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Quellenangaben |
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Gunst oder Gewogenheit ist, wenn man dem
andern wohl
will. |
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Der
Grund davon ist die Hochachtung, welche
der andere bey uns gegen sich erwecket. Hieraus
folgt, daß wir denselben unserer Zuneigung
würdig schätzen. Es
müssen also an dem
andern, dem wir günstig sind, einige
Eigenschafften sich befinden, welche uns gefallen,
und also Hochachtung und daher flüssende
Zuneigung in uns zeugen. |
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Ist nun das, was uns an dem andern wohlgefällt,
würcklich
gut, so ist unsere Gunst
vernünfftig,
unvernünfftig aber ist sie, wo es nicht
die Bewandniß hat. |
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Bey dem allen aber hat das seine
völlige
Richtigkeit, was Gratian Orac. ... nach
Müllers Übersetzung
sagt: |
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Die Gunst derer Menschen erleichtert alles;
sie ersetzet alles, wenn auch irgend wo ein Mangel
ist. Wenn sie einen Menschen ein Mahl heben will,
so suchet sie nicht allererst an ihm diejenigen
Eigenschafften, diejenige Tapferkeit, Redlichkeit,
Wissenschafft, ja denjenigen Verstand, so zu
denen ihm zugedachten Ehren-Stellen erfordert
wird; sondern sie trauet ihm durch ein nützliches
Vorurtheil dieses alles schon vorhero zu: Seine
Gebrechen ist sie nicht fähig zu sehen, weil sie mit
allem Willen vor selbigen ihre Augen
verschlüsset. |
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Ins gemein wird sie veranlasset durch eine
materiale Gleichheit der Gemüths-Art, der Nation,
der Anverwandtschafft, des Vaterlandes, der
Lebens-Art, etc. Allein es ist noch über dieses
dergleichen formale Gleichheit, welche zwischen
höhern Seelen Statt hat, und auf sonderbare
Eigenschafften, auf grosse Verdienste, dadurch
einer |
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{Sp. 1407|S. 721} |
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um den andern sich verdient gemacht, auf
den besondern Ehren-Ruhm, der in der Welt von
ihm erschollen, auf wichtige Verdienste sich
gründet: Es ist nur schwer, dergleichen Art von
Gewogenheit in der Welt zu erwerben; aber um
desto leichter, sie beständig zu erhalten, wenn sie
ein Mahl erworben. Doch kan sie durch
unverdrossene Bemühung, denen Leuten nützlich
zu seyn, aller Dings erwecket, und sodann
vermittelst der Klugheit zur Erlangung der
wichtigsten Vortheile angewendet und genutzet
werden. |
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Willt du nun dich in jetzt beschriebene
vortheilhafte
Umstände setzen, so
must du
solches
klug anfangen. Der gemeine Fehler
dererjenigen, so des andern Gunst erwerben
wollen, ist, daß sie jedem nach einen Maß-Stabe, der doch wohl noch dazu unrichtig ist, abmessen. So hat
z.E. einer angemercket, daß ehedem einen hochmüthigen
angenehm gewesen,
wenn man ihm öffters seine Aufwartung
gemachet. Daher hat sich der alberne
Mensch
eine allgemeine
Regel gemacht; willst du des
andern Gewogenheit erhalten, so warte ihm
fleisig
auf. |
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Es ist aber dieses so unzuverläßlich, daß du
eben mit dieser allgemein gemachten
Sache dir
an der Erlangung des andern Gunst hinderlich
seyn wirst. Würdest du zum
Wollüstigen kommen,
und ihn öffters aufwarten wollen, so würde er nach
seiner Gemüths-Art aus solcher Ceremonie
entweder gar nichts machen, oder du ihn würdest
ihm wohl ungelegen kommen, da er vielleicht
eben in dem sein Vergnügen zu genüssen, und
du ihn eben mit deinem Besuch daran hinderst; ja
es könnte kommen, daß du ihm eben über dem
Vergnügen anträffest, daß er doch niemand wolte
wissen lassen, daß du also auf diese Weise
erführest,
welches wieder seine Absichten. |
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Bey dem
Geldgeitzigen wirst du eben Falls,
es sey denn, daß du
Geld mitbrächtest, oder ihm
solche Nachricht sagtest, die ihm in seiner
Gemüths-Neigung unterhielten, nicht gar zu
lieb
gesehen seyst, der du vielmehr durch deine Aufwartung
ihm etwas
Zeit benimmst, da er einen Zuwachs
seines
Vermögens hätte erhalten können. Ja wer
weiß, ob der hochmüthige auch alle Zeit damit zu
Frieden? Vielleicht wird er es ansehen, als ob man
ihn also geringschätzig halte, gleich als ob man
ihn nach
eigenem Belieben überlauffen könne.
Oder, weil der Hochmüthige weiß, daß wir das,
was wir öffters haben, geringe achten, auch allzu
grosse Vertrauligkeit bey dem andern
Verachtung
würcke, so wird er sich rar machen,
und du wirst mit deiner Aufwartung
unrecht
ankommen. |
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Willt du also anderer Leute Gunst und
Gewogenheit erhalten, so richte dich nach ihnen.
Dazu ist
nöthig, daß du ihre Neigungen erst
kennen lernest, so wirst du das finden, was diesem
oder jenem lieb. Da must du nun das vornehmen,
was du jeden vor angenehm zu seyn befunden, so
kanst du dir des andern Gunst versprechen.
Beobachte aber ja mit der grösten Sorgfalt das,
was du
erkannt, das ihnen lieb. Denn so werden
sie erkennen, daß es dein
würcklicher Ernst, ihre
Gewogenheit zu erhalten, sey. |
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Hiernächst gieb dir
Mühe um
Gelegenheit,
bey welcher du ihnen dein ergebenes
Gemüth an
den
Tag legen kanst.
Und zeiget sich eine Gelegenheit, so laß dieselbe ja nicht vorbey,
vielmehr laß deinen Eifer blicken, wie willig du
seyst, ihm zu dienen. |
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Ob nun zwar bey dem allen deine Absich-
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{Sp. 1408} |
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ten, und zwar mit
Recht, dein
eigen Wohl
zu befördern, so suche dieses nach
Möglichkeit zu
verbergen, weil eben hierdurch der Werth unserer
Gefälligkeit bey dem andern wegfällt. Vielmehr
suche den andern zu überzeugen, daß lediglich
dein
Zweck,
ihn gefällig zu seyn. Hierdurch wird der andere gereitzet werden, immer auf
Gegen-Gefälligkeiten bedacht zu seyn, und du hast nunmehro dessen Gunst, welche
dir auch nun selbst
würcklichen
Vortheil bringt. |
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Fahret ihr nun beyder Seits hierinnen fort, so
wird daraus endlich so ein starckes
Band der
Freundschafft, daß ihr mit einander in Gegen-Gefälligkeiten um die Wette streiten, und jeder des
andern Wohl als sein eigenes ansehen
wird. |
Müller
Politic. ... |
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Dabey ist aber wohl in Acht zu nehmen, daß
du die Erwerbung des andern Gunst nicht bis
dahin
verwahrest, da du sie brauchest. Denn da
wirst du den andern Verdacht erwecken, als ob
alle deine Dienste nicht aus Ergebenheit gegen
den andern, sondern aus
Eigennutz geschähe.
Der andere wird das, was du ihm erweisest, so ansehen, als ob du wohl
müstest. Man wird dir
vor deine Dienste sich nicht
verbunden achten,
sondern als
Schuldigkeiten ansehen, die du wohl
abtragen müstest, weil du dessen Hülffe bedürfftest. Derowegen so es immer
möglich, erwirb dir
des andern Gunst, ehe derselbe den geringsten
Verdacht schöpfen kan, als ob deine
Bemühungen aus Eigennutz geschähen, und da
derselbe am wenigsten
weiß, wie uns unser
gutes
zu vergelten. |
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Halt übrigens das, was du dem andern
erweisest, nicht gleich vor verlohren, wenn gleich
zur
Zeit noch keine
Hoffnung der Vergeltung. Wir
können uns nicht so viele
Mögligkeiten machen,
als würcklich geschiehet, daß einer uns, da wir es
am wenigsten geglaubet, seiner Gunst
empfinden
lässet. |
Müller l.c. ... Anmerck. |
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