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Zedler: Tochter [1] HIS-Data
5028-44-577-6-01
Titel: Tochter [1]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 44 Sp. 577
Jahr: 1745
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 44 S. 302
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Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen, Bibel
  • Transkribierter griechischer Text der Vorlage
  • : Absatz in der Vorlage vorhanden

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Übersicht
Namen
Vorrechte der Söhne
  Erbrecht
Ehekauf
Hurerei
Sorge wegen der Töchter
Nutzen

Stichworte Text   Quellenangaben
  Tochter, Hebr. [ein Wort Hebräisch], Griech. thygater, Lat. Filia oder Nata, Frantz. Fille, Ital. Figliuole, Engl. Daughter, Dän. Daater, Böhm. Deera, ist ein Kind weiblichen Geschlechts.  
Namen Ehedem hatten die Töchter verschiedene Nahmen. Ehe sie 12 Jahr alt waren, hiessen sie Minores. Wenn alsdenn noch ein halb Jahr vorbey war, hiessen sie Juvenculae, u. endlich Puellae. Seldenus de Jure Nat. et Gent.
  Bey denen Adelichen heissen die Töchter heutiges Tages Fräulein, bey denen Fürstlichen Personen Princeßinnen; bey denen Königen, Königliche Princeßinnen, bey denen Kaysern, Kayserliche Prinzeßinnen. In denen beyden Königreichen Portugall und Spanien aber werden sie mit dem absonderlichen Nahmen derer Infantin benennet, und gelangen in Spanien, Engelland und andern Reichens so gar nach Abgange des männlichen Stammes zur Erb-Folge, welches aber in Franckreich nicht statt hat.
  In der Heiligen Schrifft heissen so wie die Söhne, also auch die Töchter je zuweilen nicht nur das sämmtliche Manns-Volck und Frauenzimmer eines Landes oder einer Stadt, sondern zum öfftern gar gantze Völcker und Nationen, wie zum Exempel
 
  • durch die Töchter Zion das gantze jüdische Volck;
  • durch die Töchter Edom das gantze Edomitische Volck,
  • und durch die Töchter Tharsis das sämtliche Tharsische Land und Volck
 
  verstanden wird, wie davon die besondern Artickel nachzusehen sind.  
  So saget die Heil. Schrifft: Die Tochter Moab, die Tochter Ammon, die Tochter der Philister, wenn sie von dem gesammten Volck redet. So nennet sie die Tochter Juda, und verstehet darunter überhaupt die Jüden oder die Einwohner des gesammten Jüdischen Landes. Sie gedencket der Tochter Egypti, der Tochter Babylon, der Tochter Syria, der Tochter Tyri, und meynet darunter die gesammten Egyptier, die Babylonier, die Syrer und Tyrer.
  Es werden zuweilen auch in Heiliger Schrifft kleine Städte und Dörffer Töchter genennet, welche zu einer grössern Stadt, die gleichsam als ihre Mutter anzusehen ist, als Kinder gehören, wie davon
  • 4 B. Mos. XXXII, 41.
  • Jos. XV, 45.
  • Jud. I, 27. Cap. XI, 26.
  • 1 B. der Chron. VIII, 28. 29.
 kan nach gesehen werden.
  Ferner werden in Heil. Schrifft durch die Töchter im Hohenliede Salomonis Cap. II, 2. alle diejenigen verstanden, welcher ausser der Gemeinschafft des wahren Glaubens stehen. Diese sind der Welt, ihrer Mutter Töch-  
  {Sp. 578}
  ter, und daher keine freundlichen Töchter gegen den Himmlischen Bräutigam JEsum, weil sie ihrer Mutter-Art an sich haben, die ihn hasset, Joh. XV, 18.
  und weil sie also den hassen, so heissen sie auch seine gläubigen Gliedmassen, verfolgen, neiden und betrüben sie, und thun ihnen alles gebrannte Hertzeleid an. Daher in solchen Absehen die Heil. Schrifft sie abtrünnige Töchter nennet, Jer. XXXI, 22.
  also heisset das Volck Ammon, das den Kindern Israel soviel Dampff anthat, eine ungehorsame Tochter, Jer. XLIX, 4.
  und wie etwa der Heil. Geist, 1 B. Mos. VI, 24. die Kinder GOttes, das ist, die Nachkommen des gottseligen und frommen Seths, und die Töchter der Menschen, das ist, Cains boshafftigen Saamen, einander entgegen setzet; also will auch hier auf gleichen Schlag der Himmlische Salomo seine Freundin von den andern Töchtern, dem rohen Welt-Hauffen, unterscheiden.
Vorrechte der Söhne Vor denen Töchtern hatten bey denen Israeliten die Söhne allerhand Vorrechte.
Erbrecht Zum Exempel: Mit dem Erb-Recht hatte es bey ihnen folgende Bewandtniß, daß wenn kein Sohn vorhanden war, selbiges alsdenn erst auf die Töchter fallen solte, wie GOtt selber solch Gesetz bey Gelegenheit der Töchter Zelaphehads 4 B. M. XXVII, 8. gegeben hat, in welchem Orte das Gesetz der Erb-Töchter gegründet ist.
  Es ist zwar die Meynung nicht, als ob die Töchter von dem Väterlichen Erbe gantz ausgeschlossen gewesen, auch da, wenn Söhne da waren, maassen aus Job. XLII, 15. Röm. VIII, 17. das Gegentheil erhellet. Sondern wie es scheinet, war das Erbe denen Söhnen für den Töchtern eigen, was die Besitzung des Landes Canaan betraf, das einer jeden Familie zu Theil fiel; als da waren Äcker, Weinberge und dergleichen Dinge, welche denen Söhnen zum Erbe fielen, und in Ermangelung derselben allein den Töchtern zukam: Doch so, daß die Töchter auch ihr Theil an den Gütern ihrer Eltern hatten, als welche aus den Moabiten mit erbeten, und ihr Theil an den liegenden Gütern musten ihnen die Söhne mit Gelde bezahlen. Und hatte also mit dem Erbtheil der Töchter an den liegenden Gütern des Landes Canaan eine Bewandtniß, wie auch heutiges Tages mit etlichen Lehn-Gütern, welche in Ermangelung männlicher Leibes-Erben auf die Töchter fallen. Maassen auch das Land Canaan in Ansehung GOttes bey denen Israeliten fast eben wie ein Lehn war.  
  Solche Töchter nun, die keine Brüder hatten, und auf die auf obbeschriebene Weise ihrer Väter Erbtheil gefallen war, waren gehalten nicht ausserhalb ihren Stamm und Geschlecht sich zu verheyrathen. Denn als eben damahls die Stämme Israelis die Töchter Zelapheads zu heyrathen mit einander stritten, um also ihr Erbtheil zu ihren Stämmen zuziehen, und der Stamm Manasse, worunter sie gehöreten, solches gewahr ward, und besorgte, sie möchten in andere Stämme kommen, welche Entfremdung auch selbst im Jubel-Jahre nicht wieder würde ersetzet, sondern vielmehr dadurch unter der Hand des Besitzers befestiget werden; so stellten die obersten Väter des Stammes Manasse dieses Mose vor: Welcher auf GOttes Befehl antwortete, daß diese Töchter und alle ande-
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  re, die keine Brüder hatten, sondern ihres Vaters Erbe erbeten, nicht aus dem Geschlecht des Stammes ihres Vaters heyrathen solten, damit die Erbtheile der Kinder Israel nicht von einem Stamme zu dem andern fallen möchten, welchem auch die Töchter Zelapheads nachkamen 4 B. M. XXXVI, 1-12.
  Daß also hiermit nicht verboten war, daß Jungfrauen, welche Brüder hatten, nicht in andere Stämme heyrathen möchten, denn solche Töchter hatten das Erbe ihres Vaters nicht, und durfften die wohl ausser ihren Stämmen heyrathen. Und so konnten verschiedene Stämme, als die Priesterliche und Königliche Stämme durch Ehen wohl aneinander verbunden werden, dessen man auch einige Exempel hat, sondern solches durffte allein von solchen Töchtern, die das Erbe allein hatten, nicht geschehen. Und wenn eine Tochter an einen andern Stamm verheyrathet war, und ihr alsdenn das Erbtheil ihres Vaters zufiel, so war um derselben Ursache willen ihr Mann und ihre Kinder nicht ihre Erben, in Ansehung desselben Erbtheils, sondern ihre eigene Bluts-Freunde. Dies war auch die Ursache, daß Naboth seinen Weinberg, als der ein Stamm-Guth und Erbe seines Vaters war, dem König Ahab nicht verkauffen, und also entfremden wolte 1 B. der Kön. XV, 1 u.ff.
  Die Erb-Töchter dann waren eigentlich nur an die Stämme ihres Vaters gebunden; ja nicht allein an den Stamm, sondern auch an das Geschlecht des Stammes ihres Vaters. Denn so lauten die Worte des Gesetzes 4 B. Mos. XXXVI, 6. 8.
  Denn der Zweck des Gesetzes gieng dahin, daß das Erbtheil nicht in fremde Geschlechter kommen solte. Und darum musten sie in den Geschlechtern ihres Vaters bleiben, d.i. in der Familie, welche zu der Zeit, als sich die Erb-Töchter verheyratheten, für ihres Vaters Geschlecht gerechnet ward. Welch Gesetz nicht allein zu der Zeit war, als das Land Canaan solte getheilet werden, damit in der Theilung keine Vermischung der Stämme geschehen möchte; wie die Jüdischen Rabbinen wollen; sondern es war allezeit gültig, auch in denen folgenden Zeiten, wie unter andern aus dem Zeugniß des Josephus und auch aus dem apocryphischen Scribenten Tobias Cap. VI, 13, 17. VII. 12, erhellet.
  Ja es ist auch ein Nachbild dieses Gesetzes durch die Phönicier selbst zu den Atheniensern und andern Städten in Griechenland gekommen, daß nehmlich eine Tochter, die allein das Erbtheil hatte, ihren nächsten Blut-Freund heyrathen muste. Die Absicht GOttes bey diesem Gesetze war, so wohl den Unterscheid zwischen allen Stämmen Israels zu bewahren, welches nicht bestehen konnte, wo die Erbtheile nicht unterschieden blieben; als auch insonderheit, um dadurch zu seiner Zeit die Geburt des Meßia nicht allein in den Stamm Juda, sondern auch in dem Hause und Geschlechte Davids anzuweisen. Denn weil Maria keine Brüder hatte, (wie denn deren nirgends in der Heil. Schrifft gedacht wird) so ist sie eine Jungfrau gewesen, welcher das Erbe ihres Hauses zukam, wiewohl dasselbe gering war, und hat also nicht ausser ihrem Geschlecht heyrathen dürffen. Burmans Biblisch. Wercke
  {Sp. 580}
Ehekauf Die Töchter derer Morgenländer wurden von ihren Eltern gleichsam zur Ehe gekaufft, wie solches aus der Biblischen Geschichte zur Gnüge erhellet. Und eben daher kam es, daß Jacob in Ermangelung des Geldes bey dem Laban vor seine beyden Töchter solange dienen muste, 1 B. Mos. XXIX.
  Wie denn auch jetzo dergleichen Gebrauch noch nicht aufgehöret. Therenor Reise-Beschr. …
  Bey denen Griechen der ältesten Zeiten war ein gleiches gebräuchlich, daß die Töchter von ihren Vätern eben als im Morgenlande musten erkauffet werden, wie Aristoteles Polit. 2. 8. bezeuget. Hernach aber ist solches geändert worden, und haben die Bräute ihren Freyern noch etwas zugeben müssen, wie solches noch gerade in allen Europäischen Ländern Mode ist. Es kam nachhero bey denen Griechen gar soweit, daß sie wohl eher ihre Töchter, wenn eben nicht allzu grosses Gereisse um selbige war, auf das Spiel zu setzen, oder gar zu verschencken pflegten, wie es auf diese Weise Danaus nach Apollodoro mit seinen 50 Töchtern gemacht hat. Einige vornehme und wohlhabende Väter bey denen Griechen pflegten es allenthalben kund zu thun, und öffentlich ausrufen zu lassen, daß sie ihre Töchter auszugeben gesonnen wären, und wer Lust zu ihnen hätte, sich einfinden möchte. So hat es z.E. Tyndareus zu Sparta, nach dem Pausanias, mit der schönen Helena, und Clisthenes zu Sicyon, nach dem Herodotus mit seiner Tochter Agariste gehalten.
  Es muß auch solche Weise bey andern Völckern im Brauch gewesen seyn, wie aus dem Athenäus … von des Scythischen Königes Omartis Tochter, und aus Luciani Toxari von des Königes von Bosporo Leucanors Tochter erhellet. Athenäus, Plutarchus und Justinus berichten eben das von den Galliern in der Nachbarschafft der Stadt Maßilien, daß nehmlich des Königes Tochter sich unter allen den Phocäensischen Heerführer auserkohren habe.
Hurerei Die Hurerey wurde bey denen Jüden an denen Töchtern scharf geahndet. Mit denen Töchtern derer Priester verfuhr man bey ihnen so scharf, daß man solche wegen des gegebenen Ärgernisses gar verbrannte. Seldenus de Synedrii
Sorge wegen der Töchter Die Sorge wegen derer Töchter machet denen Eltern immer das meiste zu schaffen. Der alte Lehrer Hieronymus fraget, warum doch Jacob unter so vielen Söhnen nur eine eintzige Tochter gehabt, die ihm noch das gröste Hertzeleid verursacht? Und spricht unter andern: Man werde in denen Geschichten derer Alten nicht viel Exempel finden, daß GOtt einem Manne den er geliebet, viel Töchter gegeben habe. Damit er die Frommen der schweren Sorge und Unlust, welche die Töchter denen Eltern machen, überheben möchte
  • 1 B. Mos. XXXIV, 7.
  • Ildef. de Padill. in Hab. …
  Und unter denen Heyden scheinet Pythagoras gleicher Meynung gewesen zu seyn, welcher, als er gefraget wurde: Warum er doch seine Tochter an einen seiner ärgsten Feinde verheyrathet? Dieses zur Antwort gab: Er hätte ihm auf diese Weise kein grösser Unglück und Übel zufügen können. Ernst Liebes Gesch. Sichems und Dina …
  Bey
  {Sp. 581|S. 304}
  denen heutigen Japoniern mögen die Töchter auch nicht in allzubesonderm Credit stehen. Die Japonier sollen einiger Orten so arg seyn, daß sie sich ihre Kinder vor der Zeit der Geburt abtreiben, weil sie in dem Wahne stehen, daß die Mutter, die ein Mägdlein gebähre, zur Höllen verdammt werde.
  • Maffejus,
  • Francisci Sitten-Spiegel …
  Und die alten heydnischen Pommern haben sich kein Bedencken gemacht, die Anzahl ihrer Töchter, wenn sie zu groß geworden, auf folgende Weise zu mindern, daß sie nehmlich etliche davon, sobald sie waren zur Welt gebohren worden, erwürget oder im Wasser ersäuffet. Uhsens Hist. Geogr. Lex. Tit. Pommern.
  Bey den Einwohnern der Insel Ceilon aber müssen die Töchter in grösserm Ansehen gestanden haben. Einige Scribenten geben vor, daß der Vater allda allemahl die erste Nacht bey den vermählten Töchtern schlaffe, aus der Ursache, weil es ja billig wäre, daß derjenige die ersten Früchte genösse, der den Baum gepflantzet habe. Uhse c.l. Tit. Ceilon
  welches auch nach Herr Abels Bericht Parthey in seiner Reise-Beschreibung von denen Cingalen bemercket hat. Griech. Alterth. …
Nutzen Und es wäre nicht gut, wenn die Töchter der Welt und ihren Eltern weiter nichts nütze seyn solten, als inutilia terrae pondera, und carcinomata und vomicas parentum abzugeben. Was haben nicht offt Weibs-Personen der Republick vor nützliche Dienste geleistet. Eine eintzige Judith soll uns zur Besthätigung dessen genug seyn. Und o wie viele Töchter haben nicht ihre Eltern in ihrem Alter alsdenn tragen, und ihre Versorgung und Trost seyn müssen. Wir wollen ein paar merckwürdige Exempel aus den alten Geschichten anführen, wie Töchter ihren Eltern genützet.
  In Griechenland hat Conon im Gefängnisse Hungers sterben sollen, und hat niemand zu ihm kommen können, als seine Tochter Pero, welche ihren leiblichen Vater mit ihren Brüsten ernehret, daß er also beym Leben blieben. Als nun der Alte nicht sterben wollen, und die Obrigkeit die Ursache erfahren, haben sie ihm das Leben geschencket. Ein gleiches meldet Plinius von einer Tochter, die ihrer Mutter auf solche Weise das Leben erhalten. Denn als einer gewissen Sechs-Wöchnerin Mutter zu Rom im Gefängnisse verhungern solte; bewegte die Sechs-Wöchnerin den Türhüter, daß er ihr freyen Zugang zu ihrer Mutter verstattete; doch so, daß sie, weder Speise noch Tranck zu ihr bringen dürffte. Endlich aber befand er, daß selbige ihre Mutter mit ihren Brüsten nährete. Durch welche unerhörte Begebenheit damahls die Mutter nicht nur ihr Leben erhielt, sondern es wurden beyde deswegen auf gemeine Kosten ernähret, wie denn auch aus besagtem Gefängniß hernach ein Tempel zu Ehren der Frömmigkeit ist erbauet worden. Plinius hist. nat. …
     

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Stand: 6. Februar 2013 © Hans-Walter Pries