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Austeilung der Titel |
Es ist mehr als zu bekannt, wie seltsam es bey Austheilung der Titel
hergehe. Mancher muß einen Titel annehmen, der sich vor seine
Umstände im
geringsten nicht schickt, und zu einer
Bedienung
gebrauchen lassen, dazu er weder
Lust noch
Geschicklichkeit hat, und hingegen
eine andere, ihm anständiger wäre, entbehren. Das
Geld,
die
vornehmen Freundschafften, das äusserliche
Ansehen,
eine lasterhaffte
Vertraulichkeit mit einem viel
vermögenden
Frauenzimmer,
helffen manchen zu einem Titel und zu einer
Charge, der sich dazu schickt, wie
der Esel zum Lautenschlagen, öffters bleiben solche Leute in ihrer
Ungeschicklichkeit und Unerfahrenheit vor wie nach, und ergötzen sich entweder,
wenn sie blosse Titulares, mit dem
Gelde und dem
Staat,
oder lassen sich doch unbekümmert, ob sie dem
Amte mit ihrer
oder mit Schande vorstehen, ob sie es selbst, oder durch andere
verwalten
lassen. |
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Bißweilen werden aber auch wohl einige Ehrgeitzige durch den Titel, der an
und vor sich selbst keine
Geschicklichkeit zuwege bringt, angetrieben, daß sie
sich zu der
Bedienung,
davon sie die Benennung führen, nach und nach qualificirter machen, und manchen
spöttischen
Urtheilen der Leute, die sich sonst über sie aufhalten, desto eher
entgehen. Vielmahls zwingt sie die Noth, daß sie sich eine grössere
Geschicklichkeit zuwege bringen müssen, wenn ihnen andere die Qualitäten
zutrauen, die zu dem Amte, davon sie den Titel führen, erfordert werden, und
gleichwohl niemand weder um sich, noch unter sich haben, dem sie hierbey können
zu Rathe ziehen, oder mit dem sie ihre Ungeschicklichkeit vermänteln können. |
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Solte nun ein junger Cavalier |
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{Sp. 487|S. 257} |
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oder sonst jemand in der
Welt das Glück haben, daß ihm ein grosser
Herr
von freyen Stücken ohne darum anzuhalten, einen Character mit oder ohne
Besoldung offeriren solte, so hat er vorhero folgendes dabey in Betrachtung zu
ziehen. |
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1) |
Ob ihm auch hierdurch in der That grössere
Ehre
zuwachse, als er vorher gehabt? |
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2) |
Ob er die
Geschicklichkeit besitze, die zu
Bekleidung dieses Characters erfordert wird? |
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3) |
Ob er soviel Einkünffte entweder selbst habe,
wenn es ein blosser Titel wäre, oder da es eine
Bedienung,
oder die Besoldung dabey soviel austrage, als wohl erfordert wird,
diesen Character mit
Ehren
zu behaupten, und |
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4) |
ob sich dieses Prädicat mit seinen übrigen
Umständen wohl vereinigen lasse, und ihm eine wahre und beständige
Zufriedenheit des
Gemüths verschaffen könne? |
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Bey dem ersten Stück muß er überlegen, ob dieser Titel entweder überhaupt,
oder doch in Ansehung seines
Standes
und seiner Lebens-Art, die er sich erwehlt, ungewöhnlich, seltzam und
disrenomirlich, oder gewöhnlich und ihm renomirlich sey? Denn sonst würde er
hierbey mehr geschimpfft, als geehret werden. |
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Bey dem andern, ob er die nöthige Fähigkeit entweder besitze, oder sie doch
mit der Zeit erlangen möchte? Gleichwie kein Meister gebohren, und also kan auch
ein junger Mensch
bey Antritt seiner Charge nicht die
Wissenschafft und
Erfahrung
haben, die sich ein anderer, der diesem oder jenem
Amte einige Jahre
vorgestanden, zuwege gebracht. Die Erfahrung nimmt mit den Jahren zu, es ist
genung, wenn er bey sich befindet, daß er sich auf dasjenige, wozu er gebrauchet
werden soll, ziemlich applicirt, die
Fundamente davon sich bekannt gemacht, und
zu den Verrichtungen, die diesem Prädicat
eigenthümlich sind, Lust hat.
Ausserdem aber würde er sich bey jedermann verächtlich machen. Es würde also
einer, der sich Zeit seines
Lebens auf die
Studia geleget, sich um das Reiten
nicht bekümmert, und gar keine
Erkänntnis
von Pferden besitzt, schlechte
Ehre erlangen, wenn ihm die
Bedienung eines
Stallmeisters angetragen werden solte. |
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Bey dem dritten Stück, da er seinen Beutel zu rathe ziehet, muß er seine
Gedancken
nicht allein auf das Gegenwärtige sondern auch auf das Zukünfftige richten. Es
ist nicht genung, daß er sich getrauet einige Jahre auszuhalten, und den
Staat
mitzumachen, sondern er muß auch den Überschlag machen, ob er ohne das seinige
zu verzehren, und die Capitalien anzugreiffen, die Ausgaben seinem
Herrn
oder seinem Titel zu
Ehren, beständig fortsetzen könne. Es ist eine elende
Sache, wenn der Character das
Vermögen verzehrt, da einer in seinen männlichen
Jahren, wie ein grosser
Herr lebt, hingegen auf das Alter, wie ein
characterisirter und titulirter
Bauer. Bey seinen Ausgaben darff er eben nicht
auf die
Reichsten und Wohlhabensten seine Augen wenden, sondern es ist genung,
wenn er seine Sachen hiebey so anstellt, daß die
Herrschafft
und seine
Vorgesetzten mit seiner Aufführung zufrieden, seines gleichen ihn ihres
Umganges
und Freundschafft würdig achten, und die Geringen ihm diejenige Ehre erzeigen,
die sie dem andern nach seinem
Stand und Character zu erweisen schuldig sind. |
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Bey dem vierdten Stück |
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{Sp. 488} |
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muß er alle und jede Umstände die mit den Character
verknüpfft sind, und
seine eigene Person,
das ist, seinen innerlichen und äusserlichen
Zustand
angehen, auf das fleißigste und sorgfältigste untersuchen. Befindet er nun, daß
alles dieses mit seinen Umständen so genau übereinkomme, daß ihm durch dieses
oder jenes Prädicat ein höherer Grad der
Gemüths Ruhe zuwachse, als er vorher gehabt, und ihm
dieselbe, soviel er endlich nach seiner jetzigen Vermuthung beurtheilen kan,
durch eine darauf folgende Reue nicht unterbrochen werden möchte, so kan er im
Nahmen
GOttes sich vor diese
Gnade respective allerunterthänigst und
unterthänigst bedancken, und die
Bedienung oder den Character annehmen. |
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Nachdem sich nun die Fälle heutiges Tages so gar öffters nicht zu tragen,
daß einem die Titel, ohne darum Ansuchung zu thun, von freyen Stücken solten
angebothen werden, und doch aus einem Prädicat so groß
Werck
gemacht wird, so fragt sichs, ob nicht ein junger Cavalier wohl thut, wenn er
selbst um einen Titel bey einem grossen
Herrn
anhält? Solte man einem Quacker die Entscheidung dieser Frage vorlegen, so würde
er sie alsobald mit dem grösten Eyfer verneinen, sintemahl sie wieder alles
Ceremonien- und Titular-Wesen auf das höchste erbittert sind, sie nennen die
Titel Luciferische Ehre, verfluchte Ehren-Nahmen, Narren-Titel,
Bestien-Character u.s.w. Sie haben hierinnen ihre
Freyheit, und müssen andern
Leuten auch ihre Freyheit lassen. Ihre Sätze finden, in der
Klugheit zu leben,
und in der Ceremoniel-Wissenschafft kein Gehör. |
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Überhaupt ist es schwer, einem hierinne eine
Regel
vorzuschreiben, sondern es beruhet dieses auf eines jeden Umständen. Dieser
handelt sehr thörigt, daß er um einen Titel Ansuchung thut, und jener hingegen
vernünfftig, sintemahl sich Fälle ereignen können, da einer auch in diesem
Stück, wieder seinen
Willen genöthiget wird, der Opinion anderer Leute, an denen
ihm etwas gelegen, seiner eigenen vorzuziehen. Da ein
vernünfftiger
Mensch keine
eintzige Handlung, ohne daß er durch einen zureichenden Grund hierzu veranlasset
werden solte, vornehmen muß, also muß er auch allezeit eine wichtige
Ursache
haben, wenn er um ein blos Prädicat (von dem jetzund die
Rede ist) anhalten
soll. Er muß vorher wohl überlegen, ob die gantze Verbesserung seiner
Glückseligkeit bloß darinne bestehet, daß er dieses Titels theilhafftig wird,
und einen andern
Nahmen bekommt, als er vorhin gehabt; oder ob auch andere
Stücke der wahren Glückseligkeit, die er sonst nicht sobald, und nicht so
bequem
erhalten können, damit vergesellschafftet, oder daraus herfliessen; er muß nicht
bloß auf die äusserliche Ceremonien und Ehren-Bezeugungen sehen, die ihm andere
nunmehr erweisen müssen; denn dieses sind Tändeleyen, sondern auf die wahre
Ehre, die ihm hieraus zuwächst, ob er auch durch dieses Prädicat in der That
tüchtiger werde, als vorhin, das
Böse zu hindern, und hingegen die Ehre
GOttes,
seine und seines Nächsten Vollkommenheit mehr zu befördern. |
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Er muß sich vorher ebenfalls prüfen, ob er wohl so viel
Geschicklichkeit
besitze, daß er von andern Leuten dieses Titels nicht vor
unwürdig geachtet, und
dadurch mehr beschimpffet, als geehret werde. Es |
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{Sp. 489|S. 258} |
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ist zwar ein grosser Unterschied unter einer würcklichen
Bedienung,
und unter einen blossen Titel und Prädicat, und wird zu jedem wohl freylich mehr
erfordert, als zu diesen. Da aber der Titel eine grosse Ähnlichkeit mit dem
Amte selbst hat,
und die Benennung den Schein von sich giebt, als ob sie mit der Bedienung
einerley sey, zumahl bey denen, welchen unbekannt, ob einer im würcklichen
Diensten
stehe oder nicht; so muß auch ein Titulair, der sich bey
vernünfftigen Leuten
nicht lächerlich machen will, den Schein von sich geben, als ob er zu diesem
oder jenem, davon er den Titel angenommen, nicht eben gantz und gar untüchtig
sey. |
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Dieses, was von der Capacität gesagt, ist auch mit einiger
Veränderung auf
die Einkünffte zu appliciren. Ein Titulair hat freylich nicht nöthig, so viel
Figur zu machen, als ein anderer, der in einem würcklichen
Amte stehet, und
die Besoldung bekommt, er muß sich aber doch auch so bezeigen, daß er seinem
Prädicat gemäß lebet, und bey manchen Gelegenheiten, da es seines
Herrn
Ehre und Respect erfordert, dem würcklichen wenig oder nichts nachgeben, und
also erweisen, daß er im
Stande wäre, wenn er wollte, oder es nöthig wäre, denen
andern, die in würcklichen
Diensten
stünden, sich bey seinen Ausgaben gleich
aufzuführen. |
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Findet ein vernünfftiger junger Cavalier einen tüchtigen
Grund,
um ein Prädicat anzusuchen, oder er siehet, daß es mit seinen übrigen Umständen
überein kommet, so hält er die Mode mit, und läst sich einen Titel geben, wo
aber nicht, so lebt er ohne Prädicat ebenso geehret, so ruhig und vergnügt, und
bisweilen noch glücklicher als manche Titulaire und würckliche Officianten. Weil
ihm der Unterscheid unter der innerlichen und äusserlichen
Ehren sehr
genau bekannt, so weiß er, daß man auch ohne mancherley Ehren-Bezeugungen, die
einem andere Leute, bisweilen wieder ihren
Willen, erzeigen müssen, geehret leben könne. |
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Man siehet hin und wieder, auf dem
Lande und in
grossen
Städten,
unterschiedene rechtschaffene und kluge
Männer, Adelichen und Bürgerlichen
Standes,
die ohne Titel und Character, bey Höhern, bey ihres gleichen, und bey Geringern,
in grössern Ehren und
Ansehen stehen, als andere betitulte.
GOtt hat ihnen
soviel
Verstand und
Erfahrung mitgetheilet, daß sie sich durch ihre
Wissenschafften, oder doch sonst durch ihre
Klugheit,
vernünfftige Aufführung,
öconomische
Erkänntnis,
u.s.w. besonders verdient gemacht, sie werden bey ihren Nachtbaren fast vor
Wunder-Wercke angesehen, von denen sie sich in verwirrten Angelegenheiten guten
Beyrath ausbitten, auch nicht selten von vielen characterisirten Leuten zu Rath
gezogen, sie haben sich bey vielen nothwendig gemacht, die ihnen denn hernach
gute Worte geben müssen, sie haben gelernet, sich mehr in sich, als unter den
grösten Schwarm unartiger Leute zu vergnügen, sie befleißigen sich vornehmlich der wahren Ehre, und erlangen auch dadurch
von andern viel äusserliche Ehren-Bezeugungen; sie haben entweder dabey ihr
reichliches Auskommen, daß sie bey ihren äusserlichen viele von ihres gleichen
übertreffen, und also auch bey dem Pöbel ein grösser Ansehen gewinnen, oder GOtt
beschehret ihnen durch ihre
Arbeit und Fleiß nothdürfftiges |
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{Sp. 490} |
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Auskommen, daß sie vor schmählicher
Armuth gesichert sind, und bey ihrer
guten Eintheilung ordentlich und ruhig leben. |
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Da nun einige meritirte und rechtschaffene Leute keine Prädicate und Titel
verlangen, und dieselben auch wohl gar ausschlagen, so können diejenigen um
desto eher gelassen seyn, die ihrer Bemühung, die sie daran wenden, ungeachtet
denjenigen Character, um den sie Ansuchung thun, zu der Zeit, da sie ihn
verlangen, nicht erhalten, sondern mögen inzwischen nur immer fortfahren, sich
verdienter und qualificirter zu machen, so können sie an einem andern
Ort,
oder zu einer andern Zeit mit guten
Grunde
eines Prädicats erwartend seyn, und vielleicht mit mehr Realität als jetzund.
Ein verweigertes kleines Glück an diesem Ort, hat schon manchmal zu einem
grössern an einem andern den Weg gebahnet. Es wäre mancher unter Gelehrten und
Hof-Leuten kein so vornehmer und
angesehener
Mann in der
Welt
geworden, wenn ihm nicht in den vorigen Zeiten ein schlechter Titel oder
geringes
Ehren-Ämtgen wäre abgeschlagen worden. |
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Gesetzt, daß sie auch gar keines Titels solten habhafft werden, welches man
sich zwar bey denen, die
Geschicklichkeit und gute Aufführung haben, und ihre
Zeit erwarten können, fast nicht vorstellen kan, so können sie doch eben sowohl
als die vorhin gedachten auch ohne Prädicat als geehrte Leute leben. Es haben sich viele durch ihren blossen
Nahmen
höher geschwungen, als andere durch die grösten
Ehren
Chargen, und denselben zu einem
ansehnlichen Titel gemacht. Besitzen sie
Verdienste, so haben sie auch mit guten Grund
Ehren-Stellen zu
hoffen. Fehlet es ihnen aber an Verdiensten, so gereicht
ihnen auch alle äusserliche Titulatur mehr zur Beschimpffung, als zur wahren
Beehrung. |
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Adlige mit bürgerlichen Titeln |
Da der Adel
heutiges Tages so überhäufft ist, daß die
Bedienung,
die man bisher den
Edelleuten
zugeeignet, fast nicht mehr hinlänglich seyn wollen, und alle diejenigen, die
deren begierig oder benöthiget, zu versorgen, und mancher auch wegen seiner
schlechten Einkünffte nicht in im
Stande
ist, einen Adelichen
Staat zu führen, so wird einer und der andere gezwungen,
sich auf etwas anders zu appliciren, und gewisse
Ämter,
Academische
Würden
oder Verrichtungen zu erwehlen, die bis anhero unter dem Adel nicht Mode
gewesen, und man Bürgerliche zu nennen pfleget. |
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Wie nun dergleichen Entschluß manchen Leuten, denen es an gehöriger
Scharffsinnigkeit fehlt, ungewöhnlich und wunderseltsam vorkommt, auch dahero
manchen besondern
Urtheilen unterworffen wird; also wird nicht undienlich seyn, hier
eine und die andere vernünfftige Betrachtung darüber anzustellen. |
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Vorerst setzet man dieses zur
Regel,
daß ein junger Cavalier, soviel als möglich, seine Handlungen so einrichte,
damit er sich und seinen Zustand vollkommener mache, und hingegen alles
unterlasse, was ihm entweder in der
That
und
Wahrheit, oder doch nur dem Schein, und der irrigen Opinion der
Welt
nach, unvollkommner machet. Der Schein und die
Einbildung der
Menschen,
ob sie schon keinen
Grund
hat, würckt hier eben soviel, als die Wahrheit. Da die Welt in ihrem
Verstande gröstentheils verblendet, die Irr- |
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{Sp. 491|S. 259} |
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thümer hegt und vertheidigt, und sich davon nicht will abbringen lassen, so
muß auch ein
vernünfftiger
Mensch bey seiner Aufführung diese Irrthümer zugleich mit vor Augen haben, damit
er ihren, ob zwar irrigen
Urtheilen entgehen möge, und hingegen der Opinion, und
der einmahl eingeführten Mode Folge leiste. |
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Soll nun aber ein junger Cavalier diese unumstößliche
Regel
zu seiner Vorschrifft annehmen, so muß auch keiner, den
GOtt mit soviel zeitlichen
Gütern
gesegnet, daß er seinen
Adelichen
Stand nach, sich gemäß aufführen, und
cavalirement leben kan, dergleichen Lebens-Art,
Bedienung oder Academische Würde
annehmen, die von denen andern vor etwas ihnen unanständiges angesehen werden.
Ein solcher Cavalier würde sich, theils von denen, die mit ihm gleichen
Standes,
theils auch von den Geringeren, ihn aus Neid und Jalousie verachten würden,
mancherley Verspottung, Verdruß, leichtfertige Critiquen, Stachelreden und
höhnische Geberden, daraus seiner innerlichen und äusserlichen Glückseligkeit
mancherley Hindernisse erwachsen würden, über den Hals ziehen, denen er entgehen
könnte. Es stehen ihm ja nach seinen Umständen, allerhand Wege vor, zumahl, wenn
er mit seinem zeitlichen
Vermögen, Fleiß,
Geschicklichkeit auch gute Qualitäten
verbindet, sich solche Beförderer zuwege zu bringen, durch welche er eine
ansehnliche Adeliche Charge überkommen kan. |
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Treibet ihn sein natürlicher Zug zu einer gewissen, in eine höhere oder
geringere Facultät lauffende
Wissenschafft, so ist es ihm ja unverwehrt, dieselbe aus dem
Grunde
zu
studiren, und die hierinnen erlangte
Gelehrsamkeit
durch öffentliche Specimina an den Tag zu legen, auch sich selbst und seinen
Nächsten auf mancherley Weise damit
Nutzen
zu schaffen, ohne daß er ein öffentlicher
Lehrer und Prediger wird, oder
advociret, oder als ein Medicus in der
Welt
herum ziehet. Will er erweisen, daß er in der Gelehrsamkeit denen, welchen man
Academische Würden zur öffentlichen Belohnung ihres Fleißes auszutheilen
pfleget, gleich gekommen, so kan er sich ja eben sowohl, als wie sie, dem
Examini rigoroso unterwerffen, ohne daß er nöthig hat, mit der angenommenen
Doctor-Würde zu prahlen, und in der
Adelichen
Bedienung
GOtt und dem
Lande so gute,
und wohl noch bessere
Dienste
leisten, als bey dem Bürgerlichen Employ. |
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Gleich wie sich aber die
Menschen
nicht in einerley Umständen befinden, also können auch nicht einerley
Regeln
allen zu einer Vorschrifft dienen, sondern die verschiedene Fälle bringen
mancherley Ausnahmen bey den Regeln zuwege. |
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Diejenigen hingegen von
Adel, welche sich
in solchen Umständen befinden, daß sie bey ihrer Adelichen Lebens-Art ihre
Glückseligkeit und Vollkommenheit überhaupt, entweder gar nicht oder noch nicht
so bald
bequem befördern können, als bey einer andern, handeln sehr
vernünfftig,
wenn sie sich auf etwas, so andere vor Bürgerliche achten appliciren. Der
stärckere
Grund
der einen zu einer Handlung nöthiget, schmeisset den schwächeren allezeit übern
Hauffen. Man ist niemahls schuldig, den Wahn der Leute zu folgen, wenn er uns an
unserer Glückseeligkeit und Vollkommen- |
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{Sp. 492} |
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heit hinderlich ist. Es ist anständiger, eine Zeit lang bey einem
Bürgerlichen Employ seine
Geschicklichkeit zu erweisen, und sich dadurch auf
eine geschwindere und renomirlichere Weise den Weg zu einer
ansehnlichen
Adelichen Charge
zu bahnen, bey der einer Zeit seines Lebens
Ehre und
Versorgung hat, als viele und lange Jahre auf dem Expectanten-Bänckgen zu
sitzen, und sich mit leeren Winde der
Hoffnung, und beständiger Anmahnung zur
Gedult abspeissen lassen. Es ist auch vernünfftiger bey einem sogenannten
Bürgerlichen
Ehren-Amte
sein
Leben mit Ehre und Ruhe zu beschliessen,
GOtt, seinem
Landes-Herrn,
oder doch dem
gemeinen Wesen zu dienen, als ein Cavalier de Fortune und wie ein
inutile terrae pondus in der
Welt zu leben. Es ist weiser eine Academische Würde
anzunehmen, und sich durch
Disputiren, Practiciren,
Collegia halten, u.s.w. bey
wahren
Weltweisen Ruhm und Ehre zu erwerben, als mit der Adelichen Würde die
Bürde der Verachtung und Unwissenheit zu vereinigen. |
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Bey Beurtheilung der bürgerlichen Verrichtungen, bürgerlichen
Dignitäten
und Ämter stecken
greuliche Irrthümer, die aus Unwissenheit, aus einer thörichten Mode-Sucht und
aus Hochmuth ihren
Ursprung herleiten. |
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1) |
Ist es irrig, daß die Feder nicht eben so gut
seyn solte, als der Degen und die Musquete. |
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Denen Printzen,
Grafen
und Edelleuten,
und wenn es auch die
Söhne der grösten Minister seyn solten, wird es vor
einer Ehre geachtet, wenn sie im Kriege von unten auf, und von der
Musquete an avanciren, und hingegen bey der Feder in
Collegiis, wollen
sie gleich Obersten und Capitains, das ist, grosse Räthe werden, da doch
mancher nicht capabel ist, einen Copisten abzugeben. Hätte einer oder
der andere von unten auf gedienet, so könnte er mit bestem
Grunde die
Subalternen corrigiren, und dürffte nicht von ihnen lernen. |
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Die Geringeren folgen in den andern Stücken so
gerne den
Meynungen der grossen
Herren,
und nehmen dieselben zu ihrer Richtschnur an, und gleichwohl wollen sich
viele von Adel
hierinne nicht nach ihnen confirmiren.
Kayser,
Könige,
Churfürsten,
Fürsten
machen hiebey nicht den Unterscheid, den solche Leute zu machen pflegen,
sie belohnen öffters die Tugend und Verdienste ohne Unterscheid des
Standes,
sie betrachten die geringern bürgerlichen
Ämter, welche die von civilen
Stande mit
Ehren bekleidet, als Stuffen, die sie auf die höchsten
Stuffen der grösten Adelichen Chargen erheben. Viel bürgerliche
Verrichtungen legen den Grund-Stein zu Adelichen, Bürgerlichen und
Gräflichen
Dignitäten. |
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Wenn manche doch in diesem Stück auf die sonst
von ihnen so hoch geschätzte Ahnen ein wenig zurücke sehen wolten. Vor
ein paar hundert Jahren schätzten sichs die Ober Großälter-Väter vor
eine Ehre,
wenn sie das Amt
eines Predigers, eines
Amtmanns, eines Bürgermeisters, u.s.w.
verwalten
konnten, oder
geschickt waren, eine Academische Würde anzunehmen, und
ihre Ur-Enckel achten sich dergleichen vor eine
Schande, und
beschimpffen also hierinne ihre Vorfahren, von denen sie doch allen
ihren Glantz herleiten wollen. Fast alle |
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{Sp. 493|S. 260} |
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Ausländer sind hierinnen kluger als wir
Teutschen.
Die Edelleute
in Franckreich, Italien, Engelland, und in den Nordischen Königreichen
achten sich im geringsten nicht vor disrenomirlich, einige Academische
Würden oder
Bedienungen
anzunehmen, oder sich sonst einigen Verrichtungen zu unterziehen, die
ein grosser Theil unseres
Adels in
Teutschland vor bürgerlich und ihnen
unanständig ansehen will. Es haben demnach einige von unseren deutschen
Edelleuten, sonderlich vom Eingang dieses Jahrhunderts an, sehr wohl
gethan, daß sie durch alle die Vorurtheile, die andere bisher bestrickt
hielten, glücklich durchgebrochen, und zu Beförderung ihrer
Ehre und
Zufriedenheit, auf dergleichen Wegen sichere Vorgänger gewesen, denen
andere, die sich mit ihnen in gleichen Umständen befinden, nachfolgen
können. |
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