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Zedler: Türcken [4] HIS-Data
5028-45-1629-8-04
Titel: Türcken [4]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 45 Sp. 1629
Jahr: 1745
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 45 S. 846
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Übersicht
  Das Regiment
  Hofhaltung und Lebens-Art des Groß-Sultans
  Türckisches Wappen
  Titulaturen des Türckischen Sultans
  Bediente in dem Türckischen Reiche
  Verwaltung der Justitz
  Die Macht der Türcken
  Ihre See-Macht
  Türckische Feldlager-Pracht
  Benennung der Türckischen Helden
  Einkommen des Türckischen Reichs
  Türckische Landes-Regierung, und Gerichts-Personen, durch welche dieselbe
verwaltet wird
  Die Art, wie der Sultan Audientz zu geben pfleget

  Text Quellenangaben
  Türckische Geistliche und Orden.  
  Der Muffti ist der Türcken obrister Priester, und hat grosse Autorität, wird aber nach des Groß- Sultans Belieben ein- und abgesetzt. Bey seiner Installirung beschencket ihn der Kayser mit einem mit Zobel gefütterten Caftan, und stecket ihm ein mit 1000 Ducaten gefülltes Schnupf-Tuch mit eigener Hand in den Busen.  
  Er hat täglich eine Besoldung von 2000 Aspers. Er darf so viel Weiber nehmen als er will. Die gemeinen Leute tragen eine so grosse Ehrerbietigkeit gegen ihn, daß sie glauben, er wüsse die grösten Geheimnisse ihres Gesetzes, und nennen ihn dahero den Geist, welcher der Religion das Leben giebt. Seine Urtheile halten sie eben so hoch, als den Alcoran selbst, so, daß die Richter seinem Urtheile nicht widersprechen dürffen, ungeachtet er den Sultan selbst bisweilen, als den Osman und Ibrahim, zum Tode verurtheilet hat. Allein Amurath IV trat diese Würde unter die Füsse, und befahl den Muffti zu stranguliren.  
  Die Saracenen und Mamelucken bekennen sich gleichfalls zu der Mahometanischen Religion, wie auch die Maurer, Araber und Tartarn. Es giebt noch allerhand andere Secten, als die Azimes, Shiurdes und andere mehr, deren 67 und nach andern 72 gezehlet werden, welche alle dem Alcoran folgen, ihn aber unterschiedlich auslegen.  
  Dieser Unterscheid hat offt Kriege zwischen den Türcken und Persianern verursacht. Diese leztern hängen dem Ali an, einem von Mahomets Schülern. Sein und Omars, eines andern berühmten Schülers dieses Propheten Grab ist zu Babylon zu sehen. Des ersten Grab wird von den Persern heilig gehalten, daß deren Könige auf demselbigen das Schwerd empfangen, welche Ceremonie bey ihnen so viel gilt, als der christlichen Potentaten Crönung.  
  Wenn sie Babylon inne haben, zünden sie Lampen davor an, räuchern dabey, und schmücken es schön; da sie hingegen des Omars seines nicht allein vor unheilig, sondern auch vor gantz verächtlich halten, als einen bösen und schändlichen Ort. Sind aber die Türcken Meister von dem besagten Orte, so kehrt sich alles um, dergestalt nehmlich, daß so dann Omars Grab in Ansehen kommt, und schön geschmücket wird.  
  Sonsten giebt es auch unter ihnen viele Atheisten, und solche, die sich an gar keine Religion binden.  
  Es giebt in der Türckey unterschiedene Ordens-Leute, unter welchen die vornehmsten sind:  
  I. Dervis; diese tragen eine Kleidung von schlechten Tuch, aus brauner Wolle; etliche davon haben Hemder von dem gröbsten Tuche; auf dem Kopffe tragen sie einen sehr hohen und weiten Hut, ohne Rand; an dem Leibe eine Decke, oder weissen Mantel; ihre Füsse sind allezeit bloß; die Brust offen; um den Leib tragen sie einen ledernen Gürtel.  
  Alle Donnerstage nehmen sie vor der Sonnenuntergang keinen Mund-Bissen zu sich. Ihre Gelübde sind: Keuschheit, Armuth und Gehorsam: Sie schlaffen zwey und zwey in einer Celle, und lernen etliche Türckisch, Arabisch, Persisch lesen und schreiben. Alle Dienstage und Freytage hält der Oberste unter ihnen eine lange Rede, worinnen er etliche Vers aus dem Alcoran, oder etliche Sprüche ihrer Stiffter, oder der  
  {Sp. 1667|S. 847}  
  berühmten Lehrer des Mahomedischen Gesetzes erkläret.  
  Nach geendigter Rede bücken sie sich insgesamt mit grosser Ehrerbietigkeiit gegen ihren Obern, und denn drehen sie sich mit sonderbarer Geschwindigkeit herum in einem Circul, stehen bald wiederum ohnbeweglich stille, und geben Verzuckungen vor. In Egypten haben sie eine sehr ansehnliches Kloster, alwo sie einen Heiligen anruffen, Chedorle, von dem sie vorgeben, es sey der Ritter St. George. Busbequ. Epistol. I. Leg. Turc p. 93 u. ff.
  Eine andere Art von Dervis beschreibet Nicolas Weiland, Frantzösischer Abgesandter in der Türckey, welche am gantzen Leibe von Kopf an bis auf die Füsse beschoren sind, deren Kleidung ist von Ziegen-Fellen, eines forne, das andere hinten, und sind im übrigen Sommer und Winter nackend und bloß; sie wohnen in Vorstädten und Dörffern, und treiben grobe Laster mit Rauben und Morden auf den Strassen.  
  II. Ebebuharis haben ihren Ursprung von Ebebuhar, einem eyfrigen Manne, der ihrem Vorgeben nach, sich des Jahres dreymahl speisete mit Gersten-Brodt, Öle, Honig und Rosinen, damit er desto geschickter wäre zum Gebet. Diese nun halten ihre meisten Gespräche vom zukünfftigen Leben, fasten alle Montage und Donnerstage, und essen übrigens keine Speisen, die einen starcken Geschmack haben. Dahero befleißigen sie sich unausgesetzt der Mäßigkeit und guten Wercke, richten übrigens ihre Gedancken auf geistliche Dinge, und suchen durch heilige Dispositiones der Herrlichkeit GOttes theilhafftig zu werden. Im Jahr 912 nach Mahomet, ließ Sultan Bajazerth eine Moschee zu Ehren dem Emir Ebebuhar in Constantinopel aufbauen, darinnen sie ihr Convent halten.  
  Diesen werden fast gleich geschätzet, die Ordens-Leute, die sich  
  III. Nimetulhia nennen, und ihren Anfang 777 nach Mahomet genommen, von einem dieses Nahmens, der wegen seiner harten Lebens-Art in Ansehen war, von dem sie vorgeben, er habe öfftere Entzückungen gehabt, in welchen er mit Gott geredet, und daher sonderbare Geheimnisse von GOtt erfahren.  
  Sie kommen alle Montag des Nachts zusammen, die Einigkeit der Gottheit zu preisen durch Singen. Wer sich unter ihren Orden begeben will, der muß 40 Tage allein in einer Cammer eingeschlossen bleiben, und nur des Tages drey Unzen Speise zu sich nehmen, wenn dieses vorbey, wird er von seinen Mitbrüdern auf eine Wiese geführet zu tantzen. Geschicht es nun, daß die Novitii oder Neulinge Gesichter haben, so werffen sie ihre Mäntel zuruck, und fallen auf ihre Gesichter nieder, darauf ihr Oberster Gebether über sie hält, und so bekommen sie ihre Empfindlichkeit wieder, und eröfnen auf befragen ihres Obersten ihre Offenbahrungen.  
  IV. Der Radris-Orden wird hergeleitet von dem Stiffter Abdul Radri Gilani, der gebohren 561 nach Mahomet, und gestorben 657, welcher begraben liegt ausser den Thoren der Stadt Babylon, dahin seine Anhänger noch wallfarten; dieser hat durch seine Weisheit und Fasten bald ein Ansehen und grossen Anhang bekommen; wel-  
  {Sp. 1668}  
  che sich in diesen Orden begeben, dürffen kein Haar abschneiden, kein Haupt bedecken und immer barfuß gehen, auch sehr mäßig leben; das Gebet, welches die Türcken alle Tage fünfmahl zu verrichten pflegen, müssen sie ausser dem die gantze Nacht durch, oder aufs wenigste den grösten Theil davon, verrichten, und alle Freytage beständig das Wort Hai, welches so viel, als lebendig, heisset, und eine Eigenschafft GOttes anzeiget, ausruffen.  
  Ihre Tracht ist ein weisser Rock, der von groben Tuch gemacht, und haben ein Kloster in Constantinopel zu Tophana darinnen sie von ihrem Obersten ein gewisses Gebet lernen, welches er ihnen ins Ohr saget, solches sprechen sie hernach mit gebogenen Haupte bis auf die Brust, damit sie nicht andere Sachen mögen zu Gesicht bekommen, und in der Andacht gestöhret werden, unaufhörlich nach.  
  V. Der Kalendaris-Orden hatte zum Anfänger Sandon Kalendaris, einen rauchen Mann, der niemahls ein Hemde am Leibe getragen, sondern nur eine wilde Thieres-Haut über die Achsel hängend gehabt, er gienge mit blossem Haupte, und hatte den Leib voller Wunden. Aber seine Nachfolger tragen nun einen kurtzen Rock von Pferde-Haaren gewürcket, ihr Hut ist von weissen Filtz, nach Art der Griechischen Christen: An den Ohren, um den Hals und Arme haben sie eiserne Ringe, welche sie so gar an ihren Geschlechts-Gliede durch die Haut ziehen, um sich der Keuschheit zu befleißigen. Sie wohnen in kleinen Capellen, so sie Techie nennen, darüber diese Worte stehen: Wer in unsern Orden sich begeben will, muß die Wercke thun, die wir thun, und keusch und eingezogen leben. Sie sind aber in der That selten darinnen zu Hause, und halten sich lieber in Wirthshäusern als daheim auf.  
  VI. Die Edhemis sind von ihrem Ordens-Stiffter, Ibrahim Eddem, also genennet worden, dessen Vater ein Abyßiner von Geburt und Sclave gewesen, er aber hat sich der Tugend beflissen, und in Moscheen und Alcoranlesen mit gegen die Erde gewanten Gesichte seine Zeit zugebracht.  
  Sie tragen eine Kleidung von groben dicken Tuch, und auf dem Kopffe eine Kappe von Wollen, um welche ein Tulband gemacht ist, an ihrem Hals aber ein weisses Tuch mit rothen Flecken bezeichnet, ihre Speise ist Gersten-Brod. Zu Constantinopel werden wenige gefunden, destomehr aber in den Persischen Städten, insonderheit zu Chorasa, und in den Einöden, wo sie Löwen und Tyger zahm zu machen pflegen. Daneben ihre meiste Sorge dahin gehet, ein eingezogenes Leben zu führen, sich der Welt zu entziehen und kommen deswegen öfters zusammen von dem Enoch sich zu unterreden.  
  VII. Der Orden, Bectasses genannt, ist von des Sultan Amuraths Feld-Prediger, Bechtasch, gestifftet worden. Die Kloster-Männer dieses Ordens tragen weisse Kappen von vielen Stücken zusammen gesetzt, mit zusammen gedreheten Tulbanden, wie ein Strick, und sind weiß gekleitet: Sie verehren insonderheit das einige Wesen GOttes, mit Ausruffung des Worts Hu Hu, das ist, Er lebe. Dieser Bechtasch , als er  
  {Sp. 1669|S. 848}  
  sterben wolte, hat seinen Ermel von seinem Rocke abgeschnitten, und einem von seinen Leuten auf den Kopff gesetzt, mit den Worten: Ihr sollet hinführo Janitscharen heissen, das ist, neue Kriegsleute, und dahero tragen die Janitscharen Kappen mit abhangenden Ermeln, sind auch dieser Religion zugethan.  
  Dieweil nun ihr Urheber auch vorgeben, daß Niemand GOtt erkenne, weil Niemand denselben gesehen, so achten sie auch GOtt wenig, deswegen die eyfrigen Muselmänner die Janitscharen nennen: Leute ohne Glauben. Zu Kir hat dieser Orden eine grosse Menge Klöster, daselbst auch ihr Bechtasch begraben lieget, sie gehen in öffentlichen Proceßionen gemeiniglich mit entblösten Dolchen in der Hand, und rufen mit heller Stimme, Hu, Hu!  
  VIII. Der Orden Nereniß oder Hizrevis ist entstanden im Jahr Mahomets 712. Dessen Stifter war Herewi, der zu Prusa ein Santon gewesen, und sich vor einen König ausgegeben aus dem Geschlechte Mahomets. Als er sich vorgenommen, ein heiliges Leben zu führen, kasteite er seinen Leib mit Fasten, Armuth und Seufzen, so daß die Engel vom Himmel kommen und Zeugen worden seines strengen Lebens und Busse.  
  Der Kayser Orchanes hat selber Verlangen getragen diesen Heiligen zu sehen, und ihm aufs freundlichste zugesprochen, deswegen die Türcken diesen Ordens-Leuten grosse Ehrerbietigkeit erweisen, und sie vor erleuchtete Leute halten. Er trug ein grün Kleid, und flickte auch solches selbst, wenn es die Noth erforderte, denen Moscheen vermachte er viel Geld, und richtete viel Allmosen- Häuser zu Alcair und Babylon auf. Er liegt zu Prusa begraben, dahin viele Pilgrim kommen, und dessen Grab bereichern. Sie haben ein schönes Kloster zu Constantinopel.  
  Zu denen verschiedenen Secten, die bey denen Türcken gefunden werden, gehören noch  
 
  • 1) Hanife, dazu bekennen sich die Türcken und Tartarn.
  • 2) Scafie, dieser folgen die Araber.
  • 3) Malachie, dieser pflichten die Africaner bey, sonderlich in Algier, Tunis und Tripoli.
  • 4) Hambelle, diese hat wenige Anhänger.
  • 5) Museriner oder Ritagoristen, sind so viel als Atheisten.
  • 6) Pythagoristen, werden diejenige genennet, so sich in der Beschauung des Bildnisses Gottes üben, und ob sie schon zugeben, daß ein einiger GOtt, so verneinen sie doch auch nicht die H. Dreyfaltigkeit. Sie ästimiren wenig den Alcoran, und nehmen nur die Sprüche daraus, die zu ihrer Lehre dienen, und behaupten, daß alle Glückseligkeit und Wollüste des Paradieses bestünden in der Beschauung Gottes.
  • 7) Noch eine Secte ist zu Constantinopel bekannt worden, deren Anhänger genennet werden Chapmessahissen, das ist, des Meßiä getreue Jünger, und dieser folgen bey nahe alle Hofbediente, und die einen guten Verstand haben, auch der Tugend sich befleißigen. Sie bekennen, daß JEsus CHristus GOtt und Heyland der Welt sey, ihrer ist bereits eine grosse Anzahl, und haben einige unter ihnen über die Beständigkeit ihrer Lehre die Marter und Tod erlitten.
 
  Siehe übrigens auch den Artickel Münche (Türckische) im XXII Bande, p. 297.  
  Wer etwas umständliches von der Türckischen Religion,
  {Sp. 1670}  
  von dem Nahmen der Mahometaner, von Mahomets Genealogie, Nahmen, Geburt, Auferziehung, irrigen Lehren, Flucht u. d. g. ferner von den Ursachen, warum die Türckische Religion nicht aufhöre, wie nicht weniger von den unterschiedenen Meynungen, Trennungen und Ketzereyen unter den Mahometanern, kurtz wer von den Kirchlichen, und auch politischen Zustande der Türcken ein mehreres zu lesen begehret, dem wird des Johann Heinrich Hottingers Historia Orientalis, desgleichen dessen Archaiologia Orientalis vollkommene Genüge leisten.  
  Halii-Brigh, ein Dollmetscher an dem Hofe des Groß-Sultans im 17 Jahrhundert hat auf Bitte des Thomas Smith, einen Tractat de Turcarum Liturgia, peregrinatione Meccana, circumcisione, ægrotorum visitatione etc. gemacht, welches Hyde, dem es Thomas Smith überliefert, heraus gegeben hat.  
  Andreas Acoluth hatte einsmahls in Willens, nicht allein den gantzen Alcoran, sondern auch seine zusammen gesammlete Spolia Turcica, wie er sie nennete, herauszugeben, welche Spolia Turcica aus allerhand besondern Briefen, Arabischen Siegeln und Petschafften und andern Türckischen Curiositäten bestunden, woran er aber durch den Tod verhindert worden.  
  Von denen Religions-Streitigkeiten mit den Mahometanern handlet Walch in seinen Religions-Streitigkeiten ausser der Lutherischen Kirche, im V Tb. p. 579 u. ff. woselbst noch mehrere hieher gehörige Autores angeführet sind.  
  Das Regiment  
  bey denen Türcken ist gantz und gar monarchisch, und ist der Kayser ein absoluter Herr über seiner Unterthanen Leben, Ehre und Güter. Seine Befehle gehen über die Gesetze, deren sehr wenig sind. Diese haben alle den Fortgang der Waffen und die Erweiterung des Staates zum Endzweck. Die Türcken glauben festiglich, des Sultans Wille sey GOttes Wille . Diejenigen, welche in seinem Dienste sterben, verdienen ihrer Meynung nach, als Märtyrer gecrönt zu werden, welche aber seinen Befehlen ungehorsam sind, die verachten sie, als von GOtt verworffene und verdammte Menschen.  
  Sie lieben den Sultan, fürchten ihn aber noch mehr. Wenn seine Bedienten reich worden sind, so werden sie insgemein stranguliert und ihre Güter eingezogen, weil ihr Reichthum vor ein gewisses Zeichen ihrer Untreue angesehen wird. Diese Politiquen versehen den Sultan mit einem solchen Schatze, daß er davon seine grosse Armeen und vornehme Minister unterhalten kan. Er muß sich aber vor den Janitscharen und dem gemeinen Volcke sehr fürchten. Denn, wenn er die ersten zumahl nicht immer durch Geschencke auf seiner Seite hält, erregen sie einen Aufstand, werffen ihn ins Gefängniß oder stranguliren ihn, und erwehlen einen andern, der ihnen besser anstehet, welches auch geschiehet, wenn ein Sultan im Kriege unglücklich ist.  
  Bey der Wahl eines neuen Sultans haben die Türcken die Gewohnheit, daß sie ihren neuen Kayser allemahl zu einem gewissen Grabe führen, das sie Hiobs Grab nennen, und das von vielen vor desjenigen Heil. Mannes Grab gehalten wird, von dem wir in den Büchern Heil. Schrifft aufgezeichnet  
  {Sp. 1671|S. 849}  
  finden, daß er als ein frommer und exemplarischer, aber auch geplagter Mann in der Welt gelebet. Allein wir wollen eine Stelle aus dem Ricaut und Bespier anführen, die uns davon andere Nachricht geben wird. In dem Etat présent de l’Empire Ottoman durch Bespiern übersetzt heisset es Libr. I p. 16 ohngefàhr also:  
  Es ist die Gewohnheit der Türcken, allemahl, wenn ein neuer Kayer wird, daß sie denselben mit aller ersinnlichen Pracht an einen Ort in der Vorstadt zu Constantinopel führen, den man Hiob nennet. Daselbst siehet man ein Grab eines gewissen Propheten oder heiligen Mannes, welchen die Türcken, die nicht die geringste Erkänntniß weder von dem Alterthume, noch von der Historie haben, für denjenigen Hiob ausgeben, der so viele Jahrhunderte zum Muster der Standhaftigkeit und Gedult gedienet hat.  
  Ricauts Übersetzer Bespier machet eine Note über diese Worte, welche angeführet zu werden verdienet.  
  Ich glaube wohl, saget er, Remarques Curieuses sur 1’ Etat present de 1’ Empire Ottoman p. 4. daß einige plumpe, und in der Historie und Zeit-Rechnung übel unterrichtete Türcken, Hiobs Grab, welches an den Mauern dieser Stadt ist, für das Grab desjenigen heiligen Mannes halten können, dessen Historie uns in dem Alten Testamente erzehlet wird. Allein die Geschicht-Schreiber der Mahometaner belehren uns selbst, daß dieses Grab für einen andern Hiob gebauet worden, der ein Mahometaner, und ein Gefährte Mahomets gewesen. Er ist bey der Belagerung von Constantinopel geblieben, welcher vom Jezid, dem Sohne des Califen Moavias im 52sten Jahre der Hegira, oder dem 672sten Jahre Christi angegriffen worden war. Dieses bemercket Elimacinus in seiner Historie der Saracenen, 7 Capitel I Buch, und ob gleich Elmacinus ein Christ gewesen, so hat er doch nur angeführet, was er in denen Mahometanischen Historien-Schreibern gefunden, aus welchen er nach seinem eigenen Bekänntnisse Auszüge gemachet hat.  
  Einer von denen gelehrtesten Rabbinen des 17 Jahrhunderts ist in eben demselben Irrthume gestanden, als diese unwissende Türcken, Menasseh Ben Israel, de Resurrectione Mortuorum Lib. I c. 16, welchen Bespier p. 5 angeführet: Denn er versichert, daß die Mahometaner noch heutiges Tages grosse Verehrung gegen Hiobs Grab haben, das zu Constantinopelis ist. . . Er hat ohne Zweifel nicht gewust, daß dieses Grab eines andern Hiobs gewesen, als des Hiobs im Alten Testamente, und zur Unzeit geglaubet, daß er. alle Mahometaner für das Grab dieses heiligen Mannes halten. Siehe Baylens Hist. und Crit. Wörter-Buch, II Th. p. 899.
     
  Hofhaltung und Lebens-Art des Groß-Sultans.  
     
  Der Sultan stehet beyzeiten auf, und isset insge-  
  {Sp. 1672}  
  mein des Tages viermahl. Er sitzt auf Küssen, und lässet ihm durch seinen Hofmeister das Essen auf eine Soffa oder klein Tischgen, so wie ein Schemel aussiehet, und ein wenig von der Erde erhaben ist, sehen. Er hält sein Teller-Tüchlein auf seinem Arme, hat noch ein ander Tuch auf seinen Knien, und sitzt mit den Beinen creutzweise nach der Türckischen Art.  
  Das Brod, so man ihn aufträget, ist von einem sehr delicaten Teige gemacht, und so zart, daß man es mit den Händen zerreiben kan. Alle Speisen sind wohl abgewürtzt und delicat, und zwar in güldenen Schüsseln. Er hält keine Credentzer, und trinckt selten mehr denn einmahl.  
  Selim und Amurath IV, welche ihr Gesetze nicht genau beobachteten, truncken viel Wein. Der letztere pflegte den Weinstock den Baum des Lebens zu nennen. Seine Stocknarren und Stummen müssen unter währenden Essen eine stumme Comödie agiren, und allerley seltsame Gebärden machen. Wenn er einen von seinem Agalares eine sonderbare Ehre anthun will, wirfft er ihm ein Stück Brod zu, welches derselbe mit grosser Ehrerbietigkeit annimmt, es klein bricht, und den andern Anwesenden austheilet, gleich als wenn es einige kostbare Heiligthümer wären.  
  Nachdem das Essen hinweg genommen worden, spielt er mit seinen Stummen und Stocknarren, welchen er Geld giebt, damit sie alles desto gedultiger leiden mögen. Die vornehmste Sultanin wird auch sehr herrlich bedienet, und zwar durch schwartze Verschnittene, welche ihr lauter Schüsseln von weissen Porcellan auftragen, wenn der Sultan und die vornehmste Sultanin Tafel gehalten, wird den übrigen Bedienten aufgetragen, und alsdenn dem gantzen Serail.  
  Wenn er in seinen prächtigen Saiques eine Lustfahrt anstellet, so stehen die Agalares und vornehmste Bedienten des Seraglio, welche ihn begleiten; der Bastangi aber, welcher hinter ihm ist, und das Schifgen regieret, hat die Freyheit zu sitzen, und mit ihm zu reden.  
  Wenn der Sultan auf die Jagd gehet, oder des Freytags, so ihr gewöhnlicher Feyertag ist, die Moschee besucht, reitet er aus dem Seraglio in Begleitung der Bassen und anderer Minister. Einige Bediente gehen hinter ihm her, um die Bittschreiben anzunehmen, die ihm das Volck überreicht, wenn er vorbey gehet.  
  Die gemeinen Leute, welche niemahls nach Hofe gehen, noch sich zu ihrem Ober-Herrn nahen dürffen, halten ein brennend Bund Stroh auf ihrem Kopffe, wenn sie ihr Bittschreiben darreichen. Dieses geschieht um zweyerley Ursachen willen; erstlich, damit der Sultan sie in die Augen bekommen, und ihre Memoriale anzunehmen befehlen möge, und vor das andere ihm dadurch zu Gemüthe zu führen, daß seine Seele eben so in der Höllen brennen werde, woferne er nicht seiner Unterthanen gerechte Klagen anhören, und ihnen Hülffe schaffen werde. Vornehmlich dienet solches dazu, daß der Groß-Sultan hinter die Klagen des Volcks über die grossen Ministers kommen möge, und nichts unterdrückt werden könne.  
  Er grüsset das Volck mit einer kleinen Neigung des Haupts, und wird ihm von dem Volcke, nachdem er sich verdient gemacht, häuffig zugeruffen, zumahl, wenn er unter sie Gold und Silber auswerffen lässet.  
  Der  
  {Sp. 1673|S. 850}  
  Sultan hat 1000 auserlesene Pferde in seinen Ställen, ausser denjenigen, so in den Serails stehen. Es ist darüber ein Groß-Stallmeister, nebst andern kleinen Bedienten. Er hat trefliche Stutereyen zu Prusie, Magnesien und Adrianopel; es werden ihm auch die schönsten Pferde aus Persien, Cairo, Arabien, Hungarn und Siebenbürgen zugebracht. Die Zahl seiner Maulesel ist auch sehr groß. Denn wenn er in Person zu Felde gehet, sind 12000 vorhanden, die ihn begleiten.  
  An dem Feste Bairan lässet er sich öffentlich in aller seiner Pracht sehen, da er auf einer kostbaren Persianischen Tapezerey sitzt, den Bassas Erlaubniß giebt, seine Hand zu küssen, und seiner Unterthanen Huldigungs- Eyd annimmt. Der Vezier, welcher bey ihm stehet, zeigt dem Sultan diejenigen, die er nicht kennet, und erinnert ihn, wenn die, so das Gesetze lehren, oder die vornehmsten Hofbedienten kommen, damit er selbige mit einem Unterscheid empfangen möge.  
  Wenn diese Ceremonie aus ist, marschiret er im Staat nach der St. Sophien-Kirche, und kömmt sodann wiederum zurück in sein Gemach, allwo er die, so ihn begleiten, tractiret, und die Sultanin, ingleichen den Groß-Vezier mit Juwelen und Kleidern beschencket. Die Türcken schicken auch einander an diesem Feste Geschencke. In der Nacht zünden sie Fackeln an, stellen eine Eroberung der Städte vor, und halten noch unterschiedliche andere Spiele mehr, so drey Tage währet, binnen welcher Zeit die vornehmsten Standes- Personen, beyderley Geschlechts, dem Sultan grosse Geschencke bringen, womit sie sich um seine Gnade bewerben.  
  Indem nun gantz Constantinopel diese Lustbarkeit geniesset, müssen immittelst die Christen in ihren Häusern bleiben, damit sie nicht etwa von den Türcken, Soldaten und trunckenen Leuten beleidiget werden, welche von ihnen Geld fordern, oder sie auf tausenderley Weise zu beschimpffen pflegen.  
     
  Türckisches Wappen.  
  Der Türckische Kayser führet einen halben silbernen Mond im grünen Schilde, mit einer Löwen-Haut umgeben. Oben darauf liegt ein mit Perlen und Edelgesteinen geschmückter und oben miteiner offenen Crone und einer Reyher-Feder gezierter Turban, und auf jeder Seite siehet man einen Roß-Schweif gestecket. Der Mond soll von Ottomannen zuerst seyn angenommen worden, und vermuthlich wegen des Traumes über seine Geburt. In Siegeln findet man bey den Türcken gemeiniglich keine Bilder, sondern nur Buchstaben und gewisse Schrifften und Character, welches auch bey den heutigen Persiern und Indianern gewöhnlich.  
     
  Titulaturen des Türckischen Sultans.  
  Kayser Leopold bedienete sich in einem Schreiben an den Türckischen Kayser folgenden Titels:  
  Serenissimo et Potentissimo Principi, Domino Sultano et Hano Mustaffæ, Imperatori Turcarum, ac Asiæ et Græciæ etc. Vicino nostro honorato. Und inwendig im Schrei-  
  {Sp. 1674}  
  ben unterschrieb er sich: Serenitatis vestræ bonus amicus,  
  Leopoldus. Siehe Felleri Monumenta inedita Trimestre IV p. 235.
  Der König von Franckreich bedienet sich folgenden Titels an den Türckischen Kayser:  
  A tres-haut, tres-puissant et tres-magnanime Prince N. N. Empereur des Muselmans  
  à  
  Constantinople.  
  Zu Deutsch bekömmt er in Briefen folgenden Titel:  
  Dem Großmächtigsten, Vortrefflichsten, Großmüthigsten und Unüberwindlichsten Fürsten und Herrn, Herrn N. N. Türckischen Kayser, auch in Egypten, Tartarien, Arabien, Idumäa, Alexandrien, Cappadocien, Persien und Babylonien Könige etc.  
     
  Bediente in dem Türckischen Reiche:  
  Der obriste Bediente in dem Türckischen Reiche ist der Muffti, welcher bey ihnen soviel gilt, als bey den Catholischen der Pabst. Diesem folgt der Groß-Vezier, welcher den gantzen Kriegs-Staat dirigiret (auch zugleich in weltlichen Sachen obrister Minister ist) und in des Groß-Sultans Abwesenheit (wann wenigst ein Krieg in Europa zu führen) die gantze Türckische Macht in dem Felde commandiret.  
  Diese beyden, wenn sie etwas verbrechen, oder sonst in des Groß-Sultans Ungnade gefallen, werden auf dessen Befehl gar leichtlich stranguliret, wiewohl dieses, wenn sie bey dem Volcke in gutem Ansehen gestanden, zu vielen Revolten Anlaß gegeben. Der Vezier Azem oder Groß-Vezier wird von dem Sultan selbst zu seinen Amte mit Übergebung des grossen Reichs-Siegels, welches er Lebenslang, so lange er Vezier heißet, am Halse tragen muß, installiret, und ist die Besoldung eines Groß-Veziers zwar eigentlich ungewiß; aber gleichwohl unbeschreiblich, und es hat Kayser Amurath der Erste zuerst diese gefährliche Bedienung ausgebracht.  
  Nach diesen folgen die Veziers, deren 10 sind, und so wohl bey Hofe als im Felde grosse Bedienungen haben. Hiernächst sind die drey oder vier Beglerbegen oder Statthalter, welche der Groß-Sultan in gewisse, entweder neueroberte oder entfernte Länder sendet. Der Beglerbeg zu Cutaye hat jährlich eine Million Aspers Einkünffte; der zu Amasan 734850, der zu Login 660074 und der zu Maras 628450.  
  Die Bassen sind so viel als Fürsten, und werden als Gouverneurs in die Provintzen geschickt, auch öffters zu Both- oder Gesandschafften gebraucht. Diese müssen den Alcoran und die Türckische Rechte fertig verstehen; wie denn aus ihnen der Groß-Vezier genommen wird.  
  Unter ihnen stehen die Sangiacs, welche fast wie Grafen sind.  
  Die Agen sind ihre Obersten, unter welchen der Janitscharen-Aga der vornehmste ist.  
  Letztlich kommen die Chiausen oder Cavaliers, welche zu  
  {Sp. 1675|S. 851}  
  Verschickungen gebraucht werden.  
  Der Reichs-Effendi oder Groß- Cantzler dirigirt die vornehmste Staats-Verrichtungen. Er muß alle Sprachen, so viel in des Groß-Sultans Herrschafften sind, verstehen, als da sind, die Türckische, Arabische, Griechische und Sclavonische, damit einer jeden Nation in ihrer Sprache das nöthige Decret könne eingesendet werden. Er hat unter sich einen geheimen Secretarium, und dieser andere Secretarios und Cantzellisten, welche alles ausfertigen. In jeder Stadt findet sich zu  
     
  Verwaltung der Justitz  
  ein Cadi oder Richter und Subbaschi oder der Justitz-Diener. Zu Felde bestellen die Cadilescheri die Justitz, und sind deren allezeit viere, welche dem Groß-Vezier an die Hand gehen. Wofern aber die Türcken Friede haben, so sind sie auch an gewisse Örter gewiesen, allda die Justitz zu verwalten. Der erste in Europa, der andere in Natolien, der dritte, so ehemahls in Ungarn war, ist jetzo auch in Asien, der vierte aber zu Groß-Cairo.  
     
  Die Macht der Türcken  
  ist sehr considerabel, so daß man jetzo mit leichter Mühe etliche hundert tausend Mann bey ihnen aufbringen kan. Ihre Macht zu Lande bestehet aus 12000 Janitscharen, deren man ehedessen wohl 30000 gehabt, so aber jetzo wegen der öfftern Revolten bis auf diese Zahl gemindert worden. Diese sind der Türcken bestes Volck, und wurden ehemahls aus lauter Christen genommen, (als welche dazu ihre Kinder noch in der Jugend hergeben musten) jetzund aber sind auch viel gebohrne Türcken mit unter.  
  Ferner sind 14000 Spahis oder Reuter, welche auch wohl zu Kriegs-Zeiten bis auf 40000 vermehret werden. Nach diesen sind 15000 Capi, welches gleichergestalt ein wohl exerciertes Fußvolck ist, und noch 180000 Sold-Reuter oder Pasi, welche ordentlich unterhalten werden.  
  Über alle diese hat der Groß-Sultan die Timarioten, welches Ritter oder Lehnleute sind, so wegen ihres Wohlverhaltens im Felde mit einem Landgute sind beschencket worden, welches sie auf ihre Lebenszeit zu geniessen haben; nach ihrem Tode aber wird ein anderer damit begabet. Dieser Timarioten sollen durch das gantze Türckische Gebiete mehr als 44000 seyn, davon der geringste zwey Mann schaffen, ein reicher aber 10 bis 20 stellen muß. Ausser diesen ist auch der Tartar-Cham dem Türckischen Kayser verbunden zu Hülffe zu kommen, welcher auf bedürffenden Fall wohl 100000 Mann zuführen kan. Wiewohl diese grosse Türckische Macht ist in den letzten Ungarischen Kriegen auch ziemlich geschwächet worden.  
     
  Ihre See-Macht  
  aber ist nicht gar zu wichtig, sie sind auch darinnen nicht zum besten erfahren, ausser was die Raubnester Algier, Tunis und Tripoli anbelanget.  
     
  Türckische Feldlager-Pracht:  
  Da bekannter massen die Türckische Nation der Wollust ergeben ist, so darf man sich nicht wun-  
  {Sp. 1676}  
  dern, daß auch sogar im Kriege bey ihnen die Wollust nicht zu Hause gelassen wird, indem ihre Feldlager denen wohl angelegtesten Lust-Garten und schönsten Städten öffters nicht ungleich aussehen. Als die Türcken die Belagerung Wien aufzuheben gezwungen wurden, war die Beute, welche man in ihrem Lager fand, nicht auszusprechen. Der König in Pohlen hat in einem Schreiben an seine Gemahlin davon nachfolgendes berichtet:  
  "Als ich in das feindliche Lager kam, und der Groß-Vezier auf der Flucht war, bekam ich einen seiner Cammer-Diener gefangen, der mir seines Patrons Zelt anzeigete, welches in der Breite eben so viel Spatium einnimmt, als Warschau oder Lemberg. In unserm Kriegs-Heer siehet man eine grosse Menge Säbel mit Golde beschlagen; Es sind schon 2 Nächte und ein Tag, daß ein jeder ohne Unterscheid raubet und plündert Die Belagerten aus der Stadt sind auch herausgegangen, an der Beute Theil zu haben; und mit alle dem glaube ich doch nicht, daß man in 8 Tagen mit Beute machen wird fertig werden können. Ich kan kaum beschreiben, was der Groß-Vezier vor Delicien um sein Zelt herum hatte. Hier hatte er einen angenehmen Lust-Garten mit künstlichen Springwassern unterschiedl. rare Thiere, worunter ein Papogey, so davon floge etc. Curieuses Bücher-Cabinet, I Band, p. 558 u.f.
     
  Benennung der Türckischen Helden.  
  Die Türcken nennen ihre tapfere Helden Bobur, welches der Nahme einer grausamen Indianischen Bestie, so eine Art der Parder, und noch grimmiger als ein Löwe. Solimann, der fast gantz Ungarn unter Türckische Bothmäßigkeit gebracht, wird von einem Türckischeu Poeten dessen MSt in der Raths- Bibliotheck zu Leipzig befindlich, Leo ille audax, et animosus in hostem, genennet.  
  Und ist bey ihnen Alem-Habur, Hominum Leo, d. i. der allermächtigste und tapferste unter den Menschen, welches ohnfelbar noch davon mit herrühren mag, weil die Helden vor Zeiten mit den Fellen und Häuten der Parder und Löwen sich bekleidet und behangen, wenn sie in den Streit gezogen, damit sie ihren Feinden desto schrecklicher vorkommen möchten. Ge. Jac. Rehr, de Numismate Indo-Persico argenteo rarissimo, p. 20.
  Was das  
     
  Einkommen des Türckischen Reichs.  
  anbetrifft, so werden sonderlich zwey Schatz-Cammern unterhalten, die eine, so vor das Reich ist, soll mehr als 20. Millionen Einkommens haben. Aus dieser werden die Soldaten bezahlt, samt allen Bedienten, ingleichen Flotten ausgerüstet Festungen angeleget, und der gantze Kriegs-Staat unterhalten.  
  Die andere Schatz-Cammer hat der Groß-Sultan vor sich selbst, welche ebenfals gar grosse Einkünffte hat, so daß überhaupt die jährl Einkünffte des Türkischen Kaysers auf 80 Millionen Reichs-Thaler geschätzet werden.  
  Bey der Rent-Cammer sind ordentlich drey Teffterdars oder Rentmeister, welche die Kopfgelder von den Christen er-  
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  heben, den Tribut der Landschafften, die Ausbeute aus den Bergwercken, Zölle, Saltz und andere Fiscal-Gefälle einzunehmen haben, Über dieses bekommt auch der Groß-Sultan grossen Reichthum von den eingezogenen Gütern der strangulirten Bassen.  
     
  Türckische Landes-Regierung, und Gerichts-Personen, durch welche dieselbe verwaltet wird.  
  Der öffentliche Divan, wird dreymahl in der Woche gehalten, welches gleichsam die algemeine Landes-Regierung ist. Die geheime Raths- Versammlungen geschehen in den besondern Zimmern des Groß-Veziers, alwo die zwey Cadileschers, die vornehmsten unter den Cadis und die Professores des Gesetzes zusammen kommen, um in dem Ottomannischen Reiche die Gerechtigkeit zu Handhaben. Desgleichen sind daselbst die sogenannten Teffterdars, die Camerlingues, der Reichirax, Cantzler oder Archivarius, die Secretarii und Nisangis, welche alle Acten besiegeln.  
  Der Chiaus Bassa, oder das Haupt von den Chiauses, welche des Kaysers Botschaffter sind, ist daselbst auch bey der Hand, um Befehl zu geben, dasjenige, was beschlossen worden, schleunig auszurichten. Die Veziers sagen ihre Meynung, haben aber keine rechte Stimme. Wenn der Janitscharen Aga und der Capitain Bassa zu Constantinopel sind, kommen sie auch zu dieser Versammlung, insonderheit wenn es nöthig ist, dem Sultan von denjenigen Dingen Nachricht zugeben, welche das Zeughaus oder die Armee betreffen.  
  Wenn der letztere sonst nichts ist, als Capitain Bassa, so sitzt er an der letzten Stelle; ist er aber der andere oder dritte Vezier, so nimmt er den seiner Würde gehörigen Platz ein. Es ist alda kein Sitz für den Janitscharen Aga, kömmt er aber in das Divan, so ist er der erste, so hinein kommt, und der letzte, so herausgehet. Die Notarii sitzen auf der Erde mit der Feder in der Hand.  
  Diejenigen, so etwas suchen, thun solches stehend, und bringen ihre Sache selbst vor. Der Groß-Vezier bedient sich der Unter-Veziere zur Ausfertigung der Sachen, wozu sie keine Anwalde brauchen. Die Sultane können in ihrem Zimmer sehen und hören, was in dem Divan geschieht, ohne von jemand gesehen zu werden. Dieses erhält ihre Minister in ihrer Pflicht. Wenn die Sultane selbst das Regiment verwalten, nehmen sie alle Sonn- und Dienstage von den gefaßten Schlüssen Nachricht ein,  
     
  Die Art, wie der Sultan Audientz zu geben pfleget,  
  ist folgende: Wenn der Groß-Vezier mit dem Groß-Sultan redet, geschicht solches mit grosser Demuth, wobey er ihm des Volcks Bittschreiben in einem silbernen Beutel überreicht. Andere Personen aber reden zu ihm mit zusammen gefaltenen Händen, um ihren tieffen Respect dadurch anzuzeigen. Wenn Abgesandten gecrönter Häupter Audienz verlangen, welches gemeiniglich Sonn- oder Dienstags geschiehet, versammlet der Vezier das grosse Divan; die Bassas, welche die Aufwartung haben, kommen dahin; und in dem nächsten Hofe sind die Chiausen, die Muti-  
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  feragas oder Bantzenirer, die Zeis, Spahis und Janitscharen, welche zu beyden Seiten stehen. Der Vezier schickt den Chiausen-Bassa mit seinem gantzen Gefolge ab, dem Abgesandten entgegen zu gehen, welcher sodann in den Divan geführet wird, und seinen Platz gegen dem Vezier über nimmt, auf einem mit Brocat überzogenen Stuhl, ohne Rücken- und Armlehnen.  
  Nachdem die bey solchen Gelegenheiten Übliche Complimenten verrichtet sind, giebt ein Officier Nachricht, daß das Mittagmahl bereitet sey. Hierauf speisen die vornehmsten Minister und Standes- Personen mit diesen Fremden, und werden prächtig tractiret. Denn der Sultan giebt zu einer jeglichen solchen Mahlzeit 1000 Cronen am Golde. Der Dragoman oder Dollmetscher ist hierbey allezeit zugegen, um dasjenige auszulegen, was auf beyden Seiten geredet wird Mittlerweile werden auch die Bedienten von des Abgesandten Gefolg unter einem von den bedeckten Gängen tractiret.  
  Wenn diese Ceremonien geendiget, schickt der Groß-Sultan hin, läst dem Abgesandten samt seinem Gefolge Türckische Kleider von Brocat oder Seide reichen, und sagen daß er bereit sey, Audienz zu geben. Hierauf nimmt der Abgesandte einen Abtritt, bis daß alle Mitglieder des Divan sich versammlet haben, der Ceremonie beyzuwohnen. Da denn der Ceremonien-Meister kömmt, ihn zu des Groß-Sultans Gemach zu führen, und zwar mitten durch die Capigis Bassas, welche auf beyden Seiten in Ordnung stehen. Zwey von diesen fassen den Abgesandten unter den Armen an, und führen ihn hin, des Sultans Hand zu küssen.  
  Hernach begiebt er sich in einen Winckel, bis daß seine mitgebrachte Edelleute und Bediente, dem Sultan ihren gebührenden Respect erwiesen haben. Darauf wird der Dragoman geholt, welcher dasjenige verdolmetschet, was der Abgesandte schrifftlich übergiebt. Die Sultane antworten darauf sehr selten; oder wenn sie es thun, so geschicht es mit sehr wenig Worten. Allein der Groß-Vezier ertheilt die rechte Antwort.  
  Nach diesem nimmt der Abgesandte seinen Abschied, vor welchem seine Edelleute und Bediente hergehen. Er macht hierbey nur eine kleine Neigung und Reverentz, ohne sein Haupt zu entblössen, nach Landes-Gewohnheit. Die Minister der geringern Fürsten und Herren werden nach Beschaffenheit ihrer Principalen aufgenommen, und tractiret. Einige werden gar nicht gastiret; andere stehen oder sitzen vor dem Vezier.  
  Alles dieses wird nach der eingeführten Gewohnheit eingerichtet. Denn die Türcken halten sehr accurate Register über alle Formalitäten, die bey dergleichen Gelegenheiten vorgehen, nach dem Range der Potentaten und Fürsten, von welchen die Abgesandten kommen, und diese werden ohne die geringste Neuerung immerdar beobachtet. Außerordentliche Abgesandten werden gemeiniglich ausgelöset. Bisweilen beschencken die Türcken sie auch mit Tapecereyen vor ihr Zimmer.  

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Stand: 2. November 2016 © Hans-Walter Pries