S. 209 (Forts.) |
|
⇦ S. 209 §. 4 |
|
§. 5. Nach dem andern und dritten haupt-punct der
gerechtigkeit, nemlich, daß ein jeder dem andern die gebühr
erstatte, und keiner den andern beleidige, gehen nun die gesetze und
ordnungen des landes auf alle der unterthanen eigenschafften,
handthierung, thun und lassen, als fern solches einen andern und
dritten angehet, und bestehet hierinnen fürnemlich die gerechtigkeit
und billigkeit, welche durch die gesetze gesuchet wird, und zwar was
die gebühr, gleiches recht und billigkeit erfordere, in allem handel
und wandel, die zwischen etlichen personen, es sey um was es wolle,
fürgehen, was einem jeden allein von seiner person, und mit seinem
vermögen zu thun, oder vorzunehmen, zukomme, wie ferne er damit,
nach unterscheid standes und alters, für sich, oder unter der hand
seiner eltern und vormünder zu gebahren haben, bey seinem
leben, |
Scan 229 |
S. 210 |
Teutschen Fürsten-Staats |
Scan 230 |
|
oder mit verordnung nach seinem tode, wie es mit
erbschafften eine bewandniß und rechtmäßige beschaffenheit habe, was
für mißhandlungen verboten seyn, wie und an wem sie gestraffet
werden, auch wie alle diese dinge recht fürgenommen, wenn sie
streitig werden, gebührlich geklaget, gehöriger orten entschieden,
und also das recht ertheilet werde; Davon geben die löblichen
gewohnheiten, absonderliche stadt-Rechte und willkühre, landübliche,
so wohl auch die gemeine rechte des gantzen Röm. Reichs ausführliche
nachweisung, und wird sich darauf in den meisten landes-ordnungen
insgemein bezogen, und nach unterscheid der fälle, die norm und
richtschnur, wornach die gerechtigkeit und billigkeit in jeder sache
ermessen werden solle, deutlich gezeiget. Weil aber die
wissenschafft solches rechtens schwer, wichtig und weitläufftig ist,
so werden auch deßwegen die gerichte, da die unterthanen in solchen
fällen des rechtens gewarten, und sich weisen lassen müssen, mit
fleiß bestellet, auch zu dem ende Advocaten oder fürsprecher,
sonderlich denen einfältigen zum besten, gehalten, und von denen
fürnehmsten stücken, wie es in gerichten herzugehen pfleget, in der
landes-ordnung, auch andern ausschreiben absonderliche versehung
gethan, welche puncten wir aber in das nachfolgende cap. zu weiterer
ausführung versparen. Von andern dingen aber, die sonst in den
rechten, und denen davon geschriebenen büchern mit mehrern zu
finden, werden gleichwohl auch etliche in den landes-satzungen
absonderlich berühret, entweder daß es um dieselbe |
|
S. 211 |
Anderer Theil. Cap. 8. |
Scan 231 |
|
im lande eine sonderbare beschaffenheit hat, oder
daß grosse mißbräuche darwider eingerissen, die man nachdrücklich
abschaffet, oder daß sie den gemeinen nutzen sonderbar angehen, und
sie also männiglich wissen, und sich daran stets erinnern muß; aus
solchen ursachen werden nun alle die gröbsten laster und verbrechen
wider Göttliche, natürliche und land-rechte, in den landes-ordnungen
nahmentlich verboten, und die straffen, die rechtswegen darauf
verordnet sind, darbey vermeldet, damit sich niemand der
unwissenheit zu entschuldigen habe, es werden auch solche verbote
mehr geschärffet, und exequiret, wenn die mißhandlungen im lande
gemein werden, und die straffen der gemeinen rechte, die leute nicht
gnugsam abschrecken * Und bestehet in Abschaffung solcher laster und
missethaten, durch heilsame ordnung, ein grosses stück der
obrigkeitlichen pflicht. Denn eben um deßwillen, daß man für den
bösen und schädlichen leuten seinen leib, ehre und gut sicher hätte,
haben sich anfänglich, durch göttliche schickung, so viel tausend
leute unter den schutz einer oder wenig personen begeben und
denenselben so viel macht, vorzug und gewalt eingeräumet. |
|
|
Auf die güter der unterthanen wird über das, was
wir bald von ihrer nahrung und vermögen anführen werden, in etlichen
sonderbaren puncten, die im lande gar gemein sind, absonderliche
verordnung gethan, als zum exempel, nachdem die bürger, und
sonderlich das bauers-volck wegen ihrer güter, mit unterschiedlichen
beschwerden von alters her bela- |
|
S. 212 |
Teutschen Fürsten-Staats |
Scan 232 |
|
den, als mit erbzinßen, gülten, frohnen, dienste,
haupt-rechten, leib-eigenschafften, zehenden, abzug-geld, etc.
Deßwegen öffters zwischen den ämtern des Landes-Fürsten, oder denen
Ständen und andern personen des landes, welchen solche rechte
gebühren, viel irrung vorfället, so geschicht deßwegen auch, um
verhütung unnöthigen streits, oder doch zu desselben richtiger
entscheidung in denen landes-ordnungen ausführliche versehung. **
Darum auch in denen meisten örtern geordnet, daß allerhand contracte
und handlungen, die solcher und anderer unbeweglichen güter wegen
vorgehen, mit vorwissen der obrigkeit geschehen, und die brieffe
darüber in den ämtern und gerichten aufgerichtet werden müssen: Und
wird darüber mit nutz gehalten, daß keiner kein gut verhandeln,
veräussern oder vertauschen darff, mit dem gedinge, daß er die
darauf hafftende beschwerden und schuldigkeiten, davon bringen, auf
seiner person behalten, oder anderswohin wältzen wolte, *** sondern
er muß es dißfalls bey dem alten herkommen bleiben lassen. |
|
|
Wegen der felder, wiesen, höltzer, und anderer
liegenden gründe, wird zum exempel verordnet, daß sie an allen orten
richtig versteinet und vereinet, auch darüber eine nothdürfftige
beschreibung und fluhrbuch gehalten, alle Jahr auch die gräntzen
oder flur der felder umgangen werden, um einen jeden bey den
seinigen desto besser zu erhalten, und das verwechseln, abpflügen,
und andere vervortheilung bey solchen gütern, desto besser zu
verhüten. |
|
|
Wegen der wohnung und gebäude der untertha- |
|
S. 213 |
Anderer Theil. Cap. 8. |
Scan 233 |
|
nen, geschicht nicht allein insgemein die
vorsorge, daß allerhand tüchtige materialien an holtz, stein, kalck,
ziegel, und dergleichen, sonderlich bey denen städten um ein
leidliches im vorrath sey, sondern es werden auch wohl sonderbare
bau-ordnungen aufgerichtet, und darinnen die leute dahin gehalten,
daß sie bey ihren gebäuden auf die währhafftigkeit, wohlstand und
gesundheit sehen müssen. **** Ingleichem, weil durch verwarlosung
und unglück grosser schaden mit feuersbrünsten in städten,
schlössern, dörffern, auch feldern und wäldern, geschehen kan, wird
deßwegen eine sonderbare Feuer-Ordnung ausgefertiget, wie man sich
für veranlassung solches schadens auf vielerley wege hüten, gute
bereitschafft, zu vorkommung desselben halten, auch wie man in
entstehender brunst zu hülffe kommen soll. |
|
|
* Und gilt demnach hier die regul der medicorum:
daß bey desperaten zufällen desperate remedia gebrauchet werden
müssen. Es erhellet aber auch dieses daraus, daß ein Fürst nicht
leicht und ohne sonderbahr erhebliche ursachen zur dispensation
derer verdienten straffen, sich solle bewegen lassen, denn durch
häuffige dispensationes, der gesetze autorität verringert und
folglich die bösen menschen zu mehrerer übertretung der selben
angereitzet werden. Wovon anderswo ein mehrers. |
|
|
** Bey denen unterthanen selbst möchte diese
entscheidung wohl einen nutzen haben, aber die strittigkeiten
zwischen denen fürstlichen ämtern und denen land-ständen zu heben,
sind solche, wie die erfahrung lehret, nicht hinlänglich. Besser
dienet dazu ein gründliches Amts Erbbuch, und Beschreibung, wenn
solches nach seinen requisitis gefertiget worden. Denn dieses giebet
alsdenn einen rechten fuß die jura der |
|
S. 214 |
Teutschen Fürsten-Staats |
Scan 234 |
|
fürstlichen ämtern wieder die stände zu
vertheydigen, zugleich auch vielen irrungen vorzubeugen. |
|
|
*** Dahin gehöret auch, wenn unterthanen aus ihren
gütern einige stücke frey verkauffen, und die völlige beschwerden
des gantzen guts über sich behalten. Worauf ebenfalls und um so mehr
fleißige aufsicht zu führen, als die possessores dadurch ruiniret
und zu entrichtung der herrschafftl. abgaben untüchtig gemacht
werden. Dahero einiger orten die vereinzelung solcher güter
gäntzlich verboten ist. |
|
|
**** Eine löbliche darzu dienende anordnung die
bestellung eines land baumeisters oder directoris, ohne dessen
vorwissen niemands einen sonderlichen bau vornehmen darff. Es kan
auch ein bauherr solcher person leichter eine mäßige discretion
abgeben, als sich aus unwissenheit in vielen schaden bringen. |
Forts. S. 214: §. 6 ⇨ |