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Widerspruch gegen Wolff |
In dem von der Theologischen und Philosophischen Facultät zu Jena an
den Hochf. Eisenachischen Hof, abgestatteten Berichte von der Wolffischen
Philosophie, unterm 6. Decemb. 1725. welcher in des
Herrn
Veramanders partheyischen und der Wahrheit nachtheiligen Historico,
p. 106. u.f. zu befinden, wird in der in diesem Berichte angehängten
Beylage, folgendes, wider des Herrn
Wolffs
Meynung von dem Wesen der
Dinge
gesaget; und zwar sub no. 7. da es also lautet: |
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„Wobey denn zugleich auch dieses
zu gedencken, daß nach diesen Principiis das Wesen der erschaffenen
Dinge bloß in dem Göttlichen Verstande gegründet seyn, keinesweges aber von dem
Göttlichen Willen dependiren solle. Welche Meynung zwar zu den alten Zeiten der
Anaxagoras und Aristoteles gehabt, gleichwohl
aber der Heil. Schrifft, (Ps. CXV. 3. Ps. CXV. 6. Prov.
XVI. 4. Röm. XI. 36. Col. I. 16. und sonderlich Eph.
I. 11. und Apocal. IV. 11) schnur stracks zuwider, und dahero von
denen Scholasticis sowohl (v. 9. Thom. Aquin. Summ. P. II, q.
19. a. 4. et 5. it. Conimbric. in Lib. VIII. Phys. c.
1. q. 5. art. 1. et 2.) als auch unsern Theologis,
als irrig und schädlich verworffen worden. (vid. Calov
Tom. III. Syst. art. V. c. 1. p. 896.) |
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Doch wird zu deren vermeyntlichen Behauptung nicht allein die
aus der Aristotelischen Philosophie insgemein beybehaltene Regel: Essentiae
rerum sunt aeternae |
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{Sp. 760} |
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in einem gantz andern Verstande, als bey Christlichen
Theologis und Philosophis gewöhnlich, (als welche damit weiter nichts zugeben,
als daß weder das Wesen einer Sache ohne die Sache, noch diese ohne jenes seyn
könne,) urgiret, sondern auch das Wesen in der Möglichkeit gesetzet, und dann,
weil, was möglich, freylich nicht auch zugleich unmöglich seyn kan, durch eine
handgreifliche fallaciam a dicto secundum quid ad dictum simpliciter,
das necessario possibile pro necessario simpliciter angenommen und
ausgegeben; denenjenigen aber, welche glauben, daß das Wesen der Dinge von GOtt
und seinem Willen dependire, oder, nach dem Wolffischen stylo essentias
arbitrarias statuiren, bald eine grobe Ignorantz, als ob sie nicht wüsten,
was in allen Schul-Büchern stünde, bald Socinianismus, bald gar
Spinozismus, imputiret.„ |
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Ferner sub no. 28. da es also heisset: ¶ |
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„Da nun diese und andere
dergleichen Sätze so beschaffen, daß sie bey der Christlichen Lehre unmöglich
bestehen können; so ist leicht zu erachten, mit was Grund Herr Hofrath
Wolff sich auf den Consens derer bewährtesten Theologen derer drey im
Römischen Reiche hergebrachten Religionen beruffen möge. Dieses thut er 28.) zum
öfftern und mit der grösten Dreistigkeit, wenn er, vorgedachtermassen behaupten
will, daß die Wesen der Dinge als ewig, nothwendig und unveränderlich, von dem
Willen GOttes keinesweges dependiren, sondern nur in dem Göttlichen Verstande
gegründet seyn; daß er auch vorgiebt, es wäre solcher Consens derer drey
Reichs-Religionen bey allen denenjenigen, welchen es nur nicht an der
Historischen Nachricht fehlete, gantz ausgemacht, und dabey die in seinem
Systemate gantz veränderte moralitatem objectivam als mit jener Meynung
verwandt anführet, (Comment. luculent. §. 12. p. 31. sq.
Monit. ad eam §. 15. p. 31. sq. Anmerckungen über die
Metaph. §. 18. p. 31. etc.) |
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Gleichwohl hätte er aus der historia philosophica
eine gantz andere, und zwar wahre und gründliche Nachricht erhalten können, wenn
er des in dergleichen Dingen ungemein erfahren gewesenen und auch von dem Hrn.
von Leibnitz selbst sehr hoch gehaltenen Jacob Thomasii
dilucidationes Stahlianas über den aus der Platonischen und
Aristotelischen Philosophie von denen Scholasticis, wiewohl in einem
gantz andern Verstande, beybehaltenen Canonem: Essentiae rerum sunt
aeternae, (Disp. 1. reg. 6.) nachlesen mögen. |
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Da würde er insonderheit gefunden haben, daß, was er in seiner
Commentatione luculenta, (l.c.) von dem Streit der Thomisten
und Scotisten angeführet, als ob die Thomisten denen essentiis rerum
eine ewige Realität und Actualität zugeeignet, gantz irrig und verkehrt sey;
indem zwar Scotus, Henricus Gadavensis, Thomas Braduardinus und
andere gelehret haben sollen, daß die Wesen der erschaffenen Dinge ausser GOtt
ewig wären, auch dergleichen Meynungen zu Paris 1226. und 1240. verdammt worden,
denen aber die Thomisten so gar nicht |
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{Sp. 761|S. 396} |
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ergeben gewesen, daß sie nicht allein das Gegentheil gelehret
sondern auch, daß nicht einmahl Scotus dergleichen gethan, dann
und wann behaupten wollen. |
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Und hiervon giebet auch der bekannte Jesuit und Metaphysicus
Franciscus Suarez (Disp. XXXI. Metaph. Sect. 2) gar
deutlich Nachricht, wenn er von dem Scoto unter andern folgende
Worte führet: Igitur hac in parte Scotus nobiscum convenit, in principio
posito, quod essentiae creaturarum, etiamsi a Deo sint cognitae ab aeterno,
nihil sunt, nullumque verum esse reale habent, antequam per liberam Dei
efficientiam illud recipiant; bald hernach aber von denen Lehrern der
Römischen Kirche überhaupt, und von dem Thoma Aquinate
insonderheit, mit folgenden Worten zeuget: |
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Nec potuit in mentem alicujus Doctoris Catholici venire,
quod essentia creaturae ex se, et absque efficientia libera Dei, sit aliqua vera
res, aliquod verum esse reale habens, distinctum ab esse Dei, quod tandem
fatetur expresse Copreolus c.l. allegans verba D.
Thomae, qu. III. de potentia, 5. ad 2. ubi sic ait.
Ex hoc ipso, quod quidditati esse tribuitur, non solum esse, sed ipsa quidditas
creari dicitur, quia, antequam esse habeat, nihil est, nisi forma in intellectu
creantis, ubi non est creatura, sed creatrix essentiae. |
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Worauf er auch aus denen Patribus ausführet, daß
alles, so von GOtt nicht erschaffen, entweder ein GOtt, oder nichts seyn müsse;
daher Herr Wolff gantz unrecht daran ist, wenn er (in
Monit. ad Comment. luc. l.c.) die Theologos Romanae Ecclesiae in
universum omnes auf seine Seite ziehen will, als ob sie geglaubet, oder
noch glaubeten, daß die Wesen der Dinge schlechterdings von dem freyen Willen
GOttes nicht dependireten, sondern nothwendig, und also unerschaffen wären. |
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Wenn er sich aber 29) auch auf die Theologos unserer
Evangelisch-Lutherischen Religion, und sonderlich diejenigen beruffet, welche
die moralitatem objectivam annehmen, als wenn man diese nicht statuiren
könne, wenn man nicht läugne, daß das Wesen der erschaffenen Dinge von GOttes
Willen dependire: So widerspricht ihm unter vielen andern B.
Velthemius, der bekannter massen vor nur gedachte moralitatem objectivam
auf dieser Universität am allermeisten und eifrigsten gestritten, auch in
der scholastischen Theologie und Philosophie vor andern geübet gewesen, gantz
offenbarlich, wenn er (Metaph. axiomat. p. 47.) spricht: |
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In notationem vocamus, quod philosophi ac theologi, quorum
Sententiam communem nunc tuemur, nunquam negaverint, nec unquam negaturi sint,
quod rei creatae essentia sit a voluntate creatoris, hoc scilicet sensu, quia
Deus rem creatam produxit. |
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Und ferner: (p. 48.) Igitur haec duo inter se non
pugnant, verus homo nequit esse verus homo nisi per hoc, quod sit animal
rationale; et verus a Deo ejusque libera voluntate dependet; ingleichen: (p.
49.) Quando de essentiae immutabilitate agitur, nulla plane quaestio est de
eo, unde, h.e. a quonam tanquam caussa efficiente, sit essentia rei? Sed
solummodo quaestio est de ratione formali, sive |
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{Sp. 762} |
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de hoc, per quidnam haec vel illa res, v.g. homo, possit
esse verus homo? |
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auch insonderheit, wenn er noch vorher, (p. 33.) als
eine Grund-Wahrheit oder axioma setzet: Quicquid habet propriam
essentiam, habet etiam propriam existentiam, und solches daraus bestätiget,
daß essentia und existentia würcklich oder in der That nicht
unterschieden sind; welches auch insgemein von denen Metaphysicis bey
Erklärung des von Herrn Hof-Rath Wolffen so hoch urgirten
principii: Essentiae rerum sunt aeternae, präsupponiret, und solches in
keinem andern Verstande angenommen wird, als daß das Wesen einer Sache mit der
Sache selbst unzertrennlich, und dergestalt verknüpffet sey, daß weder das Wesen
ohne die Sache, noch die Sache ohne das Wesen seyn könne; gleichwohl aber dem
Wolffischen Systemati gantz und gar entgegen stehet, als in welchem das
Wesen von GOttes Willen nicht herkommen, sondern ewig und nothwendig seyn,
hingegen die Würcklichkeit oder Existentz allein von GOttes Willen dependiren,
nicht ewig, sondern zeitig, und zufällig seyn soll, mithin unter diesen beyden
allerdings ein würcklicher und zwar gewaltiger Unterscheid gemachet wird. |
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Es könnte aber die vorgegebene Independentz aus denen
Systematibus allerseits Theologorum sonderlich auch der
Reformirten, überflüßig widerleget werden; indem nicht leicht einer zu finden
seyn wird, der anders gelehret, als daß GOtt alle Dinge lediglich nach seinen
freyen Willen erschaffen habe, wenn man dieses auszuführen für nöthig hielte.„ |
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Endlich sub no. 31. da es also heisset: |
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„Wenn auch Herr Hof-Rath Wolff
diejenigen, welche seiner gantz ungegründeten Meynung, daß das Wesen der Dinge
in ihrer Möglichkeit bestehe und von GOttes Willen keinesweges dependire, lieber
gar des Spinozismi verdächtig machen möchte, und dahero dem Spinozä (Comment.
lucul. p. 29.) in folgenden Worten dergleichen Meynung beymisset: |
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Rejicit receptum dogma, quod possibilitates seu essentiae rerum non
dependeant a decreto divino, sed in intellectu concipi debeant antecedenter ad
decretum ipsum, verum ipsas quoque, perinde ac existentiam, a decreto Dei unice
derivat, quum impossibile dicat, quod in eodem non habeatur, ut existat, quia
omni caussa cum internatum externa, ad existendum caret: Welches er auch
noch mehr, sonderlich p. 31. urgiret: so gründete er sich auf die (p.
20. Comment.) aus des Spinozae cogitationibus metaphysicis
angeführte Worte. |
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Nachdem aber genung bekannt, daß derselbe in diesem Buche nicht sowohl seine
eigene, als des Cartesii Meynungen erklären wollen; so wären vielmehr folgende
in der Ethica Spinoziana (p. 19.) (darinnen er seine eigene
hypotheses vorträgt), befindliche Worte zu gedencken: Quare Dei
intellectus, quatenus Dei essentiam constituere concipitur, est revera caussa
rerum, tam earum essentiae, quam existentiae; immassen daraus gantz
klärlich erscheinet, daß Herr Hof-Rath Wolff in vorgedachten
Worten dreymal geirret, indem er gesaget: |
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1) |
Es sey ein receptum dogma, daß die
essentiae rerum nicht von GOttes Willen |
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{Sp. 763|S. 397} |
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2) |
Die essentiae wären possibilitates,
und endlich |
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3) |
Spinoza habe das vermeynte
dogma receptum verworffen, und hingegen die essentias rerum
eintzig und allein, unice, von dem göttlichen Rathschlusse
hergeleitet, von welchem letztern er auch daher eines gantz andern
versichert seyn können, weil ihm nicht unbekannt seyn wird; daß Spinoza
eigentlich GOtt keine decreta oder Rathschlüsse zugestanden,
sondern alles zu ewigen Wahrheiten machen wollen.„ |
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Ludovici vollständige Hist. der Wolffischen Philosophie
III Th. p. 109. u.ff. p. 126. u.ff.
¶ |
Bülfinger |
Herr Bülfinger in dem ersten Theile der vernünfftigen
Erläuterung der Lehre von GOtt, der menschlichen Seele, der Welt und denen
allgemeinen Eigenschafften der Dinge, so zu Tübingen 1725 in 4. herausgekommen,
setzet das Wesen der
Dinge
in der Möglichkeit eines Dinges, so ferne dieselbe
erkannt wird, und zeiget, daß
solche Beschreibung dem
Begriff, welchen andere von dem Wesen der Dinge gehabt,
nicht widerstreite. |
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Dieses giebt ihm Gelegenheit, den unterschiedlichen
Verstand, nach welchem etwas möglich oder unmöglich kan
genennet werden, gründlicher als bishero geschehen zu erörtern, um in der
Entscheidung der Frage von dem
Ursprunge des Wesens der
Dinge
desto sicherer zu
gehen. Es ist bekannt, daß die sogenannten Scholasticker weil sie die ewigen
Wahrheiten, der
Mensch ist ein vernünfftig Thier, ein Dreyeck ist eine Figur,
welche in drey Linien eingeschlossen ist, u.s.w. ohne an ein besonderes ewiges
und ein mächtiges Wesen zu gedencken, begreiffen könnten; solche, als ob sie
nicht von
Gott herrühreten, angesehen. |
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Cartesius habe zwar darinnen wohl gethan, daß er den
Grund
aller Wahrheit in
GOtt gesuchet; Weil er aber, wie bekannt, dem
Willen das
Vermögen zu urtheilen, und etwas zu bejahen oder
zu verneinen zugeschrieben; so habe er die
Wahrheiten, welche er alleine dem
Göttlichen Verstande hätte unterwerffen sollen, auch dem freyen
Willen
unterworffen. |
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Poiret habe sich zwar nach seiner Art nicht deutlich genung
erkläret, jedoch sey leicht abzunehmen, daß er Cartesio näher
komme, als denen scholastischen
Lehrern. Da hingegen Herr Leibnitz
wohl gesehen, daß sich zwischen beyden
Meynungen noch eine, welche die rechte ist, einschieben
lasse; nemlich, daß man den
Ursprunge der
Ideen, Wesen und Möglichkeiten, zwar
GOtt nicht entziehe, noch dessen
Freyheit
und Willkühr solche unterwerfe, sondern dieselbe vielmehr von
einer wesentlichen Göttlichen Eigenschafft herleite. |
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Denn also werde zwar nicht eingeräumet, daß das Wesen der
Dinge
ohne
GOtt bestehe; oder daß dieselben von etwas Äusserlichen GOtt
fürgeleget werden; oder daß dieselben zugleich mit der Göttlichen Natur, GOtt
vollkommen machten; oder als etwas von GOtt unterschiedenes, dem
Göttlichen Verstande nothwendig wären: sondern es flössen dieselben aus der
Vollkommenheit des Göttlichen Wesens. Ihr
Grund
und die
Ursache
warum sie seyn, sey in GOtt. Sie wären nicht nothwendig, wie das Göttliche Wesen
selbst, dessen
Nothwendigkeit
auch dieses mit einschlösse, daß es
wahrhafftig sey, sondern verschwänden, so
bald als man dieselben ohne, daß |
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{Sp. 764} |
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sie von GOtt herrührten, ansehen wolte. Wer alle diese Sätze nur obenhin
betrachte, und sonst nicht gewohnt sey weit nachzudenken, dürfte sich hierbey
leicht einbilden, als ob die scholastischen Zeiten wiederkämen, und man dieser
Weltweisen schon längst verworfene Grillen wieder erheben und empor bringen
wolle. |
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Allein Herr Bülfinger zeiget, daß die Gottesgelahrheit eine
gründliche Untersuchung dieser Sätze von der Metaphysick verlange: Ob das Wesen
der
Dinge
ewig und willkührlich sey oder nicht? Denn sey das Wesen der Dinge willkührlich,
so sey es
GOtt nicht unmöglich, daß er die
Eigenschafften
eines Wesens, einem andern, diesen entgegen gesetzten Wesen beylegen könnte. So
könnte GOtt der
Materie die Eigenschafften eines Gewissens, und die
Krafft
zu gedencken geben, wie Herr Lock geglaubet, darinne ihm auch
ehedessen Herr Buddeus gefolget; der aber nachgehends dißfals
seine
Meynung geändert. |
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Und woher solte man erweisen, daß die
Seele
des Menschen
ein
Geist
sey? Zu geschweigen, daß die
Evangelischen ihren Widersachern nicht füglich
antworten könnten; als ob die Lehre von der Verwandelung des Leibes Christi im
heiligen Abendmahle, dem
Begriff von dem Wesen der
Dinge
widerstreite, daferne das Wesen aller Dinge willkührlich sey. |
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Eben so könne man auch die Mittel-Strasse halten, wenn die Scholastischen
Lehrer das Wesen der
Dinge
so zur Sitten-Lehre gehörten, für nothwendig hielten: Herr
Pufendorf
und andere hingegen solche allein auf das
Gesetze
und
Willen
des Gesetz-Gebers
gebauet. Denn man dörffe nur erst den Schluß des Göttlichen
Wesens die möglichen Dinge auszudencken, und deren willkührliche Ausfindung
setzen; bald aber annehmen, daß diese ausgedachte
Ideen schon etwas
moralisches
in sich fassen, welchen endlich der Schluß
GOttes als des Gesetz-Gebers die vollkommene Moralität gäbe. |
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Es folgen hierauf verschiedene Fragen von der Möglichkeit der
Dinge,
welche deren Wesen ausmachet; wobey er erinnert, daß man ehedessen denjenigen
Spinosä Irthümer zugerechnet, welche nichts vor möglich halten
wolten, als was würcklich sey. Hobbesius, Abelard, Wicleff, und
andere, hätten schon vorlängst diese
Meynung angenommen, weil sie den
Willen GOttes mit dessen Allmacht vermischet, und sich
eingebildet, was vermöge des Göttlichen Willens nicht geschehen könne, sey auch
GOtt, vermöge seiner
Macht und
Kräffte unmöglich. |
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Hobbesius so wohl als Cartesius erstreckten diesen
Begriff
auch auf die endlichen Geschöpffe, und hielte insonderheit dieser dafür, daß
kein Gedichte so abgeschmackt und geringe sey, daß es nicht einmahl in der
allgemeinen Zeit und Raum würcklich fürfallen solte. Ob nun wohl nicht zu
zweifeln, daß es Cartesius damit so
böse nicht gemeynet, so
habe doch Spinosa richtig hieraus geschlossen, wenn dasjenige
unmöglich sey, was nicht geschehe; so müste alles was geschehe, nothwendig seyn;
wodurch alle Vorsorge
GOttes und
freyer
Wille des
Menschen
aufgehoben würde. |
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Allein von dieser
Meynung wären die neuern
Weltweisen
weit entfernet, wenn sie
sagten: Was in der
Welt
möglich sey, sey entweder schon geschehen, oder geschehe jetzo, oder werde ins- |
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{Sp. 765|S. 398} |
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künfftige geschehen; indem dieselben nicht sagten, daß dasjenige, was nicht
geschehe, schlechterdings unmöglich wäre, sondern nur behaupteten, daß die
würckenden Ursachen ihre
Kräffte
nicht allemahl anbrächten und ausübeten. Verstehe man also, was das Wesen und
die Möglichkeit der
Dinge
sey, so könne man sich einen desto deutlichern
Begriff von denjenigen machen,
was die
Weltweisen, Nothwendig genennet hätten. |
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Nothwendig sey, was unveränderlich wäre, was nicht kan, nicht, noch anders
seyn als es sey, da man hingegen dasjenige zufällig nenne, was anders seyn, oder
was ohne sich selbst zu widersprechen, anders könne begriffen werden; ingleichen
was nicht das eintzige Mögliche in seiner Art sey. Die
Nothwendigkeit
gehe entweder auf das Wesen der
Dinge,
oder auf deren
Existentz:
und daferne das Wesen einer
Sache
allein möglich sey, so sey das Wesen nothwendig, welches auch schon die
Scholastischen Lehrer angemerckt, wenn sie
gesaget, daß die Wesen der Dinge
nothwendig wären. Denn in dem Wesen, welches von sich selbst sey, gründe sich
solche Nothwendigkeit auf nichts anders; dahingegen dieselbe von etwas anders
bey denen endlichen Wesen; welche nicht von sich selbst wären, müsse hergeleitet
werden. |
Deutsche
Acta Erud. X
Th. p. 114. u.ff. ¶ |
Literatur |
Man kan hier auch nachsehen |
- Ernst Christ. Schröders Dissertation de aeternitate essentiarum,
Wittenberg 1727;
- ingleichen Daniel Maichels zwey
Academische
Schrifften
de origine essentiarum deque prima possibilitatis radice, Tübingen
1729.
- Rübels Recht der Natur p. 46.
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