S. 301 (Forts.) |
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§. 1. Man befindet zwar so wohl in heiliger
göttlicher schrifft, als weltlichen historien, welcher gestalt in
der ersten zeit der welt nicht ungewöhnlich gewesen , daß die
oberste häupter eines jeden geschlechts, und förderst die könige und
fürsten, das |
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S. 302 |
Teutschen Fürsten-Staats |
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priesterliche amt, so wohl in der wahren kirchen
GOttes, als bey heydnischen abergläubischen völckern selbst, neben
der obrigkeitlichen und königlichen hoheit gebrauchet, biß es
hernachmahls durch das Mosaische gesetz auf göttlichen befehl
abgesondert, und in der Jüdischen policey zu der priesterlichen
amts-verrichtung andere personen bestellet worden. Nichts desto
weniger aber, wie wir oben gemeldet, die aufsicht und obrigkeitliche
behauptung des kirchen-wesens dem könige obgelegen. Ob nun zwar in
der kirchen Neuen Testaments solche Levitische priesterschafft
aufgehoben, und es scheinet, daß es eben nicht klärlich verboten
sey, daß einer nicht zugleich ein regent, und ein kirchen-diener
seyn könne so ist es doch der großwichtigkeit dieser beyderley
verrichtungen halber vor sich selbst nicht müglich, daß eine person
allen beyden recht vorstehen könne. Massen dannenhero nach der
gewohnheit der Ersten christlichen kirchen, ja durch etliche mahl
gemachte allgemeine schlüsse sehr geunbilliget worden, wenn ein
weltlicher herr zugleich des kirchen-amts selbst, oder hingegen ein
kirchen-diener einer weltlichen herrschafft angemasset, wiewohl es
nachmahls und schon längst dahin kommen, daß geistliche bischöffe
und prälaten an vielen orten zugleich grosse und mächtige weltliche
fürstenthümer besitzen und verwalten, auch darbey durch ordnung der
reiche und lande geschützet und gehandhabet werden.* Nach obigem
grunde aber setzen wir, daß ordentlicher weise einem landes-herrn
nicht zustehe, daß er selbst lehre, |
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Anderer Theil. Cap. 12. |
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predige, die Sacramenta reiche, und dergleichen
eigentlicher kirchen-amts-verrichtung sich anmasse. Damit er aber
demjenigen, was wir in vorhergehendem capitel seines hohen amts
dißfalls zu seyn vermeldet, recht vorstehe, so erheischet die
nothdurfft, daß er gleichwohl einen verstand und wissenschafft
darvon habe. Denn wie kan und will er sonst von solchen wichtigen
dingen, welche der menschen seligkeit, und den gottesdienst, also
das höchste und beste in seinem regiment-wesen betreffen, urtheilen,
ordnen und schaffen, wo er der christlichen religion, der
kirchen-ordnung und gebräuche, und der beschaffenheit seines landes, in
kirchen-sachen nicht zur genüge erfahren und kundig ist. Schämen
sich derowegen christliche landes-herrn gar nicht, von jugend auf in
diesem stück viel zu lesen, zu hören, und zu erfahren, und folgen
hierinnen dem göttlichen gebot, das er vor zeiten den fürsten und
königen seines auserwehlten volcks gethan, daß sie nemlich das
gesetz GOttes sollen betrachten tag und nacht, das ist, zum
fleißigsten, als es müglich: Sie folgen nach dem exempel aller
christlichen könige und potentaten, welche von sich in ihren
öffentlichen satzungen und patenten geschrieben haben, daß in der
wissenschafft und verstande der religion und kirchen-sachen, ihre
gröste sorge und mühe bestehe: Und ob gleich solche wissenschafft
nicht aufs höchste kan getrieben werden, wie etwan von denenjenigen,
die ihre gantze lebens-zeit damit zubringen, so kan doch die
nothdürfftige nachricht, was zu |
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S. 304 |
Teutschen Fürsten-Staats |
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christlicher religion und glaubens-bekäntniß,
guter kirchen-ordnung und disciplin, nützlicher anstalt in schulen,
und in andern milden sachen, aus denen darüber so vielfältig
verfasseten schrifften, ordnungen und aufsätzen, einem regenten
nicht ermangeln, und ist darvon göttlicher seegen reichlich zu
erwarten. Denn Gott giebt sein gericht, verstand und weißheit, in
solchen dingen den königen, er lässet sie wissen die verborgene und
heimliche weißheit, er leitet ihre hertzen, und erweiset sich, wie
in einem jeden gläubigen christen, also noch vielmehr und kräfftiger
in denen personen der hohen obrigkeiten, die dißfalls ihn darum
anruffen, die weißheit von ihm bitten, und solches hohen stücks
ihrer regierung halben sorgfältig und fleißig seyn. ** |
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Nechst dieser wissenschafft und erkundigung,
welche die person des Landes-Fürsten bey dieser ihrer verrichtung
haben muß, gehöret, und lässet sich nützlich spühren, auch
fürnehmlich die tugend der gottesfurcht, darvon wir insgemein oben
bericht gethan. Denn ob wohl auch gottlose böse regenten, ja gar
ketzerische und abergläubige eine wissenschafft von christlicher
religion und kirchen-sachen haben, und dahero, wie wir dessen viel
exempel finden, sich auch einer botmäßigkeit gebrauchen, und ein
anders verordnen können, so ist doch handgreifflich, mit wie viel
grösserm seegen und nutz der lande und leute das geistliche regiment
geführet werde, wenn der landes-herr nicht allein solche dinge
verstehet, sondern auch mit wahrer furcht GOttes in |
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S. 305 |
Anderer Theil. Cap. 12. |
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rechtschaffener treue und frömmigkeit solche
sachen führet und dirigiret. |
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Gleichwie wir oben cap. 5. andeutung gethan, wie,
und aus was ursachen der landes-herr zu seiner weltlichen
regiments-arbeit treue räthe und diener haben muß: Also wiederholen wir
solches auch hieher, und ist an deme, daß, wie zu ietzt-gedachten
weltlichen regierungs-geschäfften in fürstenthümern und landen eine
rath-stuben von cantzlar und räthen, also zu verführung des
geistlichen regiments ein consistorium von dem landes-herrn geordnet
ist. |
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* Das allerschlimmeste ist, daß sie bey solchen
zustande auch noch von allen zwang der rechtmäßigen weltl. obrigkeit
independent, und dagegen an ein auswärtiges haupt verknüpffet seyn
wollen, daher sie der mehr angezogene berühmte Hertius unter die
dienstbare regenten (respublicas servientes) rechnet, welches
fürwahr sonderlich vor Teutschland ein grosser schimpff und schade
ist, da solches vielmehr die ober-herrschafft über den Römischen
stuhl haben solte. |
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** Man siehet aber auch nicht ab, warum eine hohe
obrigkeit sich nicht solte in göttlichen sachen so viel capacität
zuwegen bringen können, daß sie die direction des kirchen-wesens,
wenigstens, mit beyhülffe anderer gelehrten personen, zu führen
nicht geschickt wäre, gleich als sie sonst in weltlichen sachen
regieret, gesetze giebet, u. d. g. ob gleich sonst zu einen Doctore
juris mehr erfordert wird. Es ist aber auch einem regenten am
allermeisten daran gelegen, daß die wahre religion rechtschaffen
getrieben werde, weil er dadurch gute unterthanen, wie wir sonst
schon gesaget, bekommen, auch sich des göttlichen beystandes um so
mehr versichern kan. |
S. 306: §. 2 ⇨ |