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Forts. S. 145 Sp. 2 |
BODENWEIN, Botwein, Botenwein, vinum testimoniale.♦ |
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Bei den öffentlichen Gerichten, welche nach der alten teutschen
Gerichtsverfassung jährlich zu gewissen Zeiten und an bestimmten Orten gehalten wurden, Botdingen
oder ungebotenen Gerichten, wurden unter andern auch die mit dem Eigenthum liegender Güter
vorgegangenen Veränderungen, als Kauf und Verkauf etc. von den Contrahenten angezeigt, und durch
Auflassung (Übergabe, Abtretung) von der einen Seite, und Einwehrung des künftigen Besitzers von
der andern, unter mancherlei Feierlichkeiten gerichtlich vollzogen. Zu diesen Feierlichkeiten gehörte
dann auch, daß das Gericht andre glaubhafte unparteiische Männer zu einer solchen Handlung zuzog,
um bei entstehendem Zweifel oder Streit Zeugniß ablegen zu können. Der Richter oder Vorsitzer
pflegte sie dann auch wol mit dem Zuruf: seyd dessen eingedenk, beim Ohr zu zupfen. Zur
Sicherstellung des Eigenthums und Besitzes waren in frühern Zeiten dergleichen Feier- |
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BODENWEIN |
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lichkeiten um so nöthiger, als noch keine Grund- oder Lagerbücher über sämtliche
in einem Orts- oder Amtsbezirk gelegene Immobilien geführt wurden. —♦ |
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Solche Zeugen wurden in manchen Gegenden Boden, Boten, vermuthlich von
verboten, vorladen, genant, weil sie von Gerichtswegen zu der Handlung vorgefodert wurden. —
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Zur Belohnung und um das Andenken an die ganze Handlung desto eher zu
erhalten, mußte dann alter Gewohnheit nach von den Parteien ein Bestimmtes verabreicht werden,
Orkonde oder Urkunde genant. So wird in einem Instrumente vom J. 1314 über den gerichtlichen
Verzicht der Gisela v. Scharfenstein auf den Nachlaß ihres Bruders gesagt: „quam —
renuntiationem — omnes qui — placito presentes interfuerunt, nobiles, milites — etc. prout
consuetudinis est et moris patrie coram se factam collaudarunt — et accepto intersigno, quod
volgariter Urkunde dicitur, gratanter confirmarunt." —♦ |
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Eine solche Urkunde war dann auch häufig, da nicht leicht eine Feierlichkeit irgend
einer Art ohne Zechen seyn konnte, der Wein, oder ein anderes Getränke, welches dem Gericht und
den Zeugen gereicht ward, und von den letzten den Namen Bodewein führte. Eine Urk. über Kloster
Eberbacher Güter zu Ingelheim von 1243 sagt darüber: „ad confirmationem — omnium
promissorum fratres (die Klosterbrüder) vinum testimoniale dederunt, solempniter et testes qui vulgo
Boden dicuntur apud nos, dati sunt eis — Didericus de Lymburg — etc." und eine andre von 1342. —
„Prefatis etiam Sculteto et Scabinis de iure ipsorum quod vulgariter Orkunde sive Bodewin
dicitur, ipse Mag. Hermannus gloriose — iuxta consuetudinem — secularis iudicii satisfecit." —
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Anderwärts kommen die Boden unter der Benennung: Denkmannen vor, weil sie
der Verhandlung eingedenk seyn mußten; z. B. in einem zu Achen ausgefertigten Kaufbriefe
von 1252: „ad maiorem predictorum certitudinem Dencmanni sunt adhibiti — Symon et
Martinus magistri civium etc." |
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Weinkauf |
Bodenwein ist auch unter dem häufiger vorkommenden und noch jetzt üblichen
Weinkauf begriffen, so wie die Boden auch Weinkaufskunden, Weinkaufsleute, genant werden
können. Doch hat Weinkauf, auch Weingeld, vinicopium, eine weitere Bedeutung , so daß
Bodenwein eigentlich nur eine besondere Art von Weinkauf ist. Letztrer ward auch außergerichtlich,
wie noch an vielen Orten gewöhnlich ist, und alsbald bei dem Abschluß eines Handels, oder eines
andern Contrakts, z. B. einer Verlobung, an die zugezogenen Zeugen gegeben, und ehe der
Weinkauf getrunken war, hielt sich kein Theil unwiderruflich an sein Wort gebunden. Selbst manche
Gerichte nahmen, wenn Streit entstand, keine Klage auf Vollziehung an, falls Weinkaufsleute, als
Zeugen des wirklichen Abschlusses bei dem Trunk, dem Gericht nicht vorgestellt werden konnten. —
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Diesem außergerichtlichen folgte dann aber in geeigneten Fällen auch noch der
gerichtliche Weinkauf, worunter der Bodenwein begriffen ist, welcher aber den Gerichten in neuern
Zeiten meistens in Geld verabreicht ward. |
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(Weinkauf als eine Art von Laudemien gehört nicht hieher). |
(v. Arnoldi.) |
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BODENZINS |
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BODENWERDER |
BODENWERDER, eine kanzleisässige Stadt in dem Amte Polle der hannöverschen
Provinz Kalenberg.♦ |
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Sie liegt an der Weser, wovon ein Arm sie umgibt und zur Insel macht, 1 7⁄8
Meilen von Hameln entfernt, ist mit Mauern umgeben, aus welchen 2 Thore führen, hat 1 öffentlichen
Platz, 1 Kirche, 2 Elementarschulen, 3 Landgüter, 1 Rathhaus, 1 Brauhaus, 230 Häuser und schlecht
gepflasterte enge Straßen und 1300 Einw. (1812. 1264), worunter 31 Juden.♦ |
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Ihre Nahrung zieht sie aus dem Ackerbau, der Garn- und Wollspinnerei, einigen
bürgerlichen Gewerben und der Krämerei; sie hält 4 Jahrmärkte, aber an der Weserschiffahrt, wozu sie
sonst gut gelegen ist, nimt sie nur mit 1 Schiffe Theil. Sie ist mit der Herrschaft Homburg, wozu sie
sonst gehörte, an das Fürstenthum Kalenberg gekommen, doch war H. Otto das Kind schon seit 1247
damit beliehen (Scharfs Pol. Staat S. 41) und hatte auch von den Herzogen 1287 ihre Stadtrechte
erhalten. |
(Hassel.) |
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