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Zedler: Substantz HIS-Data
5028-40-1583-13
Titel: Substantz
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 40 Sp. 1583
Jahr: 1744
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 40 S. 805
Vorheriger Artikel: SUBSTANTIVUM PRONOMEN
Folgender Artikel: Substantz in denen Rechten
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen
  • Transkribierter griechischer Text der Vorlage

  Text   Quellenangaben
  Substantz, ein vor sich bestehendes Ding oder Wesen, Lat. Substantia.  
  Es ist schon eine alte Klage, welche die Philosophen wegen des duncklen Begriffs von der Substantz geführet, daß man nicht so wohl wissen könnte, was sie sey?; als vielmehr, daß sie sey. Poiret in den cogitat. de Deo, anima et mal. lib. 2. cap. 3. §. 2. p. 170. hat sich zwar bereden wollen, daß man die Substantz einer Sache an sich selbst mit menschlicher Vernunfft leichter als die Accidentien begreiffen könne. Der Herr Thomasius aber hat in den Monats-Gesprächen 1688. p. 334. dabey erinnert, daß man so wohl wieder ihn, als die Anti-Cartesianer gar leicht darthun könne, daß kein Philosophie iemahls eine deutliche und ordentliche Idee von einiger Substantz und Wesen ohne den Accidentien gehabt, und daß die gemeine Beschreibung der Substantz, wie man solche in den Schulen erlerne, eine sichere Retirade der Unwissenheit wäre.  
  Dem ohngeachtet haben die Philosophen Versuche gethan, verschiedene Vorstellungen von der Substantz zu machen. Aristoteles machte hier das Griechische Wort ousia, welches sonst eine Krafft, oder das Vermögen bedeutet, zu einem Philosophischen Kunst-Worte, und satzte de categor. cap. 5. [ein Satz griechisch]  
  {Sp. 1584}  
  [Fortsetzung des griechischen Satzes], es sey eine solche Sache, die weder von einem Subject gesaget werde, noch in einem Subject behalten würde, welche Beschreibung weder hinlänglich, noch deutlich, auch unrichtig ist, angesehen er eigentlich nicht saget, was die Substantz sey, sich auch unter derselben und dem Subject einen wunderlichen Unterscheid vorstellet. Doch nimmt er das Wort ousia nicht allezeit in einem Sinne, und verstehet darunter bisweilen auch das Wesen der Dinge.  
  Gleichwie er aber so wohl die leiblichen, als geistlichen Dinge darunter faßte; Also gieng hingegen Plato darinnen ab, daß er darunter nur die geistlichen und immateriellen Sachen verstand, S. Eckhard in technic. sacris cap. 1. §. 10. 15.
  Der Herr Thomasius in dialog. de definition. substantiae, so sich bey den institution. jurisprud. divin. befindet und in cautel. circa praecognit. jurisprud. cap. 10. §. 26. meynet, daß bey den Alten kein Unterscheid zwischen der Substantz und der Essentz gewesen sey.  
  Die Scholastici haben die Lehre von der Substantz verworren vorgetragen: Erstlich disputirten sie grammatisch von dem Ursprunge dieses Worts, ob solches von substando herkäme? wie Zabarella und Fonseca glaubten, weil die Substantz ihre Vollkommenheit vor sich hätte, und der Grund der Accidentien wäre, dahin auch die Definition: Substantia est res, in qua illa, cujus ideam habemus, perfectio existit, abzielte. Andere wolten die Sache besser treffen, und sagten, das Wort Substantz habe seinen Ursprung von subsistere, daher sie selbige ens per se subsistens nennten; dafür noch andere lieber ens in se existens haben wolten, und etliche blieben bey des Aristotelis Worten, daß die Substantz ein Ens sey, quod non existit in alio, tanquam in subiecto, welches denn so viel hiesse, die Substantz sey kein Accidens, S. Chauvin in Lexic. Philos. p. 637. ed. 2. und Hebenstreit in philos. prim. p. 228.
  Hernach machten sie allerhand Eintheilungen der Substantz, wie sie nehmlich sey  
 
1) entweder Spiritualis, welche den Geistern zukomme; oder corporalis, nehmlich die Substantz der Cörper; wiewohl etliche so anfiengen, daß sie die Substantzen in die unerschaffene (increatam) so GOtt, und in die erschaffene (creatam) theilten, dabey aber der Streit entstund: Ob GOtt mit den Creaturen ein Genus haben könnte, und ob er in ein Prädicament solte eingeschlossen werden?
 
 
2) entweder prima, so die Substantz eines Individui sey; oder secunda, welches die Substantz in abstracto betrachtet, daß wenn ich von der Substantz des grossen Alexanders redete, so hiessen sie prima, betrachtete ich aber die Substantz eines Menschen überhaupt, so wäre sie secunda, daher sie auch universalis genennet wird,
 
 
3) entweder completa, die ihr Wesen an und vor sich habe; oder incompleta, die zur Ergäntzung einer andern Sache gehöre, wie die Seele in Ansehung eines Menschen, daß wenn die Substantz eines Menschen ihr völliges Wesen haben soll, so muß sie erst mit dem Leibe verknüpfft werden,
 
  anderer Eintheilungen zu geschweigen. S.
  • Scheibler in oper. logic. introd. cap. 5. p. 122.
  • Keckermann in Systemat. logic. maj. lib. I. cap. 7. p. 103.
  • Donati metaphys. usual. p. 237.
  Die Cartesianer stimmen darinne mit einander überein, daß die Substantz ein  
  {Sp. 1585|S. 806}  
  selbstständiges Wesen wäre, so für sich bestehe, und in welchen viele Accidentien vereiniget anzutreffen. Nur nennen sie die Substantz eine Sache, das Accidens einen Modum, und thun noch das dritte hinzu, nehmlich die rem modificatam, nach dem Exempel des Cörpers, der Rundheit und des cörperlichen Wesens, S. Clauberg in Ontosophia §. 44. sqq.
  Spinoza, indem er in dem ersten Theile seiner Ethic de Deo in den Operibus posthum. die gemeine Definition der Substantz mißbrauchet, daß sie ein ens per se subsistens sey, schliesset daraus, daß nur eine Substantz sey, welches der Grund seiner irrigen und gefährlichen Lehrsätze ist. Denn diese seine einige Substantz ist GOttt: Sein Gott aber ist nichts anders, als die Creaturen insgesammt. Die Substantz aber beschreibt er also: Substantia est id, quod in se est, et per se concipitur, hoc est, id, cujus conceptus non indiget conceptu alterius rei, a quo formari debeat. Wovon der Artickel Spinozismus zu lesen ist.  
  Was der Herr von Leibnitz vor Gedancken von der Substantz gehabt, solches findet man in den Actis Erud. 1694. pag. 110, 111, dawider Andala in pentad. dissertation. philosophic. so zu Franckfurt 1712 heraus kommen, und zwar Disp. 1. disputiret; auch eben daselbst pag. 133 sqq. und pag. 146 von der Substantz handelt. Er theilet die Hypothesin des Leibnitzens in zwey Sätze, und fraget erstlich: Ob biß anhero die Bedeutung des Worts Substantz sey unbekannt gewesen, und ob derselben Eigenschafft in vi activa, welche ein stetswährendes Bestreben nach der Würckung in sich halte, bestehe? Hernach: Ob einem Cörper nothwendig und allezeit eine vis activa und Bestrebung zu zueignen seyn, obgleich die Würckung selbst bisweilen verhindert werde? Welches beydes er leugnet.  
  Wenn man sich einen richtigen Begriff von der Substantz machen will, muß man wohl vorher einen Unterscheid unter der metaphysischen, physischen und moralischen Substantz setzen, indem dieselbe entweder als ein subjectum simplex, oder als ein subjectum compositum kan betrachtet werden. In jener Absicht, welche in die Metaphysic gehöret, ist die Substantz ein Subjectum, sofern man solches in Ansehung seines Vermögens etwas zu würcken, und in Ansehung seiner Würckungen selbst betrachtet.  
  Zur deutlicheren Erkenntniß dieser angegebenen Definition muß man die drey darinne fürkommenden Ideen, als die Idee des Subjecti, des Vermögens und der Würckungen aus einander setzen. Das Subjectum ist die Sache selbst, so ferne sie in einer Vereinigung mit etwas anders sich befindet, gleichwie alles dasjenige, so mit dem Subjecto vereiniget ist, Adjunctum genennet wird. Dieses Subjectum oder Ens hat ein Vermögen, gewisse Würckungen herfür zu bringen, welche Würckungen Accidentien heissen, die wir unmittelbar empfinden, da wir hingegen die Idee von der Substantz nur mittelbar, das ist, vermittelst der Accidentien bekommen, welches eben die Ursache, warum die Ideen von den Substantzen so dunckel sind, weil wir solche vermittelst der Würckungen, oder Accidentien haben.  
  Diese metaphys.  
  {Sp. 1586}  
  Substantz ist entweder Gott, oder die Natur. Gott ist das allmächtige Wesen, so alle Dinge in der Welt gewürcket; die Natur aber bestehet aus den erschaffenen Dingen, so ferne sie nach den von Gott ihnen mitgetheilten Kräften, welche er auch noch erhält, würcken und etwas herfür bringen; welche Natur entweder auf das Element, oder auf den Geist ankommt, da denn die unterschiedenen Arten der Elemente und ihrer Vermischungen unterschiedene Würckungen verursachen, welche gewisse Kräfte zu würcken voraussetzen, folglich gewisse und besondere Substantzen ausmachen.  
  Die physische Substantz ist ein zusammengesetztes Subjectum, wie sich solches bey den eintzeln natürl. Cörper befindet, welche aus unterschiedenen Elementen bestehen, und daher verschiedene Würckungen an den Tag geben, daß man sagen kan, sie sey diejenige Ursache, welche die in die Sinne unmittelbar fallenden Würckungen, oder Accidentien der natürl. Dinge darstelle; sich aber selbst nicht unmittelbar, sondern mittelbar zu erkennen giebt.  
  Endlich die moralische Substantz anlangend, so hat selbige die physische zum Grunde, so ferne das Subjectum einer moralischen Eigenschafft fähig ist, daß nehmlich dasselbige moralische Würckungen, das ist solche menschliche Verrichtungen, die aus einer Verbindlichkeit entstehen, und auf die menschl. Glückseeligkeit abzielen, hervorbringt, wie z.E. eine menschl. Gesellschafft. Man lese nach
  • Rüdiger de sensu veri et falsi lib. 1. c. 5. und c. 8. nebst dessen instit. erudit. p. 382.
  • Walchs philos. Lexic.
     

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Stand: 20. Februar 2013 © Hans-Walter Pries