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Zedler: Wasser [1] HIS-Data
5028-53-71-6-01
Titel: Wasser [1]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 53 Sp. 71
Jahr: 1747
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 53 S. 49
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Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen, Bibel
  • Transkribierter griechischer Text der Vorlage
  • : Absatz in der Vorlage vorhanden

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Übersicht
Schöpffung und Absonderung des Wassers
Natur und Beschaffenheit des Wassers
Ob das Wasser ein Element, folglich von Rechts wegen ein einfaches Wasser?
Was von der Schwere des Wassers zu halten?

  Text Quellenangaben
  Wasser, Lat. Aqua, Frantz. Eau, Holl. Waater, ist nach der alten Philosophie das dritte Element, und machet mit der Erde einen Globus, oder Kugel aus; daher es nicht allein den Erdboden überall umgiebt, sondern auch denselben, wie das Blut in den Adern den Leib, allenthalben durchfliesset.  
  In dem Hebräischen heisseßt es [ein Wort Hebräisch] von dem Arabischen [ein Wort Hebräisch] weit und breit ausbreiten, oder erstrecken. In dem Griechischen wird es hydōr genennet. Plato leget dem Wasser den Nahmen einer nüchternen Gottheit bey.  
     
  Schöpffung und Absonderung des Wassers.  
  Als der allmächtige Schöpffer die gantze Masse des Himmels und der Erden hervorgebracht, und an dem ersten Tage das Licht von der Finsterniß geschieden hatte, präsentirte sich an dem andern Schöpffungs-Tage zwischen den Wassern über der Feste des Himmels, und den Wassern unter dem Himmel, die aufgeheiterte Lufft, als ein Vorhang, oder Scheide-Wand, 1 Mos. I, 6. 7.
  An dem folgenden dritten Tage aber, ward die annoch mit Wasser bedeckte, oder rings umflossene, Erd- und Wasser-Kugel, von der obliegenden Wasser-Last erleichtert, und, nachdem die vor andern dicken und dichten Theilgen, durch das Band ihrer schweren Drückung, sich unter sich begeben, nach und nach mehr gesetzet und verhärtet hatten, ward das feste Erdreich daraus; gleichwie hingegen die dünnen und flüßigen Theile, nachdem sie von den untermengten irrdischen und gröbern Theilen gereiniget waren, sich auf einen Hauffen zusammen bewegen, und also die gesammte Last der Feuchtigkeit, zu künftiger Bewässerung des Erdbodens, ihre besondere Stätte einnehmen, und im Meere, Flüsse, Seen und Qvell-Brunnen, verfasset werden muste, 1. Mos. I, 9. 10. Siehe auch Psalm CIV, 6. 10.
  Es scheinen sonst die zwey Elemente, Wasser und Lufft,  
  {Sp. 72}  
  einander nahe verwandt, und jenes eine dichtere Lufft, dieses ein dünnes Wasser zu seyn; und so sind auch die Vögel als fliegende Fische, und die Fische als schwimmende Vögel, anzusehen.  
  D. Lange hält in seinem Mosaischen Licht und Recht darvor, daß das Wasser die erste Materie sey, woraus der Geist GOttes alle andere Cörper hervorgebracht habe; gleichwie eben derselbe durch das Licht, dessen Moses 1 Mos. I, 3. gedencket, daß es GOtt zuerst unter allen habe werden lassen, das Element des Feuers verstehet, das GOtt am ersten Tage erschaffen, und dadurch alle Geschöpffe perfectioniret, selbiges aber theils der Erde und dem Wasser einverleibet, theils auch hernach die himmlischen Licht-Cörper daraus gemachet habe.  
  Rüdiger will daraus, daß sich der göttliche Geschichtschreiber der Schöpffung, Moses, in Egypten, und vermuthlich, studirens wegen, auch in Phönicien aufgehalten habe, wahrscheinlich schliessen, daß er sich in seiner Historie von der Schöpffung der Egyptischen Kunst-Wörter bedienet, und durch Himmel und Erde, von denen er sage, daß sie GOtt zu Anfang geschaffen, nichts anders, als den Äther und Aer, als die zwey ersten Principien aller erschaffenen Dinge, verstanden habe; welches dem H. Geiste, bey Eingebung der H. Schrifft, nicht zuwider gewesen sey, und man hierinnen desto mehr versichert seyn könne, je mehr Schwierigkeiten in der Erklärung hierdurch zu heben werden. Denn setze man voraus, daß die Alten durch das Wasser nichts anders, als etwas flüßiges, verstanden haben, so werde sich die Auslegung von den Wassern über der Feste vor sich geben, und die Feste die Atmosphärische Lufft, das Wasser über und unter derselben aber den flüßigen Himmel, der unter und über derselben Lufft sey, anzeigen.  
  Andere sind fast gleicher Gedancken, und halten davor, daß in den Worten des H. Geschichtschreibers: Und der Geist GOttes schwebete über dem Wasser, das Wort [ein Wort Hebräisch] einen fliessenden Cörper, oder eine fliessende Materie, bedeute. Denn daß allhier das Wort nicht seine eigentliche gewöhnliche Bedeutung habe, nach welcher es das elementarische und gemeine Wasser anzeiget, erhellet daraus, weil dieses erst an dem dritten Schöpffungs Tage gemacht, und von dem Trockenen, oder dem Elemente der Erde, abgesondert worden sey.  
  Es sey dahero vielmehr klar, daß das Wort [ein Wort Hebräisch] in doppeltem Verstande genommen werde. Erstlich bedeutet es das elementarischee Wasser, wenn es heist: Und GOtt sprach: Es versammlen sich die Wasser unter dem Himmel an einem Ort, u.s.w.; hier aber zeige es in den Worten: Und der Geist GOttes schwebete über denen [ein Wort Hebräisch] überhaupt eine flüßige Materie an. Es heisse aber etwas flüßiges nichts anders, als ein solches Wesen, welches aus lauter sehr kleinen und nicht an einander hängenden Partickelgen (ex minimis discretisque, seu non continuis, particulis) bestehet, dergestalt, daß es leicht getheilet und beweget werden könne. Und was sey dieses anders, als die allerkleinsten und untheilbaren Theilgen? In welchem Verstande auch das Wort [ein Wort Hebräisch] in dem 6 Verse genommen werde, wenn es da heisset: GOtt sprach: Es werde ein ausgebreitetes Wesen mitten in der flüßige Materie, u. diene zur Scheidung zwischen einem Theil derselben, u. dem andern.  
  {Sp. 73|S. 50}  
  Leibnitz hält (in Protogaea und Miscell. Berol.) davor, die Erd-Kugel habe zuerst von Feuer gebrannt, da GOtt das Licht von der Finsterniß geschieden habe; hernach sey sie mit dem Meere bedecket worden, bis GOtt das Wasser von dem Trockenen abgesondert, habe auch vielleicht dergleichen Veränderungen mehr ausgestanden, die uns nicht bekannt wären.  
  Desgleichen verrmeynen sehr viele, es wären vielleicht die himmlischen Cörper lange vorher, theils auch nachher erst, von GOtt erschaffen worden, und es wären Sonne, Mond und Sterne nicht erst am vierten Tage gemacht, sondern nur zu dem Vorscheine gekommen, nachdem der dicke Nebel, welcher vorhin die Erd-Kugel eingehüllet, daß man kaum den Unterschied zwischen Tag und Nacht bemercken können, an den zweyten Tage sich theils in Wolcken theils auch in Wasser verwandelt habe, und die Lufft dünner geworden sey.  
  Was die Wasser über der Feste betrifft, so hegen die Ausleger der H. Schrifft verschiedene Meynungen davon. Die Träume der Heyden von einem gewissen crystallenen Meere verdienen keine Überlegung; Obschon Lyranus, Cajetanus, Tostatus, und andere dieselbe Meynung angenommen haben.  
  Nicht viel besser können wir von der Einbildung einiger alten christlichen Lehrer urtheilen, welche darunter die Engel verstehen wollen, deren Schöpffung sie dem andern Schöpffungs Tage beylegen. So verstund Origenes durch die Wasser über der Feste die guten Engel, und durch das Wasser unter der Feste die Teuffel, welche allegorische Auslegung keinen Grund hat, wie schon Epiphanius und Hieronymus angemercket haben.  
  Viele von den Rabbinen, Scholastickern, und andern, nehmen es von besondern und eigentlichen Wassern über dem gestirnten Himmel an, die GOtt bey der Schöpffung dahin gesetzet habe, welche Erklärung auch Pfeiffer, in seinen Dubiis vexatis. ... mit vielen Gründen zu bestärcken suchet.  
  Diese bereden sich, die Wasser über der Feste müsten von einer allgemeinen Einfassung des gantzen Weltgebäudes erkläret werden. Nach ihren Gedancken, ist das äusserste Ende der Welt auf allen Seiten ein dichter Wasser-Kreis. Der Grund ihrer Meynung beruhet auf der Einbildung daß die Welt ihre Grentzen und die so genannte feste und Himmels-Lufft solche Schrancken von nöthen habe, innerhalb welchen sich ihre Kräffte beysammen halten und äussern könnten. Allein, nachdem heut zu Tage ein grösseres Licht in der Philosophie aufgegangen ist, so zählt man dergleichen Wasser billig unter die Gedichte. Unter andern hat Henning Bernhard Witter in Juribus Israelitarum in Palaestinam ... die Unwahrscheinlichkeit dieser Wasser, womit das Firmament auswärts umschlossen werde, gezeiget.
  Es heißt uns Mosis Bericht so weit nicht gehen; und die Grentzen der Welt gehören gegenwärtig noch unter die unbekannten Dinge, von denen die Allergelehrtesten nichts sagen, noch setzen mögen. Bis dahin reicht weder Erfahrung, noch Kunst, noch Vernunfft. Wer misset die Wasser mit der Faust, und fasset den Himmel mit der Spanne? Wie viel bedenckliche Fragen würde der, dem die Eigenschafften der Lufft und des Wassers nicht  
  {Sp. 74}  
  gantz unbekannt sind, über einem solchen allgemeinen Welt-Meere aufbringen, und zu wie vielen neuen Streitigkeiten würde die scharffsinnigste Beantwortung derselben Anlaß geben? Wie unvermögend würde diese feuchte Schale der Welt seyn, wenn sie nicht von einer höhern Gewalt umschlossen würde? Und was bedarff diese eines solchen natürlichen Weltbehalters? Es ist genug, daß die Allmacht ihrer Hände dazu lehnet, und alle Dinge mit ihrem kräftigen Worte träget.  
  Die Hebräische Redens-Art in dem Texte bezeichnet nicht schlechterdings das Alleräusserste über der Feste; sondern nur, was in gewisser Absicht über einem Theile der Feste, und in der über unsern Häuptern erhabenen Ausspannung, sich befindet. Die meisten Ausleger lassen sich gefallen, durch die Feste den Lufft- Himmel, und durch die Wasser über derselben die Wolcken und das Regen-Wasser, zu verstehen. Sie glauben, den sichersten Weg zu gehen, und damit dem Sinne des Heil. Geistes am nächsten zu kommen. Dieser Meynung sind, nebst andern,
  • Torniellus, Annal. ...
  • Petavius Ration. tempor. ...
  • Kipping de creation. ...
Worbey auch van der Müelen in Dissertationibus de die mundi et rerum omnium natali ... zu lesen stehet.
  Buimann, welcher eben diese Erklärung annimmt, beruffet sich in seinem Gesetz und Zeugniß auf
  • Hiob XXVI, 8; XXXVI, 27.
  • Psalm XVIII, 12; CIV, 3; CLXVII, 8.
  • Jerem. X, 13.
  Wir würden ebenfalls dieser Erklärung Beyfall geben, wenn uns nicht Mosis Beschreibung eines und das andere vorlegte, das, nach unserer Einsicht, derselben entgegen stehet. GOtt machet eine Feste, die zwischen Wasser und Wasser theilet. Die Feste, unter und über welcher Wasser angegeben werden, wird in dem folgenden ausdrücklich eine Feste, oder Ausspannung des Himmels genannt, in welcher die Lichter werden, und ihren Stand und Lauff, zu dem Vortheile der zu bewohnenden Erde, haben solten. Wer unterstehet sich, Sonne, Mond und Sterne in die Gegend zu setzen, wo sich die feuchten Dünste sammlen und zu Wolcken werden?  
  Noch sahe es um die Erde nicht so aus, daß Wasser und Erde geschieden, und die Fläche da gewesen wäre, über welcher sich dergleichen Lufft-Begebenheit hätte ereignen können. Der dritte Tag brachte allererst in Ordnung, was als unter dem Himmel, oder unter der geschaffenen Feste, zu betrachten gegeben wird. Das macht die Sache nicht aus, daß die Lufft Gegend der Erde hin und wieder in der Heil. Schrifft der Himmel heisset, und die Wolcken des Himmels genennet werden.  
  Der mit Lufft erfülte freye Raum über der Erde hat eine Ähnlichkeit mit der Feste, die wir eigentlich Himmel heissen. Wo jene aufhöret, da fänget diese an. Sie strecket sich gegen die hohen Gegenden, und stellet sich unsern Augen, als ein Theil derselben dar. Es kommt demnach darauf an, ob es die Umstände des Textes leiden, und fordern, daß es an diesem Orte also erkläret und verstanden werden müsse.  
  Wenn wir eine Vergleichung zwischen den Göttlichen Wercken, die einem jeglichen Tage zugeschrieben werden, anstellen; wie groß wird die Unwahrscheinlichkeit, daß all-  
  {Sp. 75|S. 51}  
  hier blos von einer gewissen Lufft-Begebenheit, die den Erdboden angehet, die Rede sey? Die Ausspannung über dem Lufft-Kreise der Erden, die der Schöpffer für die himmlischen Cörper bereitete, ist ein Werck, das gegen die andern grossen Wercke GOttes ein viel vortrefflicheres Verhältniß hat, als wenn wir nur so weit über die Feste gehen, wo die Wolcken schweben, das eine nicht allzugrosse Höhe beträget. Die Wolcken lassen sich ungleich bequemer zu den Wassern unter der Feste rechnen, als daß man sie für Wasser über der Feste ausgiebet. Von was für Beschaffenheit sind dieselben? Woher entstehen sie? Wohin begeben sie sich? Alles finden wir unter der Feste und unter dem Himmel, was wir von ihnen sagen müssen.  
  Die fliegenden Wasser-Wolcken sind wie die fliegenden Sand-Wolcken in den Morgenländern. Sie sind ein Theil der Erd-Kugel. Es sind Wasser von eben der Natur, wie die Wasser des Meeres, der Seen, Flüsse und Brunnen sind. Wind und Sonne hohlen sie von der Erde, und wehen sie in die Lufft zusammen: Und von diesen Höhen werden sie bald auf diese bald auf jene Weise, wieder in den Schooß ihrer Mutter herunter gebracht. Wie die Vögel des Himmels unter dem Himmel fliegen; so stehen und lauffen die Wolcken des Himmels unter der Feste.  
  Hierzu kommet auch endlich noch dieses, daß aus 1 B. Mos. II, 5; VII, 11. 12. zu folgen scheinet, daß es vor der Sünd-Fluth noch nicht geregnet, mithin damahls keine solchen Wolcken, wie anjetzo, sich an dem Horizonte befunden haben müssen. Die beyden wahrscheinlichsten Meynungen sind noch zurücke.  
  Die erste davon hegen diejenigen, welche in den Gedancken stehen, der Schöpffer habe dergleichen Wasser-Kreis anfangs nur um die Lufft, welche die Erde umgiebt, gezogen. Die Geschichte der Sünd-Fluth, nebst der Vorstellung, daß der Erdboden vor derselben viel anmuthiger und fruchtbarer gewesen sey, scheinet ihnen diese Meynung sehr glaubwürdig zu machen. Sie sagen, GOtt habe die Sünden der ersten Welt, noch seiner Allwissenheit, vorhergesehen, und dieselben durch eine schreckliche Wasser-Überschwemmung heimzusuchen beschlossen. Folglich habe seine Vorsehung einen Theil der ersten Tiefe in die Höhe, wo sich die Lufft-Gegend der Erde endigt, bis dahin zur Verwahrung gegeben. Bey der Sünd-Fluth habe die Hand des HErrn die Fenster des Himmels aufgethan, und diesen Wasser-Schatz, mit den Wolcken der niedrigen Lufft-Gegend, auf die Erde herunter gestürtzet. Mit diesen Fluthen hätten sich die Wasser, die aus dem verborgenen unterirrdischen Tieffen hervorgebrochen wären, vereiniget, und zusammen die schreckliche Überschwemmung der Erd-Kugel verursachet.  
  Ehe sie aber zu diesem grossen Gerichte gebrauchet worden wären, sey der weite Wasser-Circkel die gröste Wohlthat für die Menschen gewesen. Man hält dafür, es hätten sich in demselben, welcher, als eine crystallene Decke, statt der Wolcken über der Lufft gehangen, und den gantzen Himmel, so zu sagen, überzogen, die Strahlen der Sonne so vortheilhafftig gebrochen, daß die Lufft unter derselben in der schonsten Mäßigung gestanden habe, die Hitze der Sonnen gemäßiget, auch des Nachts  
  {Sp. 76}  
  die Erde erleuchtet, und also überall ein schönes temperirtes Wetter verursachet worden sey. Bey diesen Umständen, habe man jetzo kein Wasser über der Feste mehr zu suchen. Die Sonne habe zwar etwas wieder hinauf gezogen, es sey aber mit der Erde zu sehr vermischt, und daher wären nun die Wolcken so finster, bedeckten auch nie den gantzen Erdboden, sondern blieben immer zerstreuet. Diese Wolcken nun, welche von dem mit der zerrissenen Erd-Fläche zerrütteten Lufft- Kreiße getragen würden, könne man anjetzo die Wasser über der Feste nennen. Leonhard Christoph Sturm hat diese überaus sinnreiche Meynung, in seiner Erklärung einiger Schrifftstellen durch die Mathesin und Physic, vorgetragen; und es wird, zu deren Behuff, noch von andern der so genannte Ring des Saturn angeführet, der vielleicht von gleicher Beschaffenheit sey.
  Ferner berufft man sich darauf, daß 1 B. Mos. I. nur des Abends und des Morgens, nicht aber des eigentlichen Tages und der eigentlichen Nacht, gedacht werde; als welche erst nach der Sünd-Fluth, so wohl, als Saamen und Erndte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, die vorher noch nicht da gewesen, nach dem Göttlichen Ausspruche, 1 B. Mos. VIII, 22.
  in die Welt gekommen wären.  
  Man könne auch Jes. IV. 5. 6.; LX, 19. Offenb. XXII, 1. 5; XXI. 23; nachsehen, an welchen Orten vielleicht auf diese Beschaffenheit der ersten Welt gezielet werde.  
  So scheinbar auch diese Meynung ist, so vermeynen doch andere nicht geringe Ursachen, die sie abhielten, derselben beyzupflichten, gefunden zu haben. Man wendet ein:  
  Die bessere Witterung der ersten Welt sey noch nicht erwiesen; und um der Sünd-Fluth willen habe GOtt eben nicht Ursache gehabt, einen dergleichen Wasser-Vorrath um die Atmosphäre, oder Dunst-Kugel und den Lufft-Kreis der Erde, aufzubehalten. Die Biblische Historie schwiege von einer schönern Witterung des ersten Welt-Alters gantz und gar. In dem Paradiese habe sie anders beschaffen seyn mögen; und so lange der Stand des Göttlichen Ebenbildes bey den Menschen gedauert, so lange habe sich der Zustand des Hauses ohnfehlbar nach dem Zustande seiner guten Einwohner gerichtet.  
  Gantz eine andere Gestalt habe die Beschaffenheit des Erdbodens, in seinen Kräfften und Würckungen, durch die auf die Sünder gelegten Straffen GOttes, bekommen. Solte der Fluch des HErrn nicht durch die kenntlichsten Merckmahle des Göttlichen Zornes an allen Elementen, die sonst zu dem Besten der Menschen geschaffen waren, sich geäussert haben? Woher sey es gekommen, daß die sonst fruchtbaren Felder Dornen und Disteln getragen? Daß ihre Bearbeitung grosse Mühe erfordert habe? Sey nicht allerley üble Witterung mit zu den natürlichen Ursachen zu zählen, deren sich der HErr bedienet, den Acker zu verhindern, daß er sein Vermögen nicht gegeben habe?  
  Die Fläche der Erde behalte die unverwerfflichen Zeugen des über die frechen Sünder jener Tage würcklich ergangenen Göttlichen Gerichtes, an ihren Rissen, Klüfften und Brüchen, an ihren hervorragenden abgebrochenen Felsen und ausgeschweifften Land-Strichen, an ihren ungleichen Bergen und Thälern: Damit die Sünder der  
  {Sp. 77|S. 52}  
  folgenden Zeiten ihre Stimmen hören und sich bessern mögten.  
  Allein das Verhältniß des Himmels gegen die Erde sey zweifelsohne nach der Sünd-Fluth noch eben so, wie es vor der Sünd-Fluth gewesen. Wer könne die Gegenden alle nennen, denen der Thau des Himmels und die in der niedrigen Lufft gebrochenen Licht-Strahlen eben die Dienste thun, die man an jenen vermeynten Gewässern vorgebe. Zu geschweigen, was die doppelte ungleiche Brechung der Sonnen-Strahlen, die man sich dabey vorzustellen habe, den Natur- und Kunst-Verständigen sonst noch für Anstand mache.  
  Die Wasser der Sünd-Fluth dürfften am wenigsten von einer solchen ausserordentlichen Tieffe hergehohlet werden. Die Wolcken des ordentlichen Luft-Himmels über der Erde hätten auf eine gantz natürliche Weise zu solchen Seen und Meeren zugerichtet werden können, die mit den Fluthen, die aus den Tieffen hervorgebrochen, vermögend genug gewesen wären, Berg und Thal unter ihre Fluthen zu begraben. Und da diese Überschwemmung eine gantz ausserordentliche Straffe gewesen sey, wer wolle sich daran stossen, wenn man sage, die Wunder-Hand des HErrn habe die noch jetzo in der Luft schwebenden Wasser-Schläuche bey diesem Falle mehr ausgiessen lassen, als sie natürlicher Weise fasseten? Sey es nicht die Hand gewesen, in welcher sich wenige Brodte dergestalt vermehreten, daß mehrere Tausend damit gespeiset und gesättiget wurden?  
  Die andere wahrscheinliche Meynung ist diejenige, welche Dr. Lange, Dr. Pfaff in der Tübingischen Bibel, der Probst Rheinbeck, Wideburg in Mathesis biblicae specimine primo ..., und andre mehr, erwehlen. Sie tragen dieselbe folgender massen vor:  
  GOtt theilete die Wasser-Kugel, oder die Tieffe, auf welcher der Geist GOttes schwebete. Ein Theil davon ward zu der Erde bestimmet, die den Menschen-Kindern zur Wohnung gegeben werden solte: Und der andre hielt alles in sich, woraus das Firmament des Himmels werden solte. So wenig bey dieser Theilung die Wasser, von dem Erdreiche abgesondert waren; So wenig ergab sich die völlige Absonderung der verschiedenen Materie in dem andern Theile des getrennten Abgrundes.  
  Erde, Wasser, Feuer und Lufft, befanden sich damahls noch in der grössesten Mischung in demselben. Die Luft ward, durch Zurichtung der Feste, am ersten daraus zusammen gezogen, und vor sich ausgespannet. Aus der übrigen feinen, flüßigen und dichten Materie, die zu dieser Verdünnung nicht bequem genug war, wurden hernach die Himmels-Cörper gemacht; Und diese führete die allergröste Menge Wassers bey sich. Diese Wasser wurden unter sie vertheilet, nachdem es die Einrichtung eines jeglichen erforderte.  
  Den nächsten Beweiß davon geben die Planeten, die an und für sich selbst solche dunckele Cörper sind, die unsrer Erd-Kugel in den meisten Stücken gleichen müssen. Wer sich die Ursachen einer Sonnen-Finsterniß sagen lässet, und erweget, wie sich solche begiebet, wenn der Mond zwischen der Sonne und der Erde einen solchen Stand nimmt, der unserm Gesichte  
  {Sp. 78}  
  das freye Ansehen der Sonne verbietet, dem wird dieses gar leicht begreiflich werden. Sind aber die Planeten Cörper, die mit der Erde die gröste Verwandtschaft haben; So bedürffen sie Wasser, damit ihre Erde dichte zusammengehalten werde.  
  Es ist höchst wahrscheinlich, daß es fliessende und stehende Wasser in allen Planeten gebe. Was wir mit Augen nicht deutlich sehen mögen, lässet sich aus gewissen zuverläßigen Anmerckungen sicher schliessen. Flächen, Thäler und Erhebungen sind in denselben nicht zu leugnen; Und gewisse Flecken und Schatten, die man durch Hülffe der grossen Fern-Gläser wahrnimmt, verbinden uns zu glauben, daß ein jeder Planet so, wie die Erde, seinen eigenen Luft-Kreiß, in welchem Dünste und Wolcken aufsteigen und herabfallen, um sich habe.  
  Selbst an der Sonne mercket man immer genauer, daß sie von einer Dunst-Kugel umschlossen sey, die zu den Flecken Anlaß gebe, die sich von Zeit zu Zeit an ihrem Cörper darstellen. Folglich können wir uns ihr Feuer nicht ohne alles Wasser einbilden. Es ist unnöthig, daß man diese Wasser über der Feste in allen Stücken denen gleich mache, die unter der Feste sind. Man überlege nur das Urtheil, das Paulus dort von dem Fleische fället. Menschen und Vieh, Fische und Vögel, haben alle Fleisch. Aber nicht ist alles Fleisch einerley Fleisch; Sondern ein ander Fleisch ist der Menschen; Und ein anders des Viehes; Ein anders der Fische; Ein anders der Vögel. Und es sind Himmlische Cörper; Und es sind irrdische Cörper. Aber eine andere Herrlichkeit haben die himmlischen, eine andere die irrdischen. 1. Cor. XV, 3. 40.
  Die Wasser über der Feste gehören nicht auf, Wasser zu seyn; Gesetzt, daß seine Theilgen etwa weniger Dichte, oder eine andere Vermischung, als unsere Gewässer haben solten. David redet von diesen Wassern überaus schön: Du wölbest es oben mit Wasser, Psalm CIV, 3.
  Oder, wie es eigentlich lautet: Er wölbet und täfelt seine obersten Kammern und Behältnisse im Wasser. Man nehme dazu, was von dem ausgebreiteten Himmel, in dem XL, XLII, und XLVIII Capitel des Propheten Jesaias, vorkommt.
  Diese Meynung von den Wasserhahn über der Feste hat nichts gezwungenes. Die Einfältigen können sie ohne Mühe fassen, und sich daraus einen verständlichen Begrif von den Worten Mosis machen. Andere Göttl. Ausdrücke, die hin und wieder in den Schriften der Heil. Männer von der Schöpffung zeugen, sind ihr nicht entgegen; Und sie stimmet auf das vortreflichste mit den neuern Erkundigungen und Unterrichten überein, die wir von Zeit zu Zeit von den gelehrten Natur- Forschern empfangen haben.  
  Nicht, als ob diese die Vorschrift wären, nach welcher wir der Heil. Männer Vortrag auslegen müsten; Sie helfen nur dazu, daß uns ihr Vortrag verständlicher werde: Sie rechtfertigen die Redens-Arten, deren sie sich in ihrem Vortrage bedienet haben. Ein Tag lehret den andern: Und je weiter es der Fleiß eines bescheidenen Natur-Forschers in der Erkänntniß natürlicher Dinge bringet; Je geschickter wird er, dergleichen Biblische Erzählungen in ein grösseres Licht zu setzen.  
  {Sp. 79|S. 53}  
  Wie starck ist der Beweiß für die Deutlichkeit der H. Schrifft, wenn wir innen werden, daß der Urheber derselben mit solchen Worten von dergleichen Dingen geredet habe, welche die Beschaffenheit der Sache am besten, und recht eigentlich ausdrücken. Er hat gewust, daß die Welt in den Wissenschafften zunehmen, und einmahl die Weisheit GOttes bewundern, und sagen werde, warum der Mund des HErrn eben so und so von seinen Wercken gesprochen habe. Wie manche dunckle Stellen sind durch derselben Beyhülffe in Mose und den Psalmen, in den Propheten und besonders in dem Buche Hiob, bishero besser erkläret worden, als in den vorigen Zeiten hat geschehen können. Und wie manche Aussprüche werden künftig noch richtiger nach dem Sinne des Heil. Geistes getroffen werden! So konnte die Welt ihre Weisheit zu dem Dienste des Hauses GOttes heiligen, und zu der Ehre GOttes und seiner Geheimnißvollen Offenbahrung anwenden lernen.  
  Natur und Beschaffenheit des Wassers.  
  Die Natur-Lehrer sind vorlängst bemühet gewesen, so wohl die Natur des Wassers überhaupt, als derenunterschiedene Sammlungen insonderheit, zu erforschen, und durch die angemerckten Würckungen und Eigenschafften, dahin zu kommen. Das Wasser überhaupt, soferne es als ein Element insgemein angesehen wird, betreffend, so mercket man an:  
  1) Daß das Wasser flüßig, und pflege abwärts zu lauffen:  
  2) Daß solches leicht ausdämpfe und sich zerstreue, welches durch die Hitze geschehe, so gar, daß, wenn sehr trockene Sommer einfallen, fast gantze Flüsse erschöpffet und ausgetrucknet werden:  
  3) Daß sich dasselbe an einigen Cörpern anhänge, und selbige naß mache, oder anfeuchte, als Kleider, Leinewand, da hingegen etliche andere Cörper von dieser Anfechtung befreyet wären. Wie leicht aber sich das Wasser an Leinwand anhänge, so leicht lasse sichs wiederum von dannen durch eine geringe Wärme, oder durch den Wind, ja durch blosse Bewegung der Lufft austreiben:  
  4) Wie aber die von einander abgesonderten, und unter der Gestalt der Dünsten fortgehenden Theile des Wassers sich sehr weit ausdehnten; Also lasse sich das Wasser selbst gar nicht, oder doch sehr wenig zusammen drücken, daß es einen engern Raum, als es vorher gehabt, einnehme:  
  5) Setzen einige, sonderlich die Peripatitici noch diese Eigenschaft hinzu, daß es kalt sey, welche ihm in seinem natürlichen Zustande zukomme, und ob die Kälte schon durch das Feuer, welches sich in das Wasser einschleiche, unterbrochen werde; so geschähe es doch nur zufälliger Weise; Komme aber das Wasser wieder zu sich, so treibe es nach und nach das Feuer wieder von sich, daß es bald laulicht, bald wieder kalt werde. Doch erinnern andere, daß die Kälte keine vor sich subsistirende Sache sey, sondern vielmehr eine solche Eigenschaft, die sich auf die Empfindung bezöge, folglich befinde sie sich nicht würcklich in einer Sache. Siehe Morhof in Polyhist. ...
  welches aber ein Wort-Streit zu seyn scheinet.  
  {Sp. 80}  
  Denn wenn ich Kälte empfinde, so muß doch würcklich was da seyn, daß mir eine solche Empfindung erreget, welches man kalt nennet.  
  Aus diesen angemerckten Würckungen und Eigenschafften des Wassers, suchen die Physici hinter ihre Natur zukommen.  
  Bey den Alten findet man sehr wenig, das hier einiges Licht geben könnte; Ja in den Observat. Halens. ... stehet eine Observation unter dem Titul: Nescire philosophos, quid sit aqua, darinnen der Auctor die Philosophen nach einander durchgehet, und weisen will, es hätte kein Philosoph sagen können, was das Wasser eigentlich sey, und macht endlich den Schluß, man könnte dieses auch nicht wissen.  
  Was die Hebräer betrifft, so theilen zwar die Rabbinen und Cabbalisten das Wasser in ein männliches und weibliches, wie aus dem Buche Jezirah ... und cabbala denudata ... zu ersehen.  
  Allein damit haben sie noch nicht gesagt, was das Wasser sey.  
  Von den so genannten Barbarn unter den Heydnischen Philosophen können wir auch nichts aufweisen, was sie von dem Wasser philosophiret hätten. Denn obschon Seneca L. III Quaestion. Natur. ... berichtet, daß die Egyptier ein männliches und ein weibliches Wasser statuiret; so ist doch dieses nicht nur eine verblümte Redens-Art, welche in der Philosophie nicht angeht; sondern auch noch lange nicht hinlänglich zur Erkenntniß der Natur des Wassers.  
  Von den alten Griechen ist noch was mehrers zu sagen. Überhaupt stunde man in der Jonischen Schule in den Gedancken, daß die Natur aus den flüßigen Principiis zu erklären; In der Eleatischen Schule aber, als Xenophanes und Parmenides regierten, fieng sich die Mechanische Philosophie an zu regen, welche die Natur aus festen und erdigten Theilgen zusammen setzet. Insonderheit soll Thales Milesius das Wasser für den Ursprung aller Dinge ausgegeben haben, wie wir aus dem
  • Cicero quaestion. Academ. ...
  • Plutarchus de placitis philosophorum ..
  • und andern, die Wolff in observ. ad Origenis Philosophum ... anführet,
sehen.
 
  Er soll auf diese Gedancken kommen seyn, weil er angemercket, daß die Thiere aus feuchten Saamen gezeuget, auch durch eine feuchte Nahrung erhalten würden, zu welchen Plutarchus noch diese dritte Ursach setzet, daß sich das Feuer der Sonne und der Sternen durch feuchte Ausdämpffungen erhielten. Wenigstens ist das ein wahres Element, ohnerachtet es nicht hinlänglich, und die natürlichen Würckungen geben genugsam zu verstehen, daß, wie schon gedacht, der Proceß der Natur aus dem flüßigen ins feste gehe, daher auch wahrscheinlich zu schliessen, daß die allererste Materie müsse flüßig gewesen seyn, welches auch die Alten mit ihrem Chao zu verstehen gaben.  
  So viel merckten die Nachfolger des Thales, daß das Wasser nicht hinlänglich, daher immer einer nach dem andern noch ein anders Principium hinzusatzte; Darinnen aber blieben sie inzwischen einig, daß die Natur aus dem flüßigen ins feste wircke: Von dem Plato wissen wir so viel, daß er zuerst zwey Elementen,  
  {Sp. 81|S. 54}  
  Feuer und die Erde gesetzet, damit aber die Welt als ein Cörper zusammen hienge, so habe GOtt zwischen dem Feuer und der Erde noch das Wasser und die Lufft geordnet, welchen Elementen er Geometrische Figuren beygeleget hat, siehe Burnet in archaeolog. philosophicis ...
  Aristoteles de geneneratione et corrupt. ... setzet vier Elementen, und meynet, das Wasser bestünde in der Kälte und in der Feuchtigkeit, welchen Concept seine Nachfolger sonderlich die Scholastici willig angenommen, darwider aber die neuern Philosophen verschiedenes erinnert. Denn hiermit sagen sie erstlich nur einige Eigenschafften; nicht aber die Natur des Wassers; und zu dem reimt sich nicht zusammen, daß Aristoteles Lufft und Wasser nebst der Erde und dem Feuer in eine Classe der Elementen setzet, und doch ... fürgiebt, daß das Wasser eine Materie der Lufft sey.  
  Noch mehr aber verstossen sich diejenigen, welche das Wasser bald vor das feuchteste; bald für das kalteste Element ausgeben. Denn ob schon das Wasser feucht und flüßig, so merckt man doch an, daß noch über demselben die Lufft, welche auch dem Wasser, der Kälte nach, nichts nachgäbe. Man siehet dieses aus der Winter-Saat, welche, wenn sie mit Schnee, der ausser Zweifel eben so kalt als Wasser ist, bedecket, nicht erfrieret, so aber hingegen geschicht, wenn solches die freye Lufft bestreichen kan; dazu auch noch dieser Umstand kommt, daß das Wasser von der kalten Lufft frieret, siehe Gassendus in animadvers. ad Diogen. Laertium ...
  Gesetzt, man gäbe dieses denen Scholasticis zu, so können sie uns doch nicht erklären, worinnen die so grosse Kälte und Feuchtigkeit des Wassers bestehe, siehe Observat. Halens. ...
  Von den Stoicis lesen wir bey dem Seneca ... quaestion. natural. daß sie mit dem Thales das Wasser für den Anfang aller Dinge gehalten; was aber dasselbe ihrer Meynung nach sey, finden wir nicht, und eben so verhält sich die Sache auch mit dem Epicurus. Denn obgleich nicht unbekannt, wie dieser Philosophe die Atomos zum Grund geleget, auch in dem noch vorhandenen Briefe ein und das andere vom Wasser gedacht wird, so hat er sich doch seiner Natur wegen nicht heraus gelassen, daher auch Gassendus, der zu den neuern Zeiten die Epicuräische Philosophie wieder herfür gesucht, wenig davon gedencket.  
  Zu den neuern Zeiten, da die Mechanische Philosophie empor gekommen, hat man die Wirckungen des Wassers aus gewissen Figuren der Materie herleiten wollen, wiewohl sie auch in gewissen Stücken unterschieden sind, theils was die Gestalt selbst, theils was den Grund der Bewegung dieser Theilgen betrifft, wie denn dieser letztere Punct bey der Mechanischen Physic allezeit der gröste Stein des Anstosses ist.  
  Was nun die Figur und Gestalt der Theilgen anlangt, so hat Honoratus Faber dieselbe für würflicht ausgegeben, mit welchem deswegen andere nicht zufrieden, weil mit denselben die Flüßigkeit und Weichheit des Wassers ohnmöglich bestehen könne.  
  Der berühmte Löwenhoeck in Anat. et Contempl. microscop. ... vergleichet die Wassertheile mit Blasen, somit Wasser angefüllet, und wenn sie in freyer Lufft angehängt sind, rund heraus kommen; so man sie aber, in ein  
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  Gefäß werffe, alle Figuren annehmen, und sich so vereinigen, daß kein leerer Platz zwischen ihnen übrig bleibe.  
  Andere meynen, es könnte den Theilgen des Wassers keine bessere Gestalt, als die kugelichte beygeleget werden, welche sich sehr wohl zu der so leichten Absonderung des Wassers schickte; dabey aber einige dieses erinnern, daß wenn sich gleich das Wasser von einander zertrenne, so verspüre man doch eine Zähigkeit, wie solches an den Tropffen, so an Dach-Trauffen hängen, offenbar zu ersehen, daß also den Wasser-Theilgen schwhrlich eine runde oder kugelichte Figur beyzulegen.  
  Cartesius meteor. ... stellet sich diese Theilgen für, wie kleine Ählein, oder Schlänglein, die dabey glatt, weil sie sich leicht von einander trennen liessen; lägen auch gantz nahe beysammen, als kröchen sie wie ein Geschirr voll Würmer, über einander her. Diese Theilgen bewegten sich zwar nicht an sich selbst; sondern hätten in sich kleine Löchlein, darinnen die Himmels-Lufft stäcke, bey deren Anwesenheit die Wasser-Theilgen in stetiger Bewegung erhalten würden, weil leicht zu begreiffen sey, wie sich die schlüpffrichen Schlänglein des Wassers über die runden Ätherischen Kügelein fortwältzen könnten.  
  Aus diesen Concepte wollen die Cartesianer alle Phönomena bey dem Wasser erklären. Denn was anlange die Ausrauchung desselben, so meynen sie, daß dieselbe daher komme, weil die kleinsten Theilgen des Wassers sich nicht nur leicht wegen ihrer schlüpfrigen Biegsamkeit von einander trennten; sondern auch in würcklicher Bewegung unter einander stünden, und daher eine kleine Krafft des Feuers hinlänglich wäre, sie völlig von einander zu sondern.  
  Und weil das Papier, leinen Tuch aus lauter kleinen unter und durch einander gewirckten Fädlein bestünde, so könnten sie leicht von den kleinen Wasser-Schlänglein umschlungen werden, das ist, sie würden naß; die aber auch leicht durch das Feuer, Wind und Lufft herausgejaget würden, und da trockneten sie wiederum.  
  Der Ablauf des Wassers über abhängige Örter sey auch leicht zu fassen, wenn man bedencke, daß die Wasser-Theilgen unter einander in einer stetigen Bewegung wären und sich leicht über die Himmels-Kügelein fortwältzten, und noch über dieses sich wegen ihrer Schwere allezeit gegen der Tieffe senckten; Daß aber die kleinsten Theile des Wassers in beständiger Bewegung unter und durcheinander so wohl über sich, als unter sich auf allen Seiten sich rührten, dessen hätte man genugsame Proben an der Auflösung des Zuckers, oder Saltzes, Erden im blossen Wasser, oder des Goldes, Silbers in aqua fort, aqua regis. Und daß sich das Wasser fast wenig zusammen drucken lasse, rühre daher, weil die Wasser ohnmittelbar über einander herkröchen, so daß sehr wenig und sehr kleine Räumlein zu Logirung des Ätheris unter Lufft übrig wären. Man lese nach Andala in exercitation. philosophicis ...
  Auf eben diesen Schlag philosophiret Sturm in den kurtzen Begriffe der physic. part. speciali ... daß keine bessere Figur der Wasser-Theilgen könnte erdacht werden, als die rundlänglichte und gleichsam wurmförmige Gestalt, wenn man sich nur dieselbe über das polieret und glatt einbilde und die  
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  Bieghafftigkeit dazu füge; und den Grund der Bewegung suchet er auch in der Himmels-Lufft.  
  Einem nachdenckenden müssen wider die Cartesische Philosophie vom Wasser viele Zweifel aufsteigen, wenn er mit keinem unzeitigen Eyffer vor dieselbe eingenommen ist: Denn  
  1) können dergleichen Schlänglein, wie sich solches Cartesius einbildet, durch kein Vergrösserungs-Glas gemercket werden;  
  2) hängt nicht zusammen, was er von dem Eise sagt, daß wenn die subtileste Materie, woher die Bewegung komme, wegwiche, die Schlänglein feste an einander klebten, ruheten, und das Eis verursachten; in dem nicht zu concipiren, daß die Schlänglein, die man niemahls wahrnehmen kan, solten ein solches Gewichte haben, daß sie so feste aufeinander ruheten.  
  Es sind sehr schlechte Beweise, die Cartesius anfuhrt, wiewohl es nicht anders seyn kan, wenn man alles lediglich aus der Beschaffenheit der Materie leiten, und darbey die Freyheit, sich allerhand Erdichtungen zu machen, heraus nehmen will. Ein jeglicher mag seine Worte überlegen, wenn er ... schreibet: [11 Zeilen Lateinischer Text]. Es kan noch hier gelesen werden Traite du mouvement des eaux et des autres corps fluides par Mr Mariote, welches de la Hire zu Paris 1700. als die andere Edition ausgehen lassen; nachdem es vorher 1686. herausgekommen war. Einen Auszug davon giebt Bayle in nouvelles de la rpublique des lettres 1686 ... Zu Florentz ist 1723. sylloge scriptorum de motu aquarum in drey Theilen Italienisch herausgekommen, darinnen man viele Schrifften, sonderlich gelehrter Italiener die Theorie der fliessenden Wasser betreffend beysammen findet, davon man die Acta Erudit. 1725 ... lesen kan. Eben daselbst ... werden recensiret Jacobs Jurini Dissertationis de motu aquarum fluentium ... defensio, welche zu Venedig 1724. zum Vorschein kommen.  
  Es werden bey dieser Materie hin und wieder noch einige besondere Fragen untersuchet, als 1)  
     
  Ob das Wasser ein Element, folglich von Rechts wegen ein einfaches Wasser?  
     
  Davon die Schullehrer viel Geschwätz gemacht, welche das elementarische Wasser, so nach seinem natürlichen Zustand zu betrachten, von den uns vor Augen liegenden Wassern unterscheiden, ob man freylich nicht sagen könnte, daß ein solch reines und elementarisches Wasser anzutreffen sey. Es würde aber aller solcher Dispüten nicht gebraucht haben, wenn man sich theils einen rechten Concept von dem Elemente gemacht; theils wahre Elementen gesetzet, da man denn nicht nöthig ge-  
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  habt hätte, die zusammengesetzte Cörper in den Gedancken einfach sich zu concipiren; 2)  
     
  Was von der Schwere des Wassers zu halten?  
     
  Die Alten, sonderlich Schulgelehrten, haben schon dafür gehalten, daß das Wasser, wenn es sich an seinem eigenen Orte befände, nicht schwer sey, und also Wasser in dem Wasser nicht drucke. So sey in einem Ziehe-Brunnen der Eymer mit Wasser gefüllet, leicht zu bewegen, so lange er noch unter dem Wasser, sobald er aber über die Fläche des Wassers gezogen worden, daß das Wasser in dem Eymer aus seinem eigentlichen Orte komme, so spüre man die druckende Krafft.  
  Ferner gehöre hieher, daß ein an dem Grunde des Meeres stehender Perlen-Fischer nicht das geringste Gewicht, oder die geringste Drückung wahrnehme, ob schon viel hundert, ja tausend Centner über seinem Haupte schweben, und gleichwohl wenn die obern Theile des Wassers auf die untern druckten, so müsten die Cörper der Wasser-Taucher fest zusammen gedruckt werden.  
  D. Rüdiger hat in seiner physica divina eben diese Meynung, daß ein Cörper an seinem gehörigen Orte weder leicht noch schwer, folglich wäre weder die Lufft, noch das Wasser an sich selbst schwer. Doch die meisten der neuern Physicorum behaupten das Gegentheil, und erinnern wegen der Schwere des Wassers verschiedenes. Denn einmahl druckten die flüßigen Cörper auf allen Seiten in die Runde, und zwar gantz gleich, oder allenthalben gleichförmig; hernach wären die flüßigen Cörper weich, so daß sie den härtern und dichtern wiechen, und destoweniger das Gefühl afficirten, ja jemehr unsere Sinnen einer Sache gewohnt wären; je weniger fühlten sie die Schwere derselben.  
  Aber auch hier lässet sich verschiedenes einwenden. Denn wenn gleich das Wasser von den Seiten und nicht von oben her drucken soll, so müste man doch auch diese Drückung empfinden, und gleichwohl spüret man, wenn man unter dem Wasser ist, weder auf den Seiten, noch von oben herein etwas. Sind die flüßigen Cörper gleich weich, so kan doch dieses nicht verhindern, daß man die Schwere des Wassers, wenn es an und vor sich schwer, nicht fühlen solte; wie es denn auch eine schlechte Ausflucht, daß man eines Dinges gewohnt, daher empfinde man es nicht so. Denn soviel ist wohl gewiß, daß die Empfindung nicht so starck, und man giebt nicht so genau darauf Achtung; allein deswegen geschicht doch eine Empfindung, wenigstens im Anfange. Da hingegen diejenigen, so unter dem Wasser gewesen, bezeugen, daß sie gar nichts fühlten. Wir essen alle Tage Brod, und sind es gewohnt; aber deswegen empfinden wir doch, wie es schmeckt.  
  Es haben einige diese Ursache angeben wollen, warum das Wasser die Leute, die unter demselben sind, von oben her nicht drucke, weil das Wasser unter demselben zurück druckte, und also empfinde man den obern Druck nicht, welches aber keine hinlängliche Ursache zu seyn scheinet. Denn wir wollen setzen, das einem Menschen ein Stein von ziemlicher Grösse auf den Rücken; und ein anderer auf den Bauch gebunden würde, da würde  
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  sichs zeigen, daß dieser Mensch die Last so wohl auf dem Rücken; als an dem Bauche fühlet, folglich müste man in dem Wasser vielmehr dessen Druck, so wohl von oben, als von unten verspüren.  
  Was die Schwere des Wassers ausser dem Wasser anbetrift, so soll, wie durch die angestellten Versuche bekannt geworden ist, selbige bey nahe ein Theil der Schwere des Quecksilbers beykommen, welches doch unter allen flüßigen Materien, die man auf dem Erdboden antrifft, die schwereste ist. Dieser Schwere wegen sencken sich die Wasser Theile allezeit gegen die Tieffe, oder fliessen unterwärts, Mich. I, 4,
  und suchen ein Behältniß, darinnen sie aufbehalten werden können.  
  Darum mag auch Niemand das Wasser in einem Kleid binden, ohne der allmächtige GOtt, Sprüchw. XXX, 4.
  Die Schwere des Wassers kan man auf allerhand Art erfahren: als  
 
1) an der Dicke und Trübigkeit. Denn alle dickere Wasser sind auch schwerer, als die hellen und klaren; daher die Schiffe viel leichter in dem saltzichten und schweren Meerwasser, als in den süssen und leichtern Wassern getragen werden.
2) Durch Baumwolle: Man nimmt etliche Flöckgen Baumwolle, und tauchet sie in unterschiedliche Arten Wasser, welches Flöckgen Baumwolle nun das leichteste Wasser in sich hat, dasselbe wird am geschwindesten, dasjenige aber, so das schwereste führet, am langsamsten trocken werden.
3) Andere nehmen Wachskugeln, thun inwendig etwas Bley hinein, doch, daß sie nicht allzuschwer werden, und untersincken können. Welche Kugel nun tieffer, als die andere ins Wasser gehet, dasselbe Wasser hält man auch für leichter, als das, darein die Kugel nicht so tief gehet. Am besten aber geschiehet diese Untersuchung
4) mit denen Hydrometern, wie solche bey Leupolden in Leipzig zu bekommen waren, mit welchem man die Schwere oder Leichte des Wassers nach gewissen Graden bestimmen und abwägen kan. Siehe Hydrometrum, im XIII Bande, p. 1376
 
     

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Stand: 4. April 2013 © Hans-Walter Pries