HIS-Data
Home | Suche
Zedler: Reichthum [4] HIS-Data
5028-31-198-2-04
Titel: Reichthum [4]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 31 Sp. 210
Jahr: 1742
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 31 S. 118
Vorheriger Artikel: Reichthum [3]
Folgender Artikel: Reichthum Christi (unerforschlicher)
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

vorhergehender Text  Teil 3 Artikelübersicht  

Übersicht
Geld-Kunst (Forts.)
  Kluger Umgang mit Geld
Reichtum
  Recht

Stichworte Text Quellenangaben
Kluger Umgang mit Geld Das andere Stück dieser Geld-Kunst bestehet darinnen, daß man mit dem erworbenen Geld klüglich umgehe. Es kan das Geld an sich selbsten niemanden glücklich machen, und wenn man viel Millionen in den Kasten liegen hätte, so könnten sie keinen Menschen einen eintzigen Tag erhalten, wenn sie nicht in eine Bewegung kommen, mithin muß man dasselbige, nur als ein Mittel, und nicht als den Endzweck ansehen, das ist, sich für den Geitz hüten.  
  Ein Vernünfftiger geht wohl mit dem Geld um  
 
a) durch einen vernünfftigen Gebrauch desselben, als eines Mittels, in gegenwärtigen Fällen sich und andern zu nutzen.
 
 
  Wir sagen allhier mit Fleiß, sich und seinem Nächsten soll man damit Gutes thun, und gedencken des lieben GOttes nicht, von dem wir vielmehr alles haben, und der unserer Hülffe, oder Beystands mit dem Geld nicht bedarff, woraus zu schlüssen, was von der Anwendung seines Geldes zu den so genannten piis causis zu halten, wenn man unter andern den Altar oder die Cantzel bekleiden lässet, womit man keinem Menschen nutzet. Erasmus schreibet in seinem Convivio religioso also: mihi videntur, vix excusari posse a peccato capitali, qui sumtibus immodicis aut exstruunt, aut ornant monasteria seu templa, quum interim tot viva Christi templa, fame periclitentur, nuditare horreant, rerumque necessariarum inopia discrucientur.
 
 
  Am Jüngsten Tag will Christus diejenigen Wohlthaten, die man den Gläubigen als seinen Gliedmassen erwiesen, dergestalt rühmen und annehmen, als wären sie ihm selbst geschehen, gedenckt aber nicht von piis causis, die ihren Ursprung aus dem Pabstthum haben, und selbst von einigen Kirchen-Vätern verworffen worden. Also soll man mit dem Geld sich und seinem Nächsten nutzen.
 
 
  Es findet der Mensch für seine Person zweyerley Ausgaben; nöthige, welche die Nothdurfft erfordert, und nicht so nöthige, die die Bequemlichkeit und der Wohlstand mit sich bringen, welche letztere den erstern nachgeben müssen. Er giebt nicht mehr aus, als die Nothdurfft, die Commodität und der Wohlstand erfordert, und vermeidet dadurch zwey schädliche Abwege, den Abweg der Verschwendung, da man ohne vernünftige Ursach das Geld ausgiebt, und den Abweg des Geitzes, wenn man ohne vernünfftige Ursach weniger ausgiebt, als man könnte und solte.
 
 
  Seinem Nächsten nutzet er auf zweyfache Art: einmal indirecte, wenn durch die Ausgaben, die er für sich und die Seinigen thut, das Geld dergestalt in Bewegung stehet und roulliret, daß es unter die Leute kommt und im Lande bleibet, worauf ein jeder zu sehen, weil das gemeine Beste daran hänget; hernach directe, wenn er bey seinem Uberfluß Wohlthaten aus-
 
  {Sp. 211|S. 119}  
 
  theilet, welches auch mit gehöriger Klugheit geschehen muß.
 
 
  Rüdiger macht in der Anweisung zu der Zufriedenheit der menschlichen Seele ... folgende Anmerckungen hierbey; Was ein jeder vom Uberfluß habe, wäre nicht sein; sondern des andern, welches er zwar als ein Vormund der Armen haben möge, die entweder wegen der Macht der Reichen zu nichts kommen können, oder wegen ihres liederlichen und boßhafftigen Wesens nichts eigenthümlich haben solten, damit wenn es nöthig befunden werde, er beyden wenig, oder viel, nachdem es der Zustand erfordert, dabey auch hundert und tausend Thaler nicht müsten vor zu viel geachtet werden, zahlen möge.
 
 
  Es müssen aber, fährt er fort, die Armen von denen Wohlthätern bis zu ihrer vernünfftigen Zufriedenheit versorget werden. Denn GOtt habe die Kräffte der Natur zu aller Menschen Zufriedenheit erschaffen, nemlich denen Armen müsse so viel gegeben werden, daß ihnen der Mangel des Vermögens kein Gutes nehme, das sie nach GOttes Willen haben solten. Eitelkeiten sollen sie nach GOttes Willen nicht haben, so ist ihnen dann der Wohltäter auch nicht darzu verpflichtet: einem von starcker Leibes-Beschaffenheit soll er weniger geben, als einem Schwächlichen und Krancken: einem Boßhafftigen weniger, als einem Frommen, doch auch diesem nichts, was seine Eitelkeit reitzen kan; einem geschickten Menschen, der wahrscheinlich das gemeine Beste befördern kan, soll er mehr, und nach Gelegenheit der Umstände, viel mehr geben, als einem andern, weil solches ein Mittel ist, die allgemeine Zufriedenheit zu befördern, weswegen auch der Stand der Armen soll in Betrachtung gezogen werden, wenn es ein Stand ist, damit man der Welt dienen kan: weil der Pöbel gleich pflegt denjenigen, der nach seinem Stande nicht leben kan, zu verachten, und sein Gutes nicht anzunehmen;
 
 
b) führt sich ein weiser Mann bey dem Geld wohl auf durch eine vernünftige Sammlung desselben in Ansehung der künftigen Zeiten.
 
 
  Es haben die Alten recht gesagt: Es müsse der Mensch allezeit drey Pfennige in seinem Beutel haben, einen Zehr-Pfennig, Noth-Pfennig und Ehren-Pfennig. Der erste gehet auf die gegenwärtige Versorgung, und muß den beyden andern vorgezogen werden, und weil der andere wegen einer künfftigen Noth beyzulegen, der Ehren-Pfennig aber nur wegen des Wohlstandes bey Hochzeiten, Gevatterschafften und dergleichen ausgegeben wird, so geht der Noth-Pfennig diesem für, den man so viel möglich, zu sammlen und in Sicherheit zu bringen hat.
 
 
  Denn es können sich solche Fälle ereignen, da entweder ausserordentliche Ausgaben nöthig sind, als bey Kranckheiten, Todes-Fällen, Kriegs-Zeiten, oder wenn jemand durch Feuer, Wasser, Diebe, Krieg, zum Theil um das Seinige kommt, oder wegen langwieriger Kranckheit, hohen Alters nichts verdienen kan: oder wenn man heyrathen will, nicht weiß, wie starck die Familie werden dürfte, dergleichen auch, wenn man schon verheyrathet, aber noch im Stande ist Kinder zu zeugen; oder gedencket in einen höhern Stand zu kommen, und wenn man denn nichts gespahret, so
 
  {Sp. 212}  
 
  kommt man bey einem solchen Fall gar schlecht zu recht.
 
 
  Ein weiser Mann aber sammlet und sparet auf eine vernünfftige Art das Geld, das ist, er richtet sich nicht hier nach der Möglichkeit, was er in Zukunfft brauchen könne; sondern nach der Wahrscheinlichkeit, was er vermuthlich brauchen werde. Denn sammlet man nach der Möglichkeit, so darff man niemals aufhören, wie es eben die Geitzigen machen, ja es kan dabey keine vernünfftige Würckung, wie bey der Wahrscheinlichkeit geschehen. Nach dieser kan derjenige, der eine Million besitzet, nicht so leicht arm werden, als er nur eine Tonne Goldes hat, nach der Möglichkeit hingegen ists einerley, weil unter andern der Krieg, der eine Tonne Goldes raubt, auch eben so wohl eine Million hinnehmen kan.
Es können von dieser Materie
  • Thomasius im Entwurff der politischen Klugheit ...
  • Heumann im politischen Philosopho ...
  • Wolff in vernünfftigen Gedancken von der Menschen Thun und Lassen ...
  • Rohr in der Einleitung zur Klugheit zu leben, ... und in der Haushaltungs-Bibliothec ...
nachgelesen werden.
  Ein gewisser Frantzose, Namens Pelissy, hat ein Buch unter dem Titel: Moyens pour devenir riche, geschrieben, worinnen er aber nur zeiget, wie man durch Hülffe des Salpeters und auf andere Art den Getraid-Saamen so fruchtbar machen könne, daß es vielfältige Frucht bringe. Man hat auch des Fellwingers explicationem politicam rationis ditescendi, worinnen er aber nur ebenfalls einige Arten berühret, wie die Menschen in der Republick etwas zu erwerben pflegen, als Ackerbau, Haushaltung; Kauffmannschafft u.s.f.  
Reichtum Dieses war also, was wir hier von der Geld-Kunst nachzuhohlen hatten. Wir kommen nun wieder unserer und mit jener verwandten Materie von dem Reichthume.  
  Unter den alten Philosophen hat Aeschines in einem Gespräch gezeiget,  
 
  • daß man nichts vor Reichthum halten könne, als was nützlich sey:
  • daß man den allein den Reichesten nennen könne, der Sachen vom höchsten Werth besitze:
  • daß also einer, der gesund sey, viel reicher sey, als ein Krancker, wenn auch dieser schon das Vermögen eines Persischen Königs besässe, und
  • daß kein kostbarer Schatz als die Weisheit sey.
 
  Er sagt ferner:  
 
  • daß der Nutzen einer Sache von dem nothwendigen Gebrauch herrühre,
  • daß das, was man insgemein Reichthum nenne, an sich selbst nicht nützlich sey:
  • daß derjenige der glücklichste und reichste sey, der wenig bedarff, oder mit wenigem vergnügt sey, und
  • daß die reichsten insgemein die unglücklichsten wären, weil sie mehr als andere vonnöthen hätten:
 
  In diesem Discours hat Aeschines Reichthum und Glückseligkeit mit einander vermischet.  
  Unter den Sprüchen des Diogenis findet man auch diesen: Die meisten Reichen sind wie die in unbewegbaren Örtern, und gegen Bergen stehende Bäume und Weinstöcke. Denn ihre Früchte kommen nicht den Menschen, sondern nur den Raben und andern dergleichen Thieren zu statten. Also wenden auch die Reichen ihr Vermögen nicht zum Guten an, sondern stecken es den Schmeichlern und Huren in Hals, und wenden es also auf schändliche Wohllü-  
  {Sp. 213|S. 120}  
  ste und eitele Ehre, wie bey dem Stobäo Serm. 90. zu lesen.
  Sonst sahen die alten Philosophen sonderlich in der Cynischen Schule die zeitlichen Güter mit verächtlichen Augen an, und meynten, sie vertrügen sich nicht mit der Weisheit.. Man lese
  • Huetium in quaestionib. Alnetanis ...
  • Buddeum in analectis hist. philos. ...
  • Pritii Dissertation de contemtu divitiarum et facultatum apud antiquos philosophos, Leipzig 1693.
  Wie aber solches bey diesen Leuten aus einem Hochmuth herkam; also war die Meynung, als könnte Reichthum und Weisheit nicht beysammen stehen, irrig.  
Recht Ubrigens ist denen Rechten nach niemand gehalten, seinen Reichthum zu offenbahren, und dem Neide auszulegen. l. 2. ff. quando ... ibique Perez und Brunnemann.
  Im übrigen wird einer gegenwärtig ohne Beweiß nicht reich zu seyn vermuthet, wohl aber, daß er es werden könne. Menoch Lib. VI. ...
  Wer aber offenbar reich ist, der ist nicht gehalten, Caution ins besondere durch Bürgen zu machen. Mevius P. VIII. ...
  Indessen hindert auch der einen oder anderen Parthey ihr Reichthum die denen elenden Personen, als Wittwen und Waysen, u.d.g. zukommende Privilegien nicht. Covarruvias in Quaest. Pract. ...
  Sonst giebt auch, nach denen Lehr-Sätzen der mehresten Criminalisten, der gählinge Reichthum einer Person, oder, wenn jemand plötzlich und geschwinde zu grossen Mitteln gelanget, eine ziemliche Ursache zur Inquisition, massen nicht zu glauben stehet, daß ein Armer ordentlicher Weise und von rechten Dingen so plötzlich solte reich werden können. Jedoch meynt Carpzov in Pract. Crim. ... nicht unbillig, daß solches bloß von einer Person zu verstehen sey, zu welcher man sich, wegen anderer mit einlauffender Umstände, gar wohl einer Missethat versehen mag.  
     

vorhergehender Text  Teil 3 Artikelübersicht  

HIS-Data 5028-31-198-2-04: Zedler: Reichthum [4] HIS-Data Home
Stand: 23. Februar 2024 © Hans-Walter Pries