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Zedler: Stand, Zustand, Stand der Menschen [1] HIS-Data
5028-39-1093-4-01
Titel: Stand, Zustand, Stand der Menschen [1]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 39 Sp. 1093
Jahr: 1744
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 39 S. 560
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Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

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Übersicht
Einteilung
  Thomasius
  Pufendorf
  natürliche Rechts-Gelehrsamkeit

Stichworte Text Quellenangaben
  Stand,  
 
  • Zustand,
  • Stand der Menschen, oder Personen,
  • Lat.
    • Status,
    • Ordo,
    • Status hominum,
    • Status personarum,
    • und Ordo politicus,
  • Frantz.
    • Etat oder
    • Ordre,
  • Ital. Stato,
 
  ist eigentlich nichts anders, als die Beschaffenheit eines Menschen, wodurch er von andern unterschieden wird, und also auch, in Ansehung dieses Unterschiedes nicht alle und jede durchgängig einerley Rechte, sondern einer viel mehr immer andere, als ein anderer, zu genüssen haben.  
Einteilung: Thomasius Die Stände, in welchen sich die Menschen befinden sind unterschiedlich. Thomasius in jurisprudentia divina, Lib. I. c. 2. §. 50. sqq. theilet den Stand des Menschen in einen natürlichen und bestialischen. Jener sey die Beschaffenheit, die allen Menschen gemein, so ferne sie auch nach dem Fall dieses vor den Bestien besonders hätten, daß sie vernünfftig nachdencken, den obersten Gesetz-Geber erkennen, und ihr äusserliches Thun und Lassen nach seinen Geboten einrichten könnten, und werden entgegen gesetzet entweder dem Leben und Zustande der unvernünfftigen Thiere; oder dem Leben der Menschen, welche diesen Zustand misbrauchten, und dem Eingeben ihrer verderbten Vernunfft in allem folgten.  
  Auf solche Weise ist der natürliche Stand so viel, als die menschliche Natur, dessen Betrachtung deswegen nöthig ist, damit man daraus die natürlichen Gesetze leite. Solchen theilet Thomasius wieder in einen natürlichen und gesellschafftlichen. Jener sey in diesem Gegensätze die Beschaffenheit der Menschen, so ferne sie vor sich allein in der Einsamkeit ohne anderer Hülffe sich befänden, dergleichen stand nicht nur seyn könnte, wenn z.E. jemand bey einem Schiffbruche auf eine wüste Insel käme; sondern auch würcklich wäre, wie man an den Kindern, welche die Eltern hinlegen, sähe.  
  Der gesellschafftliche Stand hingegen sey, wenn die Menschen in Gesellschafft leben, und sich anderer Beystands bedienten. Dieser sey wieder entweder ein natürlicher oder ein bürgerlicher. In diesem Gegensätze sey der natürliche Stand die Beschaffenheit der Menschen, wenn sie zusammen in einer allgemeinen Gesellschafft lebten, und keiner Obrigkeitlichen Gewalt, oder Herrschafft unterworffen wären; der Bürgerliche aber, wenn sie sich in einer bürgerlichen Gesellschafft befänden.  
  Endlich wäre der bürgerliche auch entweder ein natürlicher, so die Beschaffenheit sey, die ein Mensch von Natur ohne Zuthun eines andern Menschen habe, daß er z.E. eine Mannsperson, ein Kind sey; oder ein  
  {Sp. 1094}  
  eingeführter, den ein Mensch aus menschlichen Verordnungen erlanget habe, wenn er z.E. ein Bürgermeister, ein Edelmann, ein Bauer sey.  
Pufendorff Pufendorff in jure … hat die Sache etwas anders eingerichtet. Denn er theilet den Stand des Menschen in einen natürlichen und eingeführten, oder statum adventium; der natürliche könne auf dreyfache Art betrachtet werden, so ferne er entweder dem bestialischen, oder gesellschafftlichen, oder dem bürgerlichen entgehen stehe, auf eben die Art, wie vorher aus dem Herrn Thomasio angeführet worden.  
  So kan auch der natürliche Stand noch in zweyerley Betrachtung kommen, entweder, wie man sich denselben vorstellet, und einbildet, daß es seyn könnte, welches gar wohl angehet, weil man dabey nichts falsches vor wahr ausgiebet; sondern man stellet die Sache zur Erläuterung dar, über welchen Punct zwischen Pufendorffen und seinen Gegnern disputiret worden, davon man die erid. Scandic. … lesen kan; oder wie der natürliche Stand in der That vorhanden.  
natürliche Rechts-Gelehrsamkeit In der natürlichen Rechts-Gelehrsamkeit, darinnen diese Materie sonderlich abgehandelt wird, pfleget man mehrentheils den natürlichen Stand in zweyerley Absicht zu nehmen: Einmahl, so ferne er überhaupt dem eingeführten entgegen gesetzet wird, und denn soferne er von dem bürgerlichen insonderheit unterschieden, welches der eigentlich natürliche Stand ist, der würcklich vorhanden, und der noch mehr, als die erste Art verstanden wird, wenn man dessen in der natürlichen Rechts-Gelehrsamkeit gedencket.  
  In solchem zu Stande Leben heutiges Tages alle Völcker, wenn man sie gegen einander betrachtet, und souveraine Häupter. Man nennet ihn auch den Stand der natürlichen Freyheit, indem die Menschen von Natur einander gleich sind, daß keiner dem andern was zu befehlen. Doch ist hierinnen dieser Unterscheid, daß einige gantz und gar von aller Herrschafft; etliche aber nur von der Bürgerlichen frey sind, ob sie wohl unter dem Haus-Regimente stehen.  
  Pufendorff de officio … erzehlet die Beschwerlichkeiten, welche diesen Stand begleiten, und weswegen ihm der bürgerliche Stand vorzuziehen sey; es erinnert aber Treuer in den notis p. 358 wieder ihn, daß solche Beschwerlichkeiten nicht so wohl von dem Stande selbst und dessen Beschaffenheit, als vielmehr von den Umständen der Menschen herkämen, weswegen er hier dem Hobbesio so sehr gefolget.  
  Der eingeführte Stand wird dem natürlichen in so weit entgegen gesetzet, daß die Menschen nicht durch die Natur, sondern durch einen getroffenen Vergleich darein gesetzet worden. Er begreifft  
   
  Was zwar den Eltern-Stand betrifft, so wird er nicht durch einen Vergleich zwischen Eltern und Kindern aufgerichtet, indem die Kinder nicht einwilligen können; so ferne aber der Ehestand nicht blos auf die Zeugung der Kinder, sondern auch auf die Fortpflantzung des menschlichen Geschlechtes gehet, welche ohne die Erziehung nicht geschehen kan, so willigen die Eheleu-  
  {Sp. 1095|S. 561}  
  te, wenn sie den Vergleich des Ehestandes treffen, zugleich darein. Wenigstens kan man aus diesem Grunde gar wohl die Schuldigkeit der Eltern, die Kinder zu erziehen, leiten. Andere sagen, daß diese besonderen Gesellschafften, daraus der Unterscheid dieser Stände entstehe, entweder auf Vergleiche, oder das natürliche Gesetze beruheten.  
  Wir können auch mit einigen den Stand des Menschen in den natürlichen und moralischen theilen. Denn die Thiere und leblose Geschöpffe haben nicht mehr als einerley Kräffte nehmlich diejenigen so ihnen GOtt und die Natur gegeben: Die Menschen aber haben über diese sich noch eigene Moral-Kräffte durch die Pacte und Verträge gemacht, welche Rechte und Schuldigkeiten heissen.  
  Ob nun zwar wohl leicht zu erweisen wäre, daß alle Rechte derer Menschen, so sie gegen einander haben, aus einem Mangel gewisser Kräffte, so GOtt dem andern gegeben, und alle Schuldigkeiten aus dem Überfluß sothaner Kräffte, herkommen, einfolglich die Menschen nicht scheinen Ursache zu haben, sich unter einander zu solchen Schuldigkeiten zu verbinden; so weiß man doch wohl die Verderbniß des menschlichen Hertzens, welches immer lieber überflüßige Kräffte haben, als Gottgefälliger massen seinem Nächsten damit dienen will.  
  So ist demnach der Zustand derer Menschen zweyerley, ein natürlicher, und ein moralischer. Jener gründet sich auf die natürlichen; dieser auf die Moral-Kräffte des Menschen. Jedoch ist jener der Grund von diesem.  
  Man handelt von den Ständen so wohl in der natürlichen Rechts Gelehrsamkeit, als auch in der Politic, wiewohl in ungleicher Absicht. Denn dort nimmt man die Stände vor sich, um den Grund und die Ordnung der Pflichten und Rechten, die den Menschen zukommen, zu zeigen; hier aber dienet die Erkänntniß der unterschiedenen Stände, darinnen die Menschen stehen, damit man ihre Kräffte und Schwäche erkenne.  
  Denn darnach kan man auch die Mittel nehmen und beurtheilen, die man zur Erlangung eines Zweckes nöthig hat. Bey Betrachtung solcher verschiedenen Stände kan man folgendes mercken:  
 
1) Muß man die Fehler der Personen, die in einem Stande leben, nicht dem Stande selber zuschreiben, gleich wie man auch Mängel des Standes hat, davor die Personen nichts können, z.E. die Monarchie ist ein Zustand der Republick, und ist an sich eine gute Regierungs-Art; wenn aber Monarchen darinnen tyrannisch sind, so ist nicht der Stand selber, sondern das böse Gemüthe des Menschen daran schuld. In der Aristocratie konnten nicht allezeit die besten Rathschläge ergriffen werden, welches man dem Stande selber beymessen muß.
 
 
2) Wenn man von der Nothwendigkeit der Stände urtheilen will, so muß man davon mit Unterscheid reden, und die Beschaffenheit der Menschen nach dem Falle nicht aus den Augen setzen. Wären wir nicht gefallen und in der Unschuld geblieben, so hätte man alle die Stände nicht gehabt, die als Mittel wieder die menschliche Unwissenheit, Bosheit und andere Schwachheiten eingeführet worden. Es ist eine Thorheit, wenn man sich im Paradiese Republicken, und in den selbigen Uni-
 
  {Sp. 1096}  
 
  versitäten einbilden, oder einen Herren-Stand vorstellen wollte. Nach dem Falle kan die Nothwendigkeit der Stände auf zweyerley Art betrachtet werden.
 
 
  Denn entweder nimmt man das Wort nothwendig, so, daß ohne einem Stand das menschliche Geschlechte gar nicht bestehen kan, in welchem Verstande ausser dem Ehe-Stande, und dem Stande der Eltern und Kinder, die andern dürfften wegfallen, indem, wenn man gleich keine Republicken hätte, so würden doch endlich Menschen auf der Welt bleiben; oder es beziehet sich die Nothwendigkeit zugleich auf die Glückseeligkeit, darinnen die Menschen nach der Göttlichen Absicht leben sollen, da denn viele Stände nöthig sind. Es war daher eine Einfalt von dem Thoma Münster und seinem Anabaptistischen Anhange, wenn er, den Stand der Obrigkeit aufzuheben, sich erkühnete:
 
 
3) Obwohl ein jeder nothwendiger Stand nützlich; So können doch nützliche Stände seyn, die eben nicht nothwendig, und das sind alle diejenigen, welche keinen unrechtmäßigen oder eitlen Zweck haben. Denn sie haben ihre Kräffte, wodurch man sie brauchen, und dadurch die Bequemlichkeit des menschlichen Lebens befördern kan.
 
  Solchen Unterscheid muß ein Politicus lernen. Man lese
  • Jacobi Thomasii disput. de statu naturali et legali;
  • Pufendorff in dissert. academic. pap. 458.
  • Hochstetter in disputat. de statu naturali
  • nebst den Auslegern des Pufendorffs über die oben angeführten Stellen und andern Scribenten der natürlichen Rechts-Gelehrsamkeit;
  • in Ansehung der Politic aber
    • Hertium in element. prudent. civil. Part. I. …
    • Buddeum in element. phil. practicae. part. …
    • Rüdiger in der Klugheit zu leben und zu herrschen.
  Es muß demnach ein der Staats Klugheit Beflissener keinen Eckel haben, des Zustandes derer Leute sich zu erkundigen, auch derer schlechten und geringen. Denn seine Absichten zu befördern, braucht man nicht allein die Kräffte des Geldes und der Macht, sondern auch des Verstandes, des Willens, ja der Gesundheit und Leibes Stärcke derer Menschen. Diese Haupt-Arten derer Kräffte begreiffen viel hundert andere Arten unter sich: Und manche Angelegenheit ist so wichtig und mit so viel Behutsamkeit zu tractiren, daß sie kaum durch eine, oder die andere, Art solcher Kräffte erhalten werden kan.  
  Die Erkänntniß solcher Kräffte ist manchmahl nur leicht; bisweilen aber gehöret ein grosser Nachdruck von Geschicklichkeit darzu, sie recht zu erkennen, entweder weil die Menschen einige Kräffte, als die Kräffte eines boßhafftigen Willens, verbergen; oder weil besagte Kräffte in besonderer Geschicklichkeit bestehen, welche man nicht anders, als wenn man gleiche Geschicklichkeit besitzet, erkennen kan. Darum muß ein Politicus ein Kenner der Menschen und ihrer Kräffte seyn. Und weil alle Wissenschafften, bis auf die Handwercker, in solchen brauchbaren Kräfften bestehen; so muß er von allen Wissenschafften, Künsten, und Handwercken, eine feine Nachricht haben, damit er nicht von weitem herhole, was er schon in Händen hat, und ihm vor Augen lieget, oder das Glas fremder Länder mit denen Diamanten des Vaterlandes vertausche.  
  Bey solchen Um-  
  {Sp. 1097|S. 562}  
  ständen wäre es wohl der Mühe werth, ein Historisch und Politisch Buch von denen unterschiedenen Zuständen derer Menschen zu schreiben. Zwar hat der bekannte Italiener Thomas Garzon in seinem Place de toutes professions du monde, und nach dessen Einrichtung Weigel im General-Schau-Platz aller Künste, diese Absicht einiger massen gehabt. Es ist aber immer mehr Historisches, als Politisches dabey zu befinden. Scipio Claramontius hat in seinem berühmten Buche de Conjectandis moribus, et latitantibus animi affectionibus, in Ansehen derjenigen Kräffte, die in denen menschlichen Neigungen bestehen, gar was feines gezeiget. Und weil zur Erkänntniß des Zustandes nicht allein die Wissenschafft derer Kräffte, sondern auch des Unvermögens gehöret; so mag man, wer es zu beurtheilen fähig ist, auch wohl des Heinrichs Cornelius Agrippa Buch, de vanitate scientiarum lesen.  
  Weil nun alle Moral-Kräffte die natürlichen, welche unmittelbar von GOtt sind, zum Grunde haben; so kan man zwar sagen, dass alle Stände von GOtt sind. Man muß es aber nicht also meynen, als ob sie ohnmittelbar von GOtt wären, wie ein berühmter Theologus in seiner Pansophia Mosaica meynet, das Schneider-Handwerck z.E. sey von GOTT, weil er zu erst Adam und Even Röcke gemacht. Denn dieses sind etwas zu rohe und zu liederlichem Schertz Anlaß gebende Gedancken.  
     

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Stand: 23. September 2013 © Hans-Walter Pries