HIS-Data
Home | Suche
Zedler: Wirthschafft [4] HIS-Data
5028-57-1130-5-04
Titel: Wirthschafft [4]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 57 Sp. 1149
Jahr: 1748
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 57 S. 588
Vorheriger Artikel: Wirthschafft [3]
Folgender Artikel: Wirthschafft [5]
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Transkribierter griechischer Text der Vorlage
  • : Absatz in der Vorlage vorhanden

vorhergehender Text  Teil 3 Artikelübersicht Teil 5  Fortsetzung

Übersicht
Philosophische Betrachtung der Wirthschafft-Lehre überhaupt (Forts.)
  Klugheit zu wirtschaften (Forts.)
 
  Anwendung des Vermögens
 
  Frugalitas

Stichworte Text  
Anwendung des Vermögens Nun ist noch übrig, zu erwegen, wie ein erworbenes Vermögen zu unserer Nothdurfft, Ehre und Vergnügung, klüglich anzuwenden sey, als welches der andere grosse Hauptzweck der Klugheit zu wirthschaften ist. Diese Klugheit beruhet ohnstreitig auf dreyen Regeln, deren eine aus der andern folget.  
1. Regel Die erste ist, daß, so lange das Vermögen noch sehr klein, man so spärlich, als es nur möglich, mit der unentbehrlichen Nothdurft sich behelffe, und ein mehreres, ob man gleich könnte, nicht leicht verthue; Folglich der Ausgaben zu der Lust beynahe schlechterdings, der Ausgaben aber zu Ehren, so viel es nur der Stand eines jeden leidet, sich enthalte. Denn zu dieser Art der Ausgaben ist es zu der Zeit, da das Vermögen noch klein ist, noch nicht Zeit: Dieweil die Mittel, sie mit Grunde und mit Bestande zu machen, noch nicht vorhanden sind, wohl aber vermittelt dieser ersten Regel, mit der Zeit erlanget werden können. Also weiset uns die erste Regel, mit dem erworbenen wohl umzugehen, abermahl auf die Sparsamkeit, als den vornehmsten Grund einer klugen Haushaltung.  
  Besagte Regel hat auch noch diesen guten Nutzen, in Ansehung des Gebrauchs eines Vermögens, (welcher Nutz denenjenigen, die ihre Wirthschafft recht von fornen, und ohne einen Vorsprung des Vermögens zu haben, kümmerlich anfangen müssen, zu dem Trost dienen kan,) daß man der Mäßigkeit fein zu rechter Zeit, nehmlich in der Jugend, zur Gründung einer festen Gesundheit, gewohne, welche Gewohnheit so dann in den Zustand, da man zur besserm Vermögen gelanget, einen grossen Einfluß hat. Dahero diejenigen, die einen dürfftigen Anfang ihrer Nahrung haben andern, die einen guten Vorsprung haben, ihr Glück zu beneiden nicht Ursach haben:  
  {Sp. 1150}  
  Indem diese, wenn sie nicht in kurtzem weit elender werden wollen, als jene, in ihrer Jugend, mit eben so vieler Ansichhaltung, der Sparsamkeit und Mäßigkeit sich befleißigen, und ihren Vorsprung an Vermögen also bey nahe betrachten müssen, als hätten sie ihn nicht.  
2. Regel Die andere Regel ist, daß, wenn nun vermittelst der Arbeit und Sparsamkeit, mit Beywürckung des Glücks und göttlichen Segens, ein genügliches Vermögen erworben ist, dieses auch wohl durch eben dieselben Mittel, als welche mit dem Anwachs des Vermögens immer leichter und fruchtbarer werden, von Grad zu Grad bis auf einen ansehnlichen Reichthum zunimmt; Nunmehro es allerdings Zeit sey, seine saure Arbeit und Sparsamkeit zwar nicht gäntzlich bey Seite zu setzen, aber doch die erstere um ein merckliches, nach Proportion des Vermögens, sich zu erleichtern, und der Früchte der letztern mit Ehre und Vergnügen zu geniessen.  
  Alsdenn soll man sich, den Seinigen und andern Menschen, in allen Stücken der Nothdurft, der vernünfftigen und seinem Stande gemäßen Ehre, der Beqvemlichkeit und unschuldigen Leibes- und Gemüths Ergötzlichkeiten, gütlich thun, und erwegen, daß dieses das eintzige sey, was an dieser Art zeitlicher Güter die kurtze Zeit über, da unsere Verwaltung derselben währet, vor so viele Arbeit und Sorge, die wir damit haben, uns endlich zu Nutze kommen könne.  
  Wenn allhier gesagt wird, daß man von einem erworbenen ansehnlichen Vermögen so wohl sich, als seinen Nächsten gütlich thun solle, so ist zu mercken, daß solches beydes ordentlicher Weise zu gleicher Zeit geschehe. Denn indem man so wohl sich selbst und den Seinigen gütlich thut, so thut man auch seinem Nächsten gütlich, da man solchergestalt mehr aufwendet, und verthut, als ein Armer kan, folglich vielen wackern arbeitsamen Leuten und Künstlern, durch seinen Aufwand, Arbeit und guten Abgang schaffet, wornach sie in ihrer Dürfftigkeit sehnlich Verlangen tragen; Wodurch sie denn ebenfalls zu ihrer Nothdurfft zu ihren Ehren- und Vergnügungs-Ausgaben, etwas ansehnliches verdienen können.  
  Woraus erhellet, daß nicht aller grosser Aufwand an Kleidern, Wohnung, Haußrath, Gärten, Bedienten, u.s.w. Verschwendung, Üppigkeit, und wider die Regeln guter Wirthschaft sey. Es kommet nur darauf an, wer den Aufwand mache, und in was vor einer Absicht er ihn mache. Ein Reicher, der die Absicht hat, ehrlichen und fleißigen Arbeitern etwas zu verdienen zu geben, und die Beqvemlichkeit, die seltene Artigkeit und Nettigkeit ihrer Waaren, zu seinem Vergnügen immer mit zu nehmen, kan jährlich grossen Aufwand machen, ohne den Vorwurff der Üppigkeit und Verschwendung zu verdienen.  
  Wenn reiche und wohlvermögende Leute so kärglich leben wollen, als die armen, so fällt die Nahrung dieser letztern, und aller derer, die noch gern etwas verdienen und vor sich bringen wollen. Denn wovon wollen diese leben, und etwas erwerben, wenn die Reichen nichts verthun, und die saure Arbeit so vieler tausend Künstler, die etwas sauberes, zu dem Dienst derer, die es bezahlen können, hervor zu bringen, sich um die Wette bemühen, aus Kargheit, oder Aberglauben, ver-  
  {Sp. 1151|S. 589}  
  schmähen, und dargegen ihren Uiberfluß faulen Bettlern, die nichts haben lernen wollen zuwenden wolten? Wir halten dahero dieses vielmehr vor die erste, ordentliche und vornehmste Art, wie reiche und wohlbegüterte Leute von ihrem Reichthum andern Menschen wohl und gütlich thun können und sollen: In welcher Absicht sie diejenigen, die ihnen arbeiten und dienen, wohl, richtig und bald bezahlen, und sonderlich nothdürfftigen Leuten nicht durch ein allzuknickerisches Handeln gleichsam das Hertz aus dem Leibe abdringen sollen.  
  Es nehmen es auch, wie die Erfahrung lehret, alle ehrliche und nothdürfftige Arbeiter, die nicht betteln, sondern ihr eigen Brod essen wollen, vor eine gute Wohlthat reicher und wohlvermögender Leute, und vor einen Segen GOttes durch sie, auf, wenn sie durch ihren Aufwand ihnen etwas zu verdienen geben, und dadurch veranlassen, daß sie das Werck ihrer Hände mit Nutzen, gutem Auskommen, und mit Freuden treiben können. Sehr viele geitzige Reiche in einem Lande sind mit eine grosse Ursache schwehrer Zeiten. Doch kan und soll man freylich auch ausserordentlicher Weise, nehmlich umsonst, den Armen durch Allmosen Gutes thun, und den Notdürfftigen, die sich nähren können und wollen, durch Darlehne und Vorschüsse, auch wohl ohne Zinsen, in ihrer Nahrung aufhelffen.  
3. Regel Hieraus folget endlich die dritte Regel, daß also unser gantzer öconomischer Wandel ohne Geitz seyn müsse, das ist, daß wir nicht vor allzugrosser oder vielmehr verkehrter Haußhältigkeit, in die Eitelkeit verfallen müssen, zeitliches Vermögen, oder Reichthum; seiner selbst wegen, etwa gar als das höchste Gut dieses Lebens zu suchen, als welche Art der Leutte nimmermehr genug bekommen kan, sondern an statt, daß gutes Vermögen ein Mittel eines mit Ehren vergnügten Lebens seiner selbst und vieler anderer, seyn solte, es vielmehr zu einer Materie machet, den Leib und das Gemüth desto mehr mit Arbeit auszumergeln, und das Hertz mit Unmuth, Sorgen und Neid, sich desto mehr abzufressen, ja andere destomehr zu schinden und zu drücken, jemehr nur das Vermögen wächset. Woraus deutlich erhellet, daß ein Geitziger einer der grösten Haupt-Narren der Welt sey.  
Frugalitas In diesen dreyen Grundregeln eines vergnüglichen Wohllebens, und darzu erforderten vernünfftigen Aufwandes wohlbegüterter Leute, stecket unsers Erachtens derjenige Inbegriff der Tugenden, welchen die Lateiner Frugalitas nenneten. Zwar nahmen sie dieses Wort zuweilen in so weitem Verstande, daß sie darunter ein tugendhafftes Leben überhaupt verstunden: Inmassen sie Hominem frugi einen rechtschaffenen braven Mann überhaupt, der in allen Stücken recht und klüglich zu handeln wisse, nenneten. So bezeuget Cicero, Tuscul. lib. 4. Ex quo [sieben Zeilen lateinischer Text] Und lib. 3. Tres  
  {Sp. 1152}  
  [sechs Zeilen lateinischer Text].  
  Doch scheinet es, daß man eben durch diesen natürlichen Zusammenhang aller Tugenden, durch welchen eine jede zu einer jeden das ihrige beyträgt, veranlasset worden, diejenige Tugend und Klugheit wohlbegüterter Leute, die zu einem vergnüglichen Wohlleben, und in dem dahin gehörigen Aufwande, erfodert wird, (welche Tugend und Klugheit in eigentlichem Verstande Frugalitas heisset) auf so viele andere Tugenden auszudehnen, die sie zugleich mit in sich begreiffen soll.  
  Nehmlich so viel ist gewiß, daß, nach den Regeln der Tugend und Klugheit, wohlbegüterte Leute ihr ansehnliches Vermögen zuförderst zu ihrer und der Ihrigen Nothdurfft, hierneben aber auch zu aller vernünfftigen Beqvemlichkeit des Lebens anwenden und gebrauchen sollen, zu welcher letztern fürnehmlich die Ehre, die einem jeden nach seinem Stande gebühret, und alle unschädliche Lust und Ergötzlichkeit gehöret. Doch ist der letzte dieser beyden Zwecke, nehmlich der Zweck der Bequemlichkeit, der Standesmäßigen Ehre und Ergötzlichkeit, nicht schlechterdings und an sich selbst den Regeln der Tugend und Klugheit gemäß, sondern nur unter der Bedingung, soweit die Ehre und an sich selbst zuläßliche Lust, auf die man etwas möchte wenden wollen, der Gesundheit und der Aufwand selbst den Regeln guter Wirthschafft, nicht zuwider ist.  
  Solte demnach ein auf Lust und Ehre angesehener Aufwand der Gesundheit zu Nachtheil gereichen, so erfordern die Regeln der Tugend und Klugheit, sich dessen zu enthalten; Welche Tugend die Mäßigkeit heisset. Solte er nach Proportion des Vermögens dessen, der den Aufwand machen will, den Regeln guter Wirthschaft zuwider seyn, so erfodern die Regeln der Tugend und Klugheit gleichfalls, den Aufwand zu unterlassen; Welche Tugend die Sparsamkeit heisset. Solte hingegen ein Aufwand entweder die Nothdurfft erfordern, oder eine vernünfftige Beqvemlichkeit, in Absicht auf Stand und Ehre, oder Lust, dabey weder die Gesundheit leide, noch den bishero ausgeführten Regeln guter Wirthschafft zuwider gehandelt werde: So wäre es weder Mäßigkeit noch Sparsamkeit, sondern Kargheit und Knickerey, bey gnugsamen Vermögen, oder Reichthum, sich und den Seinigen in obgedachten Stücken über die Gebühr etwas abzubrechen.  
  Die Tugend demnach wohlvermögender Leute, den Aufwand, den sie neben der unentbehrlichen Nothdurfft, auf Stand es mäßige Ehre und Ergötzlichkeit zu verwenden haben, mit Vermeidung der Kargheit und Knickerey, nach den Regeln aller Tugenden, insonderheit der Mäßigkeit, und Sparsamkeit, oder guter Wirthschaft, zu mäßigen, ist unsers Erachtens diejenige, die die Lateiner in eigentlichem Verstand Frugalitas nenneten. Der höheste Grad derselben, dessen nur Standes Personen von grossen Einkünfften, oder doch in sehr hohem Grade reiche Leute, fähig sind, heisset megalo presbeia, Magnificentia. Diese ist ein mehr als gemeiner ansehnlicher Aufwand vorneh-  
  {Sp. 1153|S. 590}  
  mer und reicher Leute, die nach ihrem Stande und Vermögen zu leben wissen, sonderlich in öffentlichen Ehren Ausgaben; Da sie ihren Überfluß theils zu dem gemeinen Besten, z.E. an öffentliche Gebäude, zu ansehnlicher Belohnung grosser Verdienste, theils auch zwar in Privat-Geschäfften, jedoch aber zu gemeinem Nutzen, und mit öffentlicher Milde und Gutthätigkeit, wohl anzuwenden wissen, z.E. in Gebäuden, in Kleidung, Hausrath, Bedienung, und andern Beqvemlichkeiten, insonderheit in feyerlichen Begebenheiten.  
  Denn vornehme und reiche Leute sind verbunden, nicht wie niedrige und arme, oder die von mittlerm Vermögen sind, sondern ihrem Stande und Vermögen gemäß, zu leben, und ihren Aufwand einzurichten. Dahero ist nicht zu zweiffeln, daß, da dergleichen ansehnliche und kostbare Lebens-Art so vernünftig und wohl anständig geführet werden kan, also eine Tugend in Ansehung derselben seyn müsse, die gewiß nicht von geringer Wichtigkeit ist, und deren nur vornehme Personen, die ein grosses Vermögen zu Erhaltung der Würde ihres Standes, und zu Beförderung des gemeinen Nutzens, wohl anzuwenden haben, fähig seyn können.  
  Aristoteles hat von dieser Tugend, Nicom. … nicht übel gehandelt, da er sagt, sie sey: [ein Satz griechisch], virtus quae circa faciendas impensas versetur, decentem in magnis sumtum faciens. Sie bestehet also: [ein Satz griechisch], ut scite et prudenter judices, quid decori ratio postulet, magnaque expendas digne et concinne. Er setzet ihn zweene Fehler entgegen, während der eine mikroprepeia heisset, das ist, eine geringe, niederträchtige, knickerische und karge Lebens-Art vornehmer und reicher Leute: der andere banausia kai apeirokalia, ineptitudo operaria et magnificentia male affectata, das ist, ein nach Art gemeiner Leute närrisch geführter Staat und Bauren-Stoltz dererjenigen, die sich in die Vortheile ihres Standes und Vermögens nicht zu finden wissen.  
     

vorhergehender Text  Teil 3 Artikelübersicht Teil 5  Fortsetzung

HIS-Data 5028-57-1130-5-04: Zedler: Wirthschafft [4] HIS-Data Home
Stand: 24. Januar 2013 © Hans-Walter Pries