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Zedler: Wille des Menschen [2] HIS-Data
5028-57-59-6-02
Titel: Wille des Menschen [2]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 57 Sp. 71
Jahr: 1748
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 57 S. 49
Vorheriger Artikel: Wille des Menschen [1]
Folgender Artikel: Willemer (Johann)
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Übersicht
I. Dogmatische Abhandlung (Forts.)
  3) Einige Folgen
II. Historische Abhandlung
III. Verschiedene Fragen von dem Willen
Literatur
Siehe auch

Stichworte Text Quellenangaben
  3) Einige Folgen:  
  Wir ziehen aus dieser Betrachtung des menschlichen Willens noch eine zweyfache Folge:  
   
 
(a) Unser erster Satz ist dieser: Der menschliche Wille zeuget von der Existentz GOttes.
 
 
  Wir mercken in dem menschlichen Willen fünfferley an, welches uns hierauf führet:
 
 
 
α) Eine Propension, einen GOtt zu haben, und denselben zu verehren, welche sich bey allen Völckern und Heyden geäussert, und da sie von dem wahren Gottesdienste
 
  {Sp. 72}  
 
 
  nichts gewust haben, dieselben angetrieben hat, auf allerley falsche Arten des Gottesdienstes zu fallen. Sie haben nemlich, wie Cicero sagt, lieber einen falschen GOtt, als keinen GOtt verehren wollen.
 
 
 
β) Eine Empfindung der eigenen Ohnmacht und des eignen Unvermögens.
 
 
 
  Der Mensch fühlet das wohl, er sey eine ohnmächtige Creatur, er könne nicht alles thun, was er wolle; Welches auch so gar die mächtigsten Monarchen innen werden müssen, die sich gegen den Anfall der Schmertzen, der Kranckheiten und des Todes, nicht schützen können.
 
 
 
  Daraus folgt offenbarlich:
 
 
 
 
a. Daß der Mensch nicht von sich selbst sey, und nicht durch eigene Krafft bestehe. Denn wenn er sich selbst sein Wesen gegeben hätte, so würde er ja sich selbst nicht so sehr eingeschränckt, sondern sich so viel Kräffte und Gewalt gegeben haben, als er begehret. Denn es ist ihm ein grosses Leiden, daß er nicht alles thun kan, was er will.
 
 
 
 
b. Folgt daraus, daß ein höheres Wesen sey, welches dem Menschen sein Wesen gegeben, und seine Kräffte so eingeschräncket hat, daß er beständig von ihm dependiren, und seiner Hülffe bedürffen müsse.
 
 
 
γ) Einen eingepflantzten Trieb, in der Noth zu diesem höchsten Wesen die Zuflucht zu nehmen.
 
 
 
  Daher ist, aus einer allgemeinen Erfahrung, das Sprüchwort entstanden: Noth lehret beten. Denn da lernt der Mensch erkennen, daß seine Kräffte zu schwach sind, sich selbst zu helffen, und nimmt daher seine Zuflucht zu einer höhern Macht, die er in dem Gebete um Hülffe anruffete. Und dieser Trieb äussert sich nicht nur bey den Heyden; Wie wir solches Jonä I, 5. bey denen Leuten sehen, die bey dem Jonas in dem Schiffe sassen, da bey entstandener Todes-Gefahr ein jeder seinen GOtt anrief.
 
 
 
δ) Ein unendliches Verlangen, welches durch kein irrdisches Gut, sondern allein durch ein schlechterdings unendliches Gut, gesättiget werden kan.
 
 
 
  Da nun dieses Verlangen in allen Menschen natürlich ist, dasjenige aber, was von Natur in allen Menschen ist, nicht vergeblich seyn kan, sondern einen gewissen Endzweck haben muß; so muß nothwendig ein unendliches Gut existiren, dadurch diß unendliche Verlangen gestillet werden kan, sonst wäre dieses Verlangen vergeblich in der Natur.
 
 
 
  Dieses Argument vor die Existentz GOttes hat, in der Form einer mathematischen Demonstration, D. Johann Jacob Syrbius zu Jena, in seiner Logic, Th. I. Cap. XIII. vorgetragen, der auch eine Dissertation de desiderio animae humanae infinito geschrieben, darinnen er die Existentz dieses Verlangens dargethan und erwiesen hat.
 
 
 
ε) Eine Unruhe und Furcht, wenn der Mensch etwas böses gethan hat;
 
 
 
  Welche aus der Empfindung eines bevorstehenden Gerichts herrühret, das weiter einen gerechten und allwissenden Aufseher, Beurtheiler und Richter der menschlichen Dinge voraus setzet. Denn obgleich nicht bey allen Missethätern diese heimliche Furcht und Unruhe sich in gleichem Grade äussert, manche auch dieselbe zu verbeissen und zu unterdrücken suchen; so wird doch kein Missethäter zu aller Zeit von den Erfindungen derselben frey bleiben, sondern er wird bey sich selbst eine Überzeugung von der Existentz des höchsten Richters, der ihn um seiner Übelthat willen zu Rede stellen wird, wahrnehmen.
 
  {Sp. 73|S. 50}  
 
(b) Unser anderer Satz war dieser: Der menschliche Wille zeuget von dem geistigen Wesen der Seele.
 
 
  Wir beweisen dieses so wohl aus dem Vermögen, als aus den Würckungen des Willens. Das Vermögen des Willens ist eine geistige Krafft, weil der Wille nicht durch cörperliche Dinge, sondern allein durch die Vorstellungen, die sich der Verstand davon machet, beweget und determiniret wird. Ein Cörper kan ordentlicher Weise in keine Bewegung gesetzet werden, ohne durch eine solche würckende Ursach, die schon würcklich vorhanden ist. Nun wird aber der Wille öffters durch gewisse Absichten geneiget und beweget, die noch nicht würcklich da sind, sondern die sich die Seele erst noch zu erreichen bemühet.
 
 
  Z.E. Ein General wird durch die Vorstellungen der Ehre, die auf dem Sieg folgen werde, zu der Tapfferkeit ermuntert. Die Ehre ist noch nicht da, sondern soll noch erst erhalten werden; Und doch läst sich der Wille durch die Vorstellung derselben, als eines noch zukünfftigen Gutes, zu einer solchen Unternehmung und That bewegen, dabey Leib und Leben in Gefahr stehet. Ja, die Heilige Schrifft sucht unsern Willen, durch Vorstellung der unsichtbaren zukünfftigen Güter, die kein Auge gesehen, und kein Ohr gehöret hat, zu Verleugnung der sichtbaren Güter zu bewegen. Das ist ein überzeugender Beweiß, daß unsere Seele ein Geist sey.
 
 
  Eben dieses schliessen wir auch aus den Würckungen der Seele. Der Wille kan den Verstand, so offt er will, auf etwas lencken, seine Kräffte zu abstrahiren, zu urtheilen u.s.w. zu dieser und jener Zeit, bey diesem und jenem Gegenstande, auf diesem oder jenem Endzweck wenden. Er ist fähig, uncörperliche Sachen, ja GOtt selbst, der auch ein Geist ist, zu lieben, den Satan, der auch ein Geist ist, zu hassen, sich der Gottseligkeit, Gerechtigkeit, Geduld etc. zu befleissigen. Da nun aber ausgemacht ist, daß Würckung von ihrer Ursache zeuget; So folget, daß die Seele ein geistliches und immaterielles Wesen sey.
   
 
  II. Historische Abhandlung.  
  Bey der historischen Betrachtung dieser Materie können wir so viel nicht anführen, weil dasjenige, was von den Meynungen der Philosophen merckwürdig zu berühren, meistens besondere Umstände betrifft, so wir schon unter den gehörigen Artickeln erzehlet haben. Wir wollen nur eins und das andere, so zur Lehre und Willen überhaupt gehöret, kürtzlich anführen.  
  Die Scholastici machten einen gar grossen Unterscheid unter der sinnlichen und vernünfftigen Seele, und unterscheideten die sinnliche Begierde von dem Willen, da es scheint, als hätten sie den Aristoteles zum Vorgänger gehabt, welcher L. I. Ethicor. c. 14. fast gleiches lehret: Doch, was des Aristoteles eigentliche Meynung von der Seele gewesen, haben wir anderswo gezeiget. Die Meynung selbst, als wenn die sinnliche Begierde etwas von dem Willen unterschiedenes sey, ist falsch, und kommt der Unterscheid nur von den unterschiedlichen Objectis her, welche der Krafft der Seelen, die man den  
  {Sp. 74}  
  Willen nennet, vorgestellt werden, und daher man sie bald bloß mit dem Nahmen des Willens, bald mit der sinnlichen Begierde beleget. Denn ist sie mit einem geistlichen, und die äusserlichen Sinnen übersteigenden Object beschäfftiget, so kan man sie schlechterdings den Willen nennen; sind aber die Objecta sinnliche Sachen, so heist sie die sinnliche Begierde.  
  Gleiche Bewandtniß hat es mit der Eintheilung, da man überhaupt die Kräffte der Seelen, folglich auch den Willen in reine und unreine, oder vermischte abgetheilet hat. Wenn die Cartesianer alle Leidenschafften der Seelen zum Verstand, und alle Thätigkeit zum Willen gerechnet, so ist dieses eine Meynung von deren Ungrund man nicht nur durch die eigene Empfindung; sondern auch durch die ungereimte Folgerungen, die daher entstehen, kan überführet werden. Denn daher musten die Cartesianer lehren, daß das Judicium nicht zum Verstande; sondern zum Willen, und die Affecten nicht zum Willen; sondern zum Verstand gehörten, wovon  
 
  • Ludewig de la Forge de mente hum. ...
  • Anton le Grand in institut. Philos. ...
  • Malebranche de inquirenda veritate ...
  • Audala in seinen Exercitationibus Acad. ...
 
  zu lesen.  
  Die Sache selbst ist ungereimt, und wie wir schon gedacht, wider die eigene Erfahrung. Denn wir nehmen wahr, daß die Seele sich so wohl bey dem Verstande; als bey dem Willen bald leidend, bald thätig erweiset, welches wir auch schon anderswo weiter ausgeführet haben.  
  So offt Spinoza von dem Willen redet, so nimmt er allemahl dieses Wort blos vor das würckliche Wollen insgemein und ohne Absehen auf einige Umstände, und will nicht zugeben, daß der Wille eine absonderliche Gemüths-Krafft sey, vermöge deren wir etwas würcklich wollen, und uns bald zu diesem, bald zu jenem lencken können. Er schreibt Epist. 2. ad Oldenburgium ... ausdrücklich, daß der Wille, wenn man ihn vor eine Krafft nähme, nichts, als eine blosse Chimere, und durchaus nicht vor die Ursache dieses und jenes würcklichen Wollens anzugeben sey. Man hat sich aber darüber nicht zu verwundern. Denn da er meynte, es geschehe in der Welt alles nothwendig auf eine Mechanische Art, so solte auch diese Meynung dahin zielen, daß er den Menschen aller Freyheit berauben wolte.  
  Rüdiger hat in seiner Dissertat. prooemial. bey seinem sensu veri et falsi sich angelegen seyn lassen, zu erweisen, daß man den menschlichen Verstand und Willen als zwey unterschiedene Substantzen anzusehen habe, so daß jener seinen Sitz im Gehirne: dieser aber in dem Hertzen habe, wovon er nachgehends in der physica div. sich weiter erkläret hat. Er stellete sich den Verstand und Willen unter dem Bilde zweyer Kugeln auf dem Billiard vor, weil der Mensch anders gedächte, und anders wolte.  
  Allein Gundling spricht, da er in seiner Historia literaria ... auf ihn zu reden kommt:  
  "Er hat nicht Acht gegeben, was im gemeinen Leben paßiret. Da ich z.E. gedachte, ich wolte jetzt aufstehen, und thue es doch nicht gleich; Denn ehe ich aufstehe, dazu  
  {Sp. 75|S. 51}  
  gehöret ein Spatium; Inzwischen nun kommt wieder ein neuer Gedancke, so wird mithin der Wille und Verstand zugleich geändert. Nam, ubi est spatium, ibi est mora; ubi est mora, da bedencke ich mich wohl noch zehenmal."  
  Dieses hat der Herr von Leibnitz vortrefflich gezeiget, und unter unsern heutigen Weltweisen ist es gantz was gemeines, und nunmehro auch was ausgemachtes. So schreibt auch Reinbeck, in der 15 Betrachtung über die Augspurgische Confeßion ...:  
  "Der Wille neigt sich zu dem, was sich die Seele in ihrem Verstande als gut vorstellet, und verwirfft, und verabscheuet das, was sie sich als böse vorstellet. Es ist unmöglich, daß der Wille dasjenige verlangen und begehren solte, was, und in so ferne, und so lange die Seele es sich als böse vorstellt; Und im Gegentheil auch, daß der Wille dasjenige verwerffen und verabscheuen solte, was, und in so ferne, und so lange es die Seele sich als gut vorstellet.  
  Es kan zwar wohl geschehen, daß die Seele sich in ihrer Vorstellung irret, und daß sie sich etwas böses als gut vorstellet: Aber der Wille kan doch auch selbst das Böse nicht begehren, ohne unter dem falschen Begriff, und der irrigen Vorstellung des Guten. Z.E. Ein Soldate hat den Feind vor sich. Heute stellt er sich vor, es sey rühmlicher zu sterben, als zu fliehen. So stehet er dann als eine Mauer, und thut, was einem rechtschaffenen Soldaten zukommt. Morgen stellt er sich vor, es sey ihm besser, sein Leben zu erhalten, als in Gefahr zu setzen, so kehrt er denn dem Feinde den Rücken."  
  Thomasius träget in seinen Fundamentis Juris naturae et gentium unter andern folgende Lehrsätze vor:  
 
1. Der Wille ist ein Verlangen des Hertzens, das allzeit mit dem Gedancken des Verstandes verknüpffet ist: Wann man von diesem abstrahirt, heisset es der Appetitus sensitivus.
Siehe das jetztgedachte Buch Thomasius Cap. I, §. 30.
 
2. Doch ist der Wille kein Gedancke, kan aber den Gedancken jederzeit bewegen.
 
 
3. „Die Kräffte ausser dem Menschen bewegen die Kräffte des Menschen im Verstand und Willen; Darum kan der Verstand gezwungen werden.„
Siehe §. 40.
 
  Das Wort Zwingen aber heißt ihm so viel, als den Willen reitzen, erwecken, hindern, zurücke treiben. Es wird also das Wort Zwingen nur in uneigentlichem Verstande genommen, welches diejenigen nicht erwogen, die wider diesen Satz geeyffert haben.
 
 
4. Die Krafft, den Leib zu bewegen, dependirt nicht von den Gedancken, sondern dem Beginnen des Hertzens, und dessen Antrieb, wiewohl solches seine von GOtt gesetzte Grentzen hat.
 
 
5. Der Wille kan nicht allzeit die Bewegungen der Gedancken hindern, aber doch dieselbige zum Aufmercken an sich halten, und so dann weiter dirigiren.
 
 
6. Der Wille verlangt nicht, weil es dem Verstand gut vorkommt, sondern der Verstand siehet etwas für gut an, weil es der Wille also haben will, und den Verstand antreibt, eine Sache zu betrachten, wie es ihm anständig ist.
Sie-
  {Sp. 76}  
    he §. 46.
 
  Auch dieser Satz hat vielen nicht gefallen wollen. Hingegen haben andere die Sache so zu erläutern gesucht, daß sie unter dem vorhergehenden und nachfolgenden Willen einen Unterschied gemachet, weil zwar vorher einige Erkänntniß eines Objecti vorgehen muß, (denn nach einer unbekannten Sache kan man keine Begierde haben) auf welche aber die Bewegung des Willens also folget, daß durch denselbigen der Verstand determiniret wird, es also zu betrachten, wie es dem Willen anständig ist.
 
 
7. Verstand und Wille haben ihre Actiones et passiones.
 
 
8. Der Wille ist das Primum agens der menschlichen Seele, weil er den Verstand bewegt.
 
 
9. Was auf Verlangen des Willens geschiehet, heisset eine freywillige Verrichtung, oder auch eine Actio moralis.
 
 
10. Die sittliche Natur des Menschen ist ein Begriff (Complexus) der Krafft des Willens, sammt den übrigen dem Willen unterworffenen Kräfften.
 
 
11. Die menschliche Vernunfft gehöret nicht zum Willen sondern zum Verstand.
 
 
12. Der Wille ist frey in Ansehung des Verstandes, inwendig aber nicht, weil er keine gleichgültige Freyheit hat.
 
 
13. Der Wille ist dienstbar, so wohl andern Kräfften, als auch den Kräfften des Menschen, so ferne sie ihm angenehm sind, ihn reitzen und neigen.
 
 
14. Eine freywillige Handlung (Spontanea actio) die man auch sittlich nennet, heisset diejenige, welche von dem Willen, als der Haupt-Ursache herkommt; Deswegen wird sie ihm auch zugerechnet. Weil nun der Wille selbst nicht freywillig ist, kan man dem Menschen auch dessen erste Bewegungen nicht zurechnen.
 
 
15. Der Wille verlangt nichts, das seine Krafft nicht vermehret, und in so weit gut ist.
 
 
16. Der Mensch hat dieses besonders, daß die vornehmste Krafft des Willens ein solches Gut sucht, das dem Bono totius zuwider ist.
Siehe §. 85. p. 50.
 
17. Wann der Verstand frey ist, so siehet er den Unterschied unter dem wahren und Schein-Gut; Wann er aber von dem Willen angetrieben wird, hält er das Schein-Gut für ein wahres Gut, und das heißt die verderbte Vernunfft.
 
 
18. Alle Menschen kommen darinnen überein mit einander, daß sie verlangen, sehr lange in der höchsten Glückseligkeit zu leben und ein unangenehmes schmertzhafftes Leben fliehen: Aber darinnen sind sie von einander unterschieden, daß nicht ein jeder für angenehm und verdrießlich hält, was der andere dafür hält. Deswegen suchen Sie auch die Glückseligkeit in verschiedenen Dingen, einer im Ehrgeitz, der andere im Geldgeitz, der dritte in Wollust u.s.w.
Siehe §. 120. p. 60 u.ff.
 
19. Es ist kein Mensch, in welchem nicht eine Mixtur dieser drey Haupt-Willens-Neigungen seye.
 
  {Sp. 77|S. 52}  
 
20. Demnach hat ein Mensch verschiedene einander zuwidere Willen in sich. Dieser Satz ist des Buddeus Ethicae ... entgegen gesetzet, und in einer weitläuftigen Anmerckung mit ziemlich spitzigen Worten vertheidiget.
 
  In Johann Hübners Einleitung zur Sitten-Lehre, die zu Leipzig 1741. ediret worden ist, wird in dem VII Capitel von dem Willen gehandelt, den der Verfasser als einen Vorsatz, Gutes zu geniessen, und Böses zu vermeiden, ungemein dunckel und unzulänglich p. 16 beschreibet, und sich hierauf die Eintheilung in den begierlichen und erzürnlichen (irascibilen) Willen, wie auch die alten scholastischen Gedancken von der Freyheit desselben, die doch sehr schlecht bestimmet ist, gefallen lässet. Philosophischer Bücher-Saal, Th. V. p. 449.
     
  III. Verschiedene Fragen von dem Willen.  
  Man findet hin und wieder noch verschiedene Fragen, die von dem Willen und dessen Gemeinschafft mit dem Verstande pflegen erörtert zu werden.  
  Als: Ob der menschliche Verstand in den Verrichtungen, da er mit dem Willen genau verbunden sey, vor demselben hergehe, oder seiner Bewegung nachfolge? Man sehe hiervon Herrn Professor Gottscheds den 10 April 1737 zu Leipzig vertheidigte Disputation: de voluntatis ab intellectu dependentia. Gründl. Ausz. aus Disputat. B. VI. ...
  Ferner: Ob der menschliche Verstand den Willen, oder dieser jenen zu regieren fähig sey? Ob das Verderbniß bey den Menschen mehr dem Willen, als dem Verstande, zugeschrieben werden müsse? Bey welcher Frage wir anmercken, daß auch der Verstand vielmahls von dem Willen verderbet werde; wie solches Herr Professor Christian August Crusius, in einer den 20 Julius 1740 zu Leipzig gehaltenen Disputation, de corruptelis intellectus a voluntate pendentibus, gezeiget hat. Kriegels Nachrichten von den Bemühungen der Leipzig. Gel. von 1740...
  Ingleichen: Ob die Ausbesserung von dem Willen, oder von dem Verstande anzufangen sey ? Und ob man mehr auf den Willen, oder auf den Verstand, in seiner Bekehrung zu sehen habe? Michael Friedrich Leistikov, welcher zu Jena den 12 May 1717 eine Dissertation de emendatione intellectus gehalten, hatte darauf zu derselben noch einen zweyten Theil, de emendatione voluntatis, ausgearbeitet, und an selbigem seine meiste Stärcke angewendet. Weil er aber darinnen behauptet hatte, daß der Grund des Wollens in den Vorstellungen des Verstandes anzutreffen sey, und dahero die Verbesserung des Willens von den Verbesserungen des Verstandes dependire: wolte solches der damahlige Decanus E. löblichen Philosophischen Facultät, Johann Jacob Syrbius, aller geschehenen Vorstellungen ohngeachtet, nicht gelten lassen. Leistikov ward dahero genöthiget, diesen Theil gar zurück zu lassen.  
  Dagegen hielt Herr Professor Johann August Ernesti zu Leipzig, den 22. Julius 1730, eine Disputation: de emendatione voluntatis per saltum. Desgleichen ward in den wöchentlichen Göttingischen Nachrichten, nebst allerhand voran-  
  {Sp. 78}  
  gesetzten Philosophischen Betrachtungen, auf das 1735. Jahr, (wovon Samuel Christian Hollmann Verfasser seyn soll) Num. 41. von der Besserung des menschlichen Willens gehandelt.  
  Wir haben auch bereits oben in den Artickeln: Verbesserung der Seelen, Band XLVII, p. 153. und ff. und Wiedergeburt, Band LV, p. 2083. und ff. die Frage: Ob man die Besserung der Seelen von dem Verstand, oder von dem Willen anfangen müsse ? untersuchet. Der Herr von Rohr aber, welcher sich in diese Streitigkeit nicht einlassen will, giebt in seiner Klugheit zu leben ... den Rath:  
  "Frage nicht lange, ob du von Verbesserung des Willens, oder des Verstandes, anfangen solst, denn diese Frage ist gantz unnöthig. Wenn du warten wilst, bis dein Wille vollkommen gebessert, wirst du Lebenslang warten müssen, und so vice versa. Sondern fange immer an beyden zugleich an, und bessere deinen Verstand und Willen, so viel du kanst."  
  Überhaupt ist von allen jetztberührten Fragen, welche Gerhard in dem unvorgreiflichen Begriff vom Verstand und Willen des Menschen, und derselben Ausbesserung, der 1717. zu Jena heraus gekommen ist, p. 16. und ff. untersuchet, zu urtheilen, daß sie zum Theil nichts auf sich haben, auch so abgefaßt sind, daß man darüber leicht auf ein Wort-Gezäncke gerathen kan.  
Literatur  
  • Rambachs Dogmat. Theol. Th. I. ...
  • Syrbii kurtze Anweisung zur Weish. ...
  • Kämmerichs Acad. der Wissensch. Eröff. ...
  • Walchs Philosophisches Lexicon.
  • Desselben Gedancken von dem philosophischen Naturell.
  • Deutsche Acta Eruditorum ...
  • Rübels Recht der Natur ...
  • Wolffs Gedancken von GOtt, der Welt und der Seele ...
  • Carpovii Erläuterung der Wolffischen Sitten-Lehren ...
  • Zimmermanns natürliche Erkänntniß GOttes, der Welt und des Menschen ...
  • Sturms Vernunft-Lehren ...
  • Bernds Abhandl. von GOtt und der menschlichen Seele ...
  • Hilligens Anatomie der Seelen ...
  • Gottscheds Gründe der Welt-Weish. Theor. Th. ... Pract. Th. ...
  • Bruckers philos. Hist. Th. VII ...
  • Ludovici Historie der Wolffischen Philosophie Th. III. ...
  • Rohrs Klugheit zu leben ...
Siehe auch Siehe auch die Artickel:  
   
     

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Stand: 7. April 2013 © Hans-Walter Pries