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Zedler: Thüringen [1] HIS-Data
5028-43-1861-1-01
Titel: Thüringen [1]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 43 Sp. 1861
Jahr: 1745
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 43 S. 944
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Übersicht
  Eintheilung des Landes
  Einwohner Nahme
  Ursprung des Volcks

  Text Quellenangaben
  Thüringen, Thuringia, sonsten auch Toringia, genannt, eine Landschafft in Ober-Sächsischen Creis, welche gegen Osten an Meissen, gegen Norden an das Fürstenthum Anhalt, gegen Westen an Hessen und das Braunschweigische, gegen Süden aber an Francken grentzet.  
  Sie hat vielerley Herrschafften, jedoch besitzen die Hertzoge zu Sachsen von der Ernestinischen Linie das meiste, ingleichen hat der Churfürst zu Mayntz das Eisfeld und die Stadt Erfurt darinne.  
  Es war Thüringen anfangs ein sehr grosses Land zwischen den Francken und Sachsen, welches vor Alters, wenn wir auf die  
     
  Eintheilung des Landes  
  sehen, wie viele andere Länder, nach den 4 Haupt-Winden eingetheilet worden in Ost-Thüringen, West-Thüringen, Süd-Thüringen und Nord-Thüringen, wovon das letzte das berühmeteste ist, und sich durch viele Jahrhunderte durch bey seinem alten Nahmen Nord-Thüringowe erhalten hat, auch zu der Zeit, da es nicht mehr zu Thüringen, sondern zu Sachsen gerechnet wurde.  
  Sagittarius verstehet  
 
  • durch Ost-Thüringen (THURINGIAM ORIENTALEM) Osterland und Meissen,
  • durch West-Thüringen (THURINGIAM OCCIDENTALEM) Hessenland,
  • durch Süd-Thüringen das jetzige Thüringer-Land samt einem guten Theile Francken-Landes,
  • durch Nord-Thüringen was von der lincken Seite der Unstrut nach der Elbe bis an den Hartz-Wald sich erstrecket.
 
  Aber die Alten machen diese Grösse noch ansehnlicher, denn der ungenannte Erd-Beschreiber von Ravenna rechnet zu dem südlichen Theile auch die Flüsse Nab und Regen, welche in die Donau fallen, und Siffrid Presbyter erweitert den Nordlichen Theil über den Hartz bis an die Nord-See.  
  Dieses ist gewiß, daß die ersten Thüringer hinter denen Alemannern und Francken in einem sehr grossen Landesstrich gewohnet haben. Wenn man genau wissen will, was sich mit Thüringen in Ansehung der Grentzen zugetragen habe, so muß man vor allen Dingen, die älteste Zeit von der mittlern, und die mittlere von der neuen unterscheiden.  
  Will man also auf die älteste Zeit zurück gehen, so wird sich wohl schwerlich etwas Gründliches ausfündig machen lassen Denn was die meisten vorgeben, beruhet auf blossen Muthmassungen, und man kan, was diesen Zeitstrich anbetrifft, nichts gewisses vorbringen, als daß sich damahls Thüringen bis an die Donau gegen Mittag erstrecket; gegen Mitternacht aber, nach der unglücklichen Schlacht, die im Jahr 524 zwischen dem Fränckisch- und Thüringischen Könige vorfiel, durch die Unstrut von dem ehemaligen Nördlichen Thüringen, welches nach dieser Zeit eine Sächsische Provintz wurde, abgesondert worden.  
  Jene Grentzen sind nachgehends in den mittlern Zeiten und den folgenden immer enger, und zwar bis an den Thüringer-Wald eingeschlossen worden; dieser aber sind bis jetzo geblieben.  
  Was aber der Thüringer Grentzen gegen Osten und Westen anbetrifft, davon wird kein Schrifftsteller etwas zuverläßiges in den ältesten Zeiten bestimmen kön-  
  {Sp. 1862}  
  nen, man müste denn die Lage der Hermundurer, aus welchem Volcke die Thüringer entsprossen, abmessen.  
  Ein gleiches muß man auch von der Landes-Eintheilung in den allerältesten Zeiten sagen, doch glauben einige nicht ohne Grund, daß Thüringen zur Zeit des Königs Odoacer und Theodoricus, Könige von Italien, in drey grosse Pagos, nehmlich Anglegewe, Thuringewe, und Werningewe eingetheilet worden, dahero auch das alte Gesetz kömmt, welches den Titel führet: Lex Anglicorum, et Werinorum, h.e. Thuringorum.  
  Der Pagus Anglegewe war lincker Hand, an der Unstrut, gegen die Witter zu gelegen, wo einige Dörffer in dasiger Gegend, als Kirchengel, Feldengel, Holtzengel, Westengel das Andencken hievon noch erhalten. Die Einwohner sind deswegen Angli genennet worden, weil sie zwischen der Unstrut, Wipper und dem Hartz-Gebürge, gleichsam als in angulo in einem Winckel wohneten, daher sie nicht mit denen Anglis zu vermischen, welche mit den Sachsen in Britannien übergegangen sind.  
  Die Werini sind nicht die in Wragien, und allda herum wohnende Varini oder Warni gewesen, sondern sie führen diesen Nahmen von dem Flusse Wera, Wern, welcher auf einer Wiese, die des Spietals zu Schweinfurth Lehen ist, entspringt. Von diesem Flusse Weren hat der Thüringische Pagus den Nahmen bekommen, und ist Weringewe genennet worden. Thüringewe an sich selbst ward in das Mitternächtliche Thüringen, dessen in den Traditionibus verschiedene Meldung gethan wird, und in das Mittägliche eingetheilt  
  Die gewöhnliche Eintheilung der meisten Geschicht-Schreiber ist in dem alten und noch unzertheilten Thüringen, wie wir oben überhaupt schon angemerckt haben, nach den vier Haupt- Welttheilen eingerichtet.  
  Was Nord-Thüringen damahls in seinem Umfange anbetraf, so schreibt Juncker davon in der Einleitung zur Geographie der mittlern Zeiten, also: So viel ist zur Gnüge erwiesen, daß Nord- Thüringen, seine Grentzen gehabt habe an dem Flusse Unstrut von dessen Ufer, es lincker Hand sich Nord oder Mitternachtswerts fortgezogen bis an und über den Hartz-Wald, ferner rechter Hand an die Flüsse Saale, Elbe, wo das Magdeburgische ist, und Havel, lincker Hand aber an die Flüsse Bode, Aller, und Ocker im Hertzogthum Braunschweig.  
  Weil aber dieser Theil nach der im Jahr 524 zwischen den Sachsen und dem Thüringischen König Hermannfried erfolgten fatalen Schlacht, von Thüringen abgesondert, und nach der Zeit nicht wieder darzu gekommen, so haben wir nicht nöthig allhier eine weitläufftigere Beschreibung davon zu geben.  
  Ost-Thüringen Lat. Osterlandia Ostlandia, Libonothria, wird von D. Adam Rechenberg in seiner Dissertation de veteri Osterlandia also beschrieben, daß selbiges sich bey dem Ursprung der Elster anfange, nachgehends sich herabwärts, an der Saale und Mulde fortziehe und bis an die Städte Merseburg und Halle lincker Hand, rechter Hand aber bis an die Städte Rochlitz, Colditz und Leißnig gehe. Dahero hat das alte Osterland die heutige Burg-Graf- und Herrschafften  
 
  • Plauen,
 
  {Sp. 1863|S. 945}  
 
  • Weida,
  • Gera,
  • Zwickau,
  • Graitz,
  • Weißenfels,
  • Eisenberg,
  • Groitzsch,
  • das Pleisner-Land,
  • Altenburg,
  • Wettin,
  • Brene,
  • Landsberg,
  • Eulenburg,
  • Wurtzen,
  • Rochlitz,
  • Colditz,
  • Leißnig
  • und Penig
 
  in sich begriffen  
  Die Pagi, worein dieser Theil von Thüringen zur mittlern Zeit vertheilt gewesen, sind folgende:  
 
1) Nedelice,
2) Tuchuruno,
3) Geraha, welches in der Gegend, wo das jetzige Gera liegt, gestanden haben soll.
4) Vedu, hat nach Ditmarus von Merseburg Zeugnisse zu dem Stifft Merseburg gehöret.
5) Plisai, und
6) Orla, worunter alles dasjenige verstanden wird, was an dem Flusse gleiches Nahmens gegen seinen Eingang in die Saale gelegen.
 
  Süd-Thüringen, Lat Thuringia Australis, wird vor das heutige Thüringen gehalten, welches seinen Anfang von der Werra nehmen, und sich bis an den Mayn erstrecken soll. Sagittarius in Antiquit. regni Thuringici
  Wenn dieses von den ältesten Zeiten zu verstehen ist, da die, unter dem Nahmen der Hermundurer verborgen gelegene Thüringer noch nicht die von den Haruden und Sedusiern verlassene Wohnsitze und Länder eingenommen, so möchte dieses noch in den damahligen Zeiten angegangen seyn. Da aber bekannt ist, wie nach der unglücklichen Niederlage des Königs Ariovistus unter dessen Armee sich auch die, zwischen der Donau und dem Mayn wohnenden Haruden und Sedusier befanden, welche nebst dem Marcomannen ihre besessene Wohn-Plätze aus Furcht vor der Römer ankommenden Macht verliessen, hingegen die Hermundurer ihr Land bis an die Donau erweiterten, so breitete sich der Hermundurer, nachgehends der Thüringer Land, als sich jener Nahme verlohr, bis an die Donau aus, in welcher Beschaffenheit es auch bis in das achte Jahrhundert, auch wohl noch länger verblieb. Die hierzu gehörigen Pagi sind folgende gewesen:  
 
1) Ilmin, es soll bey der Stadt Ilm gelegen haben.
2) Langenwize, wo jetzo Langenwiese liegt,
3) Albogau,
4) Hoerselgau, und
5) Vatergowe. Zwischen den Städten Mühlhausen und Tennstädt.
6) Vinne,
7) Westergau, zwischen der Stadt Mühlhausen, und dem Schlosse Gleichenstein.
8) Altgebe.
 
  Von West-Thüringen findet man bey den alten Geschicht-Schreibern nichts ausführliches. Sagittarius, Pfefferkorn, Juncker, Weiße, und vielleicht noch andere mehr führen diesen Nahmen an, und behaupten, das Land Hessen werde dadurch verstanden, worinne sie nicht unrecht haben. Nur kommt es auf die Frage an, ob gantz Hessen West-Thüringen ausmache, oder nur ein Theil davon? Brower rechnet Buchonia, oder die heutige gefürstete Abtey Fulda darzu in Antiquit. Fuldens. …
  und beziehet sich auf den Marianus Scotus, und Sigebertus Gemblacensis, welche ihm in seiner Meynung, die er behauptet voran gegangen sind.  
  Ob aber nicht noch ein grösserer Theil von dem heutigen Lande Hessen zu West-Thüringen zu zählen seyn möchte, solches ist gar wohl  
  {Sp. 1864}  
  zu vermuthen. Dieser Westliche Theil von Thüringen wurde ehedem in folgende Pagos eingetheilt, als  
 
1) Grabfeld, welches in das gegen Morgen und gegen Abend getheilet wird,
2) Tullifeld,
3) Baringe,
4) Salagewe,
5) Sinnagewe,
6) Asefeld, und
7) Weringewe.
 
  In dieser Verfassung und in einem solchen Umfange befand sich Thüringen in denen ältesten und mittlern Zeiten. Nachdem aber die Sachsen Nord-Thüringen, die Sorben Ost-Thüringen, die Francken und Bayern Süd-Thüringen, bis an den Thüringer-Wald nach und nach an sich gezogen; und West-Thüringen auch davon auf mancherley Art ist abgerissen worden; so hat dieses Land heutiges Tages gantz andere Grentzen, immassen dasselbe gegen Morgen die Saale, gegen Mittag den Thüringer-Wald, gegen Abend die Werra und gegen Norden die Unstrut zu Grentzen hat.  
  Wir wissen zwar wohl, daß einige die Gräntzen von Thüringen bis an den Hartz ausdehnen, weil aber nach der 524 geschehenen Niederlage der König Thedoricus einwilligen muste, daß die Unstrut zu einem Grenzflusse zwischen dem Südlichen Thüringen und Sachsen gemacht würde, so kan man nicht sehen, wie andere behaupten wollen, Thüringen erstrecke sich heutiges Tages gegen Mitternacht über die Unstrut. Eckhardt Corporis historici medii aevi T. I. …
  Wo der  
  Einwohner Nahme  
  herkomme, und daß sie Thüringer Lat. Thuringi oder Toringi genennet worden seyn, darüber ist man zur Zeit noch nicht einig. Es fehlt zwar nicht an Muthmassungen; sie sind aber so gezwungen und unwahrscheinlich, daß man sie lieber mit Stillschweigen übergehet.  
  Sagittarius, der die Thüringer ein Gothisches Volck zu seyn erachtet, leitet ihren Nahmen von den Mitternächtischen Abgott Thor her, und soll derselbe so viel bedeuten als Kinder GOttes, oder Kinder und Nachkommen des Thors, doch getrauet er nicht zu beweisen, daß die Thüringerin jemahls diesen Abgott verehret.  
  Was den  
     
  Ursprung des Volcks  
  betrifft, so ist derselbe eben so dunckel als sein Nahme, und fast noch mehr Schwierigkeiten unterworffen. Cluverius erhält die Thüringer für ein altes Deutsches Volck, und zwar für eben diejenigen, so Tacitus Reudingos nennet deren Nahme, nach seinem Urtheil, durch die Abschreiber verfälschet worden. Allein daß die Reudinger ein wahrhafftes, und keinesweges durch Versetzung der Buchstaben entstandenes Volck gewesen, solches ist aus dem, was oben bey dem Artickel Reudigni, im XXXI Bande, p. 878 angemercket worden, zu ersehen.  
  Barth hält die Thüringer für ein Gothisches Volck, und zwar für dieselben Gothen, so von dem Marcellinus, Eutropius und andern  
  {Sp. 1865|S. 946}  
  Thervingi genennet worden. Und diese Meynung würde sich wegen Gleichheit der Nahmen vor allen andern recommendiren, wenn die Wanderung dieses Volcks damit überein käme. Nun aber findet sich, daß die Thervinger zwar aus Sarmatien in Mösien, und von dannen in Italien, Gallien und Spanien, aber nicht nach Deutschland gezogen seyn.  
  Sagittarius holet sie nicht aus Sarmatien, wie Barth, sondern unmittelbar aus den mitternächtigen Ländern, und sagt, daß sie aus Scandinavien nach dem Cimbrischen Chersones gekommen, und nachdem sie eine Zeitlang daselbst gewohnet, durch die Sachsen über die Elbe vertrieben worden. Hierauf sollen sie eine Zeitlang in dem Lande Hadeln, Lat. Hadeloa, gewohnet haben, nachmahls aber wiederum durch die Sachsen bis an den Hartz, und endlich zum dritten mahl durch die Sachsen über den Hartz zu weichen, und sich in die Oberländer zwischen der Saale u. Werra zu begeben, gezwungen worden seyn, allwo sie heut zu Tage gefunden werden. Seine vornehmste Autores sind Witichind und Adam Bremensis von den ältern, und Rolevinck und Brotuff von den jüngern.  
  Ob nun gleich diese Erzehlung nicht übel zusammen hänget, so werden doch so viele Zweiffel von den selbst dagegen erwecket, daß es scheinet, der gelehrte Verfasser sey seiner Meynung selbst nicht gewiß gewesen, bevorab weil er die Zeit, wenn solches geschehen, nicht anzeigen kan.  
  Hertius hat von der Ankunfft der Thüringer eine andere Meynung, die mit der Grösse dieses Volcks und ihres Landes besser überein kömmt, als die vorhergehende. Er hält sie für viele unter einem Bund und Bunds-Nahmen zusammen vereinigte Deutsche Völcker, nach dem Beyspiel der Alemannen, Francken und Sachsen. Es wäre zu wünschen, daß dieser Grund-Satz von ihm oder jemand andern wäre ausgeführet worden, damit man klärlich sehen könnte, daß die Thüringer auf dem deutschen Boden kein ausländisches noch neulich angekommenes, sondern altes ingebohrnes Volck seyn, zu denen sich viele andere alte Völcker geschlagen, welche, ob sie wohl ihre eigenen Nahmen und Könige hatten, dennoch um des gemeinen Bundes willen für Thüringer gehalten worden.  
  Es ist sehr wahrscheinlich, daß die Angler und Variner von dieser Gattung gewesen seyn. Denn die oben schon angeführte Überschrifft ihres Gesetzes giebt solches zu erkennen, welche also lautet: Lex Angliorum et Werinorum, hoc est Thuringorum, d.i. das Gesetz der Angler und Weriner, das ist der Thüringer. Woraus erhellet, daß die Angler und Weriner zu den Thüringern in einem weitläufftigen Verstande gerechnet worden.  
  Daß aber auch die Thüringer, bey denen der Thüringische Bund und Nahme aufgekommen, dasselbe Gesetz gehabt haben, ergiebt sich aus dem Anfange desselben, da die Worte stehen: Incipit lex Angliorum, et Werinorum, et Thuringorum. Hier fängt sich an das Gesetz der Angler, und Weriner, und Thüringer. Da nun diese Völcker eingesetzet mit einander gemein hatten, so ist kein Zweiffel, daß selbige auch Feld-Nachbarn und Bundesverwandten unter einander gewesen seyn.  
  Zu diesem Bunde können auch gerechnet werden die Heruler, ein  
  {Sp. 1866}  
  Gothisches Volck, welche deswegen von dem Caßiodorus Heruli Gothorum genennet werden. Man erkennet solches aus einem Briefe des Ost-Gothischen Königs Theodoricus, den er wegen der zunehmenden Macht des Chlodoväus an die Könige der Heruler, Weriner, und Thüringer zugleich geschrieben, welches sich für Nachbarn und Bundesgenossen am besten schicket.  
  In dem Artickel Heruli, im VIII Bande, p. 851. u.ff. ist angezeiget, daß sie hinter denen Alemannen gewohnet, und es scheinet, daß sie mit der Zeit sich bis an Gotha erstreckt, und selbiger Stadt den Nahmen gegeben haben. Es ist auch kein Zweiffel, daß andere Völcker mehr, ungeachtet sie nicht können nahmhafft gemacht werden, in dem Thüringischen Bunde begriffen gewesen. Sagittarius selbst ist nicht ungeneigt, die Chatten gäntzlich, und die Cheruscer zum Theil, für Thüringer zu erkennen.  
  Der Thüringische Nahme aber ist in dem fünften Jahrhundert in der Historie zuerst bekannt worden, theils durch die Thüringische Pferde, theils durch die Waffen Chlodions, theils auch durch den Feldzug des Attila, des Hunnen Königes. Denn vor dem 5ten Jahrhundert findet sich keine beständige Nachricht von diesem Nahmen, ungeachtet derselbe wohl eine Zeitlang vorher mag aufgekommen seyn, ehe er in Schrifften verfasset worden.  
  Vegetius erwehnet zuerst der Thüringer, oder vielmehr ihrer Pferde, in seiner Malomedicina, da er den Thüringischen und Burgundischen Pferden wegen der Dauerhafftigkeit vor vielen andern den Preiß giebt. Eben dieses findet man auch bey andern, doch etwas jüngern Scribenten, insonderheit bey dem Caßiodorus in einem Briefe, welchen er im Nahmen seines Herrn und Königs Theodoricus in Italien, an dem König der Thüringer Herminfrid abgehen lassen, als worinn er von den Pferden, so dieser König an jenen geschickt, eine sehr schöne Beschribung macht.  
  Was die Thüringer selbst betrifft, so wird ihrer am ersten gedacht in der Fränckischen Geschichte in dem Leben Chlodions. Man siehet aus einer Stelle des Gregorius von Tours, wenn selbe mit des Aimonius Worten verglichen wird, daß Chlodio einen Einfall in Thüringen gethan, die Festung Disparg in termino Thoringorum eingenommen, und seinen Königl. Sitz dahin geleget habe.  
  Man findet auch bey Trithemen die Ursachen dieses Krieges, indem die Thüringer, so bisher in den Fränckischen Bund gestanden, (welches vornehmlich von den Hessen zu verstehen ist), von den Francken abgesetzt.  
  Wo aber die Dispargische Burg sey gelegen gewesen, darüber sind die Gelehrten nicht einig. Es scheinet, daß es im Paderbornischen auf dem alten und zerfallenen Berg-Schlosse Desenberg müsse gesucht werden. Denn daß einige dasselbe nach Brabant auf die Grentzen von Tongern setzen wollen, ist eine vergebliche Bemühung, weil alle Scribenten darinnen überein kommen, das Chlodio von Disparg aus, seine Kundschafter über den Rhein geschickt, und auch selbst von dannen nach erlangter Kundschafft über den Rhein gezogen sey.  
  Endlich muß auch unter die ersten Bewegungen der Thüringer gezählet werden, diejenige, so bey der Hunnen Einbruch in  
  {Sp. 1867|S. 947}  
  Gallien von Sidonius Apollinaris geschiehet. Was die Thüringer bewogen habe, mit dem Hunnischen Heer über den Rhein zu ziehen, ob es aus Begierde zur Beute, oder aus Haß gegen die Francken, oder aus Zwang geschehen sey, lässet man dahin gestellet seyn. Daß Attila mit seiner Armee die Thüringer berühren können, daran ist wohl kein Zweiffel, wenn man die alten Grentzen ansiehet. Daß er aber zu Eisenach einen Hof- und Land-Tag, auch Beylager und Ritter-Spiele gehalten; und daß man für seiner einbrechenden Macht die Stadt Erfurt mit Mauren umzogen, und was dergleichen mehr, so von den Chronicken-Schreibern mit allerhand Umständen ausgeschmücket wird, solches wird von dem Sagittarius billig in Zweiffel gezogen, weil die alte Geschichts-Bücher nichts davon erwehnen.  
     

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Stand: 16. Februar 2014 © Hans-Walter Pries