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Zedler: Schule [1] HIS-Data
5028-35-1474-2-01
Titel: Schule [1]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 35 Sp. 1474
Jahr: 1743
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 35 S. 751
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Übersicht
Bedeutung
Naturrecht
Geschichte
Arten
  deutsche Schulen
  Trivial- und höhere Schulen
  Gymnasien
  hohe Schulen
Aufsicht
Vermögensrecht
Förderung
Privat- oder öffentliche Schulen?

Stichworte Text   Quellenangaben
  Schule, Lat. Schola, Frantz. Ecole, heißt insgemein eine zu Erlernung guter und nützlicher Wissenschafften von der hohen Obrigkeit angerichtete Gesellschafft; oder aber der Ort, da die Tugend in nöthigen Wissenschafften und guten Sitten erzogen und zum Nutz des gemeinen Besten  
  {Sp. 1475|S. 752}  
  zubereitet wird; insbesondere aber, wo die freyen Künste, Sprachen und höheren Wissenschafften gelehret werden.  
Bedeutung Die Griechen nennen eben das, was wir nach unserer Sprache Schulen nennen, didaskaleion, paideuterion, phrontisterion. Sothane Expreßion aber ziehet man her von dem Wort [ein Wort griechisch], welches obliegen heisset. In Ansehung dessen sollen nehmlich die Lehrlinge von allen andern Geschäfften abstehen, und eintzig und allein dem Studieren obliegen und ergeben seyn.  
  Etliche leiten es her von dem Wort Aufhörung, oder Stillstand, oder Nachlassung: worauf Ausonius zielet, wenn er schreibet:  
  Grajo Schola nomine dicta est juste,
Laboriferis tribuantur ut otia Musis.
 
  Unsere Lateiner benahmen die Schule gemeiniglich LUDUM LITERARIUM, einen Spielplatz. Damit aber sehen sie weiter. Einmahl machen sie uns eingedenck der Natur, die die erste Kindheit gewöhnlicher massen zum Spielen anreitzet, und in derselben alle menschlichen Handlungen vorspielet. Danach erinnern sie, welchergestalt keine unfreundliche und sauertöpfische; sondern eine angenehme, muntere und gleichsam spielende Lehrart in die Schule gehöre. Auch heisset ihnen die Schule, in sofern sie vor den Ort genommen wird, OFFICINA SCHOLASTICA.  
  Vorzeiten brauchten die alten Römer das Wort SCHOLA oder Schule in weitläufftigen Verstande. Erstlich belegten sie mit dem Nahmen Schola oder Schule den Ort in Bädern, wo diejenigen, welche alsdenn erst kamen, wenn die Badewannen schon besetzet waren, warten musten bis ihnen Platz gemachet wurde. Danach hatten sie Schulen in Kriegs-Sachen, worinnen sie denen Schildknechten Unterricht gaben, und sie unterwiesen, wie sie etwa die Waffen und Schilde führen solten, oder was sonst die Lager-Plätze erforderten. So wir Ammiano Marcellino glauben zustellen dürffen, so hatten Severianus und Valentus die Ehre, Vorsteher und Ruderführer dergleichen einheimischen Römischen Schulen zu seyn.  
  Drittens war noch eine Art Schulen in den Spatzier-Gängen (Porticibus) zu Rom. Also gedencket Plinius der Schule Octaviä und Philippi in den Porticibus, darinnen man die Bildnisse Alexanders und der Minervä sahe. Ohne Zweiffel wird durch das Wort Schule in den Porticibus eine Gesellschafft und Versammlung der Jugend angedeutet. Eine Versammlung aber nenneten sie, nach des Macrobii Bericht, entweder wenn sie die Opffer anstelleten, oder Gastmahle hielten, oder den Göttern Fest- Feyer- und Lust-Spiele zu Ehren präsentirten.  
  Dieser Unterscheid der Römischen Schulen mag in seinem Ort beruhen. Wir wollen hier vielmehr von den Christlichen Schulen reden, welche wir billig als Werckstätte, darinnen man keinen Abgott opffert, sondern unablässig an dem Erkänntniß des wahren GOttes arbeitet und vorsichtig bewahret, damit es auf die Nachkommenschafft fortgepflantzet werde, zu preisen haben.  
Naturrecht Ehe wir aber zu der Historie derselben schreiten, wollen wir noch folgende Frage mitnehmen. Es wird nehmlich gefraget, ob Schulen in dem Natur-Rechte zu suchen, und ob die Natur solche Gesellschafften veranstaltet und zu-  
  {Sp. 1476}  
  wege gebracht habe, die aus Lehrenden[1] und Lernenden bestehen, und deswegen öffentlich angeleget werden, damit junge Leute in nöthigen Wissenschafften und guten Sitten erzogen, und zum Nutz des gemeinen Wesens zubereitet werden. Kurtz, die Frage ist von solchen Gesellschafften, darinnen man andern seine Weisheit und Künste redlich wieder mittheilet.
[1] HIS-Data: vergl. Lehrer
  So wenig aber jemand dieses in Zweiffel ziehen wird; so leicht könte man doch den Einwurff machen: wenigstens könne man des öffentlichen Unterrichts entübriget seyn, in dem es ja das Recht der Natur fordere, daß Eltern ihre Kinder zu allem Guten ziehen und anhalten. Diese Gedancken werden von der ältesten Art des Unterrichts unterhalten, da ein ieder Hauß-Vater seine Kinder in Zucht und Unterricht genommen,
  • 1. B. Mos. XVIII, 19.
  • 5. B. Mos. VI, 7.
  So mangelt es auch nicht an Exempeln solcher Leute, die von ihren Eltern unterrichtet, und grosse Lichter in der Welt worden sind.
  Jedoch, so viel Vortheil diese Privat-Information vor der öffentlichen haben soll, so groß ist auf der andern Seite die Gefahr, welcher sie unterworffen ist. Edm. Richerius Obstetr. anim.
  Verstand und Willen zu verbessern, ist eine Sache, der weder eine eintzige Person, noch alle Eltern gewachsen sind. Dahero hat man mit der Zeit aus Noth müssen darauf dencken, die Aufnahme guter Künste und Wissenschafften, vermittelst anderer Leute zu befördern. Daß demnach Schulen in dem Rechte der Natur ihren Grund haben, erhellet anfänglich daraus, weil jede öffentliche Gesellschafft, welche einen rechtmäßigen Endzweck hat, Ruhm und Ehre verdienet. Die Absicht der Schulen ist nichts anders, als Tugend, Gelehrsamkeit und gute Sitten. Und dieses sind eben die edlen Früchte des Natur-Rechtes.  
  Cicero in Offic. … redet davon also: Natura honesta, recta et constantia desiderat, aspernaturque contraria; Folglich wird es ja nicht wider die Natur seyn, diejenigen jungen Leute geschickten Lehrmeistern zu übergeben, welche mit der Zeit dem Vaterlande und dem gemeinen Wesen einigen Nutzen schaffen sollen, worzu sie ohne andere Beyhülffe nicht tüchtig werden.  
  Auch im natürlichen Stande, wenn keine bürgerliche Verbindung vorhanden wäre, erforderte dieses unsere Schuldigkeit, daß derjenige, welcher vor andern einen fähigen Verstand und mehr Wissenschafft hätte, dem andern damit auszuhelffen, und sein Glück zu befördern verbunden wäre. Denn auch in dergleichen Stande findet die Gerechtigkeit statt, und ist er nicht gantz ohne Gesetz. Heineccius Elem. Jur. N. et G.
  Nachdem man aber vor thunlicher befunden, gesellschaftlich zu leben, so ist ieder um so viel mehr verbunden, seinem Nächsten auf alle Art und Weise mit seinem Vermögen an die Hand zu gehen: woraus ein deutlicher Beweiß erwächset, daß das Natur-Gesetz die gelehrten Gesellschafften mehr erfordert als aufhebet.  
  Ausser diesen ist dem gemeinen Wesen nicht wenig dran gelegen, daß sowol zur Erhaltung der Ruhe, als anderer Bequemlichkeit die Bürger in guten Künsten fleißig geübet werden. Man kan dieses nicht deutlicher wahrnehmen, als wenn man barbarische  
  {Sp. 1477|S. 753}  
  und wilde Nationen mit denen zusammen hält, welche gesittet und in Wissenschafften geübt sind. So viel jene Schaden haben, so viel finden sich Vortheile bey diesen. Daher erfordert es eines Regenten Pflicht, sich alle Mühe zu geben, daß in seinem Lande die Schulen in gutem Stande erhalten werden, und eben dieses bemercken alle diejenigen, welche von denen natürlichen Pflichten geschrieben haben. Pufendorf de Offic. hom.
  Wenn auch die Ubereinstimmung derer Völcker einen starcken Beweis vor dasjenige ausgemacht, was zum Rechte der Natur gehöret, wie Grotius de Jure … anmercket: so wird man gewiß die Schulen am wenigsten davon ausschliessen können. Ja, bey der grossen Unwissenheit, in welcher wir gebohren werden, hat die Göttliche Vorsorge uns noch so viel übrig gelassen, daß wir Lust haben was zu lernen, wovon Cicero also redet: Omnes trahimur et ducimur ad cognitionis et scientiae cupiditatem. Dieser natürliche Durst aber kan nicht anders, als durch Unterricht gestillet werden. Denn was würde einem Menschen dieses Verlangen nutzen, wenn er keinen Umgang mit andern haben, und deren Unterweisung nicht genüssen solte?  
  In der heil. Schrifft findet man deutliche Spuren, daß GOtte dergleichen nützliche Gesellschafften gantz und gar nicht mißfallen. Wem sind die Propheten-Schulen unbekannt, woraus GOtt diejenigen nahm, die er mit Göttlicher Krafft ausrüstete, und als Boten an sein Volck schickte. Und unser Heyland selbst besuchte die Schulen, und legte darinnen Proben seiner Weisheit ab. Und also sind wohl Schulen so wohl dem natürlichen als Göttlichen Gesetze gemäß. Brandan Friedrich Mylii Progr. An scholae sint juris naturae? Brandenburg 1739. in 4.
Geschichte Hieraus erhellet zugleich die Nothwendigkeit der Schulen, welche schon in den ältesten Zeiten erkannt und eingesehen worden; daher man auf derselben Stifftung und Erhaltung jederzeit grosse Sorge gewandt. Bald die ersten Christen liessen ihnen angelegen seyn, solche Leute zu unterhalten, die der Jugend die Erkänntniß GOttes und die Gründe der Religion beybringen möchten. Auf Wissenschafften aber ward weiter nicht gesehen, als so viel es die Gewohnheiten derer zum Christenthum Bekehrten mit sich brachten, und die Grund-Regeln des Christenthums leiden wolten. Weil man damahls von eiteln Dingen, dahinter kein wahrer Nutz zu finden, nichts gehalten, nach der Vermahnung des Apostels, daß man sich hüten solle, für falschberühmter Kunst, verkehrter Philosophie u.s.w. Doch hat man auch damahls gewolt, daß ein Christ die seinigen, was nutzbar wäre, lernen lassen solte: Wer dieses selbst nicht thun wolte, oder nicht thun konte, gebrauchte sich anderer Hülffe. Wie es denn sehr wahrscheinlich ist, daß bey mit unterlauffender mehrerer Freyheit, die Christen-Lehrer dann und wann ihre Schulen der Weißheit, nach damahliger Weise werden gehalten und ihre Lehren auf eine gelehrtere Art vorgetragen haben.  
  Die Kayser haben sich auch gar zeitig des Schulwesens, soweit es in Lehr- und Erlernung der Sprachen, der Rednerkunst, der Rechte, der Artzney-Wissenschafft bestanden hat, angenommen, ihm Ziel und Maaß gestellet, Freyheiten zugestanden, Einkünffte ausge-  
  {Sp. 1478}  
  worffen, wie die noch vorhandene Gesetze, und die Anmerckungen gelehrter Männer zeigen, da denn auch den Lehrenden und Lernenden ein eigener Nahme gegeben und sie Scholastici, d.i. Schulleute, genennet worden. Mit diesem Titel dauchten sie sich nicht wenig zu seyn, und überhoben sich dessen mit der Zeit so, daß man einen Scholasticum wohl für einen abgeschmackten, einbildischen und plauderhafften Gecken gehalten.  
  Die Gottesgelahrtheit pflanzten die Eltesten und Bischöffe fort, welche nicht allein das Volck überhaupt gelehret, sondern auch andere insonderheit, die etwas gründlichers hierinnen wissen und wiederum andere lehren wolten, unterrichteten. Welches allerdings Apostolischer Absicht und Verordnung an sich gantz gemäß, als wohin auch anfänglich die Gesellschafften junger bey den Bischöffen sich aufhaltender Leute, woraus hernachmahls die Canonicat-Stiffter geworden, gezielet haben.  
  Als bey den Deutschen und Francken, desgleichen anderwerts in Europa die Wissenschafften auch so gar bis auf Lesen und Schreiben im gemeinen Wesen sich verlohren hatten, hat sich doch etwas davon bey der so genannten Geistlichkeit erhalten. Dahero ward von einigen, die sie mit reichen Einkünfften begabten, sonderlich von dem Fränckischen Könige, Carln dem grossen, dahin gesehen, daß in den geistl. Stifften ein und anderer gelehrter Mann seyn und von denen milden Stifftungen hinlänglich unterhalten werden möchten. Diese nun solten nicht allein ihre Ordens-Brüder; sondern auch anderer Leute Kinder, darunter auch grosser Fürsten und Herren ihre Printzen und Söhne, in guten Künsten, Sprachen und Wissenschafften unterrichten, und also Schule halten; dahero sie Scholastici, Schulleute, genennet wurden: wie denn auch der Nahme Dom-Scholaster noch in den Hoch-Stifften bekannt ist, und wer ihn hat, gute Einkünffte ziehet, ob er sich gleich um das Schulwesen gar nicht bekümmert.  
  Man bauete also an die Kirchen der Stiffter und Klöster andere Bequemlichkeiten zum Unterricht der Jugend, darinnen alle, die es begehrten, ohne Unterscheid, in Sprachen, Künsten und Wissenschafften unterwiesen wurden. Die Vorsteher derselben hiessen Scholarchae, d.i. Schulregenten. Und eben dadurch ist es geschehen, daß in den mittlern Zeiten alle Wissenschafft fast in den Klöstern allein beschlossen gewesen, und die Ämter, wobey einige Gelehrsamkeit erfordert wurde, allein mit Geistlichen bestellet worden. Wiewohl mit dem Lauff der Zeit sothane Stifftungen immer mehr von ihren Zweck verfallen und die Wissenschafften in den meisten Theilen von Europa fast gar verloschen, oder so ja etwas davon übrig geblieben, in die entsetzlichste Wortklaubereyen und in den Mischmasch der Gottes-Gelahrtheit mit der Aristotelischen Philosophie verkehret worden, woraus die beschriebenen Scholastici, von welchen am gehörigen Orte, entstanden sind.  
  In solchem elenden Zustande blieb die Gelehrsamkeit; bis, durch Zerstörung des Orientalischen Kayserthums, die Zerstreuung der griechischen Gelehrten, und die um selbe Zeit erfundene Buchdruckerey dem gelehrten Wesen bey uns ein neues Leben gegeben, welches durch die bald hernach erfolgte Reformation mächtig aufgewecket, endlich zu einer solchen Höhe gestiegen,  
  {Sp. 1479|S. 754}  
  darüber man sich zu verwundern hat. Nunmehr ist es unter uns so ferne, daß wir über Mangel an Schulen zu klagen hätten, daß viel mehr tieffeinsehende Männer wünschen, daß derselben weniger, und die beybehalten würden, besser eingerichtet wären.  
Arten Es sind aber derselben mancherley. Jedoch theilet man sie vornehmlich  
 
1) in hohe Schulen oder Academien, und in niedrige Schulen (SCHOLAS INFERIORES); und diese wiederum
 
 
2) in öffentliche Schulen (SCHOLAS PUBLICAS) und in Privat- oder Winckel-Schulen (SCHOLAS PRIVATAS); die öffentlichen
 
 
3) in gemeine oder Trivial-Schulen (SCOLAS TRIVIALES), und höhere Schulen, als Gymnasien, Ritter-Academien etc.; desgleichen
 
 
4) in Stadt- und Land- oder Fürsten-Schulen;
 
 
5) in deutsche und lateinische Schulen; und
 
 
6) in Knaben-Schulen (SCHOLAS PUERILES) und Mägdlein- oder Jungfrau-Schulen.
 
deutsche Schulen Unter allen aber sind wohl die deutschen Schulen die niedrigsten, als in welchen die Jugend weiter nicht, denn nur in dem nöthigen Christenthum, darneben im Lesen, Schreiben und Rechnen unterwiesen wird. Es lassen sich solche Schulen füglich in zwo Classen theilen; in der ersten Classe wird die Jugend unterwiesen in solchen Dingen, welche den Menschen zieren und im Alter nöthig und nützlich sind, als Lesen und Schreiben der deutschen Mutter-Sprache, Rechnen, Höflichkeit der Sitten und was dazu gehöret.  
  In der andern Classe stehen beyde Knaben und Mägdlein, und werden allerseits angehalten  
 
1) zum Gebet, daß sie GOtt mit seinem Heil. Geist erleuchten, für Irrthum behüten und in seine Wahrheit leiten wolle.
 
 
2) Zum fleißigen Bibel-Lesen, daß sie mit Timotheo von Jugend auf die heil. Schrifft wissen, und daraus lernen den wahren Glauben und ein Christl. Gottsel. Leben.
 
 
3) Zum Lobe GOttes; daß sie lernen anstimmen schöne Psalmen und Lobgesänge, sintemahl der HErr aus dem Munde der Jungen und Säuglinge ein Lob bereitet.
 
 
4) Zur Erlernung und unablässigen Wiederholung des Catechismi, weil darinnen die Hauptstücke der Christlichen Lehre verfasset sind.
 
  Wie nun diese Unterweisung allen Menschen ohne Unterscheid nützlich und nöthig, ja unentbehrlich ist: so kan es denen nicht genung verdancket werden, die darauf bedacht sind, wie solcher Schulen mehr angerichtet und mit gehörigen Fleiß gewartet werden, wozu die löblichen Exempel, die uns daheim und bey andern benachbarten Völckern für Augen schweben, stattliche Anleitung geben.  
Trivial- und höhere Schulen Von denen Trivial- und höhern Schulen wollen wir hier nur überhaupt und was zur Historie der Schulen gehöret, etwas beybringen. Um die Jahre 813 nach Christi Geburth, war es noch gar schlecht in Deutschland mit dergleichen Schulen beschaffen. Die Christliche Religion florirte zwar ie länger ie mehr, von den schönen Wissenschafften aber wuste man wenig oder nichts. Die Grammatick oder Lateinische Sprache und die Arithmetick waren das eintzige, so man in Schulen der Jugend einpflantzte. Nach der Zeit aber hat sich das Schulwesen in bessern Stand gesetzt: denn wie die Künste und Wissenschafften höher stiegen und mit curieusen und nützlichen Erfindungen erweitert worden: so hat  
  {Sp. 1480}  
  man auch die Schulen mit bequemern Lehrarten erweitert; wiewohl nicht zu leugnen, daß auch dazumahl noch manches in den Schulen vermisset worden, und man mag wohl sagen, daß selbiger Zeit nicht einmahl auf Academien so viel von freyen Künsten gelehret worden, als jetzt die Jugend in Gymnasien höret.  
Gymnasien Was aber vor Wissenschafften auf unsern Gymnasien zu treiben, ist leicht aus dem Endzweck derselben, da junge Leute zu den academischen Studien sollen zubereitet werden, zu urtheilen. Es gehören die Wissenschafften der allgemeinen Gelehrsamkeit, welche aus den schönen Wissenschafften und Philosophie bestehet, dahin, daß die Jugend in den Sprach-Wissenschafften, in den historischen Disciplinen, auch in der Philosophie unterrichtet wird, daraus nach Anleitung der Klugheit solche Stücke zu lesen, die nach Beschaffenheit der künfftigen academischen Studien am nöthigsten sind. Daß man auf einigen so genannten academischen Gymnasien Professores in der Theologie, Rechtsgelehrsamkeit und Medicin gesetzet, scheinet eine Sache von keinem sonderlichen Nutzen zu seyn, weil man in der allgemeinen Gelehrsamkeit gnug zu thun findet, und zu den höhern Facultäten auf Academien noch Zeit ist, und wäre dahero rathsamer, wenn man jungen Leuten, die auf Academien gehen wollen, eine Einleitung zu den academischen Studien gäbe.  
  Wer diese Schulen besuchen will, muß drey Stücke vermögen:  
 
1) eine hurtige Natur;
2) ein fähiges Ingenium, und
3) eine fleißige Unterrichtung.
 
  Die beyden erstern werden noch nicht hinreichend seyn zu einer gründlichen Gelehrsamkeit zu gelangen, wenn nicht die Unterrichtung dazu kommt, wie das Schleiffen oder Polieren zum Diamant. Manche wolten wohl gerne ihre Söhne zu galanten Staatsleuten auferziehen; es fehlt ihnen auch weder an Mitteln noch an Schulen, nur die drey Säulen, welche die Schulen unterstützen, als  
 
1) die Furcht GOttes als der Weißheit Anfang,
2) die Sprachen und Künste und
3) die Zucht und Ehrbarkeit,
 
  wollen ihnen nicht gefallen. Die Gottesfurcht gehört, ihrer Meynung nach, nur vor Geistliche; die lateinische Sprache vor Doctores, Licentiaten und Magisters; die Disciplin und Zucht aber nur vor Sclaven.  
  Das ist nun ein widriges Argument, auf der einen Seite die Gelehrsamkeit suchen, auf der andern Seite aber die Gottesfurcht und lateinische Sprache nicht würdig schätzen, daß man darüber solte den Kopff zerbrechen. Es mag aber einer seyn von adelichen oder bürgerlichen Stande, er mag eine Neigung haben zum Etaat, zur Militz, zur Schreiberey, zur Kauffmannschafft oder zum Handwerck, so wird er den Nutzen der erlernten lateinischen Sprache empfinden, wenn er auch nur die ersten Gründe recht gefasset hat.  
  Man siehet also, wie viel daran gelegen sey, daß Obrigkeiten solche Trivial-Schulen, Pädagogia und Gymnasien anordnen, darinnen die ersten Gründe, das Vestibulum, Tyrocinium, die Grammatick und Dialectick, ingleichen der Anfang der Dichter-Kunst, und andere Ubungen in gebundener und ungebundener Rede und Schrifften, nebst der Rechenkunst, Geographie und Historie nicht ohne sonderbahren Nutzen der Jugend vorgetragen und beygebracht werden.  
  {Sp. 1481|S. 755}  
  Ob auch schon einer nicht eben Profeßion machen solte von der lateinischen Sprache, so wird er doch fühlen, wie sie den Verstand schärffe. Insonderheit wird es ihn erfreuen, wenn er seiner wenigen Latinität u. Wissenschafft wegen im gemeinen Wesen mit mehrerm Respect wird angesehen und vor andern zu Ehren-Ämtern herfürgezogen und erhaben werden.  
hohe Schulen Endlich sind die hohen Schulen oder Academien und Universitäten, die ihren Nahmen daher führen, weil daselbst in allen vier Facultäten, der Theologischen, Juristischen, Medicinischen und Philosophischen, durch hiezu bestellte gelehrte Leute öffentlich gelehret, und die, so in solchen Wissenschafften sich genug geübet, zum Zeugniß ihres Fleisses und Geschicklichkeit zu denen Academischen Ehren und Titeln eines Magisters, Licentiaten, und Doctors erhoben werden. Ein mehrers hiervon siehe den Artickel Academia im I Bande, p. 238 u.f. ingleichen Universität.  
Aufsicht Weil nun die Schulen solchergestalt eine beständige Fortpflantzung solcher Leute sind, die, dem Vaterlande im geist-und weltlichen Stande zu dienen, erzogen werden; so ist leicht zu erkennen, was dem gemeinen Wesen daran gelegen, daß dieselben wohl bestellet, und beydes Lehrende und Lernende in gehöriger Zucht und Ordnung erhalten werden. Woraus denn folget, daß die höchste Obsicht über dieselbe der hohen Landes-Obrigkeit sonderlich obliege, und niemand befugt sey, ohne derselben Wissen und Bewilligung sich einige, zumahl öffentl. Schulen anzurichten.  
  Absonderlich kan im Röm. Reiche keine hohe Schule ohne die Kayserl. Confirmation gestifftet werden. Wozu bey den Römisch-Catholischen über das auch die Päbstliche Bestätigung erfordert wird. Land- und Fürsten-Schulen hingegen werden von dem Landes-Herrn mit Zuziehung der Stände angerichtet, und nach dessen Anordnung visitiret und erhalten. In denen geringern Stadt-Schulen aber werden die Präceptores von denen Patronen bestellet, und stehen solche bey denen Protestanten und der des Superintendenten und des Consistorii Aufsicht.  
Vermögensrecht Ubrigens werden die Schulen und ihre Güter als milde Stifftungen angesehen, und die Schulbedienten unter den geistlichen Stand gerechnet, daher sie mit denselben gleicher Vorrechte und Befreyungen genüssen.  
Förderung Warum bey einer solchen Menge Schulen, die unter uns und allenthalben anzutreffen, so wenig rechtschaffene Gelehrten aufkommen, mag unter andern daher rühren, daß kein gnugsamer Unterschied unter denen Lernenden gebrauchet, und jedermann, ohne Prüfung seiner Neigung und Fähigkeit, zum Studiren gelassen, oder aus Privat-Interesse wohl wider seinen Willen darzu angehalten wird; da doch viel mehr vernünfftige Eltern, oder, welche es besser verstehen solten, Lehrer auf Schulen, bey Zeiten einen Ausschuß unter den Lernenden machen, und diejenigen, bey denen zu dem Studiren keine natürliche Fähigkeit oder auch wohl gar keine Begierde vorhanden, zu guten Künsten und Handwercken, damit sie hernachmahls sich und dem Vaterlande dienen könten, verweisen solten. Allein gewinnsüchtige Präceptores, (mit welchem Laster die meisten behafftet,) unterlassen mit gutem Bedacht eine solche Wahl, und lassen einen jeden aus einer  
  {Sp. 1482}  
  Classe in die andere wandern, damit sie, wenn sie eine starcke Anzahl in ihrer Classe haben, von solchen fein viel Angebinde, Nahmens- Tages- Neujahrs-Gelder, und wie die Schulaccisen alle heissen, erheben können.  
  Ferner mag es herrühren, daß Leute zu Lehrern erwählet werden, die sich zum Schulwesen nicht schicken; daß die in den Schulen gebrauchte Ordnung der Unterweisung selten so beschaffen, daß allen zugleich ein Genügen gethan werden kan, wodurch hurtige Gemüther aufgehalten, die trägen verabsäumet, oder wohl alle zugleich übel gewartet werden; endlich daß ein rechtschaffener Fleiß, so wohl bey denen Lehrenden, als bey den Lernenden, meistentheils wenig Ermunterung und Belohnung zu hoffen hat.  
  Allein so groß und unglaublich der Schade auch immer ist, welchen eine Republick bey so bestallten Sachen darunter leiden muß: so ist doch wohl so leicht keine Hoffnung besserer Zeiten vorhanden, wofern nicht hohe Obrigkeiten selbst anfangen, den Schaden Josephs zu Hertzen zu nehmen, wofern man nicht das Vorurtheil der menschlichen Autorität und den grossen Respect für das Alterthum ableget, und in einem gewissen darzu angelegten Seminario auf Academien rechtschaffene Leute dazu erziehen lässet.  
  Es haben zwar viele aufrichtige und um das gemeine Beste bekümmerte Männer Anleitung gegeben, wie das Schulwesen in eine gute Verfassung zu setzen; allein alle solche wohlmeynende und nützliche Erinnerungen bleiben meistens pia Desideria, ausser daß in den Brandenburgischen und Hannöverischen Landen Hand zu solcher Verbesserung angeleget worden. Doch muß man die Schulen selbst wegen der Fehler und Laster bey Lehrenden und Lernenden nicht verwerffen, noch das Kind mit dem Bade ausschütten, wie Valentin Weigel, Christian Hoburg und andere sollen gethan haben, deren harte und bittere Worte wider die Schulen hin und wieder angeführet und widerleget werden.  
Privat- oder öffentliche Schulen? Den Gebrauch der Schulen in einer Republick verwirffet Hobbesius in Leviathan … welchen Rechenberg in einer besondern Disputation … widerleget. Es wird aber dabey die Frage aufgeworfen, ob Privatschulen den öffentl. oder ob öffentl. Schulen den Privatschulen vorzuziehen sind? da denn von einigen das erstere, von andern aber das letztere bejahet wird. Wenn aber von Privat-Schulen geredet wird, so werden nicht solche verstanden, die etwan ein verdorbener Soldate, Krahmer, Handwercker, Verschwender, Bancorutirer oder sonst verdorbener Mensch, der etwas schreiben und rechnen, und sonst nicht weiter fortkommen kan, in einer Stadt oder Gemeinde anrichtet; sondern solche, die von einem, der die dazu gehörige Geschicklichkeit besitzet, und bey der Jugend den verlangten Nutzen schaffet, errichtet werden.  
  Diejenigen, welche die Privat-Schulen den öffentlichen vorziehen, führen diese Gründe an:  
 
1) Unter dem grossen Hauffen in öffentlichen Schulen gehet es öffters seltsam durcheinander und paßiret vieles unordentliches Wesen: Dergleichen darff man nicht von denen in die Enge eingeschränckten Privat-Schulen vermuthen.
 
 
2) In den öffentlichen Schulen werden gemeiniglich auf Seiten der Schüler schädliche Saamen von
 
  {Sp. 1483|S. 756}  
 
Simultäten, Hoffart, Neid, Zanck, Mißgunst, Betrug, Unfreundlichkeit und Unhöflichkeit etc. ausgesäet: solcher Saamen kan sich in der Privat-Schule nicht so weit ausbreiten.
 
 
3) In den öffentlichen Schulen lauffen viele böse Gesellschafften mit unter, da einer den andern verführet: welches in Privat-Schulen ungleich weniger zu besorgen ist.
 
 
4) In der öffentlichen Schule, darinnen allerhand Knaben durcheinander sitzen, kan man schlechte Höflichkeit, anständige Sitten und Conversation vermuthen: hingegen ein Privat-Präceptor weiset viel eher seine wenige Discipel an zur Modestie und Civilite.
 
 
5) In öffentlichen Schulen treibet man die Knaben mit harten Schlägen zum Gehorsam, und schrecket manchen ab durch öffentliche scharffe Correctionen.
 
  Diejenigen hingegen, welche die öffentlichen den Privat- und Winckel-Schulen vorziehen, führen folgende Ursachen an:  
 
1) In einer öffentlichen Schule hat die Obrigkeit durch kluge und verständige Leute alles in gewisse Ordnungen abgefaßt, was und wie man die Jugend lehren soll: in Winckel-Schulen hingegen weiß man von keiner Ordnung, indem sich viele nach eigenem Gefallen des Lehrens anmassen, ohne Rath und Urlaub der Obrigkeit.
 
 
2) In öffentlichen Schulen prüfet man vorher der Präceptoren Geschicklichkeit und Gelehrsamkeit und fraget nach ihren Zeugnisse von aussen her: ohne dergleichen Prüfung und erforderte Zeugnisse, lehren die Präceptoren in Privat-Schulen, wie sie wollen.
 
 
3) In öffentl. Schulen haben die Herren geistlichen und weltlichen Scholarchen die Inspection und halten zu bestimmten Zeiten ihre Visitationen und Examen: die Privat-Schulen besuchet hingegen niemand; man weiß auch nichts von Examen in denselbigen.
 
 
4) In den öffentlichen Schulen werden die Mangelhafften stets verbessert und die Präceptoren zum Fleiß angehalten, wie auch zur Rechenschafft ihres Amts halben: in den Privat-Schulen hingegen bekümmert sich niemand um der Lehrer Verrichtung.
 
 
5) In öffentlichen Schulen muntert man die Jugend auf zum meditiren, declamiren, certiren, da man sie aus einer Classe in die andere fortrücken lässet; es werden auch die Fleißigen vorgezogen, mit Lobe erhoben und mit Preissen beschencket, darzu man etlicher Orten besondere Medaillen präget: in Privat-Schulen hingegen weiß man von keinem Fortrücken in höhere Classen, und andern Preissen; jedoch wollen viele Gelehrte nicht rathen, daß man die Knaben solle certiren lassen, viel weniger daß man dieselben wegen einer wohlgefaßten Lection loben und andern zum Exempel vorstellen solle, weil dadurch auf Seiten der Knaben die Eigenliebe nicht gedämpffet, sondern vielmehr geheget würde.
 
 
6) In öffentl. Schulen werden die Knaben von guter Art einander bekannt und währet hernach solche Schul-Freundschafft zwischen ihnen Lebenslang, welches dem gemeinen Wesen nützlich ist: hingegen giebt es in Privat-Schulen wenig Gesellschafft, und darff man daher nicht grosse Freundschafft vermuthen.
 
  Aus diesen und andern Ursachen mag es auch geschehen, daß einige Städte ihre öffentliche lateinische und deutsche Schulen mit allen Nothwendigkeiten versehen, und hingegen die Winckel-Schulen gäntzlich abschaffen; andere  
  {Sp. 1484}  
  hingegen die Privat-Schulen zwar nicht gäntzlich verbieten, aber doch nicht geschehen lassen, daß sich jemand ohne Wissen und Urlaub der Obrigkeit erkühne, dergleichen Privat- und Winckel-Schulen anzulegen.  
  Es finden sich aber auch verschiedene, die weder den öffentlichen noch Privat-Schulen beypflichten. Ihr Rath zielet dahin, man solte solche Schulen und Collegia anrichten, darinnen nicht mehr als 10, aufs höchste 12 Scholaren unterwiesen würden. Und in der That würde sothanes Schulwesen bey der denen Lehrmeistern und Discipeln gar profitable seyn: Denn ein Präceptor kan eher eine kleine Anzahl Schüler, als eine grosse Menge, die er öffters selbst nicht mit Nahmen kennet, unter Augen haben; und die Scholaren könten in vielen Dingen besser, als in gemeinen Schulen unterrichtet werden, nehmlich in Übungen der Gottseligkeit, im Himmelslauf, Geographie, Feldmessen, Fortification, Visiren, Zeichnen, in der Weltweißheit, Singekunst, allerhand mechanischen Künsten, in guten Sitten, u.s.f.  
     

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Stand: 12. Juli 2013 © Hans-Walter Pries