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Zedler: Verstorbene [3] HIS-Data
5028-47-2123-1-03
Titel: Verstorbene [3]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 47 Sp. 2147
Jahr: 1746
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 47 S. 1087
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Hinweise:
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  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen, Bibel
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Übersicht
Theologische Abhandlung [2]

  Text Quellenangaben
  Es wird auch hier die Frage zu beantworten seyn: Ob man vor die Verstorbene beten  
  {Sp. 2148}  
  müsse? Wir haben zwar oben schon einige Meynungen davon angeführt, hier wollen wir aber dieselben wiederlegen, und die Irrthümer der Papistischen Kirche aufdecken.  
  Die Historie dieses Gebrauchs hat M. Joh. Frid. Mickelius in Memoria defunctorum …, Darmstadt 1735, sehr geschickt abgehandelt. Nachdem er erzehlt, wie liebreich die Heyden sich gegen ihre Toden bezeiget hätten, gedenckt er der heutigen Jüden Wünsche und Gebet für dieselben, ohngeachtet dergleichen Gebet vor Christi Geburt nicht üblich gewesen, ingleichen meldet er wie auch die Türcken für die Verstorbenen beteten.  
  Zu Anfange des III Jahrhunderts haben die Christen angefangen besonders für die Toden zu beten. Sie haben jährlich an dem wiederkommenden Sterbe Gedächtniß-Tage den Armen einige Gaben ausgetheilet, worauf das öffentliche Beten für die Toden erfolget ist. Dieses ist auch von ihnen für die Patriarchen, Propheten, Apostel, Märtyrer, und die Jungfrau Maria geschehen. Daß die Griechen noch heutiges Tages vor die Verstorbenen bitten, haben wir oben schon angeführet. Doch haben die Alten ihr Gebet vor die Verstorbenen niemahls aus Furcht für einem Papistischen Reinigungs-Feuer verrichtet.  
  Es kan aus den Scribenten des III Jahrhunderts bewiesen werden, daß die alten Christen ihre Verstorbene GOTT anbefohlen und vor sie gebetet haben. Tertullian ermahnet eine Wittwe de Monogam. …, daß sie vor die Seele ihres verstorbenen Mannes beten, und jährlich an seinem Sterbe-Tage opffern solte. Augustin de cura pro mortuis
  Daß das Fegefeuer daher keinen Grund habe, sehen wir daraus, weil der Priester in der Liturgie des Chrysostomus … vor die Patriarchen, Propheten, und Apostel, und insonderheit vor die heilige Maria betet.  
  Die alten Christen haben ohne Zweiffel vor die Verstorbenen darum gebetet,  
 
1) damit sie beweisen möchten, sie glaubten, daß die Seelen unsterblich, und die Verstorbenen vor GOtt lebeten.
Epiphanius Haeres. …
 
2) damit sie bezeugten, daß die seligen Seelen noch nicht die völlige Seeligkeit erlanget hätten, sondern erst nach der Auferstehung der Toden überkommen würden;
 
 
3) Sie haben ihre Liebe gegen die Gläubigen, wie im Leben also auch nach ihrem Tode zu erkennen gegeben.
Urban Regius de formulis caute loquendi.
  Die Evangelischen Bekenner sagen in der Apologie ...: Scimus, veteres loqui de oratione pro mortuis, quam nos non prohibemus.  
  Dorscheus sagt in tractat. de Missa …: Die Gläubigen hätten auch die genaue Gemeinschafft mit der in Christo triumphirenden Kirche, und das Verlangen nach dem heiligen und ruhigen Zustande bezeugen wollen.  
  Wenn auch die alten Bischöffe vor die Selig-Verstorbenen beteten, so erklärten sie die Gnade, welche GOtt diesen Selig-Verstorbenen verheissen hatte. Man besiehe hiervon den Verfasser der Constitut. Apost. … ingl. Dionysius Areopagita Eccles. Hierarch.
  {Sp. 2149|S. 1088}  
  ...
  Dem ohngeachtet aber bleibt ein unendlicher Unterschied zwischen der Art und Weise, wie die ersten Christen vor die Verstorbenen gebetet haben, und zwischen derjenigen, wie es die Papisten zu thun pflegen. Es ist bekannt, daß die Römische Kirche das Gebet vor die Verstorbenen bis auf den heutigen Tag mit der grösten Hitze vertheidiget habe. Sie legen diesem Gebete eine besondere Krafft bey, und lassen sich von ihrer Meynung nicht abbringen, weil darauf das Fegefeuer, und folglich der ansehnlichste Theil ihrer Einkünffte gegründet ist.  
  Bellarmin, die Stütze und der eyfrigste Verfechter der Römischen Kirche, hat sich alle ersinnliche Mühe gegeben, diese Lehre … de Purgatorio … fest zu setzen. Er berufft sich deswegen auf eine Stelle aus 2. Maccab. XII. 43. u.f. und glaubt, dieser Beweiß sey kräfftig genug, die Ungläubigen zu überzeugen.  
  Allein er hat sich gleich dadurch auf der schwachen Seite gezeigt. Warum hat der Cardinal nicht von Mose und den Propheten den Anfang zu Bestätigung seiner Lehre gemacht? warum muß er zu einem Apocryphischen Buche, zu den Maccabäern, seine Zuflucht nehmen? gleichwohl hat er sich nicht anders zu helffen gewußt, da in allen Canonischen Büchern weder einer Vorbitte vor die Toden, noch des Fegefeuers Erwähnung geschiehet.  
  Wenn wir aber auch diese Stelle wolten mehr gelten lassen, als ihr wircklich von Rechtswegen zukommt, so wird man doch daraus nichts beweisen können, was sie doch beweisen soll. Wir finden im gantzen Zusammenhange kein Fegefeuer. Und was ist dieses ausser dem vor ein Schluß: Die Jüden haben dazumahl vor die Erschlagenen gebeten; daher müssen die Seelen der Verstorbenen im Fegefeuer gewesen seyn.  
  Diese Folge ist nicht richtig. Wie folgt denn dieses: Judas hat vor die Verstorbenen nach ihrem Tode gebeten; also ist ein Fegefeuer. Warum schließt man nicht lieber also: Judas hat vor die Verstorbenen gebeten, daher können die Gottlosen aus der Hölle errettet werden. Denn es ist ohnfehlbar gewiß daß die Gottlosen in die Hölle und nicht ins Fegefeuer kommen. Die Papisten wollen zwar diesen letztern Schluß nicht einräumen, sie halten ihn vor falsch, weil die Gottlosen nach diesem Leben nicht konnten gereiniget werden. Bellarmin l.c.
  Aber eben deswegen stehet es mißlich um die Wircklichkeit ihres Fegefeuers. Denn solchergestalt haben die Erschlagenen ja nicht in dasselbe kommen können, weil ausdrücklich gemeldet wird, daß sie wegen ihrer Gottlosigkeit und Sünden erschlagen worden wären. Am andern Tage darnach kamen sie zu Juda, wie der Zusammenhang 2 Maccab. XII, 39. zeigt, daß sie ihre Toden holeten, und bey ihren Vätern begrüben.  
  Da sie nun dieselben auszogen, funden sie bey jedem Erschlagenem unter dem Hemde Kleinodien von den Götzen aus Jamnia, welches den Jüden im Gesetz hart verboten war. Da ward es für jedermann offenbar, warum diese erschlagen worden wären. Hier stehet es ja klar, daß diese Erschlagenen, auch nach den Lehren der Papisten nicht haben im Fegefeuer seyn können, weil sie in gro-  
  {Sp. 2150}  
  ben würcklichen Sünden gestorben sind.  
  Was will der Cardinal hierwieder einwenden? schläget er sich nicht mit seinem eigenem Schwerdte? Über dieses schreibt auch der Papiste Sanctius über dieses Capitel, daß erwähnte Jüden Todsünden begangen hätten und also als Gottlose gestorben wären. Wie solten nun diese Leute haben ins Fegefeuer kommen können, welches nach ihrer eigenen Lehre ein Aufenthalt der Frommen keinesweges aber der Gottlosen ist. Bellarmin wendet zwar ein: Ihr Zustand wäre ungewiß gewesen, dennoch aber hätte man vor sie beten können, ob sie gleich alle verdammt worden wären, Tom. II. …
  Ist es aber wohl nach der Heiligen Schrifft erhört; daß diejenigen so in Todsünden gestorben, nach ihrem Tode in einem ungewissen Zustand haben gerathen können? Und wie kömmt es, daß der Cardinal die bekannten Lehrsätze seiner Kirche auf einmahl vergißt, daß das Fegefeuer nur vor die Formen gehöre?  
  Ausser dem ist es auch falsch, daß die Jüden dazumahl Opffer für die Toden gebracht haben, weil im 1 B Maccab. V, 56. u.ff. wo gleichfals diese Historie erzehlt wird, nicht das geringste davon im Contexte anzutreffen ist. Dahero wird der Anfang des 12 Cap. im 2 B. vom Opffer vor die Toden, für falsch gehalten, zumahl da nichts im Griechischen Texte, auch nicht in eigener Handschrifft, wie der Papiste Pagninus apud Scherzerum Disput. VII. de ecclesia in Purgatorio laborante … bezeuget,  
  zu finden ist.  
  Man könnte noch vieles wieder diese Stelle und die Beweise des Cardinals einwenden, es würde aber an diesem Orte überflüßig seyn. Es ist genug, wenn man aus diesem wenigen erkennet, daß der Cardinal, und mit ihm alle Anhänger seiner Kirche, die Vorbitte vor die Verstorbenen und folglich aus dieser das Fegefeuer überaus schlecht vertheidiget habe.  
  Dieses war nun einer ihr stärcksten Beweise. Ausser diesem beruffen sie sich auf eine Stelle des Augustinus im 110 Cap. des Enchiridii, darinne gesagt zu werden scheint: Daß unser Gebet und Opffer den Verstorbenen zu statten komme. Allein man darf nur auf die Art und Weise Achtung gegeben, wie die Alten vor die Verstorbenen nach dem Tode gebetet haben. Dieses geschahe im geringsten nicht wegen ihrer Unruhe im Fegefeuer, sondern vielmehr ihrer Ruhe wegen, wofür sie GOtt gepriesen, und wegen einer seligen Nachfahrt, wie noch heutiges Tages in der Christl. Kirche geschiehet, gebeten haben. Man erinnere sich der nur angeführten Ursachen, warum die ersten Christen vor die Verstorbenen ihr Gebet verrichtet haben.  
  Überhaupt hat man bey den Papisten, wenn sie Stellen aus den Kirchen-Vätern vor ihre Meynung anführen, Achtung zu geben, daß sie den Text nicht verfälschen. In dieser Kunst haben sie es durch eine langwierige Übung sehr weit gebracht, und sie haben sich eben dieses Kunstgriffs bedient, wenn sie ihre Vorbitten vor die Verstorbenen aus den Schrifften der Väter bestätigen wollen.  
  Hierbey haben Bellarmin und Loßius in Authentico … ihre Geschicklichkeit sehen lassen. Dieser hat dem erstern ein falsch angeführtes Zeugniß aus dem Eusebi-  
  {Sp. 2151|S. 1089}  
  us Praepar. Evang. … welches in seiner Verfälschung also lautet:  
  "Dieses thun wir als wahre Streiter täglich, daß wir GOttes Freunde ehren, zu ihren Gräbern gehen, ihnen Gelübde thun, und freywillig bekennen, daß uns durch ihre Vorbitte bey GOtt nicht wenig geholffen werde.„  
  Wenn man sich die Mühe nehmen will, den Griechischen Text genau anzusehen, so wird man beyde Männer, bey dem Betruge ertappen. [6 Zeilen griechischer Text]. D.i.  
  "Es schickt sich gar wohl, nehmlich was Plato, bey dem Absterben derjenigen, die GOtt lieb gewesen sind, die wir mit Wahrheit, und nicht unbillig Streiter der wahren Frömmigkeit nennen mögen, angeführet. Daher pflegen wir auch zu ihren Särgen oder Gräbern zu gehen, daselbst zu beten, und die verstorbenen Seelen zu rühmen, welches alles bescheidentlich und vernünfftig von uns geschiehet.„  
  Wo findet man hier ein Wort, von dem falschen Bellarminischen und Loßischen Zusatze? wo sagt Eusebius in dieser Stelle, daß die ersten Christen den Verstorbenen Gelübde gethan? oder heissen die Griechischen Worte: [5 Wörter Griechisch] bey den Gräbern Gelübde oder Gebet zu GOtt verrichten, so viel: als den heiligen Männern Gelübde thun?  
  Wir wollen doch nicht hoffen, daß dieser grosse Cardinal sich so vergangen, und gemeynt habe: [ein Wort Griechisch] heisse ein Heiliger. Nach seiner Übersetzung aber hat er in der That aus dem Grabe, einen Heiligen gemacht. Dieses heißt sich muthwillig und unverantwortlich bey Anführung der alten Zeugnisse aufführen.  
  Die Gegner bringen noch verschiedene andere Zeugnisse aus den Kirchen-Vätern vor, dadurch sie beweisen wollen, daß diese Väter vor die Verstorbenen, wie in ihre Kirche geschiehet, gebeten hätten. Es ist ihnen in Ernste viel daran gelegen, daß sie dieses erst zum Grunde legen, damit sie nur ihr Fegefeuer behaupten können. Sie schliessen also: Die Väter und andere haben vor die Verstorbenen gebeten, also haben sie nothwendig ein Fegefeuer geglaubt.  
  Hierher rechnet man z.E. den Clemens Lib. VIII. Constitut. … beym Bellarmin Tom. II. …: Allein wir möchten wissen, wie man so schliessen könnte; Die Väter haben vor die Verstorbenen ihr Gebet verrichtet, daher haben sie vor die Seelen im Fegefeuer gebeten. Alphonsius Salmeron hat selbst das Lahme an diesem Schlusse eingesehen, wenn er Tom. XIV. Oper. … schreibt:  
  "Die Kirche schliesset nicht recht: Man verrichtet vor diesem und jenem sein Gebet, daher muß er nothwendig im Fegefeuer sitzen. Es kan auch vor jemanden gebethen werden, der schon würcklich im Himmel der Freude geniesset, oder man kan auch im Gegentheil vor jemanden gebeten, der  
  {Sp. 2152}  
  schon in der Hölle sitzet, weil der Zustand und Beschaffenheit der Seelen mißlich, zweiffelhafft, und ungewiß ist.„¶  
  Es haben ja auch die Väter nach des Augustinus Bericht beym Bellarmin vor Gute und Böse gebeten, wie schicken sich also ihre Schlüsse aufs Fegefeuer, worinne nur die Frommen, nicht aber die Gottlosen, nach ihrer eigenen Lehre, gestrafft werden sollen?  
  Die Griechen bitten eifrig vor die Verstorbenen, wie ihre eigene Symbola beweisen, davon wir oben bereits Meldung gethan haben, deswegen aber glauben sie kein Fegefeuer. Die Evangelischen selbst bitten in ihren Kirchen so wohl für der Verstorbenen Leiber als auch derselben Seelen, theils daß jene eine sanffte Ruhe in der Erde, theils daß diese, für ihre ausgestandene Angst in der Welt, Trost, Erquickung und Freude bey GOtt geniessen mögen. Folgt aber hieraus, daß unsere Kirche deswegen ein Fegefeuer glauben müsse?  
  Bellarmin und seine Glaubens-Genossen geben uns zu bedencken, daß Augustinus an unterschiedlichen Orten, der Kirchen ihrer Vorbitte, wegen der Verstorbenen, sonderlich vor ihre Seelen, gedencke. Man sehe die angezogenen Stellen des Augustins beym Bellarmin Tom. II. … und Augustin. de Cura pro mort.
  Allein wir fragen: Wo stehet hier etwas vom Fegefeuer? Augustinus sagt: es erhellet aus den Büchern der Maccabäer, daß man für die Verstorbenen Opffer gebracht. Und obgleich von diesem Opfferbringen in allen Schrifften nichts zu finden, so hat dennoch die gantze Kirche kein geringes Ansehen zu ordnen, daß auch in dem Gebet, welches die Priester vor dem Altar zu GOtt ausschütten, der Verstorbenen gedacht werde.  
  Und abermahl: Wenn das Hertz gedenckt, wo der Leib eines angenehmen Freundes begraben liegt, so seufzet es, daß solches dem Verstorbenen zu statten komme. Und wiederum: Man soll flehentlich das Gebet für die Verstorbenen auszuschütten nicht unterlassen.  
  In allen diesen Stellen wird nicht an das Fegefeuer gedacht. Diese bestätigen zwar: daß man vor die Verstorbenen gebetet habe, daraus folgt aber dasjenige gar nicht, warum diese Örter von unsern Gegnern angeführt werden. Und überhaupt kommen die Vorbitten der ersten Christen vor die Verstorbene, mit der Papisten ihren in Ansehung der Art und Weise und der Absichten gar nicht überein.  
  Wir wollen noch sehen, wie sich Loßius bey seinem Fegefeuer verhalte.  
  "Es ist ein Fegefeuer, schreibt er Authent. …, und ist nützlich, daß man vor die Verstorbenen bete, Allmosen gebe, und das Heil. Buß Opffer nach der Lehre Cyprians und anderer Väter verrichte.„  
  Cyprianus, der im Jahr 240 gelebt, schreibt also: Ein anders ist die Verzeihung erwarten, ein anders zur Herrlichkeit gelangen, ein anders ist den Gefangenen aus dem Kercker nicht lassen, biß er den letzten Heller bezahle, ein anders den Lehn seines Glaubens und seiner Wercke empfangen, ein anders aber ist, vor die Sünde mit langen Schmertzen gequält, gebessert, und lange Zeit durchs Feuer gereiniget werden.  
  Bey diesem Einwurffe wurde Loßius nicht übel  
  {Sp. 2153|S. 1090}  
  gethan haben, wenn er zuvor die reine Lehre Cyprians so wohl, als des heiligen Ambrosius recht erwogen hätte; daß niemand in jener Welt Vergebung der Sünde zu gewarten habe, der dieselbe hier jederzeit verschertzet hat. Hätte Loßius nachmahls die Stelle Cyprians mit der Lehre Ambrosius zusammen gehalten, so würde ihm die Wahrheit in die Augen geleuchtet haben, daß Cyprian nicht von dem Papistischen, sondern vom verblümten Feuer der Trübsal der Christen rede.  
  Überhaupt sind die Stellen aus dem Origenes, Tertullianus, und Boetius Philosophie nicht hieher zu ziehen, weil diese und andere Männer in den damahligen Zeiten, da sie den Hebräischen und Griechischen Text nicht verstanden haben, diese Fragen gar nicht genau haben untersuchen können. Ihre Schrifften sind keine Glaubens-Regel sondern blosse Zeugnisse der Wahrheit, und ihre Fehler, deren sie gar viele begangen haben, müssen nach der Christlichen Liebe übersehen werden. Man solte stets die Worte des heiligen Augustinus Tom. II. Epist. III. … vor Augen haben.  
  „Wir sollen nicht jeder Meynungen, ob solche gleich von berühmten und rechtgläubigen Männern herkommen, vor Evangelia oder Canonische Schrifften halten, gleich als ob es ohne Verletzung ihrer Ehre nicht vergönnet wäre etwas in ihren Schrifften, wofern sie anders gelehrt, als die Wahrheit zulässet, zu tadeln oder zu verwerffen. So mache ichs mit andern Schrifften, so mögen es meine Leser auch mit meinen machen.„  
  Es wäre zu wünschen, daß diese gute Lehre unter denjenigen bekannter wäre, und öffter ausgeübt würde, die dieses Kirchen-Vaters und anderer Schrifften lesen, und anführen, damit sie ihren Irrthümern in Glaubens-Sachen einen Schein geben können.  
  Doch wir müssen hier abbrechen, und wollen nur noch bemercken, daß Peter Cluny einen andern Beweiß vor die Vorbitte für die Verstorbenen in der Schrifft gefunden zu haben vermeynt hat. Er schließt aus Johann XIV, 12. wieder die Petrobrusianer; man müsse den Verstorbenen mit einer Vorbitte zu statten kommen, weil die Gläubigen Christi Wercke und auch noch grössere thun solten.  
  Wer hätte wohl gedacht, daß man eine Stelle der Schrifft so mißhandeln könte, um seine Meynung daraus zu vertheidigen. Diese Verheissung Christi gieng sonderlich die erste Kirche an, und bestund darinne, daß die Apostel das Evangelium predigen und Wunder thun solten. Wie will man aber die Vorbitte vor die Verstorbenen hieher ziehen, da derselben in den Glaubens- Büchern der Heiligen Schrifft niemahls gedacht wird. Dieses ist es, was man wegen der Vorbitte vor die Verstorbenen zu bemercken hat.  
  Es kommt hierbey eine andere Sache zu betrachten vor, was nehmlich von der Benennung der Verstorbenen als Seelige zu halten sey? Es ist bey der Materie von der Seeligkeit gestritten worden: ob die Gewohnheit, da man diejenigen Verstorbenen, von denen man nicht offenbar wüste, daß sie im Unglauben verschieden, Seelige nennen, abzuschaffen sey, oder nicht?  
  Man hat bey dieser Frage wieder die so ge-  
  {Sp. 2154}  
  nannten Pietisten, insonderheit Spenern, geschrieben, als welche verlangten, man solle sich dieser Benennung enthalten. Wir erinnern uns, daß wir schon oben einiger Gottesgelehrten Meynungen hiervon angeführt haben, wir werden uns aber nicht weiter um diese bekümmern, sondern die Sache vielmehr selbst untersuchen, wenn wir zuvor Speners Lehre von dieser Frage werden erkannt haben  
  In der Christ-Lutherischen Vorstellung … setzte die Wittenbergische Facultät an Spenern als einen Irrthum aus, daß er in der Seeligkeit der Kinder GOttes, … geschrieben: man pflege die Toden seelig zu nennen, obwohl leider! zu besorgen, daß den meisten mit solchen Nahmen Unrecht möge geschehen. Denn weil wir GOttes Wort zu glauben hätten, daß der Verlohrnen mehr, als der Seeligen wären, und man gleichwohl aus Gewohnheit alle Toden seelig zu nennen pflege, so werde ja der Nahme seelig manchem beygelegt, dessen Seele wohl bereits in der Hölle wäre. Er wünschte dabey, daß man dieser Gewohnheit abhelffen möge; wie es aber anzufangen, dazu wüste er keinen Rath zu geben.  
  Daraus wolte man nun einen Irrthum machen. In der aufrichtigen Übereinstimmung … antwortete er darauf: er könte die gemeine Gewohnheit, die Verstorbenen insgemein seelig zu preisen, nicht loben, weil sie zum wenigsten vielen Anlaß zur Sicherheit gäbe; jedoch gäbe er zu, daß so lange man nicht offenbar wüste; daß jemand im Unglauben gestorben, so könte man sie wohl dulten, wie er sie denn selbst mit brauche; aber auch Gelegenheit nähme, der daraus zu besorgenden Sicherheit vorzubauen. Machte sich jemand ein Gewissen, diese Formel insgemein zu brauchen, so solte man ihm selbige nicht aufdringen.  
  In so weit hatte sich Spener deutlich genug erkläret. Dem ohngeachtet aber formirte Schellwig in Synopsi … eine besondere Frage deswegen wider ihn, wie man aus dem Supplement. … siehet.
  D. Meyer in seinem kurtzen Bericht von Pietisten … fragte: Was lehren die Pietisten von den Verstorbenen? Und ertheilte die Antwort; sie wollen, man solle keinen seelig nennen, und solle nicht sagen: Der seelig Verstorbene, sondern der Verstorbene. Er berufft sich aber weder auf Spenern, noch auf einen Hällischen Theologen, sondern nur auf Stryckens Disputat. de jure Sabbathi.  
  Die Theologische Facultät zu Halle gab ihm in ihrer Verantwortung … diesen Bescheid: Daß man keinen seelig oder Seelig-Verstorbenen nennen solle, werde niemand verlangen. Beydes hörete man von ihnen öffentlich; indessen sey auch der Misbrauch, der hierunter vorgehe, unläugbar sehr groß, man müsse dieses der Treue und Klugheit der Seelsorger überlassen, wiefern sie hierunter nach ihrem Gewissen handeln mögen.  
  Was den Herrn Stryck anlanget, so hat er sich in seiner Verantwortung … über D. Meyer sehr beschweret, daß er seine Worte in der Disputation verdrehet, indem er daselbst nur von den gewöhnlichen Verkündigungen der Verstorbenen, so des Sonntags auf der Cantzel geschehe, gehandelt, da man sich allezeit der Worte zu bedienen  
  {Sp. 2155|S. 1091}  
  pflege: Es sey in dem HErrn seelig verstorben, oder entschlaffen, wobey er gewiesen, was das vor einen Schaden bey den Zuhörern verursache, daß man alle ohne Unterscheid seelig nenne, da doch offt die gantze Gemeinde wisse, wie gottloß der Verstorbene biß an sein Ende gelebt habe.  
  Zur genaueren Einsicht dieser Controvers können folgende Anmerckungen dienen,  
 
1) betrifft sie keine Glaubens-Lehre, sondern nur eine gewisse Ceremonie. Daher wenn auch jemand in der That anstossen solte, so kan man daraus eigentlich keinen Irrthum machen;
 
 
2) muß man den wahren Gebrauch und Mißbrauch bey dieser Formel wohl unterscheiden, und wenn einige deswegen Klagen führen; oder wünschen, daß hierinne eine Änderung möchte getroffen werden, so muß man dieses nicht gleich also annehmen, als ob sie wolten, daß man gar keinen seelig, oder seeligverstorben nennen solle;
 
 
3) kommt es zum wircklichen Gebrauch und Application, so kan man darinne nichts gewisses überhaupt vorschreiben; sondern es ist eine Sache, die man dem Gewissen eines Predigers überlassen muß
 
 
Es ist ohne dem schwer von des andern Seeligkeit zu urtheilen. Gehet der Schluß Verneinungs-weise, daß jemand nicht seelig verstorben, so kan man darinne eine Gewißheit und Wahrscheinlichkeit haben. Ist die Gewißheit vorhanden, so wird ohne dies kein Mensch verlangen, daß man einen solchen Verstorbenen seelig heisse, und wenn dieses gleichwohl geschiehet, so gehöret es offenbahrlich zu einem schändlichen Mißbrauche, und wer denselben bestrafft, der kan ja nichts unrechtes daran thun. Ist aber eine Wahrscheinlichkeit da, daß jemand nicht seelig verstorben, und es macht sich ein Prediger, der solche wahrscheinliche Erkenntniß hat, ein Gewissen ihn seelig zu nennen, so kan man ihn dazu nicht zwingen.
 
 
Urtheilet man Bejahungs-weise, daß jemand seelig verstorben, so hat dabey nur eine Wahrscheinlichkeit statt; die aber dreyerley Grade haben kan.
 
 
Bißweilen ist die Wahrscheinlichkeit sehr starck, und nicht viel von der völligen Gewißheit unterschieden, und da hat man nicht Ursache sich ein Bedencken zu machen, solche Leute seelig zu preisen.
 
 
Zuweilen aber ist die Wahrscheinlichkeit schwach, in welchem Falle man diese Formel auch wohl brauchen kan; und endlich ist sie auch wohl zweiffelhafft, wenn nehmlich auf beyden Seiten, daß jemand seelig gestorben, und daß er nicht seelig verstorben, gleiche Umstände vorhanden, in welchem Falle an sich eine schwere Sache ist, ein Urtheil davon zu geben, und ist es am besten, daß die Sache ins besondere dem Gewissen und der Treue eines Predigers überlassen wird;
 
 
4) Wollte man meynen, wenn man nach diesen Principiis verfahren solte, so werde daraus eine Weitläufftigkeiten und Unordnung entstehen, daher es am besten wäre, man nennete, ausser denen, von welchen offenbar ist, daß sie im Unglauben dahin gefahren, alle Verstorbenen seelig, und nehme dieses Wort in so weitläufftigem Verstande, daß es so viel sey, als ein Verstorbener, oder von dem man noch einige Hoffnung der Seeligkeit haben wolte; so wäre dieses gantz gut, wofern das Wort seelig von der Gemeinde so ver-
 
  {Sp. 2156}  
 
standen werde, und nicht bey einem und dem andern deßfalls einige Gewissens-Scrupel entstünden. Macht man sich daraus kein Gewissen, und indem man dieses Wort in so weitläufftigem Verstande braucht, zugleich bey Gelegenheit seine Gemeinde davon unterrichtet, so kan man solches bey dergleichen Umständen gar wohl thun.
 
  Es ist bey dieser Abhandlung noch übrig, daß wir einige Stellen der Heiligen Schrifft deutlicher machen, die von den Toden oder Verstorbenen handeln.  
  Von den Toden fragen, welches im 5 B Mos. XVIII, 9 u.ff. ingleichen Jes. VIII, 19. von GOtt den Israeliten ernstlich verboten ward, kan man den Artickel: Toden fragen im XLIV Bande, p. 671 u.ff. nachsehen.  
  Wir wollen dahero gleich fort gehen, und die Stelle aus dem Jesaias XXVI, 19 betrachten, in welcher der Toden GOttes Erwehnung geschiehet: Deine Todten werden leben, und mit dem Leichnam auferstehen.  
  Der Hohepriester Alten Testamente durffte ehemahls mit den Toden nichts zu thun haben, 3 B. Mos. XXI, 1.
  Denn weil er ein Vorbild des Fürstens des Lebens seyn solte, der dem Tode ein Gifft und der Hölle eine Pestilentz war, Hos. XIII.
  so muste er auch keine Gemeinschafft mit dem Tode haben.  
  Dergleichen Gebot war auch den Nazaräern und Verlobten GOttes gegeben, sich von allen Toden zu enthalten, 4 B. Mos. VI, 6.
  gleichwohl gehet hier GOtt mit den Toden selbst um, und lässet sie seine Toden nennen.  
  Hierinne liegt ein herrlicher Trost. Denn gleichwie Abraham die verstorbene Sara seine Todte nennete, 1 B. Mos. XXIII, 4.
  weil er ein sonderbar Recht zu ihr hatte, sie war sein Weib, und ein Fleisch mit ihm, 1 B. Mos. II;
  so hat auch GOtt ein sonderbar Recht an den Todten, sie gehören ihm zu, mit ihnen hat er sich verlobet, und vertrauet, Hos. II, 19.
  sie sind in seinen Armen, d.i. auf das Verdienst seines Kindes JEsu gestorben.  
  Es sind Todte in CHristo, 1 Thessalon. IV, 16.
  Todte, die in dem HErrn gestorben, Offenbahr. XIV, 13.
  die für ihn nicht todt sind, sondern leben, sie schlaffen nur, Matth. XXII, 32.
  Diese Toden sollen das Leben bald wieder bekommen, die, so jetzo vor menschlichen Augen gantz unempfindlich da liegen, werden auferstehen, und aus der Erde herfür gehen. Nach dem Hebräischen Texte heisset es eigentlich: Und mein Leichnam wird auferstehen, welches alle gläubigen Väter als eine untrügliche Wahrheit angenommen, und mit Hiob XIX, 25 u.f. haben sagen können: Ich weiß, daß mein Erlöser lebt.  
  Von den Toden, die in Christo zuerst werden auferstehen, muß man den Artickel: Tode in Christo im XLIV Bande, p. 658 nachsehen.  
  Hier bedürffen nur noch die Worte aus Offenbahr. XIV, 13 einer Erklärung: Die Toden die in dem HERRN sterben. Dieser Ausdruck ist um desto nöthiger zu erklären, da die Todten nicht sterben, sondern schon gestorben sind. Denn darum werden sie Todte genennet, weil sie den Tod schon erlitten haben, es wird also zu untersuchen seyn,  
  {Sp. 2157|S. 1092}  
  warum die Menschen, sonderlich die Gläubigen, in der Schrifft Tode genennet werden? Die gemeinste Meynung ist, es geschehe darum, weil sie der Welt, und ihnen selbst längst abgestorben, und GOtt in Christo zu leben angefangen haben, weil sie auch mit vielen Trübsalen, die in der Schrifft durch den Tod pflegen benennet zu werden, belegt sind, und also der Welt, und ihres natürlichen Lebens nicht froh werden. Sie haben allezeit, wie die Sterbenden gelebt 2 Corinth. VI, 9.
  sie haben das Sterben Jesu an ihrem Leibe herum getragen, IV, 10, 11,
  und sind seinetwegen immerdar in den Tod gegeben, darum sie auch nicht unrecht die Todten genennet werden können.  
     

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Stand: 2. April 2014 © Hans-Walter Pries