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Zedler: Unehre, oder Ehrlosigkeit HIS-Data
5028-49-1212-1
Titel: Unehre, oder Ehrlosigkeit
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 49 Sp. 1212
Jahr: 1746
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 49 S. 621
Vorheriger Artikel: Unehre ... Verachtung
Folgender Artikel: Unehren
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Hinweise:

  Text Quellenangaben
  Unehre, oder Ehrlosigkeit, Lat. Infamia, ist der Zustand einer Person, die um ihrer schändlichen Thaten willen ihrer Ehre beraubet worden, oder ein solcher Schandfleck, so aus einer unzuläßigen schändlichen That entstanden ist, und um deswillen das Ansehen und die Würde einer Person bey andern redlichen Leuten verkleinert wird, l. 5. §. 1. ff. de extraord. cogn.
  Es wird also hierzu eine unzulässige schändliche That erfordert, die schon an und vor sich selbst von denen Gesetzen vor ehrenrührig erkannt worden, keinesweges aber eine nur in vieler Leute Augen so verächtliche Handlung, darzu sich zwar keiner gerne gebrauchen läst, vor hinlänglich gehalten, massen jenes lediglich infam ober unehrlich macht, dieses aber dagegen nur einen Schandfleck nach sich ziehet, wie z E bey denen Schindern und Häschern geschiehet. Und weil alle Dinge bey allen Völckern nicht einerley, sondern bald ehrbar, bald aber wieder schändlich seyn, so hat man bey der Lehre von der Unehre oder Ehrlosigkeit auf die Sitten und Gewohnheiten jedweder Republick zu sehen. Thomasius in Diss. de Existim fam. & infam.  
  Es ist aber die Unehre zweyerley; so, daß sie entweder von denen Gesetzen und Rechten, oder aus einer schändlichen That, entspringet, und deswegen auch in denen Rechten besonders Infamia Juris vel Facti genennet wird. Der Grund der Eintheilung liegt in der Forme und unterschiedlichen Beschaffenheit beyder Arten, und ist auch in denen Rechten der Sache nach gegründet,
  • l. 27. C. de inoff. test.
  • I 9 in fin. C ad L. Jul de adult.
  Daher kommt es auch, daß einige Thaten an und vor sich schändlich seyn, und deswegen denjenigen, der sie ausübet, bey ehrbaren und ansehnlichen Leuten um so viel gewisser beschweren; einige aber nicht so  
  {Sp. 1213|S. 622}  
  gar häßlich seyn, als die erstern, jedennoch aber machen, daß der, so sie vollbringet, bey ehrliebenden und rechtschaffenen Leuten nicht wohl gehöret ist.  
  Da nun die schändlichen Thaten der erstern Art von denen Gesetzen, der beständigen Meynung derer Menschen zu Folge, insonderheit erzehlet werden, auch solche denjenigen, so dergleichen begangen hat, vor ehrlos erkläret; so ist hieraus die Unehre nach Maßgebung der Gesetze und in Absicht auf deren Verordnung entstanden. Hingegen da die Gesetze die übrigen schändlichen Thaten einer besondern Erzehlung und Benennung nicht würdig geachtet, noch auch sonst vor ehrenrührig erkläret; so haben sie selbige der Censur und dem Urtheile ehrbarer und vernünfftiger Leute überlassen. Und aus diesem Grunde ist die aus einer schändlichen That entspringende Unehre entstanden. Eccard in Jurispr. Civil. P. I. p. 489.
  So viel nun die von denen Rechten selbst bereits davor erkannte Unehre anbetrifft; so wird mit selbiger einer entweder durch die Gesetze, oder durch des Richters Urtheil belegt. Das erstere geschiehet, wenn durch die Rechte selbst, oder durch deren klare und ausdrückliche Verordnung auf eine schändliche That die Unehre gesetzet ist, und erfordert  
 
1) eine schändliche That,
2) eine rechtliche Verordnung,
 
  hiervon hat man die Regel: Die Unehre hat nach denen Rechten so offt statt, so offt eine schändliche und in denen Gesetzen selbst gerügte That vorhanden ist. Die Gesetze aber haben auf eine schändliche That die Unehre unmittelbar gesetzt, wie denn dergleichen Exempel in l. 1. ff. de his, qui notant. inf. vorkommen, oder mittelbar, das ist, vermittelst eines beygehenden richterlichen Ausspruches, welches im Diebstahle und andern dergleichen Verbrechen zu geschehen pfleget, l. 7. ff. de publ. judic.
  Die unmittelbare Auferlegung der Unehre durch die Gesetze setzt eine offenbahre schändliche That, die mittelbare aber eine noch nicht so klare oder zweifelhaffte That voraus, da denn letztern Falls eine weitere Untersuchung der Sache vorhergehen muß, ehe der Richter vermittelst seines Ausspruches jemanden vor ehrlos erklären kan.  
  Da nun bey der Ehrlosigkeit überhaupt die Schändlichkeit einer That erfordert wird; so fragt es sich nicht unbillig, was denn hierunter verstanden werde? und dienet zur Antwort: Eine natürliche oder bürgerliche Schändlichkeit, l. 7. C de interd. matr. int. pup. et tut.
  das ist, eine solche That, die so wohl wider die natürlichen, als bürgerlichen Gesetze läufft, und zwar wieder die bürgerlichen Gesetze einer jedweden Republick. Also wird z. E. bey uns der, so eine Concubine hat, vor ehrlos geachtet, welcher doch vor diesem, wenn man auf das Römische Recht siehet, vor ehrlich paßirte.  
  Im übrigen muß dieselbe That betrüglicher Weise unternommen worden seyn, l. 6. § fin. ff. de his, qui not. inf.
  nicht aber aus Fahrläßigkeit.  
  Daher wird niemand aus einem verschuldeten Todschlage ehrlos, weil der Betrug nur die Quelle ist, aus welcher die Unehre entspringet. Berger in Oecon. Jur, Lib. I. tit. 2. th. 13. p. 65.
  Dessentwegen hat man auch die Regel: So oft einer aus einer verschuldeten That verurtheilet wird, so ofte hat die Unehre keine Statt. Es
  {Sp. 1214}
  wäre denn eine mit einer Arglist oder Betrüglichkeit vergesellschafftete Fahrläßigkeit vorhanden, oder dieselbe insonderheit von einem Gesetze bemercket worden. I. 11. § 2. ff. de his, qui not. inf.
  Z. E. es heyrathet einer eine Wittwe in ihrem Trauer-Jahre, er weiß es aber nicht; so wird er nichts desto weniger um deswillen, weil er solches nicht gewust hat, anrüchtig, Struv in Synt. Civ. Exerc. XIX. th. 22
  weil diese That insonderheit durch die Gesetze angemercket worden.  
  Zu der aus denen Rechten entspringenden Unehre wird also, wie gesagt worden, eine besondere Verordnung der Gesetze erfordert, und ist daher nicht genug, wenn in den Gesetzen nur so hin einer Ehrlosigkeit gedacht wird; sondern es werden klare und ausdrückliche Verordnungs- Worte erfordert. Mithin hafftet auf denen Agitatoribus Circensibus oder denen Fuhrleuten, welche bey den Circischen Schauspielen die Wagen regierten, keine dergleichen aus denen Rechten entspringende Ehrlosigkeit, ob sie gleich in dem l. 4. C. de spect. personae inhonestae, und in dem l. 4, ff. de his, qui not. inf. personae infames, das ist, unehrliche verschmächte Personen, genennet werden.  
  Auch werden diejenigen nicht als ehrlos angesehen, die wegen eines begangenen Betrugs in Kauf- und Verkauf- Miet- Leihungs- und Pfand-Sachen, desgleichen in denen aus dem Aquilischen Gesetze entstehenden Sachen, oder auch in denen so genannten Condictionibus furtivis und Interdictis, verurtheilt worden sind. l. 36. ff. de O et A.
  Welche Fälle aber die Gesetze unmittelbar angemercket haben, dieselben machen einen allerdings ehrlos. l. 43. §. 13. ff. de R. N.
  Dergleichen sind folgende, als:  
  1) Soldaten, so von der Compagnie ehrenverletzlich gestossen worden. I. 1 l. 2. pr. und §. 2. ff. de his, qui not. inf.
  2) Leute, so aus blossem Gewinste Comödien spielen.
  • l. 2. §. fin. ff. eod.
  • I. 1. § 6. ff. de post.
  Welches ehedem auf die Seiltäntzer, Possenreisser, Schauspieler, und dergleichen Leute, erstrecket und gedeutet worden. Heutiges Tages aber ist von ehrbaren Comödianten und Operisten, weil sie grosse Herren dulten, auch wohl gar privilegiren, solches nicht zu verstehen.
  • Stryck in Us. Mod. ff. tit.de his, qui not. inf. §.7. u. 8.
  • Wernher in Sel. Obs. For. P. VII. Obs. 184. und in Supplem. nov. ad eand. Obs.
  Marcktschreyer, Pickelheringe und Seiltäntzer aber sind dennoch nicht von der Ehrlosigkeit ausgenommen, weil sie nur des blossen Gewinsts wegen im Lande herum ziehen und nicht ohne grosses Ärgerniß angesehen werden können, wie also auch von der Juristen-Facultät zu Leipzig im Monat Mertz 1705 erkannt worden.
  3) Huren Wirthe,
  • l 1. l. 4. §. 2. ff. de his. qui not. inf.
  • P. H. G. O. Art. 122.
  Dahin auch gottlose Eltern und Ehemänner, die ihre eigene Kinder und Eheweiber verkuppeln, gerechnet werden, sie mögen gleich unmittelbar oder mittelbar, daher einigen Nutzen und Gewinst haben. l. 4. §. 3. ff. de tit.
  4) Freye oder ledige Weibs-Personen, so sich öffentlich prostituiren, sie mögen gleich Geld oder keines dafür nehmen.
  • l. 43. pr. §. 1. 2. 3 4. ff. de R. N.
  • l. 24. ff. de his, qui not. inf.
  Welches auch auf die in der Blut-Schande, l. 13. §. 4. ff. eod,
  oder sonst in der Hurerey angetroffene  
  {Sp. 1215|S. 623}  
  Personen beyderley Geschlechts zu ziehen.
  • l. 7. ff. de publ. jud.
  • §. 4. Inst. eod.
  Ingleichen diejenigen Weibs-Personen, so nach ihres Mannes Tode im Wittwen-Stande uneheliche Kinder bekommen. Massen die Helmstädtischen Rechtsgelehrten dafür halten, daß diese Personen allerdings in eine gesetz-mäßige Ehrlosigkeit verfallen, weil solches ein öffentliches Verbrechen wäre, §. 4. Inst. de publ jud.
  die aber, so eines öffentlichen Verbrechens überführt würden, schon denen Rechten nach vor ehrlos zu achten. Leyser in Medit. ad ff. p. 566.
  wovon aber die Sächsischen Rechtsgelehrten abweichen.  
  5) Eine Wittwe, die sich binnen ihrem Trauer Jahre wiederum verheyrathet l. 8. ff. de his, qui not. inf.
  wenn sie nicht zuvor Dispensation erlanget hat. l 10 ff eod.
  Welches aber bey einem Wittwer nicht statt hat, l. 9 ff. d. tit
  viel weniger bey einem Bräutigam, wenn er nach seiner verlobten Tode binnen demselben Jahre eine andere nimmt. l. 9. §. 1. ff. eod.
  Dieses Trauer-Jahr bestund nach dem Justinianischen Rechte aus 12 Monaten l.1. C. de sec. nupt.
  Die Ursache des Verbots und der darauf gesetzten Straffe bestund so wohl darinnen, daß nicht etwan eine Turbirung des Geblütes, als worauf die Alten sonderlich sahen, vorgehen möchte, l. 11. §. 1. ff. de his, qui not. inf.
  als auch, daß nicht hierdurch der von der Wittwe dem Manne schuldige Respect und Ehrerbietigkeit verletzet würde.
  • l 4.C. ad Sc. Tertull.
  • l. 24. § fin. ff. solut. matrim.
  Und weil hiernächst nur die zweyten Ehen auf eine Zeitlang untersaget worden; so ist einer Wittwe erlaubt, inzwischen Verlöbniß zuhalten; und wenn man vom Landes-Herrn Dispensation einholet, darf man die Zeit nicht auswarten.  
  Das Canonische Recht aber hat die Straffe der Ehrlosigkeit wiederum abgeschaffet, c. fin. X. de sec, nupt. Besiehe auch 1 Cor. VII, 39.
  Womit auch die Chur-Sächsischen Rechte übereinstimmen wie besonders Carpzov in P. IV. C. 21.d 10. zeiget.
  6) Personen, so sich zu einer Zeit doppelt versprechen, oder gar verheyrathen. l.1. l. 13. ff de his. qui not. inf.
  In Sachsen wird die Straffe der Ehrlosigkeit auch auf diejenige Person erstrecket, welche sich wissentlich mit einer bereits ordentlicher Weise verlobten Person aufs neue in ein Ehe-Verlöbniß eingelassen hat. Chur-Sächs. Ehe-Ordn. Rubr. von Ehe-Sachen tit. von Ehegelöbniß §. wenn sich jemand.
  desgleichen auf eine bereits verheyrathete Person, welche mit einer andern öffentliche Verlöbniß hält.
  • Constit. El. Sax. 20. P. IV.
  • Berger in Oecon. Jur. Lib. I tit. 2. th 13. not. 2.
  7) Personen so im Ehebruche angetroffen werden. l. 43. §. 12. ff. de R.N.
  8) Wucherer, oder Personen, die einen übermaßigen Wucher treiben, oder auch widerrechtliche Interessen von Interessen nehmen.
  • l. 20.C. de his, qui not inf.
  • Chur-Sächs. Mandat vom Jahre 1625 von wucherl. Contr.
  • Barth. in Hodeg. For. p. 90.
  allwo der Fall zu befinden, daß ein Wucherer nicht nur ehrlos, sondern daß auch das Testament, in welchem er zum Erben eingesetzet worden, durch die in denen Rechten so genannte Querelam inofficiosi vernichtet und wieder aufgehoben worden.  
  9) Vormünder, so die ihrer Pflege anvertraueten unmündige Weibs-Personen entweder sich selbst zu Eheweibern nehmen,  
  {Sp. 1216}  
  oder ihren Söhnen zu Weibern geben. I. 7. C. de interd. matr.
  An den meisten Orten aber hat heutiges Tages diese Ehrlosigkeit nicht mehr statt, wenn die Vormünder zuvor ihrer geführten Verwaltung halber Rechnung abgelegt haben. Stryck in Us. Mod. ff de his, qui not inf. §. 11.
  10) Personen, die einen einmahl beschwornen Vertrag nicht halten, sondern wiederum befechten und brechen. l. 4. C. de transact
  11) Derjenige, welcher mit seinem Gegentheile in ehrenrührigen, nicht aber Capital-Verbrechen einen Vertrag stifftet, massen es alsdenn nicht anders angesehen wird, als ob er das Verbrechen begangen zu haben gestanden und eingeräumet.
  • l. 4. §. ult. ff. de his qui not. inf.
  • Berger in Oecon. Jur. Lib. I. tit. 2 th 13. not. 5. p. 68.
  ob er gleich die Protestation hinzu gesetzet, es geschähe nur, um aus dem Handel zu kommen. Berger c. l. th. 14. p. 71.
  Ein anders aber ist es, wenn sich beyde Parteyen wegen eines vorher geschlossenen Contracts I. 7. ff de his qui not. inf.
  oder wegen der Proceß-Kosten mit einander vergleichen. Berger P. II.SuppIem. ad Jurispr. Crim. Obs. 69. n. 2.
  12) Soldaten, die anderer Leute Land-Güter Vortheils halber pachten. I. fin. C. loc. ibique Brunnemann.
  Es ist aber dieses Gesetze heutiges Tages an den meisten Orten ins Stecken gerathen, wie aus dem Grönwegen ad I. 3. C. d. tit zu ersehen.
  13) Notarien, so wissentlich über gewisse in den Rechten verbotene Sachen Instrumente ausfertigen. 2. F. LV. c. fin.
  14) der Majestäts-Schänder Kinder. I. 5. §. 1. C. ad l. Jul. Majest.
  Dieses sind nun die Fälle, auf welche die Gesetze unmittelbar die Straffe der Ehrlosigkeit gesetzet haben. Es sind aber auch einige, auf die eine mittelbare, das ist, durch Zuthun des menschlichen Fleisses, erfolget. Mittelbar aber heißt allhier, wenn der Richter durch Urtheil und Recht einen unehrlich macht, oder denselben die Straffe der Unehrlichkeit zuerkennt. Als z. E. in öffentlichen oder Capital- Verbrechen, l. 7 § 2 ff. de publ. judic.
  auch so gar wegen der Gefährte oder Prävarication, I. 1. l. 4. ff de his, qui not. inf.
  Desgleichen wegen verübter Unzucht, oder in Schwängerungs- Sachen. § 4. Inst de publ. jud.
  Hernach aber auch in Privat-Verbrechen, z. E. wegen Diebstahls, Rauberey, Injurien, und Betrugs. l. 1. ff. de his. qui not. inf.
  Hieher gehören fernerweit die vier bekannten und die wegen eines dabey begangenen Betrugs infamirenden Contracte der Gesellschafft, Vormundschafft, Vollmacht und des anvertrauten Gutes.
  • l.1. ff. eod.
  • l. 4. §. 1. 2. de suspect. tut.
  • Berger in Oecon. Lib. I. tit. 2, th. 13. p. 65.
  • Mevius P II. dec. 340.
  Es bringt aber die von denen Rechten und Gesetzen selbst auferlegte Ehrlosigkeit  
  1) einen persönlichen Schandfleck zu wege. l. 26 ff de poen.
  Daher gehet sie nicht auf die Erben.  
  2) Wer unehrlich ist, bekommt keine Ehren-Stellen,
  • l. 2. C. de dign.
  • R. A. von 1512. tit. Von Notarien § Erstlich.
  Und wenn er bereits welche hat, soll er auch derselben entsetzt werden.
  • I. 2, l. 12. C. de dign.
  • l. 3. C. de re milit.
  • l. 8. C. de decur.
  Weshalber auch ein der Hurerey schuldiger Raths-Herr seiner Würde zu entsetzen ist. Carpzov dec. 17. und Lib.
  {Sp. 1217|S. 624}  
 
  VI. Resp. 100. n. 9. und 10.
  Und zwar so, daß auch nicht einmahl denen Rechts-Collegien zustehet, einem dergleichen Beschuldigten seine Ehre vorzubehalten, sondern derselbe den Fürsten anzugehen, und bey demselbigen um Restitution seiner Ehre und Beybehaltung in dem Raths-Orden Ansuchung zu thun hat. Berger in Jurispr. Crim. p. 351.
  3) Eine ehrlose Person kan keinen Advocaten abgeben, ausser vor sich selbst, und einige andere. l 1. §. 5. ff. de postul.
  4) So kan eine anrüchtige Person auch kein beglaubtes Zeugniß ablegen. Doch vornehmlich nur nach dem Canonischen Rechte. c. 54. X. de testib.
  Und daß dieses auch noch heutiges Tages also gehalten werde, beweiset Lauterbach in Concl. For. En. 10. th. 14. Besiehe auch den R. A. von 1526. §. Und wiewohl etc.
  welches aber nach dem Romischen Rechte nicht Statt hat.
  • l. 3. pr. und §. 5. ff. de testib.
  • I.13. I. 21. ff. eod
  Aber heutiges Tages ist in diesem Stücke das Canonische Recht angenommen, das Bürgerliche Recht aber abgeschaffet worden. Denn wer anjetzo mit einer Gesetzmäßigen Ehrlosigkeit behafftet ist, wird vom Gezeugniß ausgeschlossen, wie also auch die Juristen-Facultät zu Leipzig im Monat August 1709 erkannt hat.
  5) Wenn eine ehrlose Person in einem Testament zum Erben eingesetzet worden; so mag des verstorbenen Testirers nachgelassenes Geschwister die ehrlose Person gar wohl von der Erbfolge ausschliessen, und deshalber die in denen Rechten verordnete Klage wegen eines lieblosen Testaments anstellen. l. 11. 19. 27. C. de inoff. test.
  keines weges aber befreyet einen die Unehrlichkeit von denen Bürgerlichen Beschwerungen, l. un. c. de in fam.
  Wenn nun aber die Ehrlosigkeit weder in den Gesetzen auf eine That gesetzet ist, noch vom Richter darauf gesprochen wird, es ist aber doch die schändliche That vorhanden; so heißt solches in denen Rechten infamia facti, oder die durch eine blosse schändlicheThat zugezogene Unehre.
  • l. 2. C. de dignit
  • l. 13 C. de his qui not. inf.
  • l. 39. §. fin ff de furt.
  Diese Art der Unehre wird also durch eine blosse Schandthat, ohne daß solche ein Gesetze insonderheit bemercket hat, verursachet, und erfordert eine eigene schändlicheThat.
  • l 5. §. 1. ff. de extraord. cogn.
  • I. 2. ff. de obsequ. parent. et patr.
  • l. 25. C. ad L. Jul. de adult.
  Und sind hieher zuförderst vorsetzliche und muthwillige Banquerottirer zu rechnen,
  • l. 23 ff. quae in fraud. cred
  • Policey-Ordn. von 1577 tit. 23. §. 1 und 2.
  die besonders im Churfürstenthum Sachsen einen gelben Hut tragen sollen.
  • Erläut. Landes-Gebr. von 1661.§. 78.
  • Leipz. Handels-Gerichts Ordn. tit. 22. §. Wenn der Schuldner etc.
  • Berger in Oecon. Jur. Lib. I. tit 2. th. 13. not. 3.
  Ferner gehören hieher die Concubinen oder Beyschläfferinnen und die sich dergleichen halten,
  • R. A. von 1530. tit 33.
  • und Chur-Sächs. Pol. Ordn. von 1550. tit. von verdächtigen und leichtfertigen Weibspersonen, bey den Worten: „Über die Verkleinerung, so ihnen von jedermänniglich wiederfahren wird."
  Wie auch die geschändeten Weibspersonen.
  • Carpzov P. Il. C. 6. d. 14. n. 6.
  • Berger c.I. not 4.
  Denn ob wohl eine geschändete Weibsperson die in denen Rechten verordnete Unehre vermeidet; so ist und  
  {Sp. 1218}  
  wird sie doch durch die That selbst ehrlos, wie also auch die Wittenbergischen Rechtsgelehrten auf Befragen G. H im Monat Junio 1695. geantwortet haben.
  Wiewohl die Helmstädtischen hierinnen anderer Meynung sind und dergleichen Personen eine Infamiam Juris beylegen wollen, so ihnen auch, weil sie nach dem Römischen Rechte sprechen, zuzustehen ist.
  Sonst aber hat man hiervon diese Regel: So offt eine schändliche That, so die Gesetze nicht bemercket haben, vorhanden ist; so offt ist es eine Infamia facti, oder eine durch die That selbst verursachet Ehrlosigkeit. Denn die Gesetze haben diese schändliche That der Censur und Beurtheilung ehrbarer Leute überlassen wollen. l. 25. l. 29. C. ad L. Jul. de adult.
  Diese infamia facti bringt zu Wege, daß  
  1) einer von allen Ehren-Stellen ausgeschlossen wird
  • l. 2 C. de dignit.
  • l. un. C. de infam.
  z. E. ein gewisser Thum- Herr ward öffentlich als ein Hurer angetroffen, und daher für ehrlos erachtet, auch vom Stallo in Capitulo & Choro excludirt, wie also die Juristen-Facultät zu Leipzig im Monat Junio 1700 gesprochen und erkannt hat.
  Sonst aber erstrecket sich solches auch besonders auf die Ausschliessung von denen Zünfften und Handwerckern. Carpzov Dec. 17. und Lib. VI Resp. 100.
  2) Die Infamia facti würckt die Querel wegen eines lieblosen Testaments l 27. C. de inoff. test.
  z. E. Ein Testirer setzt in seinem letzten Willen eine mit einer dergleichen Ehrlosigkeit behafftete Person zum Erben ein; so kan des Testirers. nachgelassener Bruder die gedachte Querel anstellen.  
  3) Gilt einer solchen Person ihr Zeugniß nicht als ein völliges und unverwerffliches Zeugniß.
  • I. 3. pr. ff. de testib.
  • Carpzov P. l. C. 16 def. 71. n. 7.
  Und also hat auch die Juristen-Facultät zu Leipzig im Monat Februar 1700 einen zum Zeugen angegebenen Banquerottirer betreffend, geantwortet. Wiewohl auch Schilter in Exerc. X. th. 35. bezeuget, daß bey denen Deutschen in diesen und dergleichen Fällen auf die blosse Ehrlosigkeit nicht so sehr gesehen werde, als wohl etwan ehedem die Römer zu thun pflegen.  
  Ausser dem hat man auch noch eine andere Art der Unehre, die eigentlich oder an und vor sich selbst zwar unter die Ehrlosigkeit nicht gehöret aber doch verächtliche Leute macht, weil solche aus einer geringen und schlechten Lebens-Art hergenommen ist, sonst aber insbesondere Levis notae macula genennet wird. Siehe diesen Artickel, im XVII, Bande, p. 628. u. f. desgleichen Verschmächte Personen, im XLVIl Bande, p. 1717. u.ff.  
  Überhaupt hat in Ermangelung schändlicher Thaten keine Ehrlosigkeit Statt; so, daß auch nicht der Staupenschlag, sondern dessen Ursache, die Ehrlosigkeit nach sich ziehet, l. 22. ff. l. 14. C. de his, qui not. inf.
  der, so sein Vermögen an seine Gläubiger abtritt, seine Ehre nicht verlieret, l.11. C eod.
  und Huren-Kinder mit der Ehrlosigkeit ebenfalls nicht zu belegen sind. l. 3 §. 2. ff. de decur.
  Wie denn auch derjenige, welcher in Ansehung eines Verbrechens zur Strafe des Ungehorsams vor bekannt und überzeugt gehalten wird, nicht vor ehrlos zu achten.
  • Berger in Oecon. Jur. Lib. I. tit. 2. th 14. p.70. und P. II. Suppl. ad Jurispr. Crim. Obs. 79.
  • Wernher in Sel Obs. For.
  {Sp. 1219|S. 625}  
 
  P. VIII. Obs 495.
  Die Ehrlosigkeit wird auch vermieden, wenn wieder einen der Proceß durch einen Anwald geführet wird. l. 1. l. 4. l. 6. ff. de his, qui not. inf.
  Desgleichen wenn noch vor dem Urtheile ein Vergleich gestifftet wird. l. 1. l 6. §. fin. 1. 7. C. eod.
  oder der Schuldner sich noch vor Eröffnung des Urtheils durch Offerirung der Schuld von seiner Verpflichtung befreyet. l. 73. ff. de procur.
  Und dieses findet in denen Verbrechen nicht weniger, als in Contracten, Statt.
  • Gail Lib II. Obs. 103. n. 2.
  • Berger in Oecon. Jur. Lib. I. tit. 2. th. 14. p 70.
  Desgleichen in Injurien-Sachen, wenn der Beklagte noch vor der Befestigung des Kriegs Rechtens bekennet, er bereue die wieder Kläger ausgestossenen Schmach-Reden, oder die ihm vorgeworffenen Laster. Berger in Jurispr. Crim. p. 81.
  So wird auch derjenige nicht unerhlich, welchem der Richter eine grössere und schwerere Strafe auferleget, als die Gesetze erfordern, oder sonst auf das von ihm begangene Vebrechen zu erkennen gewöhnlich ist; da denn solchen Falls der Richrer mit ihm, seiner Ehre und seines guten Nahmens ohnbeschadet, gleichsam sich verglichen zu haben scheinet.
  • l. 13. §. 7. ff. de his, qui not.inf.
  • l. 10. § ult. ff. de poen.
  • Berger in Jurispr. Crim. p. 81, und in Oecon. Jur. Lib. I. tit. 2. th. 14. p. 71.
  Welches auch von dem Falle zu sagen, wenn einem in dem wieder ihn ausgefällten Urtheile, Famos-Sachen betreffend, der Reinigungs-Eyd nebst einer Geld-Straffe zuerkannt wird. Da denn derselbe ebenfalls weder ehrlos, noch der Verwaltung derer Ehren-Stellen unfähig wird. Berger P. II. Supplem. ad Jurispr. Crim. Obs 75.
  Sonst aber und ausserdem ist die in denen Rechten selbst verordnete Ehrlosigkeit ordentlicher Weise von einer beständigen und immerwährenden Dauer. arg. l. 43. §. 4. ff. de R. N.
  Wenn nicht die unehrliche Person die Restitution der Ehre oder die Abolition des begangenen Verbrechens erlanget,
  • l. 7. C de sent pass.
  • l. fin. C. de gen. abolit.
  • Berger in Oecon. Jur Lib. I tit. 2. th. 14. not. 1. p. 72.
  Welches entweder von dem Kayser oder von dem Landes-Fürsten entweder durch eine ausdrückliche oder stillschweigende Begnadigung geschiehet Jedoch mit diesem Unterschiede, daß absonderlich in Deutschland die von einem Landes- Fürsten geschehene Restitution weiter nicht, als binnen der ihm zugehörigen Staaten gültig ist, wenn solche aber von dem Kayser, entweder unmittelbar oder mittelbar, durch einen Kayserlichen Hof- Pfaltz-Grafen, geschiehet, die Kraft derselben sich durch das gantze Reich erstrecket. Berger d. th. 14. p. 71
  Welches denn auch, wenn es seine völlige Würckung haben soll, nöthig ist, daß es vom Kayser geschiehet.
  Was hingegen die blos aus einer schändlichen That, ohne ausdrückliche Verordnung der Rechte, entspringende Unehre anbelanget; so fällt selbige hinweg, wenn einer sich wiederum bessert, und solche Besserung wenigstens 3 Jahr lang zeiget.
  Der einem wegen seiner unehrlichen Geburt anklebende Schandfleck aber kan anders nicht, als durch die Restitution oder  
  {Sp. 1220}  
  die so genannte Legitimation, weggenommen werden; da hingegen der aus einer schlechten und niederträchtigen Lebens-Art entstehende so gleich mit deren Verlassung aufgehoben wird. Berger c. l. p. 72.
  Eine unehelich gebohrne Weibsperson wird, da sie einen rechtmäßigen Mann heyrathet, zugleich legitimirt. Berger c. 1. not. 2. Wiewohl Stryck in Us. Mod. ff. tit. de his, qui sui vel al. jur. §. 20. widriger Meynung.
  So wird auch eine geschändete Weibsperson, wenn solche hernachmahls einen dritten heyrathet, wieder ehrlich gemacht. Berger c. l. not. 3.
  Noch mehr aber alsdenn, wenn solche derjenige, der sie erst geschändet, ordentlicher Weise ehelichet. Berger c. l.
  Übrigens besiehe hierbey auch  
 
  • die unter dem Worte Legitimatio, im XVl Bande, p. 1410. u ff. befindlichen Artickel,
  • wie auch
    • Martin Azpilcueta und Anton Cordubensis de Detractione Famae, ejusque Restitutione,
    • Ferdinand Christoph Harpprecht de singulari Dispensatione Infamiae, quae fit per poenae aggravationem, ad 1. 13. §. 7. ff. de his, qui not. infam.
  • und viele andere besonders in Speidels Biblioth. Jurid Vol. I. v. Fama p. 1095. u. ff. Wie auch Vol, II. V. Legitimatio. p. 244. u. ff. nahmhaft gemachte Rechts-Lehrer.
 

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Stand: 19. September 2016 © Hans-Walter Pries