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Zedler: Zeit [2] HIS-Data
5028-61-725-2-02
Titel: Zeit [2]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 61 Sp. 733
Jahr: 1749
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 61 S. 380
Vorheriger Artikel: Zeit [1]
Folgender Artikel: Zeit [3]
Hinweise:
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  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen, Bibel
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Übersicht
  6. Daß man sich in die Zeit schicken soll.
  7. Abbildung der Zeit.
  8. Erklärung einiger Sprüchwörter von der Zeit.
  9. Der Gegenstand der Zeit.
  10. Einige Meynungen der alten Philosophen von der Zeit.
  11. Von der Abtheilung der Zeit bey verschiedenen Völckern.
  12. Von der Fatalität gewisser Zeiten.

  Text   Quellenangaben
  6. Daß man sich in die Zeit schicken soll.  
  In der Politick und Klugheit zu leben findet man wie sehr die Regel, daß man sich in die Zeit  
  {Sp. 734}  
  schicken soll, eingeschärffet wird: Nehmlich man soll ein Mann seyn seiner Zeit, das ist, sich nach dem Geschmack der Zeit, darinnen man lebet, richten. Der Geschmack der Menschen ist veränderlich, dergestalt, daß sie weder gegen ein würckliches Gut, noch gegen eine Eitelkeit stets dauernde Hochachtung hegen, daher fast kein Jahrhundert ist, darinnen nicht gewisse Wissenschafften, ingleichen gewisse Irrthümer und Eitelkeiten Mode und im Flor gewesen, die über lang und über kurtz wieder herunter, und andere an deren Stellen gekommen.  
  Das Glück und Aufnehmen nun eines jeden Menschen dependiret ordentlicher Weise von den Diensten, die er der Welt zu leisten fähig ist, und zwar eigentlich von den Diensten, dadurch er denen, unter welchen er zu blühen gedencket, Gnüge leisten kan. Wer also unter den Seinigen in Aufnehmen kommen will, der muß sich in solchen Dingen, die in dem Jahrhundert, darinnen er lebet, gesucht und hochgeachtet werden, herfür thun. In Ansehung dieses Geschmacks giebts daher nutzbare Künste, die dem Geschmacke des Jahrhunderts gemäß sind; Brodlose Künste, die ihm nicht gemäß sind; verderbt und schädliche Künste, die demselben gar zuwider sind, und die das Jahrhundert gar nicht leiden kan.  
  Auf diese letzte Art war Socrates kein Mann seiner Zeit, als welcher wegen ein und anderer nicht mit gnugsamer Behutsamkeit verschwiegener Wahrheiten seinem Jahrhundert mit dem Leben bezahlen muste. Und nicht alle haben an ihrem Jahrhundert eine Zeit gefunden, die sie wohl hätten erleben sollen. Es muste zum Exempel durch GOttes Schickung zutreffen, daß Martin Luther ein Mann seiner Zeit war; Johann Huß hingegen war es nicht, und wäre eines bessern Jahrhunderts werth gewesen. Peter Ramus war nicht ein Mann seiner Zeit; wohl aber Cartesius. Thomas Scotus, Svarez, Vasquez waren grosse Lichter in den Grillen ihrer Zeit; solten sie aber heut zu Tage wieder aufstehen, so würden sie in unserm Jahrhundert wenig Verehrer finden, siehe Müllers Noten über Gracians Oracul Max. …
  Wenn man etwas ausführen will, soll man sich auch in die Zeit schicken, das ist, die rechte Zeit in Acht nehmen, welches diejenige ist, in welcher eines theils die Fähigkeit und Macht, die zu einem Unternehmen erfordert wird, zu gnugsamer Vollkommenheit gediehen; andern theils aber auch die Conjuncturen, oder Umstände des Glücks der Ausführung eines Vorhabens am meisten favorisiren, siehe Müller l.c. Max 55. …
  Der P. Rapin erzehlet in seinen reflexions sur la philosophie ancienne et moderne unter dem Artickel reflexions sur la Physique §. 10. von dem Cartesius, daß er, als er im Begriff gewesen, seine principia philosophiae heraus zu geben, ein Vacuum in der Natur zu statuiren Willens gewesen, weil der Zusammenhang seiner Lehr-Sätze solches zu erfordern schiene; Hiervon habe er seinem guten Freunde zu Paris, dem Mersennus, Nachricht gegeben, welcher solches einsmahls in einer Gesellschafft erzehlet; aber von den meisten verstanden, daß dieses ein schlechter Ein-  
  {Sp. 735|S. 381}  
  fall des Cartesius sey. Worauf Mersennus an ihn geschrieben, er solte sich mit dem Vacuo nicht einlassen, es wäre solches in Paris nicht Mode, welche Warnung soviel gefruchtet, daß er nachgehends das Vacuum scharff geleugnet, und zum Behuff seiner nun geänderten Meynung die Materiam subtilissimam coelestem angenommen. Walchs Philosophisches Lexicon.
     
  7. Abbildung der Zeit.  
  In der Bilder-Kunst wird die Zeit abgebildet unter der Gestalt des Saturnus, als ein alter Mann, mit Flügeln auf dem Rücken, einer Sand-Uhr auf dem Kopff, und einer Sensen in der Hand, anzudeuten, daß die Zeit flüchtig und schnelle dahin fahre, alles vernichte, und was sie hervorgebracht, selbst wieder verzehre, wohin das Gedicht, daß Saturnus seine eigenen Kinder gefressen, zielet. Jablonsky Allgemeines Lexicon der Künste und Wissenschafften.
     
  8. Erklärung einiger Sprüchwörter von der Zeit.  
  Die Zeit bringet Rosen, sagt das Sprüchwort, das ist, eine jede Sache will ihre Zeit und Weile haben, ihre Vollkommenheit zu erreichen; in welchem Sinne auch gesagt wird: die Zeit bringt die Frucht, nicht der Acker; oder mit der Zeit auf dem Stroh werden die Mespeln zeitig.  
  Zeit gewonnen, Leben gewonnen, das ist, eine beschwerliche Sache aufschieben und aussetzen können, ist ein grosser Vortheil.  
  Wem immer Zeit genug, der kommt gewiß zu spät, das ist, der ein Ding nicht zu rechter Zeit treibt, sondern immer aufschiebt und läßig ist, wird nichts ausrichten.  
  Die Zeit ist der Meister, das ist, die gegenwärtige Zeit schreibt die Weise für, wie man leben soll; in solchem Sinne haben die Alten gesagt: Schickelmann (das ist, die Zeit) wohnt an der Straßen.  
  Wenn es Zeit ist, so wird es Sommer, das ist, ein jedes Ding hat seine Zeit, da es gelingen oder gethan werden kan.  
  Jede Zeit schilt ihre Boßheit, wird gebrauchet, die zu widerlegen, so sich beklagen, daß die alten Zeiten besser als die heutigen, gewesen, welchen gemeinen Irrthum ein sinnreicher Italiener, Sec. Lancellotte, in einem grossen Buch, l'hoggidi, overo il mondo non peggiore del passato betitult, ausführlich widerleget. Jablonsky Allgemeines Lexicon der Künste und Wissenschafften.
     
  9. Der Gegenstand der Zeit.  
  Die Zeit wird entgegen gesetzet der Ewigkeit, die ohne Anfang und Ende ist, siehe Ewigkeit, im VIII Bande, p. 2255. u.f.  
     
  10. Einige Meynungen der alten Philosophen von der Zeit.  
  Heraclitus, der um die LXIX Olympias gelebt, hat die Zeit für etwas cörperliches gehalten, Sextus Empiricus berichtet adv. Mathem. … daß Heraclitus ausdrücklich behauptet habe: Die Zeit wäre ein Cörper. Dieses ist so zu verstehen: daß die Sache, welche in der Zeit ist, und die Zeit selbst, einerley wären, wie es Aenesidemus erklärt. Bruckers Fragen aus
  {Sp. 736}  
  der Philosophischen Historie, II Th. … Zusätze …
  Plato definirte die Zeit, durch eine Bewegung des Universi.  
  Aristoteles lehrte: die Zeit wäre eine Abzahlung der Bewegung nach dem, was vorher gegangen, und was folgen soll, welches durch das gegenwärtige verbunden würde. Alle Bewegung und Veränderung müsse in der Zeit geschehen, daher sey Himmel und Erde in der Zeit, weil sie bewegt würden. Es sahe demnach Aristoteles die Zeit nur als eine Relation an, welche von dem motu aeterno primi motoris ihren Ursprung hat, dahingegen andere Philosophen etwas wesentliches in derselben gesucht. Übrigens schreiben einige auch dem Plato die Aristotelische Definition der Zeit zu, wie Sextus, Empiricus adv. Physic. … berichtet. Bruckers I Theil …
  Democritus der um die LXXX Olympias gelebt, meynete: Die Zeit wäre eine Vorstellung und Bild des Tages und der Nacht.
  • Sextus Empiricus adv. Mathem. …
  • Bruckers l.c. II Th. …
  Die Epicurischen Philosophen sagten: Die Zeit wäre nichts reelles, sondern nur ein zufälliges Ding, welches bey der Bewegung der Atomorum sich befindet.
  • Laerz
  • Sextus Empiricus Pyrrhon. Hypotyp.
  Die Stoischen Weltweisen sagten: Die Zeit, sey eine Abmessung der Bewegung der Welt, welche zwar das vergangene und zukünfftige begriffe, aber nicht das Gegenwärtige. So philosophirte sonderlich Chrysippus von der Zeit, dessen Gedancken Lipsius in Dissertat. sive Physiologiae Stoicae … mit mehrern erläutert. Überhaupt machten die Stoicker die Zeit zu etwas uncörperlichen, wie Sextus Empiricus Pyrrhon. hopot. … Laerz … erinnern. Weil sie aber lehrten, was uncörperlich ist, könne weder leiden noch thun, beym Sextus adv. Logic. …;
  so ersiehet man daraus, daß sie die Zeit für kein physicalisches Ding, sondern für eine blosse Idee der Phantasie oder einen gewissen Begriff von der Bewegung der Welt gehalten haben, als welches eigentlich, nebst dem loco, vacuo, inani, bey Stoickern das incorporeum heist.  
  Zeno von Elea, einer der berühmtesten Philosophen des Alterthums, behauptete, daß die Zeit nicht ins unendliche theilbar sey. Er hat bey Gelegenheit einiger Einwürffe wider das Daseyn der Bewegung auch über die Zeit philosophiren wollen, wodurch er aber in ein grosses Labyrinth gerathen ist. Diese Einwürffe hat uns Aristoteles im IX Cap. des VI Buchs seiner Natur-Lehre erhalten, wo man eine Untersuchung von vier Einwürffen Zenons findet. Wir können seine Philosophischen Gedancken von der Zeit nicht wohl von den Einwürffen, die er wider das Daseyn der Bewegung macht, trennen; weil er jene bloß  
  {Sp. 737|S. 382}  
  dieserwegen hat vorbringen müssen. Wir werden daher die gantze Materie unzertrennt lassen, wie sie Bayle in seinem Historischen und Critischen Wörter-Buche IV Th. … vorstellet: Wenn sich ein Pfeil beweget, der nach einem gewissen Orte zielet: So würde er ungleich, in der Ruhe und in der Bewegung seyn. Nun ist dieses widersprechend: also bewegt er sich nicht. Die Folgerung des Obersatzes wird auf diese Art bewiesen. Der Pfeil ist in jeden Augenblick in einem Raume, der ihm gleich ist. Also ist er darinnen in der Ruhe: Denn man ist nicht in einem Raume, daraus man gehet: Also giebt es keine Augenblicke, wo er sich bewegt; und wenn er sich in einigen Augenblicken bewegte: So würde er zugleich in Ruhe und Bewegung seyn.  
  Diesen Einwurff desto besser zu begreiffen, muß man auf zwey Grund-Sätze Achtung geben, welche man nicht leugnen kan, erstlich, daß ein Cörper nicht zugleich an zween Orten seyn kan; zum andern, daß zween Theile der Zeit nicht zugleich da seyn können. Der erste von diesen zween Grund-Sätzen ist so deutlich, daß wir, wenn man auch keine Aufmercksamkeit anwendet, denselben nicht erläutern dürffen: Weil aber der andere ein wenig mehr Nachdencken braucht, und die gantze Stärcke des Einwurfs enthält: So werden wir ihn durch ein Exempel empfindlicher machen.  
  Wir sagen also, daß das, was dem Montage und Dienstage in Absehen auf die Nachfolge zukömmt, auch jedem Theile der Zeit zukomme, er mag seyn, wie groß er will. Weil es nun unmöglich ist, daß der Montag und Dienstag beysammen da sind, und der Montag nothwendig zu seyn aufhören muß, ehe der Dienstag anfängt zu seyn: so giebt es auch keinen eintzigen Theil der Zeit, der mit dem andern zugleich bestehen könnte. Jeder muß allein bestehen: jeder muß zu seyn anfangen, wenn der andere aufhöret zu seyn.  
  Hieraus folgt: daß die Zeit nicht unendlich theilbar ist, und daß die auf einander folgende Dauer der Dinge aus eigentlich genannten Augenblicken zusammen gesetzet ist, davon eine jede einfach und untheilbar vollkommen von dem Vergangenen und Zukünftigen unterschieden ist, und nichts als die gegenwärtige Zeit enthält. Diejenigen, welche diese Folgerung leugnen, müssen entweder ihrer Tumheit, oder ihrer Unredlichkeit, oder der unüberwindlichen Stärcke ihrer Vorurtheile Preis gegeben werden.  
  Wenn man nun einmahl setzet, daß die gegenwärtige Zeit untheilbar ist, so wird man gezwungen seyn, Zenons Einwürffe zu zulassen. Man wird keinen Augenblick finden können, worinnen ein Pfeil seinen Platz verläßt: Denn, wenn man einen derselben fände, so würde er zu gleicher Zeit in diesem Platze seyn, und nicht darinnen seyn. Aristoteles begnüget sich mit der Antwort, daß Zeno die Untheilbarkeit der Augenblicke höchst falsch voraus setze. [Ein Satz griechisch] Hoc vero est falsum, cum tempus ex momentis individuis non constet, ut neque alia ulla magnitudo. So weit Bayle.  
  Wir sehen, daß dieses die alte sophistische Manier zu Disputiren sey, die hier Bayle durch sei-  
  {Sp. 738}  
  nen Beyfall bestärckt, ja gar demjenigen mit Schimpff-Worten drohet, der sie nicht für richtig erkennen will. Aber so wenig der erste Einwurff von dem Pfeile richtig ist: so wenig ist auch der andere richtig. Wenn man die Quelle dieser und vieler andern Trugschlüsse und Widersprüche entdecken will: so muß man den Unterschied zwischen dem wahrhafften und eingebildeten Raume, ingleichen der wahrhafften und eingebildeten Zeit bemercken.  
  Wir wollen jetzo nur bey dem letztern Unterscheide stehen bleiben, weil der erste eigentlich nicht hieher zu unserer Abhandlung gehöret. Wenn Zeno und Bayle von der Zeit reden, so verwirren sie sich ebenso wohl als bey dem Raume, indem sie auch hier die würcklichen Veränderungen der vorhandenen Wesen, mit einer eingebildeten Dauer, die in einem Stücke fortgehet, vermengen. Diese ist unstreitig in unserer Einbildungs-Krafft unendlich theilbar: ja wir können uns weder Anfang noch Ende darinnen vorstellen, gesetzt, daß wir alle endliche Wesen in unsern Gedancken vernichten wolten: so, wie wir uns auch den eingebildeten Raum ohne alle Figur, d.i. ohne Ende vorstellen.  
  Allein beydes sind Hirngespinste, und blosse Geburten der Phantasie. Die würckliche Zeit bestehet aus den wahren Veränderungen vorhandener Wesen, z.E. unserer Gedancken, oder der Bewegung der Sand-Körner in inem Stunden-Glase. Da ist nun abermahls keine Folge zu sehen, daß ein Mensch zugleich im Montage und Dienstage seyn müste. Denn wenn das Stunden-Glas des Nachts zwischen eilf und zwölf Uhr soweit ausgelauffen ist, daß das letzte Sand-Korn durchs Loch fällt: so ist der Montag aus, und der Dienstag gehet an. Es sind zween verschiedene Augenblicke, die aneinander grentzen, und davon der eine zum vorigen, der andere aber zum folgenden Tag gehöret. Wir messen dieselbe nach dem Falle der Sand-Körner, als würckliche Begebenheiten; nicht aber nach den Chimärischen Eintheilungen einer eingebildeten Zeit, die nirgends als in unserer Phantasie bestehet. So siehet man nun, daß beyde Einwürffe von sich selbst wegfallen.  
     
  11. Von der Abtheilung der Zeit bey verschiedenen Völckern.  
  Wenn die Zeit nichts anders ist, als eine gewisse und determinirte Verweilung der Gestirne, wornach das Seyn und Dauern anderer erschaffenen Dinge gemeßen wird, so ist klar, daß so wohl der Zeiten Abtheilung als Berechnung, sich vornehmlich auf die Astronomie oder Stern-Wissenschafft, und den Lauff der Gestirne gründe. Denn so machte GOtt Lichter an der Veste des Himmels, die da scheiden Tag und Nacht, und geben Zeichen, Zeiten, Tage, und Jahre.
  • 1 B. Mos. I, 14.
  • Ps. CIV, 19.
  • B. der Weish. VII, 18.
  • Sir. XLIII, 6. u.ff.
  Demnach haben die ersten Menschen vor der Sündfluth von keiner andern Zeit-Abmessung gewust, als daß sie sich nach der Abänderung aufs einfältigste gerichtet, welche die Sonne alle Jahre durch die vier Jahrs-Zeiten, und  
  {Sp. 739|S. 383}  
  der Mond alle Monate macht, vornehmlich aber, wenn die Sonne über den Horizont hervorgekommen, und sich wiederum unter denselben verborgen, das ist, sie wusten von nichts, als daß aus Abend und Morgen ein Tag ward, 1 B. Mos. I, 5,
  und, wenn des Monden Schein wieder zu wachsen anfieng, ein neuer Monat angieng VII, 11;
  Wenn aber die Sonne ihren Lauff verneuerte, und wieder Frühling oder Herbst machte, ein Jahr vorbey war. VIII, 13.
  Folglich war ihnen von der Stunden- und Minuten-Eintheilung nichts bekannt, indem sie bey ihren langen Lebens-Jahren nicht nöthig hatten, die Zeit so genau und behend abzumeßen, als wir, die wir nur kurtze Zeit leben, jede Kleinigkeit derselben rechnen, und zu Hülffe nehmen müßen.  
  Und bey dieser gantzen natürlichen Abtheilung der Zeit sind auch die Leute nach der Sündfluth noch lange geblieben, daher auch im Gesetz Moses nur die Morgen- und Abend- Opffer gebothen waren, ohne auf eine gewisse determinirte Stunde zu sehen: So ward auch der Sabbath von einem Abend bis zum andern gefeyret, 3 B. Mos. XXIII, 32,
  welches doch die heutigen Juden also beobachten, daß sie ihren Sabbath von 6 Uhr Nachmittags bis wieder 6 Uhr auf den Abend des folgenden Tages halten.  
  Darnach, als man gemerckt, daß, wenn die Sonne aufs höchste gestiegen, solches die mittelste Zeit im Tage sey, hat man auch den Tag in drey Theile: Morgen, Mittag, und Abend eingetheilet,
  • Ps. LV, 18.
  • 1 B. Mos. XLIII, 25,
  und so auch die Zwischen-Zeiten mit dem Nahmen Vormittag und Nachmittag oder Halb-Vormittag und Halb-Nachmittag, wie sonderlich unsere Landsleute noch heutiges Tages im Gebrauch haben, zu benennen angefangen, und auf gleiche Weise hat man auch die Nacht eingetheilet in drey Theile oder Nacht-Wachen, Ps. XC, 4:
  Als die erste Nacht-Wache von Abend bis gegen Mitternacht,
  • B. der Richt. VII, 19.
  • Klagl. II, 19.
  Die andere Wache, oder Mitternacht
  • 2 B. Mos. XI. 4.
  • Hiob XXXIV, 20.
  • B. der Richt. XVI, 3.
  Die dritte Wache von Mitternacht bis an den Morgen, hieß die Morgen-Wache
  • 2 B. Mos. XIV, 24.
  • 1 Sam. XI, 11.
  • Ps. CXXX, 6.
  Die Römer waren in den folgenden Zeiten accurater hierinne, und da sie schon gewohnet waren, Tag und Nacht in gewisse Stunden einzutheilen, so machten sie aus der Nacht vier Theile oder Nacht-Wachen, Vigilias, und eigneten einer jeglichen drey Stunden zu wornach sich auch die Jüden, als sie unter der Römer Bothmäßigkeit geriethen, richten musten
  • Matth. XIV, 25.
  • Marci VI, 48. XIII, 35.
  • Lucä XII, 38,
  allwo gedacht wird des Abends, oder der ersten Wache, der Mitternacht, der dritten Wache oder des Hahnen Geschreyes, oder 4ten Wache oder des Morgens. Also theilten sie auch den Tag in vier Stationes oder Excubias oder so viele Tages-Vierthel, deren jegliches drey Stunden währete, Nehem. IX, 3.
  Daher einige die dritte Stunde bey dem Marco XV, 25.
  Die sonst die sechste im Tage war, nach Joh. XIX, 14.
  von der im andern Tages-Vierthel verstehen wollen.  
  Die Griechen sind wohl die ersten Völcker mit  
  {Sp. 740}  
  gewesen, welche die Zeit richtig eingetheilet haben.  
  Von diesen haben es die Römer gelernet, unter welchen Romulus, Numa Pompilius, und Julius Cäsar, besondern Fleiß in Eintheilung der Zeit angewendet, welchen wir fast alles, was darinnen geschehen, zu dancken haben. Die Zeit ward von den alten Römern vornehmlich eingetheilet:  
  1) In Seculum,
2) Annos Seculares,
3) Lustrum, und
4) Annum.
 
  Wir wollen uns hierbey nicht aufhalten, sondern verweisen unsere Leser auf die besonderen Artickel:  
 
  • Seculum im XXXVI Bande, p. 953 u.f.
  • Lustrum, im XVIII Bande, p. 1255.
  • Annus, im II Bande, p. 410 u.ff.
 
  Die Poeten theileten die Zeit ein in die goldene, silberne, eherne, und eiserne. Die erste hat gewähret vom Anfange der Welt bis zum Ende der Zeiten des Saturns. Die andere von den Zeiten Saturns bis zu Ende der Zeiten des Jupiters. Die dritte von den Zeiten des Jupiters an bis auf die Zeiten der Herakliden oder aufs Jahr der Welt 2730. Die vierte von der Herakliden Zeiten bis auf ihre, der Poeten Zeiten.  
  Varro theilte die Zeit ein  
 
1) in adelon, die unbekannte Zeit, nehmlich vom Anfange der Welt bis auf das Diluvium Ogygis im Jahr der Welt 2189;
 
 
2) in mythikon, in die fabelhaffte Zeit, von gedachtem Diluvio an, bis auf die Olympiaden, und
 
 
3) historikon die historische Zeit, von den Olympiaden an, bis hieher.
 
  Von den Rabbinern ward die Zeit nach der Tradition des so genannten Domus Eliae in drey Perioden zertheilet, deren jeder ohngefehr 2000 Jahre hält, und vom Anfange der Welt bis auf das Gesetze; vom Gesetz bis auf den Meßias; vom Meßias bis aufs Ende der Welt gehen.
  • Hederichs Anleitung zu den Historischen Wissenschafften
  • Schmidts Biblischer Mathematicus …
     
  12. Von der Fatalität gewisser Zeiten.  
  Wir müssen bey dieser Abhandlung vor allen Dingen uns einen rechten Begriff von dem Worte Fatalität machen, welches von den wenigsten geschehen ist, die zwar vieles davon reden, aber selbst nicht wissen, was sie haben wollen.  
  Dieses Wort kömmt von Fatum her, welches ein Schicksal bedeutet, und nach der meisten Heydnischen Weltweisen Auslegung eine absolute und unvermeidliche Nothwendigkeit anzeiget, so daß alle Dinge in der Welt diesem nothwendigen Schicksal unterworffen sind, und nicht anders geschehen können, als sie würcklich geschehen. Nach dieser Heydnischen Meynung würde die Fatalität gewisser Zeiten darinnen bestehen, daß die Dinge, die sich in einer gewissen Zeit zutragen, nothwendig so und nicht anders seyn und sich zutragen könnten.  
  Diese Fatalität ist eine gantz ungereimte Sache, weil dadurch nicht allein dem menschlichen Willen, wovon die Handlungen der Menschen abhängen, sondern auch GOtt selbst, unter dessen Direction und Regierung alle Dinge in der Welt stehen, alle Freyheit benommen wird. Über dieses giebt es auch ein vernünfftiges Fatum oder Schicksal, welches nichts anders ist, als eine aus GOttes freyen Willen nach den Regeln der  
  {Sp. 741|S. 384}  
  Weisheit fest gesetzte Ordnung, nach welcher gewisse Dinge in der Welt nothwendig kommen und geschehen müssen. Hiervon haben wir ein Exempel an den Regeln der Bewegung, die, als eine aus GOttes Willen und Weisheit herrührende Ordnung, nunmehro in Ansehung der Creaturen nothwendig und unveränderlich sind.  
  Diesem nach wäre die Fatalität eines Dinges eine von GOtt fest gesetzte Ordnung, nach welcher es also und nicht anders geschehen kan. Z.E. wenn von einer Zeit gesagt wird, sie sey dem Menschen, fatal, so heist es so viel, sie müsse entweder etwas Gutes, oder, in welchem Verstande das Wort Fatalität gebräuchlicher ist, nothwendig etwas Böses bedeuten und mitbringen, weil GOtt es also beschlossen und geordnet habe. Hieraus ist klährlich zu ersehen, wie eine solche Fatalität eben so wohl den freyen Willen des Menschen aufhebe, als die vorhergehende.  
  Wir wollen nunmehr einige Zeiten, die man für fatal hält, genauer ansehen. Der Sonntag Lätare wird in Schlesien und den angränzenden Ländern der Toden-Sonntag genennet, dahero ihn viele für fatal und unglücklich halten. Allein wenn man die Ursache dieser Benennung höret, müste man ihn vielmehr für einen glückseligen Tag halten, an welchem diesen Ländern Heyl wiederfahren ist, wovon man Martin Möllers Praxin Evangeliorum oder Erklärung und Betrachtung der Evangelien, ingleichen den Artickel: Toden Sonntag im XLIV Bande, p. 710 u.f. nachsehen kan.  
  Den darauf folgenden Sonntag Judica nennet der Aberglaube den schwarzen Sonntag, weil in der Woche desselbigen gemeiniglich ein oder das andere Unglück geschehen soll oder wie andere melden, darinne nothwendig ein Mensch eines gewaltsamen Todes sterben, oder sonst zu Schaden kommen müsse, indem alsdenn der Satan den Leuten mehr als sonst nachstelle. Vielleicht hat man darzu von dem Worte Judica, welches Richten bedeutet, Gelegenheit genommen: und weil in dem Evangelio auf diesen Sonntag des gottlosen Richtens und Urtheilens gedacht wird, so die Jüden durch Antrieb des Teuffels über unsern Heyland ergehen liessen, so daß sie ihn endlich gar steinigen wolten; so wird es daher gekommen seyn, daß man dem Teuffel, der auf Gottes Zulassen mancherley Unglück anzurichten pflegt, an solchem Tage und Woche die Gewalt beygeleget, dergleichen Gericht wider die Menschen zu bewerckstelligen, und sie theils in Unglück zu stürtzen theils gar ums Leben zu bringen. Allein vernünftige Christen wissen besser, daß GOtt dem Satan nicht eine gewisse Woche oder Tage im Jahre bestimmt habe, darinne er ihm die Macht über die Menschen zugestehet, sondern wenn und wie es GOtt gefällt, und die Menschen es also verdienet haben.  
  Sonst schreibt man noch andern Tagen im Jahre eine gewisse Fatalität zu, und hält sie für unglücklich. Wer darinne gebohren wird, soll nicht lange leben, oder wenn er auch lange lebte, doch in gröster Armuth sein Leben zubringen. Wer in diesen Tagen kranck würde, könte selten gesund werden. Wer sich verlobte, oder Hochzeit machte, denn gienge es nicht wohl. Wer darinne reisete, komme nimmermehr ohne Betrüb-  
  {Sp. 742}  
  niß nach Hause. Kurtz alles, was man an diesen Tagen anfange, nehme einen bösen Ausgang.  
  Unter den allen aber sollen der 13, 14, und 15te May die allerschlimmsten und unglücklichsten Tage seyn. Buddei Urtheil hiervon in Thesibus Theolog. de superstitione … ist gegründet.  
  Man hat schon, schreibt er, zu den ältesten Zeiten im Wahn gestanden, daß einige Tage glücklich, andere aber unglücklich wären. Denn wenn die Menschen mancherley Ideen mit einander verknüpffen, welches bey ihnen etwas gewöhnliches ist: so geschiehet es, daß man der Zeit, worinnen sich etwas zuträgt, zuschreibt, was gleichwohl aus gantz andern Ursachen herrühret. Und daher kommt es, daß die Menschen denjenigen Tag, an welchem ihnen etwas widriges begegnet, als eine Ursache vieles Übels für unglücklich halten und daraus schliessen, es müste solcher Tag, wie er jährlich wieder kommt, auch allemahl unglücklich seyn.  
  So betrügen sich die Menschen in ihren Schlüssen, wenn einmahl der Aberglaube bey ihnen eingewurtzelt ist.  
  Endlich hat man noch besondere Tage angemerckt, die einer gewissen Person fatal gewesen, und theils Glück theils Unglück gebracht haben. Alexander der Grosse soll den 6 April gebohren seyn, an demselben Tage Darium überwunden, und auch sein Leben beschlossen haben. Es wird hinzu gesetzt, daß an solchem Tage der Tempel der Diana zu Ephesus abgebrannt, zu einer Vorbedeutung des Kriegs-Feuers, welches Alexander in Asien angezündet, wodurch viele Städte und Länder verwüstet und verherret worden. Eben an diesem Tage sollen auch ehedem die Perser von den Griechen zu Wasser und zu Lande seyn überwunden worden.  
  So wird auch von dem Römer Pompejus berichtet, er sey den 30 Sept. gebohren, aber an diesem Tage wegen der in Asien befochtenen Victorien triumphiret, und endlich sey er auch den 30 Septembr. in Egypten umgebracht worden.  
  Dieses alles, und insonderheit wenn Leute an ihrem Geburts-Tage sterben, wo es anders mit der Erzehlung seine Richtigkeit hat, muß man vielmehr einen Zufall zuschreiben, als für etwas sonderbares und fatales ausgeben. Der Mensch muß ja sterben, er muß auch an einem gewissen Tage sterben. Nun müste es wunderlich zugehen, wenn bey so viel tausend Menschen, die jährlich sterben, es sich nicht zutragen solte, daß einer oder der andere darunter just auf seinen Geburts-Tag, oder gar in der Stunde, da er gebohren worden, stürbe. Was ist also daraus zu machen, wenn es geschiehet? Eben so viel als wenn jemand an einem andern, und nicht an seinem Geburts-Tage stirbt. Tharsanders Schau-Platz ungereimter Meynungen, II Band …
     

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Stand: 5. April 2013 © Hans-Walter Pries