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Zedler: Natürlich HIS-Data
5028-23-956-12
Titel: Natürlich
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 23 Sp. 956
Jahr: 1740
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 23 S. 495
Vorheriger Artikel: NATUM
Folgender Artikel: Natürlich … in denen Rechten
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

  Text Quellenangaben
  Natürlich, zeigt eigentlich die Beschaffenheit einer Sachen an, so fern dieselbe von den durch GOtt in der Natur geordneten Kräfften und Gesetzen dependiret, dergleichen natürliche Würckungen sich sowol an den Cörpern als Geistern äussern.  
  So ist z.E. natürlich in Ansehung des Leibes, daß wenn ein Mensch unordentlich lebet, daß er kranck wird, und wenn es beständig regnen solte, daß die Erd-Gewächse nicht zu ihrer Reiffe kommen, gleichwie es auch natürlich bey unserer Seelen ist, daß wenn unsern Sinnen gewisse Sachen fürgestellet werden, in unserm Verstand die Ideen entstehen, und wenn solche was widriges in sich begreiffen, in unserm Willen ein Eckel sich einstellet, woraus leicht zu erkennen, wie das natürliche von dem aussernatürlichen und übernatürlichen unterschieden.  
  Nemlich wenn die Würckung dem bey den geordneten Kräfften und Gesetzen in der Natur intendirten Endzweck gemäß ist, so heißt sie natürlich, wenn sie aber selbigen zuwider, so nennet man sie aussernatürlich, und wenn sie unmittelbar von einer göttlichen Krafft herrühret, so ist sie übernatürlich, dergleichen darzustellen, die natürlichen Kräffte nicht hinlänglich gewesen. Z.E. daß ein Mensch lebet, sich beweget, eine Empfindung hat, isset und trincket, wächset, solches ist natürlich; daß er aber kranck, die Bewegung seiner Glieder nach dem von GOtt geordneten Masse nicht geschicht, daß er nicht essen, trincken noch schlaffen kan, ist aussernatürlich, dergleichen Beschaffenheit GOtt nicht intendiret; und daß er eine Erkenntniß von geheimen und künftigen Dingen bekommt, wie es bey den Propheten A. Testa-  
  {Sp. 957|S. 496}  
  mentes geschehen, solches ist übernatürlich, indem solche Erkänntniß GOtt unmittelbar gewürcket, dazu die Menschen durch ihre blosse natürliche Kräffte nicht würden kommen seyn, wie davon die besondern Artickel aussernatürlich und übernatürlich mit mehrern nachzusehen.  
  Sonst wird das natürliche auch noch entgegen gesetzet  
 
1) dem gewaltsamen, wenn man unter andern sagt, er ist eines natürlichen, eines gewaltsamen Todes gestorben, da denn das gewaltsame die natürlichen Kräffte keinesweges ausschlüsset, sondern eine solche Application derselben anzeiget, welche mit einer Gewalt geschicht, daß eine Würckung daraus entstehet, die sonst ordentlicher und natürlicher Weise nicht würde entstanden seyn, es mag nun diese Würckung nach der Moralität gut, oder böse seyn, so aber eigentlich als eine Art des aussernatürlichen anzusehen. Z.E. wenn einer vomiret, solches ist in so fern natürlich, daß es vermittelst der natürlichen Kräffte geschicht, indem man aber dieselbe durch Medicamenta dahin disponiret, daß die abzuführende Materie nicht ihren ordentlichen Ausgang nimmt, sondern mit Gewalt einen andern suchet, so kan man es was gewaltsames nennen.
 
 
2) Dem willkührlichen, welches von dem freyen Willen der Menschen dependiret, und also geschehen und auch nicht geschehen kan, da hingegen das natürliche geschicht, es mag der Mensch wollen oder nicht. Z.E. daß ein Mensch spatzieren geht, ist was willkührliches, indem es bey ihm gestanden, ob er sich zu dem Spatziergehen disponiren wollen oder nicht, daß er aber müde wird, ist was natürliches.
 
 
3) Dem künstlichen, so fern zu den natürlichen Kräffte noch eine besondere Geschicklichkeit des Verstandes, auch der Glieder kommt.
 
  Die Schul-Lehrer bemercken in ihren Metaphysicken eine fünffache Bedeutung, des Worts natürlich, indem solches genommen werde  
  erstlich (1) constitutive, und das Wesen einer Sache, oder dasjenige doch, so zum Wesen mit gehöre, anzeige, wie die Seele bey dem Menschen eine solche natürliche Sache sey,  
  hernach (2), consecutive, wenn aus dem Wesen einer Sache etwas erfolge, wie das Lachen eines Menschen;  
  drittens (3) subiective, wenn sich etwas in einer Sache von ihrem ersten Ursprung befinde, als wenn einige Menschen von Natur einen Eckel für gewissen Sachen hätten, in welchem Verstand auch zu sagen, daß die Erb-Sünde natürlich;  
  viertens (4) perfective, welches die Natur einer Sache ziere, und auf alle Weise vollkommen mache, in welchem Verstand die Weisheit und Klugheit natürlich zu nennen, und  
  fünfftens (5) transitive, wenn etwas mit der Natur zugleich auf andere fortgepflantzet werde, wie die Erb-Kranckheit bey den Nachkommenden etwas natürliches, siehe
  • Micrälii Lexic. philos. …
  • Hebenstreits philos. prim. …
  • Donati Metaphysic. usual. …
  • Chauvin in Lex. phil.
  Doch diese und dergleichen Arten sind nicht wohl aus einander gesetzt.  
  Wie aber das Wort Natur von dem Wesen so wohl natürlicher als moralischer  
  {Sp. 958}  
  Sachen überhaupt gebrauchet wird; also pflegt man auch das von demselben abstammende Wort: Natürlich, von andern Dingen ausser dem Reich der Natur zu sagen, wenn die Rede von practischen Sachen ist, zum Exempel: die Ordnung, die Methode ist gantz natürlich.  
  Von den Bedeutungen des Wortes: Natürlich, ins besondere in der Artzney-Kunst, hat der berühmte Polyhistor, Christian Wolff, eine besondere Abhandlung de notione naturalis … dem 2 Bande seiner Horarum subsecivarum Marburgensium … einverleibet.  
     

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Stand: 10. Februar 2013 © Hans-Walter Pries