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Zedler: Tochter [4] HIS-Data
5028-44-577-6-04
Titel: Tochter [4]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 44 Sp. 591
Jahr: 1745
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 44 S. 309
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Übersicht
Rechte
  Erbrecht
  Kursachsen

Stichworte Text   Quellenangaben
Rechte Jedoch es ist Zeit, die Materie von den Töchtern auch noch nach denen Rechten abzuhandeln.  
Erbrecht Es sind aber die Töchter, nach Maßgebung dererselben, in vielen Stücken geringer, als die Söhne. Und ob sie sonst gleich, in Allodial- oder rechten Erb-Gütern mit denen Söhnen gleiches Recht zu erben haben; so Erben sie doch nicht in Lehn-  
  {Sp. 592}  
  Güter, wiewohl sie nach dem Unterscheid der Landes-Rechte, oder des Herkommens, an einigen Orten ein gewisses aus dem Lehen zu ihrer Ausstattung zu gewarten haben, an andern Orten aber nicht, es wäre denn gar kein Erb-Gut vorhanden. Wovon unter dem Artickel Tochter-Lehn ein mehrers.  
  Sie treten durch Heyrath in eine andere Freundschafft; jedoch behalten sie das Recht der Verwandtschafft mit ihrem Hause, und überlassen es auch ihren Erben. Hohe Standes-Töchter, wenn sie ausser Landes verheyrathet werden, sind verbunden, auf die Väterliche Verlassenschafft, vor sich und ihre Nachkommen, bisweilen eydlich, Verzicht zu thun. Daher denn auch seit geraumer Zeit unter der Schwäbischen und Fränckischen Ritterschafft über der Frage: Ob die Töchter für Erben ihrer Eltern und Brüder anzusehen, oder aber sich allein mit ihrer Ausstattung zu befriedigen haben? ein solcher Streit und Lermen entstanden, daß insgemein, so viele Verlassenschaften sind, so viele Proceße auch daraus zu entstehen pflegen.  
  Denn die Römischen Rechtsgelehrten finden in ihren Pandecten wenig Trost davon, und die wenigsten haben in die alten Reichs-Sachen eine Einsicht. Weswegen sie denn auf die Meynungen der Rechtsgelehrten verfallen, denen doch jeder seiner Parthey nach dem Munde geredet und gesprochen. Dannenhero noch jetzo alles durch einander lauffet, und Richtern und Advocaten etwas zuthun machet, welche doch beyde weder Grund, noch Ende sehen, dieser Ungewißheit abzuhelffen. Der verstorbene Cantzler von Ludwig thut also in seinen Gel. Häll. Anz. vom Jahre 1734. … nachstehenden Versuch, einem wie andern aus diesen Irrsalen heraus zu helffen.  
  Anfangs ist zu wissen, der Teutsche Adel habe in dem Erb-Rechte jederzeit die Weise gehalten, daß nur die Söhne geerbet, die Töchter aber blos mit einem Heyraths-Gute ausgestattet worden. Dieses besagen nicht allein die uralten deutschen Satzungen,
  • LL. Saxonic. …
  • LL. Ripuar. Francor. …
  • LL. Thuring. seu Agrior.
  sondern auch die Teutschen Satzungen mittlerer Zeiten, Sächs. Landr. L. Art. 12.
  und der Schwaben-Spiegel Art. 281. beziehet sich hierunter auf das Mosaischen Erb-Recht 2 B. M. XXVII, 8, 9, u.f. welchem das Schwäbische darinnen gleichkäme, daß nur die Söhne erbten, die Töchter aber aus den Väterlichen und Mütterlichen Gütern abgefunden, oder ausgestattet würden.  
  Wie nun die Göttliche Weißheit es also geordnet, daß solches dem Volcke Israel ein ewiges Recht seyn solle; also wird dasselbe auch bey denen heutigen Juden noch jetzo so genau gehalten, daß keine Tochter Erbe von ihren Eltern seyn mag, sondern das Erb-Recht den Brüdern allein zugehöret. Und da auch dieses Männliche Erb-Recht alle Europäische Völcker also beobachtet haben, daß die Töchter nur abgefunden worden, wie wir gar leichtlich eintzeler Weise darthun könnten; so möchte man dieses wohl gar vor ein Völcker-Recht des Teutschen Adels halten, weil ja wie aus denen Geschichten bekannt, die Europäischen Völcker alle mit denen Teutschen verbrüdert sind, und von einem Stamm-Vater herkom-  
  {Sp. 593|S. 310}  
  men. Wenn nun die Töchter anstatt des Erbrechtes, ihre Abfindung einmahl haben; so hat es dabey sein Bewenden. Und so wenig die Söhne auf die Güter, womit ihre Schwestern abgefunden worden, eine Anwartung oder Hoffnung auf den ledigen Anfall haben; so wenig wird dieselbe auch den Töchtern auf das Erbe ihrer Brüder zugestanden. Vielmehr stehet jedem Theile frey, mit dem Seinigen zu thun, was ihm gefället. Die Töchter können ihre Ausstattung veräussern und vertestiren, wie und wem sie wollen. Und dieses Recht verbleibet auch den Söhnen in ihrem Erbe.  
  Dieses ist nun die lautere und reine, aber bisher vielen gantz verborgen gewesene Wahrheit. Woraus denn folgende Rechtsgegründete Schlüsse von selbsten, als von einer lebendigen Quelle, fliessen; daß nehmlich  
 
1) die Verzicht der Töchter auf das Erbe vor einfältig und überflüssig zu halten,
 
 
2) es dabey weder eines Eydes, noch einer Erinnerung, oder Certifikation der Töchter bedürffe,
 
 
3) beydes aber aus Unwissenheit der Teutschen Rechte, von denen Römischen Gesetz-Gelehrten erstlich in den neuern Zeiten veranlasset worden,
 
 
4) der bedungene ledige Anfall der so genannten Regredientz- oder Rückgangs-Erben, für ein Römisches Ungeheuer zu halten, oder
 
 
5) allenfalls nicht anders zu verstehen sey, als wenn nehmlich die Erben die anererbten Güter nicht bey ihren Leben veräussert, oder darüber ein Testament gemacht; folglich
 
 
6) denen Erben, sie seyn Männlich oder Weiblich, wenn nehmlich keine Söhne vorhanden, das Veräusserungs-Recht, oder von ihrem Erbe zu testiren, allemahl frey stehet, und der bedungene ledige Anfall nicht anders zu verstehen, als auf den Fall, wenn der Eigentümer sein Erbe ohne Testament verlässet.
Ludwig l.c.
  Es wundern sich zwar die Jüdischen Ausleger, warum Moses den Streit, ob die Tochter, wenn kein Sohn vorhanden, ihren Vater erben möge? nach dem gemeinen Vorgeben der Rabbinen, für den Herrn gebracht; da es doch eine sehr leichte Sache gewesen, welche er selbst nach Gleich und Recht entscheiden, und solches bejahen können. Und meynen sie also, Gott habe hierunter seine Hand von ihm abgezogen, damit er die Schwäche seines Verstandes erkennen solte. Allein es ist dieses ein Zeichen, daß diese Schrifftgelehrten eine gar schlechte Einsicht in Rechts-Sachen haben müssen. Denn wie die Antwort bey Gott ausgefallen, dawider setzet sich noch jetzo die Vernunfft, und hält vor unbillig, das Weibliche Geschlecht dem Männlichen, die Töchter den Söhnen nachzusetzen; da es doch vielmehr heissen solte: Sind wir Kinder, so sind wir auch Erben; Nicht nur aber: Sind wir Söhne; so sind wir allein Erben, und schliessen die Töchter aus.  
  Wiewohl einige Ausleger das Wort Kinder in dem Briefe an die Römer c. VIII, v. 17. in einen Männlichen Verstande nehmen. Ein Kind solle ja wohl den Eltern, dem Geschlechte nach, so lieb seyn; als das andere. Eben wie der gerechte Hiob, seinen Töchtern mit seinen Söhnen Erbtheile angewiesen. Job. c. ult. v. 16.
  welches aber mehr vor eine Ausnahme des Gesetzes, oder auch vor eine Wei-  
  {Sp. 594}  
  se vor dem Gesetze Mosis zu halten. Aus welchem Grunde auch Justinianus denen natürlichen und Göttlichen Rechten gemäß zu seyn geglaubet, die Töchter mit den Söhnen zugleich erben zu lassen, und allen Unterscheid und Vorzug des Männlichen Geschlechtes für dem weiblichen durchaus aufzuheben, auch allen seinen Unterthanen in dem Römischen Gebiete zu untersagen, wovon das Justinianisches Recht voll ist, besonders in §. 15. und 16. Inst. de Haeredit. …
  davon jedoch auch einige die wahre und geheime Ursache zu seyn glauben, weil Justinianus selbst keine Männliche Erben gehabt.  
  Alles dessen ohngeachtet, lässet sich die Göttliche Weisheit also hören:  
  Wenn jemand, (Vater oder Mutter) stirbt, und hat nicht Söhne; so solt ihr, (alsdann erst) sein Erbe seinen Töchtern zuwenden. Hat er aber Söhne, so erben diese allein, und die Töchter werden, zu ihrer Nothdurfft, mit etwas mäßigem, an Haab und Gut, abgefunden. Und dieses solle den Kindern Israel ein Gesetz und Recht seyn. 4. B. Mose XXVI, 7. 8. 9. und XXXVI, 6. welches Philo in Vita Mosis … mit besonderm Nachdruck wiederhohlet.
  Ohngeachtet nun von der heutigen Weise der Juden nicht allezeit ein Schluß auf den rechten Gebrauch der Heiligen Schrifft zu machen; so ist doch leichtlich zu erachten, daß, da Leben und Sterben, folglich Erbe lassen, und Erbe nehmen, die tägliche Erfahrung lehret, die Juden auch nicht so leicht von dem alten Herkommen und Sitten abweichen mögen: mithin ihr heutiger Gebrauch vor eine in denen Rechten so genannte Usual Interpretation billig anzunehmen.  
  Aus welchen Ursachen ich mir sodann die Mühe gegeben, sagt bemeldeter Ludwig l.c. … geübte Talmudisten hierunter zu Rathe zu ziehen, und dieses Jüdische Erbrecht, in nähern Umständen, als sonst niemahls noch geschehen, ausfindig zu machen. Bilde dir auch nicht ein, fährt derselbe fort, daß ich den, der Jüdischen Gesetze hocherfahrenen Johann Seldenus in dem Büchlein de Success. … woselbst aber von denen hierbey einfallenden Rechts-Fragen gar nichts zu finden, allhier ausschreiben werde. Wir wollen also in der von Gott angeordneten Erbfolge die Rabbinen reden lassen. Besonders, da unsere heutigen Juden, ohngeachtet dieselbe unsere Landes-Gesetze geniessen, und solchen unterworffen, sich nach diesem Göttlichen Erbrechte noch jetzo zu richten pflegen. Denn die Juden halten dieses vor ein Göttliches Gesetze, dem sie nicht entgegen handeln dürffen; weshalben auch den Schutz-Juden keine andere Gesetze der Erbfolge aufgedrungen werden mögen, ob sie gleich in andern Mittel-Dingen nach denen Landes-Gesetzen sich zu richten haben. Ihre Sätze sind also folgende.  
  Und zwar erstlich: Die Söhne allein erben ihre Eltern; die Töchter aber werden zu ihrer Nothdurfft, mit einem gewissen Stücke Geldes abgefunden Choschen Misckpat Hilchos Nachlos
  Und dieses hat seine unausgesetzte Richtigkeit, dergestalt und also, daß, zweitens, nicht  
  {Sp. 595|S. 311}  
  einmahl dem Vater frey stehet, die Tochter zur Miterbin, neben den Söhnen zu machen, Choschen Mischpat ..
  welcher letzte Wille des Vaters, für null und nichtig deswegen anzusehen, weil solches dem Gebothe Gottes entgegen zu seyn erachtet wird.  
  Die Ausstattung und Abfindung der Töchter geschiehet, drittens, entweder von dem Vater, wenn sie sich bey dessen Leben verheyrathen, oder, nach des Vaters Tode, von denen Brüdern. Schülchen Aruch
  Wie hoch aber diese Abfindung seyn müsse, solches wird nach der Väterlichen Verlassenschafft, und dessen Größe oder Schwäche eingerichtet.  
  Das solchem nach viertens, der Richter die Abfindung der Töchter oder deren Heyrath-Guth, nach der Eltern Tode, würdern, und auf etwas gewisses setzen muß. Ibid. …
  Wenn der Vater den Töchtern etwas mehrers zuwenden will; so kan er es solches, fünfftens, nicht unter dem Worte Erbe thun, weil die Söhne allein erben; sondern er muß solches ein Geschencke heissen. Choschen Mischpat
  Auch darff, sechstens, dieses Tochter-Geschencke nicht höher, als die Helffte von demjenigen seyn, welches die Söhne im Erbe bekommen. Meiras Enaim
  Noch werden die Töchter, siebendens, nicht allein von den Söhnen, sondern auch der Söhne ihren Kindern, von aller Erbschafft des Groß-Vaters, oder Ober-Elter-Vaters, ausgeschlossen. Choschen Mischpat
  Mit beygefügter Ursache, weil der Enckel in seines Vaters-Recht deswegen tritt, da sein Vater schon bey dem Leben des Groß-Vaters, vor einen Erben gehalten worden; folglich es keines Repräsentation-Rechtes bedarff. Meiras Enaim
  Wenn also die Söhne einmahl geerbet; so stehet, achtens, den Söhnen frey, mit ihrem ererbten Gute zu machen, was ihnen gefället. Sie können solches veräussern und geben, wem sie nur wollen: Choschen Mischpat
  Dahero, neuntens, der ledige Anfall der Töchter, Schwestern, oder ihrer Kinder, nur also zu verstehen; wenn selbige das gemeine Erbrecht treffen würde, ohne deshalben ihren Brüdern oder ihren Kindern die Hände zu binden. Ibid. …
  so wenig nehmlich, als die Söhne mit diesen Töchtern den ledigen Anfall verhalten mögen, das Gut, womit sie abgefunden, nicht zu veräussern.  
  Aus welchen Umständen denn, zehendes, folget: Daß die Juden von der Verzicht der Töchter gar nichts wissen;  
  Eilfftens, auch dergleichen Verzicht deswegen weder fordern noch zulassen mögen, weil, im Falle keine Söhne vorhanden, die Töchter keine Erben heissen, sondern nur gesaget wird, daß die Verlassenschafft, bey ermangeltem Erben, auf die Töchter übertragen werden solle. 4 Buch Mose XXVII, 8.
  Zwölfftens, mag also ein Bruder seine Verlassenschafft einem Fremden, eigenen Gefallen nach, zuwenden, ohne daß den abgefundenen Schwestern erlaubet ist, einen ledigen Anfall vorzugeben, und deswegen die Brüderliche Verlassenschafft in Anspruch zu nehmen.  
  Wenn nun dieses alles seine untrügliche Richtigkeit, so wohl dem Absehen der Göttlichen Weisheit nach, gehabt, als auch unter den Juden die-  
  {Sp. 596}  
  ser Gebrauch noch jetzo ist, daß die Söhne allein erben; auf die Töchter aber, in Ermangelung der Söhne, die Verlassenschafft der Eltern, Vater und Mutter, nicht geerbet, sondern, nur, wenn keine Söhne vorhanden, gebracht wird: so möchten doch die, in der Schwäbischen und Fränckischen Ritterschafft befindliche, von Adel, welche denen Göttlichen Gesetzen noch jetzo in Ausschließung der Töchter, von dem Erbe der Eltern, durch die Söhne nachgehen, von dem Überbleibsel des Israelitischen Volckes, auch das Erkänntnis lernen und annehmen, wonach ihre fast unendliche Streit-Fragen, über der Verzicht der Töchter entschieden werden könnten: Weil doch andernfalls diese Sachen in einer so unsäglichen Verwirrung durch das Gemenge der Römischen und Teutschen Rechte gehalten werden, daß insgemein Richter und Advocaten davon mehr Vortheil, als den Partheyen übrig gelassen zu werden pfleget. Wovon unter dem Artickel Verzicht, ein mehrers.  
Kursachsen So viel anbey die Chur-Sächsischen Landes-Gesetze anbetrifft; so hat, nach Maßgebung dieser, eine Tochter, welche bey ihrer Ausstattung gegen ihre Mitgifft eydliche Verzicht gethan, ferner keine Anforderung, wenn gleich der Vater hernach reicher geworden. Constit. 35 p. 2.
  Sie kan auch des Vaters Testament nicht befechten, wenn ihr etwas mit Vermeldung des Wortes Legitima, oder Mitgifft, verlassen worden. Constit. 9. p. 3.
  Die Legitima kan sie auch aus neu-erkaufften Lehn-Gütern fordern. Andere sonderliche Constit.
  Und bey entstehendem Streite, ob ein Gut, Lehn oder Erbe, wird sie bey der Possess gelassen. Decis. 37.
  Wegen ihrer Ausstattung aber, hat sie im Lehn kein dinglich Recht mehr.
  • Erläut. Proc. Ordn.
  • Proc. Ordn.
  Wiewohl der Lehns-Folger die darzu gemachte Schuld agnosciren muß. Constit. …
  Die Gerade aber kan sie neben dem Erbe fordern, Constit. …
  Da hingegen eine Wittwe, so erben will, dieselbe fahren lassen muß, Ibid. und Constit. …
  und gehören ihr die Gerade-Stücken auch von dem Hochzeit-Geschencke. Constit. …
  Doch wird ihr die Gerade in die Legitimam oder das Pflicht-Theil eingerechnet. Constit. …
  Eines Priesters-Tochter, hat des halben Gnaden-Jahres ohne Unterscheid, ob sie ausgestattet, oder nicht, mit zu geniessen. Rescript. 1639.
  Derjenige, so eines Meisters-Tochter heyrathet, ist so wenig, als eines Meisters-Sohn, vom Meister-Stücke befreyet.
  • Rescript. 1676.1679.
  • Resolut. 1681.
  Mutter und Tochter wissentlich beschlaffen, wird mit Staupenschlag und Landes-Verweisung bestraffet. Constit. …
     

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Stand: 23. August 2016 © Hans-Walter Pries