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Nachdem wir die besondern
Meynungen vom Tode zusammengefaßt, so
wollen wir uns
zur¶ |
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Philosophischen Abhandlung des Todes¶ |
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wenden, und desselben
Wesen und Beschaffenheit betrachten. |
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Wesen und Beschaffenheit |
Was das Wesen und die Beschaffenheit des Todes anlangt, so ist man in der
Beschreibung derselbigen nicht einig, wie denn unter den Cartesianischen und andern
Theologen ein Streit gewesen, ob er in einer Absonderung der
vernünfftigen
Seele und des
Leibes; oder in einer Zertrennung der
cörperlichen
Machine; oder in einer Auslöschung der
natürlichen Wärme und Aufhebung der Respiration bestehe? |
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Es können von dem Tode verschiedene Beschreibungen gemacht werden, so ferne man
ihn in unterschiedener Absicht betrachtet. Denn siehet man ihn auf eine sinnliche Art an, und
betrachtet den
Stand, darinnen sich ein toder
Mensch befindet, nach den äusserlichen
Sinnen, so siehet man, daß alle sinnliche Empfindlichkeit und
Bewegung weg ist, in welcher
Absicht man sagen könnte, der Tod sey eine Endschafft des
Lebens, oder aller sinnlichen
Empfindlichkeit und Bewegung. Will man aber bey der Definition auf die
Ursache des Todes
sehen, so kommt es darauf an, worinnen das Leben eines Menschen bestehe. Es gehöret
dasselbige zu seiner Physicalischen
Natur, und muß man dessen
Grund nicht so wohl in der
Seelen; als vielmehr in dem
Leibe suchen. Denn obwohl der Mensch aus einer
Physicalischen und
Moralischen Natur bestehet, und ihm deswegen ein gedoppeltes Leben,
ein Physicalisches und Moralisches kan beygeleget werden, so
verstehet man doch, wenn
man das Leben dem Tode entgegen setzet, eigentlich das Physicalisches Leben. |
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Solches
Leben bestehet in einer Physicalischen Empfindlichkeit und
Bewegung, welche
vermittelst der Lebens-Säffte und des Herumlauffen in dem Geblüte, und der damit
verknüpften Wärme verursachet und unterhalten wird. Steht nebst den Lebens-Säfften das
Geblüte stil- |
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{Sp. 634} |
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le, daß die Wärme weg ist, und die Bewegung nebst der Empfindlichkeit aufhöret, so ist
das Leben weg, und gehet der Stand des Todes an. Auf solche Weise wäre der Tod
derjenige
Stand eines lebendig gewesenen Geschöpffs, wenn durch den Stillstand des
Umlaufs des Geblüts und der Lebenssäffte die Bewegung und die Empfindlichkeit
aufgehöret. |
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Ursachen |
Die
Ursachen, die solchen Stillstand veranlassen; oder unmittelbar verursachen, sind
unterschiedlich. Unser
Cörper kan entweder durch eigene
Würckung sich selbst nach und
nach entkräfften, und verdirbt; oder er wird durch Ursachen von aussen destruirt und
aufgelöset, so, daß die
Seele nicht mehr würcken kan, und eine gäntzliche Verwesung
darauf erfolgen muß. Und hierinne bestehet eben der Tod, welchen man auch eine
Aufhörung aller Würckungen und
Empfindungen
des
menschlichen
Leibes nennen kan. Es
finden sich nehmlich etliche
Bewegungen in unserm Cörper, welche darinne von selbst und
nothwendig, so lange die gehörigen Ursachen da sind, erfolgen. Vornehmlich aber würcket
dadurch nach ihrer
Freyheit
die Seele, vermittelst welcher auch die
Sinnen und
Empfindungen, darinne verspüret werden. |
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Alle diese
Würckungen und
Empfindungen hören im Tode auf, woraus man zugleich
erkennet, worinne der Tod vom Schlaffe recht unterschieden sey. Die Hauptursache des
Todes ist demnach die Verletzung des
Leibes in seinen Haupttheilen, wodurch er zu fernern
Würckungen und Empfindungen untüchtich gemacht wird, sonst aber finden sich noch
verschiedene
Ursachen, welche dieses wiederum zu verursachen pflegen. |
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Zuerst und vor allen Dingen muß die Göttliche Vorsehung hieher gerechnet werden.
Denn weil an dem Tode eines
Menschen, damit er zu rechter Zeit geschehe, offt sehr viel
gelegen ist: so ist daraus leicht abzunehmen, daß
GOtt auch mit seiner Vorsehung darüber
walte, und dem Menschen kein gehöriges Ziel setzen werde; doch kan GOtt nach seiner
Allmacht unser
Leben, wenn es nöthig, so wohl verlängern als verkürtzen. |
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Hiernächst bedienet sich GOtt in seiner Providentz auch wohl darzu der Engel und
Geister, noch mehr aber pfleget ein
Mensch den andern zum Tode zu verhelffen, entweder
durch Verführung zu schändlichen Lastern, oder aus
Pflicht mit
Gewalt, oder mit Unrecht,
wohin auch der Krieg mit zu rechnen ist. |
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Am meisten ist aber wohl der Mensch selbst Schuld an seinem Tode. Mancher nimmt
sich das
Leben selbst aus Verzweiffelung, Unvorsichtigkeit oder stürtzet sich durch ein
unordentliches Leben in gefährliche Kranckheiten; oder es werden seine
Kräffte durch das
Alter geschwächt, daß sie endlich matt werden.
GOtt bedienet sich auch öffters der unvernünfftigen und
leblosen Geschöpffe, einem Menschen zum Tode zu verhelffen. Also wird mancher
Mensch von den Thieren zerrissen, und getödet, andere kommen im Wasser und Feuer
um; manchen erschlägt ein Baum, ein Stein vom Dache u.s.f. |
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Nach allen diesen
Ursachen des Todes lässet sich auch die Abtheilung desselben
machen, wenn man von einem natürlichen, unnatürlichen und
übernatürlichen Tode
redet.
Wenn nun der
Leib im Tode weder
Em- |
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{Sp. 635|S. 331} |
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pfindungen noch irgend einige
Würckungen mehr zulässet, so kan die
Seele in
demselben nichts mehr nützen, noch die Absichten durch ihn erhalten. Indem sie nun vor
sich unsterblich ist, und also nach dem Tode des
Leibes noch immer lebt, und auch aus
eigenen Kräfften etwas würcken und vollbringen kan: so würde sie sich vergeblich ferner im
Cörper aufhalten, wenn sie sich nicht von demselben trennen wolte. Hieraus siehet man
deutlich, daß die Scheidung des Leibes und der Seele, nicht der Tod selbst, sondern
vielmehr eine natürliche Folge des Todes sey; ingleichen, daß auch die Seele vom Leibe
sich nicht trennen könne, bis er bereits
gestorben ist. |
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Hierauf erfolget weiter die gäntzliche
Zertheilung und Destruction des
Cörpers. Es gehet
zwar als eine
Ursache des Todes schon vorher, daß bereits im Cörper etwas verletzet und
dissolviret ist: allein die völlige Verderbniß desselben folget erst, wenn die
Seele davon
abgeschieden ist, denn alsdenn kan weder der
Leib sich selbst, noch die Seele denselben
länger erhalten. |
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Wolte man aber auch das
Moralische Leben des
Menschen, welches auf die
Vereinigung der
Seelen mit dem Leibe beruhet, sehen, und in dieser Absicht den Tod eine
Trennung der Seelen vom Leibe nennen, so würde dieses bloß der Moralische Tod,
seyn,
der gleichwohl nur auf den Physicalischen, oder eigentlichen Tod
erfolget. |
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Von der moralischen Ursache, warum alle
Menschen
sterben müssen? weiß ein
natürlicher Mensch nach der
Vernunfft nichts gründliches. Denn wie man aus der
Natur nicht
wissen kan, daß ein Stücke der Glückseligkeit im Paradiese die Unsterblichkeit gewesen;
also weiß man auch nichts von dem
Sünden-Falle, und daß unter andern auch der natürliche
Tod als eine
Straffe darauf erfolget. |
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Wir sehen dieses an den Heyden, daß wenn sie in ihren
Schrifften drauf kommen, so
wissen sie keine tüchtige
Ursache anzugeben. Die meisten beschwerten sich über die
Natur,
welche den Menschen so gebrechlich und elende gemacht, daß er nicht immer leben könnte,
welches selbst Seneca de brevitate vitae c. 1. bezeuget, daß ein grosser Theil der
Menschen, auch darunter berühmte Leute deswegen über die Natur die Klage geführet,
welches sonderlich Plinius in der Vorrede seiner historiae naturalis
gethan, daraus man
siehet, wie diese Leute das menschliche Elend zwar
erkennet: aber die Ursache davon nicht
gewust. |
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Insbesondere meynten die Stoicker, es brächte dieses das unvermeidliche Schicksal so
mit sich, von denen unter andern der angeführte Seneca Epist. 30. schreibet:
Si quid ergo [folgen acht Zeilen in lateinischer Text]. |
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Diese
Worte führet
der berühmte
Herr D.
Müller in den Anmerckungen über
Gracians Oracul
Maxim. 90. p. 702. an, und nachdem er voraus gesetzet, daß das formale Wesen eines
jeden wahrhafften Guts in dem Genuß und einer mit Ver- |
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{Sp. 636} |
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nunfft angenehmen Empfindung derselbigen bestehe; folglich auch das formale Wesen
eines wahrhafften Übels in einer angenehmen
Empfindung derselbigen beruhe, so schliesset
er auch, daß der Tod kein Übel oder Unglück eines
Lebens sey, weil er kein Leben und
keine Empfindlichkeit und also auch kein unglückseliges Leben involvire. Denn der Tod sey
eine Trennung der
Seelen von dem
Leibe, und diese Trennung bringe nothwendig eine
Endschafft aller sinnlichen Empfindungen mit sich. |
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Weitere Fragen |
Wir haben demnach das Wesen die Beschaffenheit, und die Ursachen deutlich zu
zeigen uns bemühet, und können folglich zu andern philosophischen und
moralischen
Betrachtungen fortgehen, wozu wir noch einige Fragen und derselben Beantwortung
hinzufügen werden. |
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Der erste Satz, den wir allhier auszuführen vor nöthig erachten, ist dieser:
Man muß
öffters an seinen Tod gedencken. Die
Vernunfft siehet ebenfalls die
Nothwendigkeit und den
Nutzen von Ausübung dieser
Pflicht ein, und man muß derselben allerdings einen Platz in
der
philosophischen
Sittenlehre einräumen. Die Betrachtung des Todes und der
Unsterblichkeit der
Seele, alsdenn der Flüchtigkeit dieses
Lebens sind die eintzigen Mittel,
die
Welt verläugnen zu lernen, und wer diese vornehmste Tugend der Sittenlehre, die der
Grund aller übrigen Tugenden ist, ausüben will, der muß jene Mittel gebrauchen. |
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Die erste dieser beyden Betrachtungen muß uns überzeugen, daß auch die gröste
Glückseligkeit dieses Lebens noch nicht der letzte
Endzweck des
Menschen seyn könne,
sondern noch über denselben ein weit höherer, mit der
Seele selbst unvergänglicher
Zweck
zu erwarten sey. |
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In der andern aber dieser beyden Betrachtungen, welche wir durch die
Erfahrung
anstellen müssen, finden wir genugsamen
Grund, uns zu überzeugen, daß gegen jenen
hohen
Endzweck das zeitliche
Leben in der
Welt,
und dessen flüchtige Kürtze, und mit so vieler Noth vermengte Freude, noch
endlich wohl zu vergessen sey. |
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Es ist zwar wahr, daß durch alle diese Betrachtungen, der natürliche Abscheu
vor dem Tode, in soweit er animalisch, und also ausser unserer
Gewalt
ist, sich nicht tilgen lasse: aber diesen Abscheu müssen wir durch die
angeführten weisen Vorstellungen der
Vernunfft nach und nach überwinden lernen. Denn eben
dadurch, weil wir hierinne unserer
Natur
nicht geringe Gewalt anthun müssen, wird dieses zu einer hohen Tugend, und desto
mehr sollen wir nach derselben streben. |
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Denn es ist doch einmahl gewiß, daß dieses flüchtige zeitliche
Leben ein Ziel habe, es
ist gewiß, daß wir von der Stunde unsers Todes nichts wissen, und alles dieses ist dem
Menschen nicht etwa wie dem Vieh verborgen. Dahero muß die Betrachtung des Todes
auch nur damit man der
Zufriedenheit, die in diesem Leben möglich ist, fähig werden möge,
ein unentbehrliches Mittel seyn, das Hertz nicht an die
Welt zu hängen, d.i. nicht seinen
letzten
Zweck in der Welt, und also in dem zeitlichen Leben, welches uns mit der Welt auf
eine nur so kurtze Zeit verbindet, zu suchen. Wer seinen letzten Zweck in diesem Leben
sucht, der weiß in Ansehung der Gewißheit des Todes gewiß, daß er dessen bald werde
verlustig werden, er |
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{Sp. 637|S. 332} |
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muß man auch in Ansehung der Ungewißheit der Stunde des Todes, solches
Verlustes
täglich gewärtig seyn. Ist der letzte Zweck verlohren, so sind alle Zwecke verlohren, indem
die übrigen nur Mittel des letzten, und also nur wegen desselben und durch denselben
Zwecke sind. |
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Schläget ein
Mensch vollends das Andencken der Flüchtigkeit des
Lebens und aller
zeitlichen
Zwecke desselben aus dem
Sinne, welcher
Zustand, der
Stand fleischlicher
Sicherheit heißt; so wird besagte Flüchtigkeit selbst, ihm bald eine desto
ängstlichere
Erinnerung ihrer beybringen, je länger die Sicherheit gewähret, und je weniger Zeit ihm also
sich dem
Stande der Verzweiffelung zu entreißen, übrig ist. Wer demnach bey allem
Genusse, auch des wahren zeitlichen Guten, sein
Gemüth bey Zeiten an diese weise
Einrichtung gewöhnet, daß er nur seine äusserste Haupt Absicht, nicht in solchen flüchtigen
Genusse suche, sondern immer des baldigen Endes, dagegen aber eines desto
vollkommeneren Genusses des Guten nach dem Tode gewärtig sey; der findet in dieser
weisen Einrichtung des Gemüths das eintzige unentbehrliche Mittel, bey aller Vergänglichkeit
des zeitlichen Vergnügens, bey aller Vermischung desselben mit so mancherley
Wiederwärtigkeiten, bey aller Betrachtung des uns gewiß und so bald bevorstehenden
Todes, ja endlich im
Sterben selbst, dennoch vergnügt zu seyn. |
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Diese weise Einrichtung des
Gemüths, hält zu gleicher Zeit, da sie zu einer wahren und
von dem Fehler der Eitelkeit gereinigten
Zufriedenheit dieses
Lebens, das beste beyträgt,
zugleich mit in sich die nöthige Vorbereitung zum Tode, die man also ehe man
stirbt, in
seinem gantzen Leben sich dergestalt muß angelegen seyn lassen, daß sie mit allen
unseren Absichten, und also auch sogar mit allen Vergnügungen dieses Lebens verbunden
sey. |
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Man darff auch nicht meynen, daß eine solche Vorbereitung zum Tode, die auf die
Verläugnung dieser
Welt, und auf die
Kunst mit gelassener Zufriedenheit zu
sterben abzielet,
eine allzu traurige Beschäfftigung dieses
Lebens sey, und die Zufriedenheit desselben
sonderlich stören werde. Nur die eitle Freude derjenigen, die mit ihren Hertzen, und der
letztern Haupt-Absicht desselben an der Welt kleben, wird dadurch gestöret: Die gemäßigte
zeitliche Zufriedenheit hingegen derer, die das Gute dieses Lebens, solange es währet mit
nehmen, ihre letzte Haupt-Absicht aber auf das Gute eines andern Lebens gerichtet seyn
lassen, und die Erreichung dieser Haupt-Absicht durch den Tod erwarten, kan mit
dergleichen Vorbereitung zum Tode nicht nur gar wohl bestehen, sondern ist auch
gröstentheils auf dieselbe gegründet.¶ |
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Die andere
Pflicht welche hieher gehöret und welche uns die
Vernunfft vorschreibt, ist
diese: Man muß den Tod soviel möglich zu vermeiden suchen. Dieses fließet aus der Pflicht,
unsern
Leib und
Leben zu erhalten, welche uns das
Recht der Natur lehret. Doch darf diese
Pflicht den Tod zu vermeiden, wenn sie der vernünfftigen
Selbst-Liebe gemäß und also eine
wahrhaffte Befugniß oder Pflicht seyn soll, der
Geselligkeit nicht zuwider seyn. Denn da das
gesellschaftliche Leben unsere eigne Wohlfahrt so wohl, als die Wohlfahrt anderer zur
Absicht hat, und ein
Mensch weder glücklich seyn, noch |
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{Sp. 638} |
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einmahl leben kan: so würde derjenige, der in aller Gefahr sein Leben nur in Absicht auf
sich allein, und ohne gewisse Absicht auf andere zu erhalten suchen wolte, es eben
hierdurch am allerersten
verliehren. Dieser würde in der Gefahr die er am meisten fliehet;
indem er sich von der
Gesellschafft der Gefahr mit andern, die doch offt das eintzige Mittel
wieder die Gefahr ist, aus allzugrosser
Liebe zum Leben abzutrennen sucht, am allerersten
seinen Tod finden. |
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Derowegen ist niemand schuldig nach dem
Grunde der
Geselligkeit mit Hindansetzung
aller Absicht auf sich selbst, nur um anderer willen, sein
Leben in die Schanze zu schlagen.
Also ist niemand schuldig sich in seinen Verrichtungen über die Gebühr anzugreiffen, daß er
sich dadurch Kranckheiten und wohl gar den Tod selbst zuziehet. Aus eben diesem Grunde
ist vielweniger jemand schuldig, sich bloß um eines andern, auch um seines besten
Freundes willen, in Lebens-Gefahr zu begeben, um entweder mit ihm zugleich, oder um ihn
zu retten an seiner statt umzukommen. Hieher gehöret auch der aus blossem geistlichen
Ehrgeitz affectirte Märtyrer-Tod, welchen sich die ersten Christen selbst zugezogen, da sie
doch ihr Leben hätten erhalten können, wie denn damahls viele wegen ungerechter und
unanständiger Thaten, welche sie gar leicht hätten unterlassen können, sich den Tod selbst
zu wege gebracht haben. |
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Es ist aber auch vors andere niemand befugt, mit Hindansetzung aller Absicht auf
andere, in aller Gefahr nur eintzig vor die Rettung seines
Lebens zu sorgen, und den Tod zu
vermeiden suchen. Dieses hiesse nur sich
lieben und andere nicht, welches wieder die
natürlichen Gesetze unserer eigenen Glückseligkeit lieffe. Die Unzuläßigkeit des Selbst-Mords, welcher auch hieher gerechnet werden kan, scheinet nicht so wohl aus dem
Grunde
der
Geselligkeit, als vielmehr aus den Gründen theils der natürlichen Theologie, theils der
Ethick zu fliessen. Dahero folgt nicht, daß wenn ein Selbst-Mord der Geselligkeit nicht
zuwieder ist, er dahero vor erlaubt zu halten sey. Man kan hiervon den
Artickel:
Selbstmord,
im XXXVI
Bande,
p. 1595. u.ff. nachlesen.¶ |
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