS-Data
5028-20-1141-1
Titel: Messe, Nundinae
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 20 Sp. 1141
Jahr: 1739
Originaltext: Digitalisat BSB Bd.20 S. 578
Vorheriger Artikel: Messe, Meß-Opffer
Folgender Artikel: Messe, heißt auch
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

  Text Quellenangaben
  Messe, Nundinae Solennes, foire, fiera, wird am wahrscheinlichsten von der in der Römischen Kirche gewöhnlichen Messe hergeleitet, welches Wachter in seinem Glossario ausführlich anzeiget. Daher denn die Kirchweihen und Jahrmärckte kommen, und diese darum Kirch-Messen, welches Wort in Holl- und Deutschland noch sehr üblich, genennet werden, weil man sich bey einer so grossen Menge derer Leute, die der solennen Einweihung einer neuen Kirche beyzuwohnen pflegten, nach vollbrachter Messe und gantzen Gottesdienste gemeiniglich Lebens-Mittel angeschafft.  
  Limnäus will es von Ausmessen herleiten, weil zu solcher Zeit viel Waaren mit der Elle gemessen werden, und noch andere suchen es von messe von der Erndte-Zeit herzuführen, weil nehmlich mancher Kauff- und Handels-Mann in dergleichen öffentlichen Messen einen guten Gewinn auf seine Waaren oder ein Stück Geld vor seine Manufacturen und verfertigte Arbeit einzuerndten bemühet ist, wovon er biß zur künfftigen Messe haushalten, und wieder neue Materialien anschaffen kan.  
  Es werden aber die Messen eingetheilet in solennes und minus solennes.  
  Jene sind die grossen von denen Römischen Kaysern in Deutschland privilegirten Messen, als  
 
  • Leipzig, welches angeregte Begnadigung Maximilian I, und hernach Carln V;
  • Franckfurt am Mayn Kayser Friedrich II;
  • Franckfurt an der Oder Kayser Alberto I;
  • Naumburg an der Saa-
 
  {Sp. 1142}  
 
  le, und Braunschweig aber dem grossen Leopold zu dancken hat.
 
  Die andern, die von einer jeden Obrigkeit in ihrem Lande, krafft habenden Juris territorialis aufgerichtete Jahrmärckte, welche jedoch denen solennen Messen an volckreicher Versammlung derer Kauffleute, Menge derer Waaren, würcklichen Handlung, und stattlichen Privilegiis lange nicht beykommen; sondern wo es solcher Örter Situation, in Ansehung derer herumliegenden Städte, oder auch die zu Erleichterung der Kauffmannschafft erforderliche Bequemlichkeit an See und Flüssen, wohl angelegten Gewölbern, accurat eingerichteten Post- und Fuhr-Wesen, nicht mit sich bringet, ob sich schon mancher Potentat, solche herbey zu schaffen, noch so sehr darum bewerben möchte.  
  Einige Jahr-Märckte und kleine Messen haben auch nur in gewissen Waaren, als Seide, Leinwand, Wolle, Öl, Safran und dergleichen ihren meisten Handel: privilegirte hingegen an allerhand Waaren, welche häuffig zu- und abgeführet, und von Fremden und Einheimischen entweder vor baares Geld, oder in Tausch, oder auf Zeit und ausgestellte Verschreibungen und Wechsel verhandelt werden.  
  Sonsten findet man auch noch gar berühmte Messen in auswärtigen Reichen, als in Franckreich  
 
  • die Lioner,
  • die zu Beaucaire in Languedock,
  • und in Paris die so genannte Foire de S. Germain,
 
  wovon unter jedem Titul nachzuschlagen.  
  Italien ist sonderlich auch nicht nur wegen seiner vielen und grossen Wechsel- und Waaren-Märckte, sondern auch wegen besonderer, als Safran-Märckte, Öl-Märckte und dergleichen berühmt, wie denn unter andern bekannt ist,  
 
  • der zu Nove im Genuesischen,
  • zu
    • Plaisance,
    • Bologna,
    • Ferrara,
    • Brescia,
    • Padua,
    • Verona und so weiter,
 
  die nicht eben von Fremden, sondern nur von einheimischer Nation besucht werden.  
  In Spanien und Portugall sind zwar so genau bestimmte Messen und solenne Jahr-Märckte nicht, es können aber die vielfältigen See-Häfen und Handels-Plätze als grosse Meß-Städte paßiren, massen zu gewissen Zeiten des Jahres, wenn die See-Fahrt floriret, und die Spanischen und Portugiesischen Flotten aus West-Indien anlangen, der Zulauff derer fremden Schiffe und Kauff-Leute nicht geringe ist.  
  In Engelland werden ebenfalls viel öffentliche Märckte, als zu  
 
  • Worcester,
  • Lancaster,
  • Kent,
 
  gehalten, die aber, wie es scheinet, bloß von Einheimischen besucht werden. Schweden und Dännemarck hat deren auch sehr viel. In Rußland ist Archangel; in Pohlen Jaroslau; in Ungarn Preßburg, Oedenburg, Raab und Comorra.  
  In andern grossen Welt-Theilen giebt es deren nicht weniger, als in Asien, sonderlich an der Mittelländischen See, Smirna, Alexandrette, Constantinopel, Aleppo und Sayde, die alle unter türckischem Schutz stehen. In Africa sind vor andern Kairo, und die Raub-Nester, Algier, Tunis und Tripolis wegen ihres starcken Menschen-Handels bekannt, und in America werden die drey Welt-berühmten Jahr-Märckte zu Mexico, Porto Bello und Havanna gezählet.  
  Es reiset aber ein Kauffmann auf die Messe, entwe-  
  {Sp. 1143|S. 579}  
  der Waaren einzukauffen, oder zu verkauffen. Von beyden verrichtet er entweder eines allein, oder beydes zugleich. Die nach einer Messe geführten Waaren müssen solche seyn, die daselbst theurer ausgebracht werden können, als sie an dem Orte, von welchen sie herkommen, eingekaufft worden. Hingegen müssen die, so man einkaufft, mit Nutzen wieder an dem Orte, wo man sie hinführet, verhandelt werden können.  
  In unbekannten Waaren, von denen man zweiffelt, ob sie Liebhaber antreffen, oder nicht, ist es besser Proben als grosse Partheyen zu kauffen, und man muß sich hierbey über Vermögen nicht einlassen, ob man gleich solche Waaren auf etliche Monath Zeit haben könnte, weil der Vertrieb ungewiß, der Zahl-Tag aber nur allzu gewiß ist.  
  In Winter-Messen sich mit Sommer-Waaren, und in Sommer- oder Herbst-Messen mit Waaren, die gegen den herannahenden Winter dienen, zu versehen, ist allezeit rathsam.  
  Es will auch gegen die bevorstehende Messe eine Überlegung auf die vergangene gemacht, und darbey erwogen seyn,  
 
  • welche Waaren in selbiger, viel oder wenig, verhandelt worden;
  • ob alle Länder, aus denen Käuffer und Verkäuffer sich auf der Messe einzufinden pflegen, offen, oder ob etliche durch Krieg und Pest gesperrt liegen,
  • was vor Waaren diese oder jene Witterung, oder auch andere politische Umstände erfordern,
  • ob in verwichener Messe an einer Waare Vorrath oder Mangel gewesen;
  • ob die Mode geändert;
  • ob gewisse Waaren, die denen unsrigen gleich, von andern Orten auch zugeführet werden;
  • ob die Frachten und Reisen kostbar,
  • ob der Wechsel-Cours hoch oder niedrig;
  • ob die Wege sicher oder unsicher, oder brauchbar sind;
  • wie es mit denen Zöllen und andern Unkosten beschaffen;
  • ob in dieser oder jener Waare Steigerung oder Abschlag zu besorgen.
 
  Wenn dieses alles wohl erwogen worden, macht ein Kauffmann, ehe er noch zur Messe reiset, einen Auszug seiner Marckt-Schuldner und Gläubiger, die ihm, oder denen er in bevorstehender Messe vor die in vorhergehender oder ausser solcher für auf Zeit gekauffte Waaren, oder ausgestellte Wechsel zu bezahlen schuldig.  
  In der Messe selbst  
 
  • suchet er sichere und redliche Kund-Leute,
  • wartet sein Gewölbe früh und spät wohl ab,
  • läßt sich keine Mühe und Fleiß verdriessen,
  • ist in der Zahl-Woche ordentlich auf der Börse, oder derer Kauff-Leute Versammlungs-Platz,
  • bezahlet ohne Verzug,
  • hält richtigen Scontro,
  • trauet nicht leicht,
  • hütet sich im Barattiren mit denen Juden,
  • disponiret über die unverkaufft liegen gebliebene Waaren, dergestalt, daß er solche richtig aufzeichnet und einpackt, und wenn er selbige biß zu künfftiger Messe stehen läßt, seinen Factoren zu getreuen Händen liefert, oder wenn er sie zurück oder weiter versenden will, daß er alles, zu Ersparung der Provision und anderer Unkosten selbst spediret.
 
  Nachdem auch der Endzweck derer Meß-Reisen ist, seine Handlungen immer weiter auszubreiten, als wird hier zu das Aufsuchen neuer Kundschafft nöthig seyn. Doch muß man sich zuvor um eines jeden Zustand genau erkundigen. Man vergißt auch nicht seine Überlegung über  
  {Sp. 1144}  
  diese und jene Waare, und was dabey vor Augen gekommen, zu machen, auch deren sich zu gehöriger Zeit zu bedienen.  
  Ist man von der Messe nach Hause gelanget; so träget man aus dem Marckt-Verrichtung-Buche das paßirte in die Haupt-Handels-Bücher, und schließt endlich das Meß-Conto mit Gewinn- und Verlust-Rechnung.  
  Was übrigens die Kauff-Leute sich vor Freyheiten währenden Messen zu getrösten haben, ob deren Person und Güter, ehe der Marckt ausgeläutert, arrestiret werden können; ob man Repressalien, wenn die Schuld anderswo, als in denen Messen, gemacht worden, gegen sie gebrauchen möge, und wie ferne der Verdacht, daß sie flüchtig werden wollen, gegründet seyn müsse, davon handeln die Rechts-Lehrer hin und wieder sehr weitläufftig, wohin wir den Leser verweisen.  
  Ein mehrers kan auch der unten folgende Artickel Messen-Recht bezeugen. Bes. auch
  • Marpergers Kauffmanns-Magazin,
  • wie auch Ahasver Fritschens Tractat de Nundinis.
     

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Stand: 13. September 2016 © Hans-Walter Pries