HIS-Data
Seckendorff: Teutscher Fürsten-Staat HIS-Data
5226-5-24
Additiones > §. 24
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Von dem primogenitor recht, auch gesamter oder getheilten landes-Regierung
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    ⇦ S. 115: §. 23
S. 115 (Forts.) Beym CAP. 3.
  § 24.
  ES wird allhier erzehlet, was zu geschehen pflege, und ist die frage einer privat-person zu tractiren zu spitzig, welche art der regierung besser und der andern vorzuziehen sey, daher ich mich des urtheils, ungeachtet libertas philosophandi erlaubet seyn soll, billich enthalte. Wie sonst ein und ander Chur und Fürstlich hauß mit erblichen verträgen oder verordnungen diesen punct gefasset, das ist zum theil, und so weit es die äusserliche form mit sich bringet, bekant; Genauer aber wissen es die räthe und vornehmste diener jedes orts, sind auch schuldig, über ausgemachten und verglichenen dingen zu halten, und haben ihre besondere meynungen, dem herkommen und Staat der provintz, in welcher sie dienen und wohnen, keines weges vorzuziehen; Von offenbaren commodis und incommodis bey-
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  derley arten, wird ehrlichen leuten gleichwohl etwas zu reden erlaubet seyn, denen zum nachdencken, welche etwan re integra einen rathschlag in diesen quæstionen geben sollen.
  In Landen, wo der Erstgebohrne allein die Landes-hoheit hat und übet, kan man ohne allen zweiffel, in wichtigen dingen viel schleuniger fortkommen, auch mehr nachdruck zur execution haben, als wo erst der Senior mit den andern Herren Interessenten communiciren, und per majora schliessen muß; Zwar, wo eine sache verzug leidet, als denn in friedlichen zeiten bey den meisten gleichwohl geschiehet, da scheinet, es könne aus der communication, und darzu gehöriger zeit, nicht allein kein übel entspringen, sondern auch mancher guter gedancke von denen an der wolfarth der gesamten lande interessirten Fürsten eröffnet werden. Hingegen aber, wo gefährliche kriegerische zeiten einfallen, oder in schweren Staats-sachen grosse geheimhaltung und tapffere fördersame anstalt erfordert wird, da könne der verzug, die gefahr der entdeckung, der widersinn und studium contradicendi, das sich inter plures leicht ereignet, unwiederbringlichen schaden verursachen. So pflegen auch vertheilte Herren offt nicht mit gnugsamen räthen und bedienten versehen zu seyn, und können die acta und uhrkunden nicht wol alle haben, also, daß leicht impertinentien oder blosse generalia in dero gutachten fürkommen möchten; Dahero sind behutsame wege zu ergreiffen, und ist auff mancherley umstände zu gedencken, wenn in einem solchen regiment das gemeine wolwesen mit
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  gutem gedeyen behauptet, und das aufnehmen, ehre und nutzen des Fürstenthums erhalten werden soll. Zumal aber ist schwer, und gleichsam für ein wunder zu achten, wenn rechtschaffene vertrauligkeit und einigkeit in dergleichen regiments-form bestehen, und nicht unwille und argwohn einreissen soll, da nemlich der Regent oder Vorsitzende vermeynet, die Herren mit-Interessenten treten ihme alzu nahe, oder hingegen diese besorgen, der ältere masse sich des majorats und alleiniger regierung nach und nach allein an. Gesamte räthe empfinden darüber ihren theil der ungelegenheit auch, und haben desto mehr zu wachen und zu arbeiten, daß sie das Band der administration erhalten, und nicht selbst zur zergliederung ursach geben. Betrachtet man denn hingegen in denen regierungen, wo die nachgebohrne mit geld oder ämtern alimentiret und versorget worden, wie schwer es denselben eingehet, einem andern, dem sie sich am stande, und offt auch an andern qualitæten, gleich achten, sich zu submittiren, ihre hoheit und splendorem, in dem aufnehmen, macht und respect des primogeniti zu suchen, und mit ihren deputaten oder zugelassener restringirter administration ihrer eingethanen ämter und örter sich zu begnügen, oder auch am andern theil, wie sauer es dem Regenten wird, solche deputata zu reichen, und die last der lande und regiments dennoch zu tragen, da heisset es abermahl: Nihil est ex omni parte beatum. Und gehöret trefliche moderation der gemüther darzu, auch sehr verständige und bescheidene ministri zu beyden thei-
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  len, wenn man die zerrüttung verhüten, und das heilsame mittel erlangen will, daß jeder in dem Stande, darinn er ist, und rechtswegen seyn soll und bey einträchtigkeit bleibe, und vergnüget lebe, auch der schwächere sein thun, staat und respect, ohne schädliche nachahmung und verderbliche ungedult, in gebührliche schrancken einrichte.*
  Noch eine sondere art einer landes theilung kann seyn, die im text nicht beschrieben worden, sich doch hiebevor in praxi gefunden, auch noch findet, daß ein land wenn es zumal groß, und von alters her zu einer allgemeinen regierung aus schuldigkeit nicht gewidmet ist, in ungleiche theile gesetzet, und dem Ältisten das meiste, den Andern hinwieder unterschiedliche portiones anderweit zugetheilet werden, entweder aus testament eines Regenten und Stamm-herrn, oder aus willkührlicher vergleichung der interessenten, und ist mit denen regalien und hoheiten hierbey auf zweyerley weise verfahren worden, entweder und einmal, daß ein jeder in dem seinigen, ob gleich grösserm oder geringerm antheil, für sich allein, als Landes-fürst, regieret, und mit den andern weiter nichts zu thun gehabt, es wäre denn etwan in etlichen, nach gelegenheit der lande, untheilbaren stücken, als da sind sessiones auf Reichs-tagen, hof- und appellation gerichte, consistoria, universitäten, bergwercke, landschaffts-sachen, in welchen man offt eine gesamtschafft behalten; Oder zum andern, daß die jüngere allzumal dem ältern, als capiti familiæ, auch in ihren zugetheilten landen etliche stücke einräumen, als zum
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  exempel; Die krieges- und friedens-sachen, auch session und vertretung auf dem Reichs-tage und dergleichen, etc. In beyderley fällen nennen sich gleichwol mit allerseits belieben, dergleichen vertheilete Fürsten, wenigers nicht Landes-fürsten und exerciren, ausser den reservaten, alle andere landes-fürstliche jura. Aus welchem erscheinet, daß die principia, welche wir oben §. 19. wider den gemeinen wahn von der universalität und untheilbarkeit der superiorität angeführet, nach dem Zustand unsers Vaterlandes teutscher nation, ihre richtigkeit haben und zu hinlegung vieler Irrsalen und Streitigkeiten nothwendig zu behalten seyn.
  * Es ist ein gar zu grosses, wolte fast sagen unmögliches præsuppositum, wenn man bey der frage, von verbesserung eines Staats oder einer glücklichen Regiments-Form, die verbesserung der menschlichen inclinationen und begierden zum grunde setzet. Gewiß, so lange der mensch ein mensch ist, so lange wird er auch wohl menschliche schwachheiten, als da bey dieser materie sonderlich sind, heimlicher neid und jalousie, mißtrauen, ehrgeitz, v. d. g. an sich behalten. Wo diese gäntzlich gehoben, oder durch geschickte ministros verhüthet werden können, da mag es gleich viel seyn, ob eine Regiments-Form nach arth eines majorats, oder seniorats, oder primogenitur bestellet werde; Ist aber solches nicht, wie es denn unmöglich seyn kan, so ist wohl die primogenitur das sicherste mittel denen uneinigkeiten und andern beschwerden zu steuren; Wo aber in einem Fürstenthum und lande ein anders eingeführet wäre, so fern ebenfalß durch gute anstalten der vorhabende endzweck, ob gleich mit größter mühe, erhalten werden, wenn sonst nur darauf mit gesehen wird , daß durch gar zu viele theilungen der splendeur der häuser nicht in abnehmen gerathe.
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Stand: 27. August 2017 © Hans-Walter Pries