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Zedler: Welt, Latein. Mundus [9] HIS-Data
5028-54-1639-4-09
Titel: Welt, Latein. Mundus [9]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 54 Sp. 1706
Jahr: 1747
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 54 S. 866
Vorheriger Artikel: Welt, Latein. Mundus [8]
Folgender Artikel: Welt, (A.D.)
Hinweise:
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  Text   Quellenangaben
  19) Erklärung einiger Schrifft-Stellen von der Welt.  
 
α) Matthäi XII, 32. Dem wird es nicht vergeben, weder in dieser, noch in jener Welt.
 
 
  Mit diesen Worten meynet unser Heyland nicht, als ob etliche Sünden, welche hier in dieser Welt nicht vergeben, doch noch wohl in der andern Welt erlassen werden könnten, nemlich indem Fege-Feuer, wie also Becanus und andere päbstische Lehrer schliessen wollen, da doch dieser Spruch den päbstischen Hypothesibus gantz zuwider ist: Sintemahl in dem Spruche Christi von der allergrössesten Tod-Sünden gehandelt wird, mit welchen die Sünde wider den H. Geist verglichen wird; Nun werden aber, nach der päbstischen Lehre, in dem Fege-Feuer keine Tod-Sünden, sondern allein die erläßlichen vergeben. So mag dannenhero dieser Spruch das Fege-Feuer nicht beweisen.
 
 
  Ferner lehren die Papisten, daß zwar die Sünde in der
 
  {Sp. 1707|S. 867}  
 
  Welt vergeben werde, aber die Straffe könne in jener Welt auch abgebüsset werden: Das lehret Christus in diesem Spruche gar nicht. Weiter so redet Christus hier allein von der Sünde wider den Heiligen Geist, daß dieselbige nicht vergeben werden könne: Wann nun der Papisten Meynung Platz finden solte, so müsten auch andere Tod-Sünden, ja alle andern, ausser der Sünde in den H. Geist, in der andern Welt, und also, ihrer Meynung nach, in dem Fege-Feuer, vergeben werden können; Welches aber wider ihre Lehre streitet, und das sie nicht zugeben werden.
 
 
  So hat auch Chrysostomus diesen Spruch reichlich und weitläufftig erkläret, hat aber kein Fege-Feuer darinnen finden können. Über das, so erkläret Marcus den Matthäus, und sagt, wie Christi Worte zu verstehen seyn, daß solche Sünde weder in dieser, noch in jener Welt, vergeben werden könne, nemlich: Sie habe ewiglich keine Vergebung, sondern sey des ewigen Gerichtes schuldig; Das heißt, weder in dieser, noch in jener Welt, das ist, sie wird ihnen ewiglich nicht verziehen: Das demnach dieser Spruch das Fege-Feuer im wenigsten nichts angehet.
 
 
  Es zielet aber der liebste Heyland mit dieser Redens-Art entweder auf die Meynung der Juden, die sie von dem Effect und Würckung ihres höchsten Bannes zu hegen pflegten, da sie sagten, daß keiner, der in dem letzten Grade des Bannes wäre, wieder zurücke kommen und sich bekehren könnte, weder in dieser, noch in jener Welt; Oder es kan auch die Ursach solcher Redens-Art seyn, daß dadurch der liebste Heyland einer gemeinen und falschen Meynung hat begegnen wollen, die unter den Juden damahls in dem Schwange gieng, und darauf beruhte, daß sie sagten, es wären gewisse Sünden, die, wenn sie nicht in dieser Welt den Menschen vergeben würden, doch in der andern Welt, durch Opffer, oder auch durch den Tod des Menschen, ausgesöhnet werden könnten; Daß Christus so viel sagen wolte: Die Gotteslästerung wider den H. Geist wird weder in dieser, noch in jener Welt, das ist, weder vor dem Tode, noch, wie ihr euch sonst träumen lasset, durch den Tod, vergeben werden.
 
 
β) Joh. III, 17. GOtt hat seinen Sohn nicht gesandt in die Welt, die Welt zu richten, das ist, zu verdammen.
 
 
  Denn so wird krinein öffters für katakrinein, Verdammen, gebrauchet. Wie es die LXX Dollmetscher 2 Mos. XXII, 9. von der Obrigkeit, welche die Diebe zu der gebührenden Straffe verurtheilet, gebrauchen. Ingleichen Ebr. XIII, 4. GOtt werde die Ehebrecher richten, das ist, straffen. Und also wird er es auch allhier vor Verdammen gebrauchet, daß GOtt seinen Sohn nicht gesandt habe, die Welt, wegen ihrer begangenen Sünden, zu verdammen und in die Hölle zu stürtzen.
 
 
  Wie es auch also die Lateinische Bibel, der Syrische und Arabische Ausleger, gegeben haben, daß es ein gerichtliches Verdammniß-Urtheil bedeute. Wir lesen zwar Joh. IX, 39, daß Christus sagt: Ich bin zum Gerichte auf diese Welt kommen; Es ist aber solches zufälliger Weise zu verstehen, weil ihn die Welt nicht annehmen will; Gleichwie Paulus 2 Corinth. II, 16 saget.
 
 
  Sonsten ist solches auch von seiner
 
  {Sp. 1708}  
 
  ersten Zukunfft in die Welt zu verstehen, da er zu Bethlehem gebohren worden, und zu dem Ende in diese Welt gekommen ist, daß er die armen Bußfertigen selig mache, und ihnen zu ruffe: Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seyd, ich will euch erquicken,
Matth. XI, 28.
 
  Nicht aber von seiner andern Zukunfft, da er an dem jüngsten Tage kommen und erscheinen wird, zu richten die Lebendigen und die Toten; da er freylich die Gottlosen verdammen, und zu ihnen sagen wird: Gehet hin von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teuffel und seinen Engeln,
Matth. XXV, 41.
 
γ) Joh. XVI, 20. Die Welt wird sich freuen.
 
 
  Es sind zwar gute Gedancken, welche Euthymius über diese Worte hat, indem er es von einer göttl. Freude annimmt, und spricht: Mundus totus gaudebit, quia mea passio erit totius mundi redemtio. Gleich als wolte Christus sprechen: Ihr meine Lieben, die ich euch abermahl mit Schmerzen gebähre, ihr trauret über meinen Hingang, da sich doch die gantze Welt darüber erfreuen wird, weil auch mein Leiden eine Erlösung der gantzen Welt ist.
 
 
  Die Gedancken, sagen wir, sind in ihren Sätzen gut, weil freylich aus dem Leiden JEsu die wahre beständige Freude allen Christen, wie einem Säuglinge Safft und Leben aus seiner Mutter, entspringet; Dieser auch auf solchen Fall selbst zu seinen Aposteln saget: Es ist euch gut, daß ich hingehe, denn so ich nicht hingehe, u.s.w.
Joh. XVI, 7.
 
  Allein aus dem Gegensatze, da Christus die Welt und seine Jünger gegen einander stellet, ist sattsam zu erkennen, daß der HErr von einer Schaden- und Unglücks-Freude rede, als wodurch die Traurigkeit der Apostel um ein ziemliches werde vergrössert werden. Die Welt, spricht er, wird sich freuen. Es gilt gleich viel, ob wir durch die Welt den Fürsten der Welt,
Joh. XIV, 20.
 
  oder aber die Jüden verstehen, die da weltlich lebten, und mit weltlichen Gedancken, wie der Fisch von dem Wasser, oder der Maulwurff von der Erden, allenthalben umgeben waren.
 
 
  Bey allen diesen entstund über Christi Tod und Untergang Freude. Die Welt wird sich freuen, hieß es von ihnen beyderseits. Sonst entstehet zwar wenig Freude, wenn die Sonne an dem Himmel verdunckelt, oder gar zu Rüste gehet; Sintemahl sich die gantze Natur entsetzet, und so zu reden betrübt ist. Hier aber bey der Welt fand sich das Widerspiel. Gieng schon die helle Sonne der Gerechtigkeit an dem Creutze unter, so freuete sie sich doch. Und das war kein Wunder. Denn wie Licht und Finsterniß keine Gemeinschafft mit einander haben,
2 Corinth. VI, 14.
 
  Der Teuffel aber der Fürst der Finsterniß ist, auch die Jüden die Finsterniß mehr liebten, denn das Licht: So waren sie froh, daß diese Sonne verdunckelte, und ihr Glantz gantz untergieng, damit nicht ihre bösen Wercke an das Licht, wie die Krebse, durch eine helle Fackel, aus ihren Löchern, kommen möchten.
 
 
δ) 1 Joh. II, 17. die Welt vergehet mit ihrer Lust; Wer aber den Willen Gottes thut, der bleibet in Ewigkeit.
 
 
  Die Welt ist hier nicht das grosse Welt-Gebäude Himmels und der Erden, dessen Grund GOtt geleget hat, und in welches
 
  {Sp. 1709|S. 868}  
 
  auch der Heyland gekommen ist,
Joh. I, 10.
 
  Wiewohl auch dasselbe zu seiner Zeit zu nichte werden und vergehen wird,
2 Petri III, 10.
 
  Sondern alle das eitle und nichtige Schein-Wesen dieses Lebens, in welches sich die Kinder dieser Welt zu verlieben, und ihr Hertz daran zu hängen pflegen, als da ist des Fleisches Lust, der Augen Lust und hoffärtiges Leben,
v. 16.
 
  Von welcher Welt auch ihre Liebhaber nicht auszuschliessen sind, denen der Bauch ihr GOtt ist, die da irrdisch gesinnet sind,
Phil. III, 19.
 
  Das sind kosmopolitai, Welt-Bürger, die ohne GOtt in der Welt sind,
Ephes. II, 12.
 
  Diese vergehet mit ihrer Lust, ihr Wesen verschwindet
Job. XXII, 20.
 
  Das Wesen dieser Welt vergehet,
1 Corinth. VII, 31.
 
  Ja sie vergehet, wie eine Grases-Blume,
  • Jacob. I, 10.
  • 1 Petri I, 24.
 
  Gregorius sagt: Die Frucht so man von der Welt zu gewarten hat, ist der Untergang. Wer aber den Willen GOttes thut, der bleibet in Ewigkeit. Das sind diejenigen, welche GOttes Befehl folgen, das ist, an den Nahmen seines Sohnes glauben, GOtt und den Nächsten lieben, und aus Glauben und Liebe zu GOtt alle weltliche Herrlichkeit, Wollust und Reichthum dieses Lebens, als vergängliche Güter, verachten, hingegen einig und allein nach dem Ewigen trachten, diese sollen nicht mit den Welt-Kindern verlohren gehen, sondern das ewige Leben haben,
Joh. III, 16.
 
  Sie sollen in Ewigkeit leben, in GOttes Hütten wohnen, und auf dem H. Berge bleiben,
Psalm XV, 1.
 
ε) 1 Joh. III, 1. Darum kennet euch die Welt nicht.
 
 
  Wie alle Anfechtungen und Verfolgungen eines Christen, wenn man sie recht einsiehet, zu der Vermehrung und Bekräfftigung seines Glaubens dienen; So muß auch die besondere Anfechtung der Welt, womit sie uns die Göttl. Kindschafft streitig machen will, ein grosser Zugang unserer Freudigkeit seyn. In dem Anfange mache es freylich einen Gläubigen in etwas irre und ungewiß, wenn er, als ein Kind Gottes, aller Welt-Kinder Verachtung und Blindheit überwinden soll: Wenn er aber nur dadurch nicht kleinmüthig wird, sondern der Welt getrost unter die Augen tritt, und wohl bedencket, wie und warum sie ihm so aufsätzig und gehäßig sey; So wird ihre Läugnen und Lästern, ihr Spotten und Höhnen, ihn seiner göttl. Kindschafft um gar viel versicherter machen.
 
 
  Hat es zuerst bey ihm geheissen: Die Welt achtet meiner nicht, und hält mich für kein Kind Gottes, darum bin ich auch etwas kleines; So wird hernach der Schluß gantz umgekehrt fallen, und also lauten: Eben deswegen bin ich gantz gewiß GOttes Kind, weil mich die Welt nicht leiten und dulden, nicht ansehen und erkennen kan, oder will. Diß ist nun auch Johannes Meynung, wenn er in unserm Texte schreibet: Darum kennet euch die Welt nicht, denn sie kennet ihn nicht. Als wolte er sagen: Lieben Christen, eben daran sehet ihr es, daß ihr Kinder Gottes, und von GOtt väterlich geliebet seyd, weil die Welt von euch nichts hören, noch wissen will. Eure göttl. Kindschafft, eures himmlischen Vaters Art, Sinn, und heiliges Tugend-Bild, welche ihr an euch tragt, die verstellen euch
 
  {Sp. 1710}  
 
  so in den Augen der Welt, daß ihr derselben gar nicht leidlich seyd. Denn sie kennet euren himml. Vater nicht, wie solte sie denn euch, die ihr dem Vater ähnlich geworden seyd, erkennen? Wäret ihr nicht von GOtt, sondern von der Welt, so würdet ihr nicht so bey ihr verschlagen und verworffen seyn: Wo aber GOtt nichts gilt und geachtet wird, da müßt nothwendig auch ihr, als dessen Angehörige, vernichtet und verspottet werden.
 
 
  So nehmet denn die Blindheit und Boßheit der Welt, als ein Zeichen eurer gewissen Absonderung von ihr, an und auf. Tragt mit eurem himmlischen Vater gleiche Geringschätzung und Schmach. Leidet er es, daß ihn die Welt nicht kennet, oder zu kennen begehret; So könnt ja auch ihr es leiden. Bleibt er in seiner göttl. Ehre, Majestät und Hoheit, bey aller Unerkänntlichkeit der Welt, unversehrt und ungekränckt, so könnt gewisslich auch ihr dabey in der Ehre und Herrlichkeit der göttl. Kindschafft, ohne Anstoß und Abgang, glücklich und selig bleiben.
 
 
  Diese nützliche Vorstellung noch gründlicher zu untersuchen, so betrachten wir vornemlich, wie uns die Welt nicht kenne? Diß wird klar werden, wenn wir bedencken, daß durch die Welt die verblendeten Welt-Menschen und Welt-Kinder, die fleischlich und irrdisch gesinnten Bauch-Diener, Mammons-Knechte und Sünden-Sclaven, die der Eitelkeit ergebenen, typischen Heuchler und viehischen Epicurer verstanden werden. Denn da diese alle als Fleisch vom Fleisch gebohren, als todt in Sünden, und blind unter der Obrigkeit der Finsterniß, als entfremdet von GOtt und untüchtig zu dem Guten, so wenig, ja so gar nichts von der göttl. Kindschafft und geistlichen Wiedergeburt wissen, urtheilen, verstehen und begreiffen können, als wenig ein Blinder von schönen Farben, und ein Rasender von vernünfftigen Leuten, urtheilen kan; So siehet man bald, daß die Worte: Darum kennet euch die Welt nicht, anzeigen und sagen, daß die Welt-Kinder gar im geringsten nicht wissen, was ein Kind Gottes sey, und daß sie die Gnade und Herrl. der Wiedergeburt und göttlichen Kindschafft nimmermehr erkundigen, oder glauben können.
 
 
  Umständlich davon zu reden, so erkennet die Welt die Kinder Gottes nicht für das, was sie sind. Die Welt-Kinder kennen die Kinder Gottes zwar wohl nach ihren äusserlichen Umständen, nach den Gesichtern und Personen; So mercken sie auch schon, daß in dem Leben und Wandel, in dem Sinn und Gemüthe, in den Wercken und Aufführungen, ein grosser Unterschied zwischen ihnen und den Gläubigen sey. Aber die innerliche geistliche Gestalt der Kinder Gottes bleibt ihnen gantz und gar unbekannt und verdeckt, ja sie kommt ihnen gantz widersinnisch, fremd und unbegreifflich vor. Sagen die Kinder Gottes etwas von ihren Vorrechten und Vorzügen zu der Welt, so hält es diese für einen eitlen Ruhm, für ein phantastisches Groß-Sprechen, und für eine Hoffarth und Einbildung, welche gantz unleidlich sey, wie es Weish. II, 13. 16 stehet.
 
 
  Dabey kennet die blinde Welt nothwendig auch auf diese Weise Gottes Kinder nicht, daß sie dieselbigen nicht liebet, nicht werth achtet, nicht ästimiret, und zu Freunden haben mag.
 
  {Sp. 1711|S. 869}  
 
  Wie Pharao nichts von Joseph wuste, das ist, keine Liebe und Ästim für ihn hatte; So mag die Welt von den Kindern GOttes nichts wissen, oder hören. Überdieß kennet auch die Welt die Kinder GOttes solchergestalt nicht, daß sie ihnen nie geständig ist, was ihnen die Gnade der Wiedergeburt und göttl. Kindschafft beygeleget hat.
 
 
  Zum Exempel, die Welt leugnet es den Frommen entweder unter die Augen, oder spricht es ihnen doch heimlich ab, daß sich GOtt ihrer mit besonderer väterlicher Liebe annehme und erbarme; Daß GOttes Geist und Ebenbild an ihnen hervorleuchte; Daß Ihr Leben und Wandel den Willen und Worte GOttes gemäß und conform sey; Daß sich GOtt zu seinem Königl. Priesterthum und Leib-Volcke gemacht habe; Daß ihr Wesen keine Heucheley, und ihre Gottseligkeit keine Verstellung, und auch kein Zwang-Werck sey; Und so ferner.
 
 
  Worzu endl. kommt, daß die Welt-Kinder die wiedergebohrnen Gläubigen gar nicht als Kinder GOttes, als die Crone des menschlichen Geschlechts, als den heiligen Saamen, um dessen Willen GOtt die Welt noch mit conserviret, und als die erstgebohrnen Lieblinge des Allerhöchsten, tractiren und halten; Sondern ihnen vielmehr das härteste und schimpflichste Tractament widerfahren lassen, selbige für ihren Spott und für ein höhnisches Beyspiel achten, und allen ihren Muthwillen an ihnen verüben, ja sie jedermänniglich Preiß geben, und wieder keine Schande, oder Beschädigung, nach Würden schützen; sondern vielmehr darein stürtzen und versencken.
 
 
  Offt schreyet man sie gar für Teuffels-Kinder und Lotter-Buben, für Betrüger und Aufrührer, aus; Oder wenn es gelinder zugeht, so ist ihnen der Narren-Titel gewiß, wo man nicht gar saget, daß sie rasend und unsinnig seyn; Wie diß alles mit Exempeln aus H. Schrifft, aus der Kirchen- und Profan-Historie, wie auch aus der traurigen Erfahrung unserer Zeiten, mehr als zu viel zu belegen ist.
 
 
  Die Welt-Kinder wissen also nichts von der wahren Beschaffenheit, Art, Weise, Ehre, Freude, Wollust und Vergnügung der Kinder GOttes. Sie wissen nichts von ihrem Umgange mit GOtt, von ihrem kindlichen Zutritte zu dem Vater, von dem Pfande ihres Erbes im H. Geiste, von ihrer lebendigen Hoffnung der Seligkeit, von ihrem Leben aus GOtt, und anderm mehr. So wissen sie auch nichts von ihren Tugenden und guten Wercken, von ihrem Kämpffen und Siegen, von ihrem Leiden und Freuden, von ihren innerlichen Gottesdiensten und himmlischen Liebes-Flammen. Summa, so wenig ein unvernünfftiges Thier einen vernünfftigen Menschen in seinen Eigenschafften und Verrichtungen kennet; so wenig kennen die thierischen Welt-Kinder einen wiedergebohrnen Christen in dem, was er vor ihnen besonders von GOtt hat, geniesset und thut.
 
 
  Daß die Wiedergebohrnen nicht mit in ihr wüstes und unordentliches Wesen lauffen, das befremdet sie so, daß sie dieselben lästern,
1 Petri IV, 4.
 
  Und daß sie ihre Lüste für einen Unflath, ihre Ehre für eine Schande; ihre vermeyntliche Freyheit für höllische Sclaverey, ihren Wohlstand für den grösten Übelstand halten; das kommt ihnen eben so unbegreifflich vor, als unbegreifflich den Gläubigen ist, daß die Welt-Kinder das Ge-
 
  {Sp. 1712}  
 
  gentheil glauben und thun. Aus diesem Fundamente kommt nun alle andere Unvernunfft, Bosheit, Unerkänntlichkeit und Verachtung, welche die Kinder Gottes von den Welt-Kindern leiden und erfahren müssen, her. Die Widerwärtigkeit der Sinnen, Neigungen, Maximen, Lebens-Regeln, und Übungen, läßt nimmermehr zu, daß sich die Welt-Kinder in die Kinder Gottes richten, oder auch diese nach ihnen sich bequemen.
 
 
  Zwischen dem Saamen des Meßias und dem Saamen der höllischen Schlange ist eine ewige Feindschafft. Die Kinder Gottes wissen wohl, was an den Welt-Kindern (sie seien gleich Heuchler, oder Ruchlose) zu thun sey; aber diese können von jenen unmüglich recht urtheilen, sondern stossen und ärgern sich an ihnen, wie es die Welt an Christo selber gethan hat, und noch thut. Bürger, die in einer Stadt wohnen, kennen einander wohl; Kinder, die in einem Hause leben, und eine gute Art und Zucht haben, können sich bestens zusammen verstehen: Wo aber zweyer weit entlegener, und dazu feindseliger, Städte Bürger zusammen kommen, da wird das Kennen einen Trennen, daß Betrachten einen Verachten seyn.
 
 
  Ein jeder Christ prüfe sich also, und frage sich selbst: Wie steht es doch um dich? Kan man auch von dir sagen, die Welt kenne dich nicht? Er prüfe auch ferner sein Gewissen, ob er nicht auch darinnen noch ein offenbahres Welt-Kind sey, daß er die Kinder Gottes nicht kenne? Der aber, der bey der Welt bereits unbekannt und verworffen ist, und dabey GOtt und seine Kinder hertzlich kennet und liebet; nehme aus dem, daß die Welt GOttes Kinder nicht kennen will, hauptsächlich die Erinnerung, daß wir umso viel mehr und emsiger trachten sollen, in der That zu seyn, wofür die Welt uns nicht erkennen und halten mag. Endl. so lasse er, weil ihn die Welt nicht kennet, auch das Urtheil der Welt in dem, was sein Christenthum betrifft nichts bey ihm gelten.
 
  Hiermit verknüpffen wir noch, was wir in dem von Förtschen extrahirten Bibl. Lexico Luthers ... antreffen:  
 
a. Zu 1 Mos. VI, 4. Gewaltige in der Welt.
 
 
  Hieronymus hat vertirt; Isti sunt potentes a Seculo; Diese sind Gewaltige von der Welt an. Aber das Wort: Seculum, bedeutet hie nicht eine lange währende Zeit, ist auch nicht in Praedicamento qualitatis. Denn diese Riesen, oder Tyrannen, sind nicht von Anfang der Welt her gewest, sondern sind da allererst gebohren, da die Kinder Gottes zu den Kindern der Menschen gerathen sind. Und will Moses damit anzeigen, was das für ein Gewalt gewesen sey, darauf sie sich verlassen haben, nehmlich eine zeitliche, oder weltliche Gewalt.
 
 
  Denn das Predigt-Amt haben sie verachtet, als ein geringes Amt, darum haben sie sich an ein ander Regiment, oder Amt, gehalten, an ein weltliches. Denn was Mosen belangt, so bedeut das Wort: Olam, [ein Wort Hebräisch] die Welt selbst und die Zeit. Darum soll man fleißig Achtung geben, wenn es in der Schrifft eine wahrhafftige Zeit, Seculum, bedeut, oder die Welt. Nun muß es hie nothwendig von der Welt verstanden werden, denn solche Riesen, oder Tyrannen, sind von Anfang der Welt nicht gewest.
 
  {Sp. 1713|S. 870}  
 
b. Zu Joh. XVII, 9. Ich bitte für sie und bitte nicht für die Welt, das ist: Ich bitte nicht, daß du der Welt und Ungläubigen Fürnehmen und Thun dir lassest gefallen. Gleichwie Moses, 1 Mos. XVI, 18. bittet, daß GOtt soll des Rotah sich nicht annehmen. Und Psal. LIX, 6. Non miserearis omnibus operantibus iniquitatem; Sey der keinen gnädig. Sonst soll man für die Welt bitten, daß sie bekehret werde.
 
 
c. Zu 1 Corinth. V, 10. Sonst müstet ihr die Welt räumen. Wer nicht unter bösen Leuten seyn wolte, müste die gantze Welt meiden, darum will er, daß man böse Christen meiden solle, daß sie nicht den Nahmen führen, oder sich bessern müssen. Denn die Unchristen haben den Nahmen nicht. 
Glosse.
 
d. Zu Hebr. XI, 3. Daß die Welt durch Gottes Wort verfertiget ist, das ist, sie ist in Schwang gebracht, daß sie gehet und stehet nach Gottes Wort ohn Unterlaß, und unverhindert, und ohn Aufhören.
Glosse.
  Von dem Einflusse der Welt in der Menschen Sitten, siehe Hilligens Anatomie der Seelen ...  
  Überhaupt aber, siehe:
  • Walchs Philosoph. Lex. ...
  • Jablonsky Lex. ...
  • Wolffs Mathem. Lexic. ...
  • Desselben Gedancken von GOtt, Welt und Seele, I Th. ...
  • Desselben Phys. Dogm. I Th. ...
  • Desselben Mathem. Anfangs-Gründe, III Th. ...
  • Meißners Philosoph. Lexic. ...
  • Fäschens Ingen. Lexic. ...
  • Müllers Philosophische Wissensch. I Th. ...
  • Hederichs Anleit. zu Mathem. Wissensch. ...
  • Zimmermanns natürl. Erkänntniß GOttes, Welt und Menschen ...
  • Bruckers Philos. Histor. ... und Zusätze.
  • Sturms Natur-Lehre ...
  • Gottscheds Gründe der Weltweish. Th. Theor. ...
  • Börners Physica ...
     

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Stand: 5. April 2013 © Hans-Walter Pries