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Zedler: Schwaben [2] HIS-Data
5028-35-1731-7-02
Titel: Schwaben [2]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 35 Sp. 1735
Jahr: 1743
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 35 S. 882
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Übersicht
Unterwerfung unter die Franken
Herzöge
Grafen

Stichworte Text  
Unterwerfung unter die Franken Gegen die Römer gieng es ihnen so gut hin, weil diesen durch die Einfälle der Hunnen und Gothen alle Kräffte dergestalt abgezapfet waren, daß sie sich der auswärtigen Gewalt nun nicht mehr erwehren konnten. Die Francken aber waren ihnen überlegen, und brachten sie endlich gar unter das Joch. Denn als um das Jahr 496 die Alemannier, welche schon von vielen Jahren her ihre Benachbarte mit Raube beunruhiget, den Austrasischen Francken mit einer grossen Macht in ihre Grentzen einfielen, so kam Clodoväus dem Sigebert, einem abgetheilten Fränckischen Könige, welcher damahls zu Colonia Agrippina saß, mit einem zusammen gerafften Troupp zu Hülffe, mit welchem er die Alemannen bey Tolbiacum, jetzo Zulpich, angriff, und nach unglaublichen Widerstand endlich erlegte.  
  Hierdurch wurden die Francken Meister von dem Alemannischen und Svevischen Landen, so zwischen Thüringen und der Donau gelegen. Sie schlepp-  
  {Sp. 1736}  
  ten alles, was streitbar war, in die Dienstbarkeit, und theilten die Uberwundenen als Sclaven ihren Francken zu, woher noch jetzo der viele Adel und die Leibeigenschafft in Schwaben sich rechnen sollen. Wiewohl nach dem Zeugniß des Magnus Felix Ennodius, der um die Zeit des Clodoväus gelebt, ein gut Theil der Alemannier sich zu den Gothen, die damahls Rhätien innehatten, retirirten, um dadurch dem unerträglichen Fränckischen Joch zu entgehen. Es nahm sich auch der Oster-Gothen König Theodoricus ihrer an, und ersuchte den Clodoväus durch Gesandten, daß er derer zu ihm geflüchteten schonen, auch sonst sich gegen die Uberwundenen gütiger erzeigen mögte.  
  Daher kommt es nun, daß ein Theil Scribenten behaupten, die Francken hätten nie gantz Alemannien beherrschet, sondern es hätte ein groß Theil unter den Gothen gestanden, welches in so weit wahr ist, wenn man Rhätien, welches die Alemannen den Römern abgenommen, und nach diesem an die Gothen kommen war, zu Alemannien rechnen will. Denn da erhellet aus dem Agathia, daß die Gothen Rhätien durch besondere Hertzoge eine geraume Zeit regieret, bis unter dem Kayser Justinianus der Gothische Könige Vitiges so viel mit den Griechen in Italien zu thun bekam, daß er weder die zu ihm geflüchteten Gothen, noch auch Rhätien vertheidigen konnte, und die Alemannen sämmtlich sich zurück in ihr Land und unter die Fränckische Bothmäßigkeit begeben musten.  
Herzöge Jedoch konnten die Alemannen ihre Freyheit niemahls so gar vergessen, daß sie nicht zuweilen sich danach gesehnet, und gegen die Francken ihre Waffen ergriffen hätten. Schon unter dem König Childebert entstund ein so grosses Mißtrauen zwischen beyden Völckern, daß die Francken vor rathsam hielten, den Alemannischen Hertzog Landfreden zu verjagen, und die Hauptstadt Augspurg zu ihrer Versicherung mit Fränckischen Volcke zu besetzen. Besonders aber hat König Pipinus und dessen Sohn Carolomann zu Anfang des 7 Jahrhunderts die aufrührerischen Hertzoge der Alemannen dergestalt zu paaren getrieben, daß sie von selbiger Zeit an nicht mehr aufkommen mögen.  
  Indessen ist es immer ein besonderes Hertzogthum verblieben, welches seine eigene Hertzoge gehabt, die anfänglich den Francken, und nachgehends den deutschen Königen, welchen Alemannien in der Theilung zugeschlagen worden, mit Pflichten zugethan gewesen; jedoch nicht dergestalt, daß sie nicht ein grosses Theil ihrer Freyheit gleich andern überwundenen deutschen Hertzogen übrig behalten. Denn ob sie wohl von dem Könige Clodoväus in die härteste Sclaverey gezogen worden; so haben sie sich doch gar bald dergestalt erholet, daß Procopius sie zu den Zeiten Justinianus vor gantz freye Leute wieder ausgiebt.  
  In den Gesetzen der Alemannier wird der Schwaben Hertzog Dominus genennet, und die Sachen, so vor ihn gehören, res dominicae. Es werden auch in selbigen Gesetzen diesem Hertzoge viele Freyheiten und Privilegien gegönnet. Und scheinet aus dem, was die Hertzoge zuweilen ohne Widerspruch vorgenommen, daß sie bey ihrer Unterthänigkeit ein ziemliches Ansehen und Freyheit gehabt haben müssen. Sie haben einander meist jure sanguinis gefolget, so gar, daß auch die Kayser mit Tochter-Män-  
  {Sp. 1737|S. 883}  
  ner nicht übergehen können. Sie haben ihre eigene Militz und Besatzungen gehabt; auch zuweilen die Waffen wider die Francken selbst ergriffen, wenn diese ihnen allzu unerträglich werden wollen. Zum wenigsten siehet man aus allen Umständen, daß sie vor Carln dem Grossen nicht blosse Magistrats-Personen der Fränckischen Kayser und Könige gewesen, sondern daß sie Jure proprie ihr Volck beherrschet.  
  Nach der Wiederaufrichtung des Hertzogthums unter Conrad I. haben sich wohl zuweilen die Sächsischen und Fränckischen Kayser etwas mehr heraus genommen, und ungebundener regieret, welches doch nicht länger Bestand gehabt, als sie ihrer angemaßten Gewalt mit dem Schwerdt den Nachdruck geben können. Der beste Beweis wird seyn, wenn wir die Hertzoge nach der Reihe durchgehen, und bey iedem die Spuren der Freyheiten anmercken.  
  Ehe noch die Francken Alemannien unter ihre Herrschaft brachten, war selbiges in viele Gau abgetheilet, in welchen so viel besondere Völcker wohnten deren iedes über die allgemeine Nahmen der Alemannen noch einen besondern führte. Die Juthinger und Lentienser lagen gegen die Rhätischen Gräntzen, wie deren Jornandes gedencket, und war einem iedem solchen Volcke oder Bezirck ein König vorgesetzt, daß zu einer Zeit bis 12. solche Könige in Alemannien geherrschet. So bald aber die Francken Meister von Alemannien wurden, setzten sie über gantz Alemannien einen aus diesem Königlichen Stamme zum allgemeinen Hertzoge.  
  Unter dem Fränckischen Könige Theodobert um das Jahr 543 war Bucelin aus Königl. Alemannischen Geblüt unter dem Fränckischen Heere, welcher hernach samt seinem Bruder Leutharius Hertzog in Alemannien wurde. Diese beyde Brüder waren, nach Aussage des Agathia, am Fränckischen Hofe in sehr grossen Ansehen, daß sie sich unterstehen durften, eine Armee von 75000 Francken und Alemanniern den nothleidenden Gothen nach Italien zu Hülffe zu führen, ohne daß der Fränckische König eben gar zu grosse Lust dazu bezeiget. In Italien theilten sie sich, und commandirte ein jeder sein Heer vor sich, waren aber beyde so unglücklich, daß Leutharius bey dem heutigen Ceneda durch eine unvermuthete Seuche, Bucelinus aber unweit Capua durch die Schärffe des Römischen Schwerdts unter dem General Narses mit allen den Seinigen umkam.  
  Diesen folgte Lendefredus, welchen andere Luitfreden nennen, in der Regierung, der sich wider den Fränckischen König Childebert auflehnte, und von demselbigen 587 gar aus dem Lande verjagt wurde. Darauf besetzte Childebert Augspurg, und übergab das Hertzogthum einem, Nahmens Huntzelin oder Uncelin, welcher in guter Ruhe und Gehorsam gegen seine Obern gelebet.  
  Im 7 Jahrhundert ist einer, Nahmens Gunzo, Hertzog von Alemannien gewesen, welcher mit den Guelfen aus einem Stamm und ebenfalls von Königl. Geblüte solle entsprossen seyn. Er hat seinen Königlichen Sitz zu Uberlingen am Bodensee gehabt, und Müntze mit den Guelfischen Wapen schlagen lassen, die man lange Zeit nach ihm annoch mit seinem Nahmen benennt. So haben auch die Nachkommen des Gunzo eine geraume Zeit den  
  {Sp. 1738}  
  Titul der Hertzoge von Schwaben behalten, welches alles gar deutliche Merckmahle sind, daß Gunzo solches Hertzogthum nach eigenthümlichen Rechte regieret, und nicht als eine Magistrats-Person verwaltet, andernfalls seine Nachkommen den Titel eines kurtzwährenden Amts nicht hätten führen dürffen.  
  Ihm soll Martin, Pipinus des dicken Vetter, gefolget seien, welchen Werlich Ottovinus nennet. Um diese Zeit ist einer, Ethico, ein Sohn Leudesius, Groß-Hofmeister von Franckreich, Hertzog in Elsas und Alemannien worden, welcher auf dem Schloß Hohenburg, ietzo Otilienburg, gesessen. Sein Sohn, Adelbert, und der Enckel Eberhard sind ebenfalls Hertzoge in Elsas und Alemannien gewesen, bis daß sie Carl Martellus davon vertrieben, wie unter dem Articul Hohenzollern bewiesen.  
  Unter dem Könige Pipinus war Gottfried Hertzog von Alemannien, welcher sich wider die Francken mit dem Tyrannen Eberwein vereinigte, und zum Lohn von seinem Hertzogthum verjaget wurde; worauf er 708 gestorben. Wiewohl die Einleitung zur Ost-Fränckischen Historie p. 750 sagt, daß er unüberwunden gestorben, und sein Nachfolger Wilicharius 4 Jahr vergebens von dem Pipinus bekrieget worden, bis endlich Landfredus im Jahr 715 von Carln gebändiget worden.  
  Hingegen wollen einige, daß Pipinus noch bey Lebzeiten Gottfrieds Arnolden oder Ehrenholden zum Hertzog gesetzt, dem hernach Landfried, Gottfrieds Sohn, gefolget. Dem sey wie ihm wolle, so siehet man doch, daß die Fränckischen Könige der widerspenstigen Hertzoge Kinder nicht gäntzlich ausschliessen dürffen, andernfalls sie den selbst ungehorsamen Landfrieden nicht würden haben zur Regierung kommen lassen, welche ihm iedoch kein Scribent streitig machet.  
  Nach diesem herrschte zugleich sein Sohn Theobald, welcher gleiches Schicksal mit ihm hatte, und von dem Fränckischen Könige Carln wieder zu Gehorsam und Stille gebracht wurde. Werlich erzehlt von ihm, daß er das Elsaß unversehens angefallen, und den Bischoff zu Melden Pirminius verjagt, auch die Insul Reichenau reformirt. Zu ihm hatte sich der Hertzog Othilo von Bayern geschlagen, welchen aber wie auch den Theobald der Fränckische König Carlmann 745 wiederum zur Ruhe gebracht.  
  In diese Zeit fället der Hertzog Hachingus, welcher Hächingen erbauet, und ein Vorfahre des Thaßilo, des ersten Grafen von Zollern ist. Nach diesem lieset man von einem, Namens Marsilio, welcher zu Kempten auf Hillarmont seinen Sitz gehabt, und ein Vater des Hertzogs Hildebrand gewesen, der zu Carls des Grossen Zeiten regieret. Er war ein Schwieger-Vater Carls des Grossen, als welcher seine Tochter Hildegard zur Gemahlin hatte. Zu dieser Zeit, sagt man, hätten die Schwaben von dem Kayser Carln das Privilegium erhalten, daß sie in den Feldschlachten vor andern Deutschen Völckern den ersten Angriff, oder wie man itzo reden möchte, poste d‘honneur haben sollen. Denn da sollen in dem Kriege wider den Thaßilo Gerold, ein Sohn des Hildebrands und Graf von Augia, (von dem die nunmehro abgestorbenen Herren von Geroldseck hergekommen sind,) an statt sei-  
  {Sp. 1739|S. 884}  
  es Vaters commandirt, und sich mit seinen Schwaben so wohl gehalten haben, daß der Kayser den Schwaben die Ehre des ersten Angriffs hinführo geschenckt.  
  Ob es nun wohl mit diesen Privilegien heutiges Tages nicht mehr viel zu bedeuten haben dürffte, nachdem der Adel nicht selbst mehr mit zu Felde gehet; so findet man doch in den Geschichten, daß 1354 der Bischoff von Costnitz, des Schwäbischen Adels damahliger Obrister, diesen Vorzug wider Kayser Carln IV, der den Angriff thun wolte, besonders gereget. Derenthalben hat auch 1075 Rudolph, Hertzog von Schwaben, wider die Sachsen den ersten Angriff gethan, und ist schon damahls solcher Vorzug von alten Zeiten hergeholet worden. So haben auch ohnlängst die Hertzoge von Würtemberg in dem Streit mit dem Chur-Hause Hanover wegen der Reichs-Sturm-Fahne unter andern aus diesem Grunde beweisen wollen, daß die Würtembergische Fahne eine allgemeine Reichs-Fahne sey, so den Schwaben wegen ihres Vortrabs vor andern zu führen anvertrauet worden. Siehe Bannerherr.  
  Werlich meldet, daß nach diesem Hildebrand gedachter Gerold, welcher seinen Sitz auf dem Schlosse Buß gehabt, Hertzog in Schwaben worden, von dem es an seinen Bruder Huldreichen gekommen. Nachdem aber dieser verstorben, hat Isenbart gefolget, welcher der Kayserin Hildegard Schwester, Irmentrud, eine Tochter gedachten Hildebrands, zur Gemahlin gehabt, von der man erzehlet, daß sie 12 Kinder auf einmahl zur Welt gebracht, und selbige als junge Hunde haben wollen erträncken lassen.  
  Des Isenbarts Vater ist Warinus, ein Graf von Altorf, und der Großvater Eberhard, ein Hertzog von Alemannien und Elsaß, gewesen, dessen Großvater der oben berührte Ethico seyn soll. Siehe Hohenzollern.  
Grafen Von dieses Isenbarts Söhnen ist keiner zur Regierung kommen, sondern Carl der Grosse hat es mit Schwaben, wie mit vielen andern Deutschen Landen gemacht, daß er dieselben durch Grafen regieren lassen. Doch hatte sich Isenbart ein schönes Vermögen in Schwaben zuwege gebracht, welches seine Kinder hernach unter sich theilten. Guelfus blieb als ein Graf von Altorf, von dem die berühmte und noch blühende Guelfische Familie herstammet. Thaßilo setzte sich auf das Schloß Hohenzollern, und hat den heutigen Zollerischen Stamm fortgepflantzet. Die andern haben andere Stücke besessen, und den eingesessenen Schwäbischen Magnaten eine grosse Vermehrung gegeben, von denen in nachfolgenden Zeiten sich viele zu grösserm Aufnehmen und Ansehen gebracht, das gantze Land aber ist in der Verfassung Carls des Grossen bis auf Conraden I. verblieben, und sagt Eccard ausdrücklich, daß zu Zeiten Kaysers Ludewigs IV. das Land Schwaben noch zu keinem Hertzogthum errichtet gewesen.  
     

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Stand: 25. April 2012 © Hans-Walter Pries