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Zedler: Schwaben [1] HIS-Data
5028-35-1731-7-01
Titel: Schwaben [1]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 35 Sp. 1731
Jahr: 1743
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 35 S. 880
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Übersicht
Allgemeines
Sveven
Vermischung mit Alemannen
Gebiet

Stichworte Text  
Allgemeines Schwaben, Schwabenland, Lat. Suevia, Frantz. Souabe, Sueve, eine grosse Provintz in Deutschland, welche gegen Osten an Bayern, gegen Süden an Tyrol und an die Schweitz, gegen Westen an das Elsaß, und gegen Norden an die Unter-Pfaltz und an Francken grentzet.  
  Es ist ein fruchtbares Land an Getreyde und Gras, wie auch gegen Norden von Stuttgard an, diß- und jenseits des Neckars, bis an die Pfältzische Grentzen, an Weine.  
  Die vornehmsten Flüsse darinne sind die Donau, der Neckar, der Lech und der Iler, von denen der erste schon in ziemlicher Breite bey Ulm vorbeyfliesset; der andere bey Stutt-  
  {Sp. 1732}  
  gard, Tübingen und Eißlingen; der dritte bey Augspurg; und der vierte bey Kempten hinweggehet.  
  Überhaupt wird dieses Land eingetheilet in das Österreichische und in das Kayserliche Schwaben. Jenes begreifft diejenigen Länder, welche das Haus Österreich, in Schwaben besitzet, das andere aber begreifft die übrigen immediaten Reichs-Güter, welche von Fürsten, Grafen und Reichs-Städten darinne besessen werden, und von welchen zu Ende dieses Artickels weitläufftiger soll gehandelt werden.  
  Die Religion dieses Landes ist theils Evangelisch, theils Römisch-Catholisch, welche beyde Religionen überall sehr untermenget sind. Doch sind die Evangelischen in weit grösserer Anzahl, als die Römisch-Catholischen.  
  Ausserdem wird es auch in Ober- und Nieder-Schwaben eingetheilet, da denn das erstere diejenigen Landschafften anzeiget, welche zur rechten Seiten der Donau gegen Bayern, Tyrol und der Schweitz liegen, durch das letztere hingegen die übrigen Provintzen nach der Elsas, der Unter-Pfaltz und Francken.  
Sveven Seinen Nahmen hat Schwaben von dem ehemaligen Volcke, den Sveven, Lat. Suevis, erhalten. Diese haben, nach der meisten Geschichtschreiber Meynung, vor Zeiten ihren Sitz viel weiter gegen Mitternacht und oben in Schonen, Schweden, und um das Balthische Meer herum gehabt, dahero auch dasselbe noch jetzo das mare suevicum genennt wird, und mag auch vermuthlich der Nahme Schweden, oder Suecia, davon noch übrig geblieben seyn.  
  Die Ursache, warum diese Völcker dergleichen Nahmen erhalten haben, leiten einige Schrifftsteller daher, weil Suevus, einer von den ersten deutschen Königen, deren Berosus Meldung thut, ihr Urheber und Stamm-Vater gewesen sey soll. Es hat auch gedachter Berosus selbst in dieser Meynung gestanden, wenn anders dem Annio Viterbiensi zu trauen ist, welcher ihn übersetzt, zugleich aber viel von dem seinigen mit eingeschaltet. Doch wächset dieser Meynung dadurch viel Wahrscheinlichkeit zu, weil Tacitus berichtet, daß die Deutschen den Svevum auch für einen Gott ausgegeben, von dem sie zum Theil ihren Ursprung gehabt hätten.  
  Andere hingegen, und vornehmlich Philippus Cluverius, halten dafür, daß die Schwaben den Nahmen von dem Flusse Suevo, welcher heutiges Tages entweder die Spree, oder die Oder genennt wird, und an dem sie vor Zeiten gewohnt, erhalten haben, welcher Meynung auch Leibnitz beystimmet.  
  Noch andere stehen in den Gedancken, als ob die Schwaben oder Sveven von dem deutschen Worte schweben benennt worden wären, weil sie unter allen Phönicischen Nationen am längsten auf der See hätten herum schweben müssen, ehe sie an den Ausfluß der Oder und das mare suevicum, oder die Ost-See gekommen wären; oder auch deßwegen, weil ihr Ruhm und Macht weit vor andern Völckern empor geschwebt hätte.  
  Ob nun gleich die letzt gedachte Muthmassung, welcher vornehmlich Loccenius zugethan ist, die schwächste zu seyn scheinet, so ist indessen doch gewiß, daß sie das mächtigste, gröste und tapfferste Volck unter allen Deutschen gewesen. Tacitus  
  {Sp. 1733|S. 881}  
  sagt von denselben: Nunc de Suevis dicendum, quorum non una, ut Cattorum Tenetorumque gens; maiorem enim Germaniae partem obtinent, propriis adhuc nationibus nominibusque distincti, tamquam in communi Suevi dicuntur. Julius Cäsar nennet dieselben gentem maximam et praestantissimam Germanorum. Und beym Orosio, im 9 Cap. des 1 Buchs heissen sie gens ferocissima validissimaque.  
  Daß aber die Schwaben auch in den neuern Zeiten den Ruhm ihrer Tapfferkeit behauptet haben, solches erhellet unter andern aus demjenigen, was Kayser Rudolph I zu sagen pflegte: daß er sich nehmlich mit 4000 Helm und 40000 Fußgängern aus Schwaben die gantze Welt zu überwinden zutraue.  
  Ihren ältesten Zustand anlangend, so soll der vorhin gedachte Svevus, welcher 3 oder 4 Jahrhunderte nach der Sündfluth gelebet hat, dieselben wegen allzu grossen Anwachses der Einwohner aus Phönicien geführt haben. Und weil er dieselben glücklich an die Ost-See in ein gutes und zuvor unbekanntes Land gebracht, allwo sie sich niederlassen, und wohl ernehren können, so sollen sie selbigen nachhero als einen Halbgott verehret, auch dasjenige Schiff, auf welchem sie entweder alle, oder doch ihr Führer mit den vornehmsten unter ihnen, angekommen, ihren Göttern geweyhet, und als ein besonderes Heiligthum aufbehalten haben. Dahero auch Tacitus erzehlt, daß sie liburnam navim in ihren Haynen oder Tempeln den Göttern geheiliget hätten.  
  Nach dieser Zeit sind sie beständig durch eigene Könige regieret worden, bis sie endlich von dem Fränckischen Könige Chlodoväus, wie hernach soll gesagt werden, überwunden worden. Prätorius hat zwar eine grosse Menge dieser Könige angeführt, die seinem Vorgeben nach an dem Flusse Svevus sollen geherrscht haben. Allein, zu geschweigen, daß überhaupt nichts gewisses von ihnen zu sagen ist; so hat auch er besonders sehr grosse Fehler hierinnen begangen, da er z.E. aus Hartemundo, Haldegasto, Hildemundo, Cariovisto, (derer Vopiscus als Römischer Generale, oder doch als Bundesgenossen wider die Gothen gedencket,) lauter Könige der Sveven machet.  
  Nachdem sie also in dieser Gegend festen Fuß gesetzt hatten, so zogen sie, wie die übrigen deutschen Völcker dem Kriege nach, und ernähreten sich von Rauben und Plündern, oder in dessen Ermangelung von der Jagd, von ihrem Viehe und von Erdgewächsen. Über dieses veränderten sie ihre Wohnungen fast alle Jahre, sobald sie nehmlich für sich oder ihr Vieh an dem vorigen Orte einigen Mangel verspühreten. Wie aus den meisten und sichersten Nachrichten der ältesten Geschichtschreiber abzunehmen ist, so geschahe diese öfftere Veränderung ihrer Wohnungen und Grentzen immer weiter von Mitternacht gegen Mittag zu.  
  Wiewohl Rodericus Toletanus die Meynung umkehrt, und will, daß die Sveven aus dem heutigen Schwaben weiter gegen Mitternacht gerückt, welches Vorgeben aber keinen Glauben findet. Denn man findet nicht nur, daß ein sehr grosser Theil der Schwaben von der Ost-See bis an den Ober-Rhein, von Basel an bis auf Mayntz und an den obern Theil des jetzigen Schwaben-Landes gekommen, als nehmlich die Marcomannen, Ha-  
  {Sp. 1734}  
  ruden und andere, ja die Schwaben selbst, welche unter dem Ariovisto gedient, ihre Colonien weit ausgebreitet hatten; sondern es gedenckt auch Svetonius, daß der Kayser August abermahls einen Theil der Sveven nach dem Rhein gezogen, welche vielleicht der heutigen Schwaben Pflantzer gewesen.  
  Uber dieses wird auch bey keinem alten Scribenten die geringste Spur angetroffen, daß der Schwaben ihr ursprünglicher Sitz in dem heutigen Schwabenlande gewesen. Vielmehr findet sich, daß erstlich die Alemannen daselbst gesessen, deren Nachbaren gegen Mitternacht die Hermundurer gewesen. Diese haben ihren Sitz in dem heutigen Francken gehabt, und sich bis an den Ausfluß der Saale in die Elbe erstreckt. Doch sind sie bald weiter zugerückt, und haben die Gegend um die Saale den Thüringern überlassen. Diese Hermundurer sind nun entweder selber Sveven gewesen, oder haben sich mit denen sich ihnen von Mitternacht zu nahenden Schwaben vermischet. Denn da verschwindet in dem 4 Jahrhundert der Nahme der Hermundurer gantz um diese Gegend, und die Scribenten gedencken der Sveven daselbst allein. Ammianus Marcellinus, so zu Ende des 4 Jahrhunderts gelebet, ist der letzte, so die Hermundurer nennet.  
Vermischung mit Alemannen Nach diesem wird von den Geschichtschreibern das heutige Francken allemahl den Sveven bis an die Thüringische Grentzen eingeräumet. Ja es sind die Sveven noch weiter zugerückt, und haben sich unter die Alemannier gemengt, so daß die Scribenten in den nachfolgenden Zeiten diese beyden Nahmen Wechselsweise gebrauchen.  
  Wie weit sich die Schwaben im 6 Jahrhunderte ohngefehr ausgebreitet, selbiges erhellet aus dem Jornandes de rebus Geticis, c. 55, allwo gesaget wird, daß Schwaben von Morgen die Bajobaros; von Abend die Francken; von Mittag die Burgundier; und von Mitternacht die Thüringer gehabt habe. So sind nun die Sveven oben von Mitternacht heruntergekommen, und haben von der Weichsel an bis an die Donau sich dergestalt ausgebreitet, daß sie sich endlich gar mit den Alemannen vermischet. Ob nun gleich der meiste Theil der Schwaben gedachter massen immer weiter fortgerücket, so blieben doch auch derselben sehr viele an der Elbe und der Oder. Diesen räumet Cluverius die Ländereyen an beyden Seiten der Oder in Groß-Pohlen, Unter-Schlesien, Lausitz, Meissen und der Marck ein. Leibnitz setzet hierzu noch die gantze Marck jenseits der Elbe, und ein grosses Stück von Pommern, welches hingegen Gundling leugnet, als welcher dieses Land dem Hermunduren und Qwaden zuschreibet.  
  Diejenigen nun, welche, wie gedacht, weiter als die übrigen in Deutschland zurückblieben wurden die Nord-Sveven, oder Nord-Schwaben, Lat. Nordosuevi, Nordavi, oder auch Nordosquevi, (welche Benennung man sonderlich in verschiedenen Urkunden findet) benennt.  
  So ist auch nicht zu vergessen, daß sich eine grosse Anzahl Schwaben nach Spanien begeben, und allda festen Fuß gefaßt haben.  
  Doch wieder auf die ersten zu kommen, welche am weitesten in Deutschland fortgerückt, so findet man, daß, nachdem die Francken die Alemannen und Schwaben, so damahls schon einerley hiesse, unter dem Könige Chlodoväus in dem Tol-  
  {Sp. 1735|S. 882}  
  biachischen Treffen überwunden, und sich befurchten, die Sveven möchten mit den ihnen nahe gelegenen Thüringern, Sachsen, und den Svevischen Völckern eines Verständnisses werden, und das Fränckische Joch vom Halse schütteln; selbige, nehmlich die Francken, ohngefehr um das Jahr 630 einen Theil ihrer Francken von dem nahe gelegenen Austrasien in die Gegend des heutigen Franckenlandes geführet haben, welche den Sveven und Thüringern gleichsam eine Scheidewand seyn, und ihnen auf die Finger Achtung geben solten. Daher kam es nun, daß die Schwaben ihre Gräntzen gegen Mitternacht an dem heutigen Franckenlande bekommen; die andern Völcker aber, so jenseits der Francken nach der Weichsel zu gelegen, und ehedessen auch Sveven geheissen, solchem Nahmen verlohren, und sich jedes insbesondere genennet haben.  
  Nachdem aber unter dem Kayser Honorius das Römische Reich kräncklich und hinfällig wurde; haben sich die Alemannen und Schwaben in die Rhätischen Alpen eingesetzt, und nach der Zeit bey der Hunnen Einfällen fast gantz Vindelicien an sich gerissen, wiewohl die Bayern auf der andern Seite zugriffen, und ihr Land, dessen Grentzen der Inn war, eine gute Strecke in Vindelicien hinein bis an den Lech ausgedehnet, welcher auch noch jetzo auf dieser Seite das Bayer- und Schwabenland von einander scheidet; die Beweise davon sind unter den Artickeln Rhätien und Vindelicien zu lesen.  
Gebiet Gegen Abend haben die Schwaben bis an den Rhein gestossen, dahin sie schon Kayser Augustus nach dem Suetonius gezogen hat. Nach der Reise-Beschreibung des Antoninus haben sie daselbst bis gegen Mayntz hinauf gelanget, welche Grentze aber hätte eingeschränckt werden müssen, als die Francken von dieser Seite einen Theil ihrer Francken in das heutige Franckenland einsetzten, und dadurch der Schwaben Grentzen bis gen Heidelberg herunter verrückten. Das übrige unter Heidelberg am Rhein gelegene Land, als die Ortenau und der Breißgau, sind unverändert bey Schwaben geblieben.  
  In diesen Grentzen wohnten nun die berühmten Alemannen und heutigen Schwaben, welche den Francken und Römern so viel zu thun gemacht, daß noch heutiges Tages die Frantzosen alle deutschen Völcker in ihrer Sprache unter dem Nahmen der Alemannier begreiffen.  
     

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Stand: 11. September 2016 © Hans-Walter Pries