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Seckendorff: Teutscher Fürsten-Staat HIS-Data
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Von des landes-herrn verrichtungen beym geistlichen regiment...
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  §. 1. Man befindet zwar so wohl in heiliger göttlicher schrifft, als weltlichen historien, welcher gestalt in der ersten zeit der welt nicht ungewöhnlich gewesen , daß die oberste häupter eines jeden geschlechts, und förderst die könige und fürsten, das Scan 321
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  priesterliche amt, so wohl in der wahren kirchen GOttes, als bey heydnischen abergläubischen völckern selbst, neben der obrigkeitlichen und königlichen hoheit gebrauchet, biß es hernachmahls durch das Mosaische gesetz auf göttlichen befehl abgesondert, und in der Jüdischen policey zu der priesterlichen amts-verrichtung andere personen bestellet worden. Nichts desto weniger aber, wie wir oben gemeldet, die aufsicht und obrigkeitliche behauptung des kirchen-wesens dem könige obgelegen. Ob nun zwar in der kirchen Neuen Testaments solche Levitische priesterschafft aufgehoben, und es scheinet, daß es eben nicht klärlich verboten sey, daß einer nicht zugleich ein regent, und ein kirchen-diener seyn könne so ist es doch der großwichtigkeit dieser beyderley verrichtungen halber vor sich selbst nicht müglich, daß eine person allen beyden recht vorstehen könne. Massen dannenhero nach der gewohnheit der Ersten christlichen kirchen, ja durch etliche mahl gemachte allgemeine schlüsse sehr geunbilliget worden, wenn ein weltlicher herr zugleich des kirchen-amts selbst, oder hingegen ein kirchen-diener einer weltlichen herrschafft angemasset, wiewohl es nachmahls und schon längst dahin kommen, daß geistliche bischöffe und prälaten an vielen orten zugleich grosse und mächtige weltliche fürstenthümer besitzen und verwalten, auch darbey durch ordnung der reiche und lande geschützet und gehandhabet werden.* Nach obigem grunde aber setzen wir, daß ordentlicher weise einem landes-herrn nicht zustehe, daß er selbst lehre,
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  predige, die Sacramenta reiche, und dergleichen eigentlicher kirchen-amts-verrichtung sich anmasse. Damit er aber demjenigen, was wir in vorhergehendem capitel seines hohen amts dißfalls zu seyn vermeldet, recht vorstehe, so erheischet die nothdurfft, daß er gleichwohl einen verstand und wissenschafft darvon habe. Denn wie kan und will er sonst von solchen wichtigen dingen, welche der menschen seligkeit, und den gottesdienst, also das höchste und beste in seinem regiment-wesen betreffen, urtheilen, ordnen und schaffen, wo er der christlichen religion, der kirchen-ordnung und gebräuche, und der beschaffenheit seines landes, in kirchen-sachen nicht zur genüge erfahren und kundig ist. Schämen sich derowegen christliche landes-herrn gar nicht, von jugend auf in diesem stück viel zu lesen, zu hören, und zu erfahren, und folgen hierinnen dem göttlichen gebot, das er vor zeiten den fürsten und königen seines auserwehlten volcks gethan, daß sie nemlich das gesetz GOttes sollen betrachten tag und nacht, das ist, zum fleißigsten, als es müglich: Sie folgen nach dem exempel aller christlichen könige und potentaten, welche von sich in ihren öffentlichen satzungen und patenten geschrieben haben, daß in der wissenschafft und verstande der religion und kirchen-sachen, ihre gröste sorge und mühe bestehe: Und ob gleich solche wissenschafft nicht aufs höchste kan getrieben werden, wie etwan von denenjenigen, die ihre gantze lebens-zeit damit zubringen, so kan doch die nothdürfftige nachricht, was zu
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  christlicher religion und glaubens-bekäntniß, guter kirchen-ordnung und disciplin, nützlicher anstalt in schulen, und in andern milden sachen, aus denen darüber so vielfältig verfasseten schrifften, ordnungen und aufsätzen, einem regenten nicht ermangeln, und ist darvon göttlicher seegen reichlich zu erwarten. Denn Gott giebt sein gericht, verstand und weißheit, in solchen dingen den königen, er lässet sie wissen die verborgene und heimliche weißheit, er leitet ihre hertzen, und erweiset sich, wie in einem jeden gläubigen christen, also noch vielmehr und kräfftiger in denen personen der hohen obrigkeiten, die dißfalls ihn darum anruffen, die weißheit von ihm bitten, und solches hohen stücks ihrer regierung halben sorgfältig und fleißig seyn. **
  Nechst dieser wissenschafft und erkundigung, welche die person des Landes-Fürsten bey dieser ihrer verrichtung haben muß, gehöret, und lässet sich nützlich spühren, auch fürnehmlich die tugend der gottesfurcht, darvon wir insgemein oben bericht gethan. Denn ob wohl auch gottlose böse regenten, ja gar ketzerische und abergläubige eine wissenschafft von christlicher religion und kirchen-sachen haben, und dahero, wie wir dessen viel exempel finden, sich auch einer botmäßigkeit gebrauchen, und ein anders verordnen können, so ist doch handgreifflich, mit wie viel grösserm seegen und nutz der lande und leute das geistliche regiment geführet werde, wenn der landes-herr nicht allein solche dinge verstehet, sondern auch mit wahrer furcht GOttes in
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  rechtschaffener treue und frömmigkeit solche sachen führet und dirigiret.
  Gleichwie wir oben cap. 5. andeutung gethan, wie, und aus was ursachen der landes-herr zu seiner weltlichen regiments-arbeit treue räthe und diener haben muß: Also wiederholen wir solches auch hieher, und ist an deme, daß, wie zu ietzt-gedachten weltlichen regierungs-geschäfften in fürstenthümern und landen eine rath-stuben von cantzlar und räthen, also zu verführung des geistlichen regiments ein consistorium von dem landes-herrn geordnet ist.
  * Das allerschlimmeste ist, daß sie bey solchen zustande auch noch von allen zwang der rechtmäßigen weltl. obrigkeit independent, und dagegen an ein auswärtiges haupt verknüpffet seyn wollen, daher sie der mehr angezogene berühmte Hertius unter die dienstbare regenten (respublicas servientes) rechnet, welches fürwahr sonderlich vor Teutschland ein grosser schimpff und schade ist, da solches vielmehr die ober-herrschafft über den Römischen stuhl haben solte.
  ** Man siehet aber auch nicht ab, warum eine hohe obrigkeit sich nicht solte in göttlichen sachen so viel capacität zuwegen bringen können, daß sie die direction des kirchen-wesens, wenigstens, mit beyhülffe anderer gelehrten personen, zu führen nicht geschickt wäre, gleich als sie sonst in weltlichen sachen regieret, gesetze giebet, u. d. g. ob gleich sonst zu einen Doctore juris mehr erfordert wird. Es ist aber auch einem regenten am allermeisten daran gelegen, daß die wahre religion rechtschaffen getrieben werde, weil er dadurch gute unterthanen, wie wir sonst schon gesaget, bekommen, auch sich des göttlichen beystandes um so mehr versichern kan.
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Stand: 2. Oktober 2017 © Hans-Walter Pries